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So vertraut Italien deutschen Reisenden schon immer war und so innig die Liebe der Deutschen zur «italianità», so fremd erscheint das Land heute. Tatsächlich scheint es immer fremder zu werden - denkt man an seine populistische Regierung, an einstürzende Brücken oder an das Fortbestehen der Mafia. Woher kommt das alles? Thomas Steinfeld hat in Italien gelebt und das Land bereist, von Südtirol bis Apulien, von den Gebirgspässen des Nordens bis zu den Olivenplantagen des Südens. Hier zeigt er das ganze Italien: das rege Treiben in den Zentren von Rom, Venedig oder Florenz ebenso wie die…mehr

Produktbeschreibung
So vertraut Italien deutschen Reisenden schon immer war und so innig die Liebe der Deutschen zur «italianità», so fremd erscheint das Land heute. Tatsächlich scheint es immer fremder zu werden - denkt man an seine populistische Regierung, an einstürzende Brücken oder an das Fortbestehen der Mafia. Woher kommt das alles? Thomas Steinfeld hat in Italien gelebt und das Land bereist, von Südtirol bis Apulien, von den Gebirgspässen des Nordens bis zu den Olivenplantagen des Südens. Hier zeigt er das ganze Italien: das rege Treiben in den Zentren von Rom, Venedig oder Florenz ebenso wie die Arbeitersiedlungen der Industriegebiete und das Elend der Vorstädte. Er schildert den ländlichen Heiligenkult, die Begeisterung für schöne Autos, die Erfindung des Slow Food, erklärt das Land aber auch aus seiner Geschichte heraus: von der Renaissance bis zum Duce-Faschismus, der noch heute an manchen Orten nachwirkt.
Thomas Steinfeld zeigt eine Gesellschaft, die vielfältiger und oft anders ist, als man es sich nördlich der Alpen vorstellt - und zugleich Landschaften und Kulturschätze, die nie an Anziehungskraft verloren haben. Ein reiches, ebenso sinnliches wie reflektiertes Italien-Porträt, das uns die Widersprüchlichkeit und Schönheit dieses faszinierenden Landes mit neuen Augen sehen lässt.
Autorenporträt
Steinfeld, ThomasThomas Steinfeld, geboren 1954, war Literaturchef der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», bevor er zur «Süddeutschen Zeitung» wechselte, für die er als Leiter des Feuilletons und zuletzt als Italien-Korrespondent arbeitete. Von 2006 bis 2018 lehrte er als Professor für Kulturwissenschaften an der Universität Luzern. Thomas Steinfeld ist Autor mehrerer vielbeachteter Bücher, darunter «Der Sprachverführer» (2010) und «Herr der Gespenster. Die Gedanken des Karl Marx» (2017).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2020

Schon Goethe verpasste Mailand

Über ein Land alter deutscher Sehnsucht, das manchen Besuchern fremd geworden ist: Thomas Steinfeld komponiert eine italienische Reise.

Von Andreas Rossmann

Ein Buch über Italien, das sich im Untertitel als "Porträt eines fremden Landes" ausweist, mag sehr verschiedene Reaktionen auslösen, nur eines ganz bestimmt nicht: schnelles Einverständnis. Ausgerechnet Italien, das Sehnsuchtsland (nicht nur) der Deutschen, welches wie kein anderes bereist und bewundert wird und seit drei Jahrhunderten Schriftsteller und Künstler - von Johann Wolfgang Goethe und Karl Philipp Moritz über Victor Hehn und Hugo von Hofmannsthal bis zu Eckart Peterich und Joachim Fest - fasziniert und beflügelt, soll uns nicht vertraut, sondern fremd sein?

Aber stimmt diese Außensicht noch? Und welche Wirklichkeit bildet sie ab? Derzeit erscheint Italien als Land der politischen Instabilität und wirtschaftlichen Stagnation, das unter niedriger Geburtenrate und hoher Jugendarbeitslosigkeit, dem Ausverkauf der Industrie und auswandernden Wissenschaftlern, Korruption und organisierter Kriminalität, einstürzenden Brücken und Naturkatastrophen leidet, ein Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, von der sich heute viele Italiener im Stich gelassen fühlen. Diese Krisensituation fand in der ersten Regierung Conte, für die die Anti-Establishment-Partei "Movimento Cinque Stelle" und die rechtspopulistische Lega eine (inzwischen gescheiterte) Mesalliance eingingen, ihren politischen Ausdruck.

Das überlieferte, oft idealisierte Bild und die Realität des Landes klaffen auseinander. Zugleich besteht die ungebrochene Kontinuität einer in ihrer Vielfalt einzigartigen Kreativität und Lebensart fort, die Volker Reinhardt in seiner Kulturgeschichte "Die Macht der Schönheit" (F.A.Z. vom 24. Dezember) durch zehn Jahrhunderte konturiert hat. Thomas Steinfeld kam nach Italien, von wo er von Ende 2013 bis Frühjahr 2018 als Kulturkorrespondent für die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, als sich diese Entwicklung bereits ankündigte: "Italien ist, so ein mittlerweile weitverbreiteter Eindruck, vielleicht immer schon ein anderes Land gewesen, als man jeweils glaubte", bemerkt er im Prolog seines neuen Buchs. Nicht nur vielen Ausländern, auch vielen Italienern sei es fremd geworden. In dieser Differenz zwischen Erwartung und Erfahrung entfaltet Steinfeld sein Thema.

Seine italienische Reise beginnt in Margreid, einem Dorf im Etschtal, wo ihn das erste Versprechen des Südens anweht. Dabei ist sie keine "Grand Tour", sondern besteht aus vielen Ausflügen und Aufenthalten. Von Piemont führt sie die Westküste hinunter nach Sizilien und zurück die Ostküste hinauf nach Venetien. In San Sebastiano, einem Dorf am Oberlauf des Po, findet Steinfeld die ideale Landschaft, die er in ihrer Eigenart als Muster des "bel paese" charakterisiert, Turin schätzt er als unterbewertete Schönheit, in der sich Italien und Frankreich begegnen; im stillgelegten Bahnhof von Santo Stefano Belbo nimmt er die Spuren von Cesare Pavese auf, und im Landgut Albertina bei Bra besucht er den vom politischen Aktivisten zum "weisen Patron" der italienischen Küche gewandelten Gründer der "Slow Food"-Bewegung.

Auch in Ligurien erfolgt der Einstieg über ein Dorf, Villatalla oberhalb von Imperia, von wo es durch "die zerbrechliche Landschaft" nach Genua geht, einer "Schönheit, die das Herz zerreißt" (Flaubert), mit einer der größten Altstädte der Welt. Steinfeld kennt den besten Aussichtspunkt, um sie zu überblicken, weiß um die Geschichte von Plätzen, Straßen, Palästen und verlässt sich doch zuerst auf die eigene Anschauung, um diese, gespeist von Lektüre und Filmen, anzureichern. Die Toskana betritt er in Siena, wobei er einen Bogen schlägt von Ambrogio Lorenzettis Allegorien im Rathaus zum Absturz der Bank Monte dei Paschi; ebenso macht er das Pferderennen Palio zum Gegenstand von Reflexionen über Geschichtspolitik wie über das öffentliche Leben auf der Piazza. In Prato durchmisst er ein berüchtigtes Terrain der Globalisierung, jene Parallelgesellschaft chinesischer Immigranten, die hier die kollabierte Textilindustrie in den Billigsektor retten. Nur milden Spott hat Steinfeld für das Leben der deutschen und britischen Kolonisatoren im Chianti übrig: "Ein guter Hausarzt ist jetzt wichtiger als der Blick in die Hügel."

Der Weg nach Rom führt über Umbrien, schwenkt auf eine Kunstroute für Piero della Francesca, entmystifiziert die Monster von Bomarzo und führt zuletzt über die Via Appia, "das längste Museum der Welt", wo der Unterschied zwischen alten und neuen Ruinen tendenziell aufgehoben wird. In Rom sucht Steinfeld die Rückseiten der Sehenswürdigkeiten, etwa in der Domus Aurea auf dem Oppio, deren Raumerlebnis das des Pantheons übertrifft. Die "Dritte Welt" beginnt - heruntergekommene Wohnblocks bezeugen es - in der Vorstadt. Erst danach rückt der Petersdom in den Fokus, doch zieht ihm Steinfeld den Tempietto auf dem Gianicolo in Trastevere vor: die "perfekte Illustration dessen, was Schönheit ist".

Neapel überwältigt als "wildwuchernde Agglomeration", in der (auch) die gesellschaftlichen Ideale weit auseinandertreten. Die Stadt am Vesuv betrachtet Steinfeld, nicht ohne zuvor das pittoreske Markttreiben eines mafiösen Klientelismus zu überführen, durch die Brille des Ethnologen Ulrich van Loyen, der in seiner Studie "Neapels Unterwelt" den Totenkult im Armenviertel Sanità als Reparatur eines beschädigten sozialen Zusammenhalts erklärt. Erst danach widmet er sich der besonderen Topographie und Urbanität, der höfischen Repräsentation und der burlesken Volkskunst.

Steinfeld begegnet den Orten bestens vorbereitet und mit offenen Sinnen. Das klassische Bildungsideal hat er nicht abgeschrieben, doch genauso groß ist seine Aufmerksamkeit für den Alltag und die gesellschaftlichen Ränder. Jacob Burckhardt steckt in der rechten, die Tageszeitung in der linken Jackentasche. Die Darstellung wechselt ständig zwischen Beobachtung und Bericht, Erlebtem und Erlesenem. Dem "smorzo" genannten Baumaterial, das die Ausfallstraßen von Rom vermüllt, schenkt er nicht weniger Beachtung als den Grabungen in Pompeji. Pinocchio und Pasolini sind ihm gerade so eine Betrachtung wert wie Padre Pio und Pino Daniele. Aktuelle Probleme werden aufgegriffen und reflektiert, aufschlussreiche und verborgene Verbindungen hergestellt. Das ist anregend, erhellend und nie abwegig. Die Reise selbst wird zum Medium der Erkenntnis: "Es ist, als wäre Italien ein Geheimnis, das sich nur in der Bewegung erschließt."

Die Reise hat Lücken, der Autor weiß es am besten, vielleicht nicht zufällig fehlen Kalabrien und Sardinien, zwei verschlossene Regionen. Die nächste Station sind schon die Marken: Urbino, das "Zentrum der Welt" des Federico da Montefeltro, Recanati, wo Leopardi aufwuchs, der Wallfahrtsort Loreto - und das "Hotel House", Wohnmaschine und vertikaler Slum, in der mehr als zweitausend Menschen aus vierzig Ländern leben. Hier wird es zum Barometer der italienischen Wirtschaftsgeschichte.

Italiens einziger großer Fluss, der Po, erscheint Steinfeld "manchmal wie aus der Welt gefallen", und seine bekanntesten Anrainer, Don Camillo und Peppone, versteht er als politische Allegorie eines Landes, in dem sich die Teilung der Welt in einen christdemokratischen und einen kommunistischen Block wiederholte. In Venetien geben die Rennräder von Campagnolo in Vicenza den Takt vor, zu Andrea Palladio, dem bedeutendsten Baumeister der Region, führt ein Umweg über Monticello in Virginia, wo Thomas Jefferson den Plan für seinen Landsitz von ihm lieh, und in Triest wird der Mitteleuropäer Claudio Magris zum Cicerone. Venedig, für mehr als vier Jahre Sitz des Autors als Korrespondent, ist das persönlichste Kapitel gewidmet.

Die Italien-Reise endet - und das ist nicht ohne hintergründige Ironie -, wo sie auch hätte beginnen können: in Mailand, einer Stadt, die in ihrer Mentalität und ihrem Erscheinungsbild Frankfurt näher ist als Rom, "die große Baustelle eines neuen Lebens" (Carlo Emilio Gadda). Effizient, nüchtern und international, bedient sie unser Italien-Bild so wenig, dass sie in der Reiseliteratur oft fehlt, so schon bei Goethe. Steinfeld findet einen eigenen Zugang, indem er zeigt, wie hier Museumsvitrine und Schaufenster - auf Italienisch heißen beide "vetrina" - keinen Gegensatz bilden und in den Arbeiten von Avantgardisten wie Giò Ponti oder Lucio Fontana zusammengehören.

Auch mit ihrem etwas anderen Verlauf reiht sich Steinfelds Reise ein in die Tradition der "viaggi in Italia", auf die er - und zwar gerade auch auf ihre einheimischen Autoren - vielfach Bezug nimmt. Doch "Porträt eines fremden Landes"? Der Autor versucht erst gar nicht, den Untertitel zu belegen, sondern beobachtet, erzählt, zitiert. Und fügt dabei Seite für Seite ein Bild von Italien zusammen, das so viele Lebenswirklichkeiten, Ungleichzeitigkeiten und Widersprüche aufweist, dass es über die vertrauten Darstellungen weit hinausgeht. Damit hat Steinfeld das Genre des intellektuellen Reisebuchs wiederbelebt, denn so hat lange keiner mehr das "ganze" Italien in den kritischen Blick genommen.

Erst im Epilog kommt Steinfeld mit den Vorgängern, von denen er sich absetzt, überein: "Italien ist ein schönes Land." Im Zuklappen des Buches fällt dieser letzte Satz mit dem Untertitel zusammen.

Thomas Steinfeld: "Italien". Porträt eines fremden Landes.

Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2020, 448 S., Abb., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Clemens Klünemann spürt eine Schönheit, die das Herz zerreißt, mit Thomas Steinfelds italienischen Impressionen. Was der Autor aus Begegnungen, Gesprächen und Besuchen eher wenig bekannter Orte, von den Wäldern von Bomarzo bis zu den Dörfern um Parma, alles mitnimmt und mit dem Leser teilt, eröffnet Klünemann sowohl kulturgeschichtliche Ansichten als auch kulturkritische Einsichten, etwa in die Funktion der Piazza oder das Verhältnis zwischen Moderne und Tradition. Dass Steinfeld manchmal zum Schwärmen neigt und zu konservativer Kritik am Umgang mit der italienischen Kultur, findet Klpnemann verzeihlich.

© Perlentaucher Medien GmbH
Steinfeld begegnet den Orten mit offenen Sinnen ... So hat lange keiner mehr das 'ganze' Italien in den kritischen Blick genommen. Andreas Rossmann Frankfurter Allgemeine Zeitung 20200307

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.04.2022

VON SZ-AUTOREN
Thomas Steinfeld
über Italien
Von Ligurien über Sizilien und zurück ins Veneto führt Thomas Steinfelds Buch „Italien. Porträt eines fremden Landes“. Als das Buch des ehemaligen Feuilletonchefs und späteren Kulturkorrespondenten der SZ 2020 erschien, hieß es im Deutschlandfunk, es sei mehr als ein Reisebuch: Der Autor wolle „Italien tatsächlich begreifen“, seine Geschichte, seine Schönheit, seine komplizierten politischen Verhältnisse. Nun ist das Buch in einer aktualisierten Neuausgabe erschienen, um drei Abschnitte ergänzt, in denen es unter anderem um den italienischen Umgang mit Covid-19 geht, und mit einem Vorwort von Ingo Schulze.
SZ
Thomas Steinfeld: Italien. Porträt eines fremden Landes. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2022. Mit einem Vorwort von Ingo Schulze. 480 Seiten, 18 Euro.
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