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Was ist ein Pferd, und warum üben Pferde eine solche Faszination auf Menschen aus? Jenny Friedrich-Freksa erkundet in ihrem Essay das Wesen von Pferden, ihre Neugier und Intelligenz, aber auch ihre Schönheit, ihre Sturheit und ihren Humor. Sie erzählt von ihren eigenen Erfahrungen - sie reitet seit ihrer Kindheit - und greift Erkenntnisse aus Verhaltensforschung und Kulturgeschichte auf. Lange waren Pferde eine Sache der Männer. Heute reiten vor allem Mädchen und Frauen. Warum ist das so? Eine Liebeserklärung an Pferde und an das einzigartige Gefühl der Freiheit, das man auf ihrem Rücken…mehr

Produktbeschreibung
Was ist ein Pferd, und warum üben Pferde eine solche Faszination auf Menschen aus? Jenny Friedrich-Freksa erkundet in ihrem Essay das Wesen von Pferden, ihre Neugier und Intelligenz, aber auch ihre Schönheit, ihre Sturheit und ihren Humor. Sie erzählt von ihren eigenen Erfahrungen - sie reitet seit ihrer Kindheit - und greift Erkenntnisse aus Verhaltensforschung und Kulturgeschichte auf. Lange waren Pferde eine Sache der Männer. Heute reiten vor allem Mädchen und Frauen. Warum ist das so? Eine Liebeserklärung an Pferde und an das einzigartige Gefühl der Freiheit, das man auf ihrem Rücken erlebt - und ein Nachdenken über die kostbare Beziehung zwischen Mensch, Tier und Natur.
Autorenporträt
Friedrich-Freksa, JennyJenny Friedrich-Freksa, geboren 1974 in Berlin, studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste Berlin. Nach Aufenthalten in Paris, Genf und Rom arbeitete sie für die Süddeutsche Zeitung in München. Heute ist sie Chefredakteurin der Zeitschrift Kulturaustausch in Berlin. Jenny Friedrich-Freksa reitet seit ihrer Kindheit.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.04.2019

Ein Pferd als Chance
Vom Transportmittel zum Gegenüber: Juli Zeh und Jenny Friedrich-Freksa denken über
die Gegenwart des Reitens nach und finden Klassen- und Geschlechterfragen im Stall
VON SONJA ZEKRI
Damals, als noch die Männer ritten, Marc Aurel und Napoleon, Darius und Buffalo Bill, da war das Pferd ein gängiges Symbol für Privilegien und männlichen Machtanspruch. Als die Frauen in Scharen zu reiten begannen, da wurde das Pferd, ja, was eigentlich? Vier Millionen Menschen über 14 Jahren bezeichnen sich in Deutschland als Reiter, drei Viertel davon Frauen. Nimmt man die jüngeren Alterskohorten hinzu, dürfte sich der weibliche Anteil unter den Pferdebegeisterten umgekehrt proportional zu jenem in den Dax-Vorständen verhalten.
Eine ganze Industrie versorgt Pferde mit saisonal wechselnden Schabracken-Kollektionen, Winter- oder Seniorenmüsli und Reiter mit Anleitungen für Equikinetic oder Dualaktivierung. Literarisch, auch kulturgeschichtlich hingegen liegt eine große Stille zwischen den Jahrhunderten, in denen Männer Höfe und Schlachtfelder beherrschten, und dem Einzug der Frauen in die Ställe. Wahrscheinlich ist Deutschland dem Matriarchat nirgends so nah wie hier. Aber das Soziotop ist auffallend unteranalysiert.
Diesem Defizit stellen sich gleich zwei reitende Autorinnen oder schreibende Reiterinnen: Juli Zeh, die in ihrem Roman „Unter Leuten“ (2016) mit der etwas nervtötenden Pferdebesitzerin Linda Franzen bereits ins Thema eingeführt hat, und Jenny Friedrich-Freksa, Chefredakteurin der Zeitschrift Kulturaustausch. Beide werben mit ihren Bänden „Gebrauchsanweisung für Pferde“ (Zeh) und „Pferde“ (Friedrich-Freksa) weniger für eine Freizeitbeschäftigung als für eine Lebenshaltung, wenn auch aus anderen als den bislang diskutierten Gründen.
Der Reiz des Reitens liegt für beide mitnichten in der Unterwerfung eines 500 Kilo schweren Tieres. Vielmehr beschreiben beide den gelungenen Umgang mit Pferden als Ergebnis erfolgreicher Kommunikation, und für Kommunikation und Beziehungsarbeit, schreibt Zeh, interessieren sich auch in der modernen Welt eben vor allem Frauen. Dass sich dieser Austausch vor allem nonverbal vollzieht, hat in der wortgewaltigen Gegenwart etwas Entlastendes, ist allerdings gewöhnungsbedürftig.
Friedrich-Freksa beschreibt, wie eine männliche Führungskraft einen Sandplatz betritt und das Pferd sich erst mal an den äußersten Rand zurückzieht. Der Mann, ein wenig betreten: Er habe doch gar nichts getan. Der Trainer: Er habe dem Tier keinen Raum gelassen, das empfand es als störend.
Juli Zeh trifft eine Ausbilderin, die Pferde vom Boden aus mit einem Schulterzucken in Bewegung setzt. Ein guter Reiter kann sein Pferd durch Ausatmen anhalten, ein sehr guter ein sehr gutes Pferd allein durch den Gedanken ans Anhalten. Das beschreibt mehr das Ideal als den Alltag. Doch auch dieser hat inzwischen erfreulicherweise zusehends weniger Ähnlichkeit mit der stumpfen Schleiferei von Mensch und Pferd, die ihre Herkunft aus dem Militär nicht verbarg und lange als einziger Weg zur Reitkunst praktiziert wurde.
Ein Nebeneffekt der weiblichen Übernahme ist dabei ein grundlegend neues, und man muss sagen, erstaunlich entschärftes Verständnis vom Reiten. Eine Tätigkeit, die, als sie noch von Männern ausgeübt wurde, als Beweis für Kraft, Dominanz und Risikofreude galt, wird nun, da sie von Tausenden kleiner Mädchen verrichtet wird, als spielerisch, harmlos, sogar ein bisschen lächerlich begriffen.
Nach einer gängigen Annahme üben Pferdemädchen im Umgang mit den großen gutmütigen Tieren das weibliche Hegen und Pflegen ein, die Vorbereitung auf die erste Beziehung, auf Ehe und Mutterschaft. Juli Zeh und Jenny Friedrich-Freksa halten das naturgemäß für Blödsinn oder zumindest für weit überschätzt. Und wenn die Rede auf die sexuelle Komponente beim Reiten kommt, auf der männliche Beobachter seit Sigmund Freud ziemlich lange, nun ja, herumgeritten sind, wirkt Friedrich-Freksa direkt gereizt. Zwischen Weide und Putzplatz stehe ja gerade nicht Attraktivität und Niedlichsein im Vordergrund, sondern das „Können und Machen“. Anders als an vielen Orten der Welt seien Frauen im Stall gerade „nicht in erster Linie mit Männern beschäftigt“. Seit sich die männlichen Reiter für Fortbewegungsarten mit mehr als einem PS entschieden haben, bieten Pferde Mädchen Unabhängigkeit und Statusgewinn. Eine Psychologin nennt es die „mädchenhafte Überwindung der Mädchenrolle“.
Dass sich diese Eroberung unter den Bedingungen einer gnadenlosen Klassengesellschaft vollzieht, dass die vermeintliche reiterliche Gemeinschaft präzise nach den materiellen Möglichkeiten gestaffelt ist, gehört zu den weniger schönen Seiten. Als drittes Pferd kauft Juli Zeh irgendwann ein Pony namens Pony. Es ist eine völlig überflüssige Anschaffung, aber wenn man so will, eine therapeutische. Ihr Kauf ist der Versuch einer Heilung für all die Zurückweisungen, die sie als pferdebesessenes Mädchen ohne Pferd in einem Milieu erlebt hat, in dem weniger wohlhabende Kinder bestenfalls kostenlose Arbeitskräfte und schlimmstenfalls unsichtbar sind. „Wie gern würde ich einen Brief an die Vergangenheit senden! Einen Brief an das kleine Mädchen, das ich damals war. Ich würde ein Bild von Pony beilegen.“
Das Pferd als Chance – dieses Verständnis gilt bei ihr auch in einem weiteren, philosophischen Sinne. In der Begegnung des Menschen mit dem Mitgeschöpf erblickt Zeh die Möglichkeit einer Aussöhnung von Fleisch- und Pflanzenfresser, Raubtier und Fluchttier, Täter und Opfer. Es ist ein Aufeinandertreffen, das ebenso viel „Eskalationspotenzial“ (Zeh) wie Erlösungshoffnung enthält. In diesen Passagen spürt man mehr als nur eine Ahnung des mythologischen Ballasts, den der Mensch dem Pferd seit der Antike zumutet. Und da fügen sich die Pferdebücher in all die Betrachtungen bedrohter oder rettender Flora und Fauna ein, die der Buchmarkt monatlich im Dutzend hervorbringt. Immerhin erlauben Pferde anders als die stumm netzwerkenden Bäume oder die ahnungsvoll summenden Insekten den direkten Kontakt.
Neben solchen großen Erwägungen geht es aber durchaus um Praktisches: Offenstall oder Box? Wie umgehen mit Problempferden? Man findet Bedenkenswertes zur Gymnastizierung im Gelände, Futterkosten, dem Neubeginn nach einem schweren Sturz, auch zum Tod eines Pferdes. Bei Joseph Roth, Curzio Malaparte und Claude Simon wurde das sterbende Pferd zum Inbegriff des schuldlosen Opfers. Und in der Tat trifft dieser Anblick noch den Abgebrühtesten, denn Pferde geben selbst unter Schmerzen kaum einen Ton von sich. Das Fluchttier Pferd kann sich verletzt Geräusche am allerwenigsten erlauben, es leidet still.
Zu jedem Aspekt von Haltung oder Umgang gibt es eine reichhaltige Fachliteratur, aber die beiden Autorinnen richten sich entschieden an ein breiteres Publikum. Nicht immer lässt sich die Eleganz der Bewegung in Sprache verwandeln. Formulierungen wie „Ich setze mich tief nach hinten in den Sattel, um mehr Gewicht auf den Pferderücken zu bekommen“ (Friedrich-Freksa) sind inhaltlich korrekt, aber für Nichtreiter nicht sehr mitreißend.
Rundum überzeugend wird die Lektüre hingegen immer dort, wo die Bände sozusagen den Blick des Pferdes auf die Weltgeschichte werfen. Hatte etwa Ulrich Raulff in seinem hochgelobten Werk „Das letzte Jahrhundert der Pferde“ die Verdrängung des Pferdes durch die Industrialisierung und „Maschinen aller Art“ als historischen Bedeutungsverlust und Statuseinbruch beklagt, sieht Friedrich-Freksa einzig den Glücksfall, die Befreiung des Pferdes aus katastrophalen Umständen: „Keine Schlachten mehr, Schluss mit der Arbeit in dunklen Kohleminen und auch keine 16-Stunden-Tage mehr in den Geschirren klappriger Droschken.“
Bei so viel Harmonie im Ansatz ist die Frage nach den Unterschieden der beiden Bücher gar nicht so leicht zu beantworten. Vielleicht verhandelt Juli Zeh ihren Gegenstand ein wenig federnder, ist ihre Erklärung für die Selbstvergessenheit des Reitens und des Schreibens ein wenig ausführlicher, dafür klingt ihre Beschreibung der stets lösungsorientierten Pferdenatur doch sehr idyllisch. Reiter werden beide Bücher lesen, Nichtreiter nur, wenn sie ein Grundinteresse aufbringen. Es ist ihnen unbedingt zu wünschen.
Zwischen Weide und Putzplatz
stehe nicht Attraktivität und
Niedlichsein im Vordergrund
„Keine 16-Stunden-Tage
mehr in den Geschirren
klappriger Droschken.“
Jenny Friedrich-Freksa: Pferde. Mit Zeichnungen von Katharina Grossmann-Hensel. Hanser Berlin,
Berlin 2019. 192 Seiten,
18 Euro.
Anders als mit stumm netzwerkenden Bäumen ist mit Pferden Kommunikation möglich.
Foto: Daniel Cano / Unsplash
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ähnlich wie bei dem neuen Pferdebuch von Juli Zeh findet Rezensentin Sonja Zekri die Ausgangsbeobachtungen von Jenny Friedrich Freska sehr interessant: Es sei doch wirklich bemerkenswert, dass der Umgang mit den großen Tieren bis vor gut einem Jahrhundert als männlich und gefährlich galt, jetzt aber mit dem Inbegriff des "Pferdemädchens" eher verweiblicht und belächelt werde, stellt die Kritikerin fest. Leider sei der Stil der Autorin nicht immer sehr elegant, weshalb er es vielleicht nicht unbedingt schafft, auch Nicht-Reiter zu fesseln, vermutet Zekri. Dennoch wünscht die Rezensentin der Autorin ein breites Publikum, denn vor allem die Stellen, an denen sich die Autorin in die Pferde hineinversetzt, fand sie unbedingt lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2019

Das Wunder der gemeinsamen Existenz

Wie aus der einstigen Kunst der Krieger ein Mädchenhobby wurde: Jenny Friedrich-Freksa und Juli Zeh dokumentieren ihre Liebe zu Pferden. Manchmal geht den beiden dabei der Gaul durch.

In Deutschland leben rund 1,3 Millionen Pferde und gut drei Millionen Reiterinnen. Ja, Reiter gibt es schon auch, knapp 900 000. Zwei aus der Millionenschar haben nun je ein Buch über Pferde vorgelegt, zwei Frauen, die eigentlich vom Schreiben leben, Jahrgangskolleginnen (1974), Pferdebesitzerinnen, Reiterinnen seit ihrer Kindheit: Juli Zeh, Autorin von "Unterleuten", und Jenny Friedrich-Freksa, Chefredakteurin des Magazins "Kulturaustausch".

Beider Ansatz ist ähnlich: kein umfassendes Fachbuch mit Anatomie und Rassenkatalog, Verhaltenskunde und Reitlehre, sondern ein informationsgesättigter Essay mit autobiographischer Unterfütterung, sozusagen ein Porträt der Autorin als Pferdeverrückte, vom Backfisch bis zur Mittvierzigerin. Auch die Themenkreise überschneiden sich: Pferdeflüstern, moderne Dressur, Mädchensport und historischer Machismo. Mitunter frappieren Übereinstimmungen bis in einzelne Beobachtungen, ja, Formulierungen, über deren Ursprung die Leserin nur spekulieren kann.

Während Friedrich-Freksa drei Seiten Literaturverzeichnis von Freud bis Xenophon anhängt, hält Zeh sich hinsichtlich ihrer Quellen bedeckt, ohne indes vorzugeben, sie hätte keine benutzt. Die "Heeres-Dienstvorschrift 12", aus dem Kavalleriereglement von 1912, die bis heute die Grundlage der Ausbildungsrichtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN, für Fédération Équestre Nationale) bildet, zitiert jedenfalls auch sie mit Respekt. So richten sich beide Bücher wohl in erster Linie an Pferde-Greenhorns. Einige Grundbegriffe der klassischen Reitlehre - Gangarten und Seitengänge, Anlehnung, Losgelassenheit, Versammlung - werden erklärt, aber vor allem soll die Faszination des Reitens veranschaulicht, das Lebewesen Pferd begreiflich gemacht werden.

Schließlich geht es, wenn es um Pferde geht, sofern man den Klappentexten glaubt, um nichts Geringeres als eine "Liebeserklärung", eine "Liebesgeschichte", ein "Glücksversprechen". Wie es der Stammbuchspruch verheißt, den Juli Zeh an den Anfang stellt: "Das höchste Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde." Um am Schluss festzustellen, es liege "nicht auf dem Rücken von irgendwem", sondern "in der vollkommenen Wahrnehmung des jeweiligen Augenblicks. Im Wunder unserer gemeinsamen Existenz."

Equestrische Stimmungsmalerei ist ein heikles Terrain, und bisweilen geht Jenny Friedrich-Freksa ihr Pegasus bei der Schilderung poetischer Momente durch. Sie beginnt mit der ersten Wiederannäherung an ihren Schimmel nach einem schweren Sturz und wochenlanger Bettruhe und schließt den Bogen mit der Geschichte des Unfalls und dem ersten Ausritt danach, dann erzählt sie noch ergreifend vom Sterben des Tieres Jahre später.

Den kulturgeschichtlichen Rückzug des Pferdes sieht sie positiv, als ein Ende der Massenschlächterei in der Schlacht, der Schinderei in Kohleminen, im Zuggeschirr; dass jeder Gebrauch durch den Menschen, jede Dressur, wie radikale Tierschützer meinen, Quälerei sei, findet sie begreiflicherweise nicht. Freilich: "Pferde sind nicht zum Reiten gemacht." Oder, wie Juli Zeh es formuliert, sie "sind von Mutter Natur nicht dazu gedacht, einen Reiter zu tragen". Deshalb ist die "Gymnastizierung" des Pferdes das Ziel jeder Ausbildung, ein Ziel, das Juli Zeh auch bei noch so idyllischen Geländeritten nicht aus den Augen verliert: Zwar bemüht sie sich "redlich", die "Freuden der Freizeitreiter" zu teilen, aber ihr reiterliches Arbeitsethos scheint dem im Wege zu stehen, wie sie offenbar überhaupt die ehrgeizigere der beiden Reiterinnen ist. Dass die moderne Reiterei nicht mehr dem Prinzip Gehorsam und Unterwerfung folgt, begrüßen beide und können doch nicht verhehlen, dass jemand, der nicht gewillt ist, sich im Sattel durchzusetzen, der sich fürchtet, schon verloren hat. Das Pferd spiegelt in seinem Verhalten sozusagen das Innenleben des Reiters, Unsicherheit wird seismographisch erfasst.

Ihre Erfahrung mit schwierigen Pferden hat beide Autorinnen empfänglich für die Methoden der "Pferdeflüsterer" gemacht, die spätestens seit Robert Redfords Film-Verkörperung eine breite Öffentlichkeit gelehrt haben, dass man mit dem Pferd vor allem, auch vom Boden aus, durch den Körper spricht. "Geplapper" (Zeh) und "gnadenloses Zuquatschen" (Friedrich-Freksa) richten da wenig aus. Natürlich hat Juli Zeh gleich auch die zweijährige Ausbildung zur Pferdeverhaltenstherapeutin absolviert.

Ihre Kollegin unternimmt wiederum eine Exkursion zur Spanischen Hofreitschule nach Wien, wo sie die Hohe Schule der klassischen Reitkunst studiert und von der publik gewordenen Krise dieser nach den Gesetzen des Marktes umgestalteten Institution offenbar nichts wahrnimmt. Ansonsten verstehen sich beide Beobachterinnen der Szene durchaus als kritisch: Während Zeh etwa explizit die "Rollkur" aufs Korn nimmt, die das starke Einrollen des Pferdehalses mit Hilfe von Zügeln bezweckt, kritisiert Friedrich-Freksa das Desinteresse der FN an ihrer nationalsozialistischen Geschichte.

Juli Zeh richtet ihren Blick vom Psychogramm des Fluchttiers, des sanften Riesen, der der Angst gehorcht, auf die Verhaltensbiologie und Typologie der Reitstall-Menschen, eines der amüsantesten Kapitel. Aus eigener Betroffenheit widmet sie sich nicht nur den Pferdefrauen, sondern auch den "Pferdefrauenmännern", die mit einer Obsession zu leben haben, die nicht ihnen gilt: "Manche Pferdefrauenmänner fangen an zu reiten." Die Rezensentin denkt an Karl Kraus, der mit vierzig begann, Reitstunden zu nehmen, um nicht immer stundenlang warten zu müssen, bis seine Geliebte Sidonie von Nádherný von ihren sommerlichen Ausritten zurückkehrt.

Wie eigentlich wurde aus der männlichen Domäne eine Frauensache? Friedrich-Freksa vergleicht Jacques-Louis Davids Napoleon mit Putins halbnacktem Posieren hoch zu Roß - fraglos ein Abstieg, auch ästhetisch. Der militärische, ökonomische und verkehrstechnische Bedeutungsverlust machte das Pferd nach 1945 zum Accessoire, Fortschritt und Macht waren anderswo. Heute gilt die einstige Kunst der Krieger als Mädchenhobby. Beide Autorinnen halten Mädchen, die ihren Ponys "stundenlang Strass-Spangen in die Mähnen flechten" (Friedrich-Freksa), für eine Minderheit, beide orten in der psychoanalytischen Verbindung von Reiten und Sexualität einen latenten Sexismus - als hätte Freud nicht genauso die Männer im Blick gehabt.

Am Ende des ebenso kurzweiligen wie lehrreichen Pas de deux steht die Erkenntnis, dass gerade das Reiten zum Spielplatz für eine "neue Symbiose zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen" (Zeh) taugt. Dass der Umgang mit Pferden "eine Art Gefühlsschule ist" (Friedrich-Freksa). Dass man von ihnen etwas lernen kann über die Nuancen von Nähe und Distanz. Und sogar, dass es, wie Juli Zeh meint, besser ist, "nicht zu viel zu wollen", beim Reiten wie beim Schreiben: "Ich kann einfach sein."

DANIELA STRIGL.

Jenny Friedrich-Freksa: "Pferde". Mit Zeichnungen von Katharina Grossmann-Hensel.

Hanser Berlin Verlag, Berlin 2019. 191 S., geb., 18,- [Euro].

Juli Zeh: "Gebrauchsanweisung für Pferde".

Piper Verlag, München 2019. 222 S., br., 15,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein ideales Buch für heiße Tage unter hohen Bäumen, man muss sich nicht bewegen, sondern wird bewegt, nicht nur zum Denken." Tobias Rüther, FAZ Woche, 05.07.2019

"Ein hinreißend geschriebenes und mit nostalgischem Charme illustriertes (Federzeichnung!) Brevier für Pferdefreunde, eine Liebeserklärung und die persönliche Geschichte einer lebenslangen Faszination." Paul Ingendaay, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 23.06.2019

"Rundum überzeugend wird die Lektüre dort, wo Friedrich-Freksa den Blick des Pferdes auf die Weltgeschichte wirft. Reiter werden das Buch lesen, Nichtreiter, wenn sie ein Grundinteresse aufbringen. Es ist ihnen unbedingt zu wünschen." Sonja Zekri, Süddeutsche Zeitung, 13.04.2019

"Wer als Pferdeliebhaberin ernst genommen werden will, setzt am besten auf Expertise - und die beweist Friedrich-Freksa in ihrem Großessay ziemlich umfassend: Kulturgeschichte, Anatomie, ein bisschen Reiter-ABC - das alles kommt vor. Es ist gut recherchierten Fakten in Kombination mit den persönlichen Beobachtungen zu verdanken, dass sich 'Pferde' nicht in die Kategorie 'Just another Pferdebuch' einreiht." Nora Voit, Zeit Online, 02.05.2019

"Ein schönes erzählendes Sachbuch." DLF Kultur, Kim Kindermann, 08.04.2019

"Ein informationsgesättigter Essay mit autobiographischer Unterfütterung ebenso kurzweilig wie lehrreich." Daniela Strigl, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.06.2019

"Ein interessanter Essay über das Verhältnis Mensch und Pferd und ein ausgesprochen schön gestaltetes Buch mit Zeichnungen von Katharina Grossmann-Hensel." Ursula May, Hr2 Kultur, 03.03.2019…mehr