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2014 konnte Ulrich Trebbin für den BR aufdecken, dass die 1945 verschollene Guillotine von München-Stadelheim jahrzehntelang im Depot des Bayerischen Nationalmuseums vor der Öffentlichkeit verborgen worden war. Im Königreich Bayern wurden damit noch Menschen hingerichtet, die aus Habgier, Hass oder Lust gemordet hatten. Der NS-Staat benutzte sie dann, um vor allem "Volksschädlinge" und Widerstandskämpfer zu eliminieren - oftmals für Bagatelldelikte. Bei Kriegsende ließ man sie von der Bildfläche verschwinden. Und das bis heute: Denn der Freistaat Bayern hat sie mit einem Ausstellungsverbot…mehr

Produktbeschreibung
2014 konnte Ulrich Trebbin für den BR aufdecken, dass die 1945 verschollene Guillotine von München-Stadelheim jahrzehntelang im Depot des Bayerischen Nationalmuseums vor der Öffentlichkeit verborgen worden war. Im Königreich Bayern wurden damit noch Menschen hingerichtet, die aus Habgier, Hass oder Lust gemordet hatten. Der NS-Staat benutzte sie dann, um vor allem "Volksschädlinge" und Widerstandskämpfer zu eliminieren - oftmals für Bagatelldelikte. Bei Kriegsende ließ man sie von der Bildfläche verschwinden. Und das bis heute: Denn der Freistaat Bayern hat sie mit einem Ausstellungsverbot belegt und versteckt damit immer noch einen unbequemen Teil unserer Vergangenheit vor der Öffentlichkeit. Viele kennen noch die Mitglieder der "Weißen Rose" oder den "Räuber Kneißl", doch die allermeisten der insgesamt mehr als 1.300 Opfer dieses Fallbeils sind vergessen. Dieses Buch möchte an einige von ihnen erinnern und erzählt zugleich ein verdrängtes Kapitel unserer Geschichte: das der Todesstrafe.
Autorenporträt
Ulrich Trebbin ist Journalist beim Bayerischen Rundfunk sowie Gestalt- und Traumatherapeut. Er hat zahlreiche Radiosendungen zu der Frage geschrieben, wie wir heute mit unserem nationalsozialistischen Erbe umgehen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Pünktlich zum 22. Februar, dem Tag, an dem vor 80 Jahren die NS-Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl in München hingerichtet wurden, bespricht Rezensent Hannes Hintermeier Ulrich Trebbins Studie. Fassungslos liest Hintermeier von der Geschichte dieses Fallbeils, mit dem neunzig Jahre lang Urteile vollstreckt wurden und das in den 1970er Jahren aus einer Reparaturwerkstatt in Regensburg ins Bayerische Nationalmuseum transportiert wurde. Dort steht es bis heute, darf aber nicht gezeigt werden. Was Ulrich Trebbin über Jahrzehnte dazu an Fakten und haarsträubenden Fußnoten zusammengetragen und mit der Geschichte der Guillotine seit der Französischen Revolution verbindet, verursacht bei Hintermeier zuweilen Schnappatmung. Dass der Journalist und Traumatherapeut argumentativ "abgewogen und doch leidenschaftlich" dafür plädiert, das Münchner Mordinstrument öffentlich zu präsentieren, weil Tabus noch nie geholfen hätten, kann der Rezensent absolut nachvollziehen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.2023

Verborgen im Depot
Ulrich Trebbin über ein berüchtigtes Fallbeil

Ein Mordinstrument, das seit Jahrzehnten niemand sehen darf. Dabei war es längst zu sehen, ohne dass es jemand geahnt hätte. Die Rede ist von der sogenannten Münchner oder Stadelheimer Guillotine, 1855 vom Turmuhr-Konstrukteur Johann Mannhardt entwickelt. Sein "Fallschwertmaschine" genanntes Gerät kam zum Einsatz, weil Hinrichtungen humaner - schneller und zuverlässiger - werden sollten. Öffentliche Spektakel, bei denen ein betrunkener Scharfrichter es nicht schafft, den Delinquenten mit einem Schwerthieb zu töten, sollten der Vergangenheit angehören. Das Königreich Bayern bestellte zwei Maschinen bei Mannhardt, eine für München, eine für Würzburg.

Neunzig Jahre lang war die Münchner Guillotine im Einsatz. Bis 1933 wurden mit ihr 125 Verurteilte hingerichtet, in den zwölf Jahren des "Tausendjährigen Reiches" um die 1200. Darunter viele politische Gegner. Man verfuhr dabei, wie es der Präsident des Volksgerichtshofs Roland Freisler ausdrückte, nach dem Motto "Hochverrat ist: das, was uns nicht passt!". Johann Reichhart, angeblich schnellster Scharfrichter aller Zeiten, erledigte die Aufgabe laut Protokoll in wenigen Sekunden.

Die Leichname landeten in verkürzten Särgen, wurden meist der Anatomie übergeben. Die Hinterbliebenen bekamen eine saftige Rechnung. Die Todesstrafe schlug pauschal mit 300, die Enthauptung mit 144 Reichsmark extra zu Buche. Das letzte Opfer der Münchner Guillotine wird am 10. April 1945 der Hehler und Wilderer Guerrino Bozzato aus Padua.

Dann wird das Gerät in die JVA Straubing transportiert, Gerüchte, es sei in der Donau versenkt worden, kursieren. Stattdessen wandert es nach Regensburg zur Reparatur und verstaubt dort weiter, bis es in den frühen Siebzigerjahren dem Bayerischen Nationalmuseum angeboten wird. Das katalogisiert den zerlegten Neuzugang mit den Originalblutspuren unter den Nummern NN2777.1 (Hinrichtungsbank) und NN2793.1 (Fallbeilrahmen). Die Klingen, je vierzehn Kilo schwer, lagern separat.

1982 macht die Guillotine einen Ausflug ins Münchner Stadtmuseum, das an den Komiker Karl Valentin erinnert. Der zeigte in seinem Panoptikum Folterinstrumente und ein Fallbeil, das dem Original verblüffend ähnlich sah. Valentin spielte eine missglückte Hinrichtung (der Scharfrichter findet sein Beil nicht) und machte Witze über Hinrichtungen ("Kopfschmerzen jeder Art beseitigt unter Garantie sehr rasch Scharfrichter Wuchtig"). Dass in der Schau tatsächlich die Stadelheimer Guillotine stand, war den Ausstellungsmachern nicht bewusst. Denn damals fehlte der wissenschaftliche Nachweis, den dreißig Jahre später ein neuer Referent am Bayerischen Nationalmuseum lieferte: Sybe Wartena gelang dieser Nachweis, und der Journalist Ulrich Trebbin macht den Fund im Bayerischen Rundfunk öffentlich. Die Geschichte zog 2014 weite Kreise, auch international.

Zum achtzigsten Jahrestag der Hinrichtung der Geschwister Scholl - sie wurden am 22. Februar 1943 in Stadelheim enthauptet - hat Trebbin das Ergebnis seiner Beschäftigung mit der Fallschwertmaschine als Buch vorgelegt. Er zeichnet zunächst deren Weg durch die Geschichte nach, erklärt, warum man in Deutschland die Bezeichnung Guillotine mied, weil sie zu sehr an die Mutter aller Hinrichtungsorgien, die Französische Revolution, erinnerte. Die letzte Hinrichtung mittels Guillotine fand in Frankreich 1977 statt.

Es gab nach 2014 viele erfolglose Versuche, den Freistaat dazu zu bewegen, die Guillotine zugänglich zu machen. Der Autor, der in München als Traumatherapeut arbeitet, argumentiert abgewogen und doch leidenschaftlich für eine Präsentation. Zwar kann er die Einwände nachvollziehen, hält die Politik aber nicht für zuständig, über das Schicksal der Guillotine zu entscheiden. Als Therapeut weiß er, dass Tabuisierung zu Verdrängung führt, ein Muster, mit dem zu allen Nachkriegszeiten Heilung blockiert wird. Doch die Chancen stehen nicht gut, denn Nachkommen des Weiße-Rose-Mitglieds Christoph Probst haben im Herbst eine Petition in den Landtag eingebracht, die Guillotine nicht auszustellen. HANNES HINTERMEIER

Ulrich Trebbin: "Die unsichtbare Guillotine". Das Fallbeil der Weißen Rose und seine Geschichte.

Friedrich Pustet Verlag, Regensburg 2023. 232 S., Abb., geb., 24,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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