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East goes West - Ein Leben zwischen zwei Welten.
Es ist kein einfacher Start ins Leben: Gleich nach der Geburt geben die Eltern, glühende Anhänger Maos, ihre Tochter in die Obhut eines kinderlosen Bauernpaares in den Bergen. Zwei Jahre später bringen diese die halbverhungerte Kleine zu ihren des Lesens und Schreibens unkundigen Großeltern. Ein Jahr später stirbt der Große Vorsitzende, und in China beginnt ein dramatischer gesellschaftlicher Wandel.
In ihrem neuen Buch erzählt die chinesische Autorin und Filmemacherin Xiaolu Guo von dem langen Weg, der sie aus einem ärmlichen Fischernest
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Produktbeschreibung
East goes West - Ein Leben zwischen zwei Welten.

Es ist kein einfacher Start ins Leben: Gleich nach der Geburt geben die Eltern, glühende Anhänger Maos, ihre Tochter in die Obhut eines kinderlosen Bauernpaares in den Bergen. Zwei Jahre später bringen diese die halbverhungerte Kleine zu ihren des Lesens und Schreibens unkundigen Großeltern. Ein Jahr später stirbt der Große Vorsitzende, und in China beginnt ein dramatischer gesellschaftlicher Wandel.

In ihrem neuen Buch erzählt die chinesische Autorin und Filmemacherin Xiaolu Guo von dem langen Weg, der sie aus einem ärmlichen Fischernest am Ostchinesischen Meer an die Filmhochschule im sich rasant verändernden Peking der 90er Jahre und schließlich 2002 nach London führt. 15 Jahre später beschreibt sie ihre Reise von Ost nach West mit einer Klarsicht, die nur jemand besitzt, der angekommen ist und sich zugleich fremd fühlt.
Autorenporträt
Xiaolu Guo, geboren 1973, studierte an der Filmhochschule Peking. Bereits vor ihrer Ausreise nach London 2002 veröffentlichte sie in ihrer Heimat sechs Bücher. Die englische Ausgabe von "Stadt der Steine" schaffte es auf die Shortlist für den "Independent Foreign Fiction Prize" und wurde für den "International IMPAC Dublin Literary Award" nominiert. Ihr erster in englischer Sprache verfasster Roman, "Kleines Wörterbuch für Liebende", stand auf der Shortlist des "Orange Prize for Fiction", "Twenty Fragments of a Ravenous Youth" auf der Longlist für den "Man Asian Literary Prize". Xiaolu Guos jüngstem Roman "Ich bin China" gelang der Sprung auf die Longlist des "Baileys Women's Prize for Fiction". 2013 wurde Xiaolu Guo in die "Granta's List of Best Young British Novelists" aufgenommen. Zudem führte sie bei zahlreichen preisgekrönten Filmen Regie, darunter "She, a Chinese" sowie "Late at Night", eine Dokumentation über London. Xiaolu Guo lebt in London und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.2018

Alien im Wunderland
Die Memoiren der Autorin Xiaolu Guo

"Eine Nomadin - im Herzen und im Denken" - so beschreibt sich die 1973 geborene Xiaolu Guo im mit "Fremdes Land Vergangenheit" überschriebenen Prolog zu ihren im Original englisch verfassten Memoiren. Die in einem Fischerdorf am Ostchinesischen Meer aufgewachsene und in Großbritannien zur bekannten Autorin und Filmemacherin gereifte Guo pendelt traumwandlerisch bis traumatisch zwischen Ost und West: Interkulturelle Kompetenz verraten Bücher wie "Lovers in the Age of Indifference" oder Filme wie "We Went to Wonderland" und "She, a Chinese". Guo rekapituliert nun Kreuzwege und kreative Missverständnisse ihrer Lebensstationen, die sie mit Exzerpten des Romanklassikers "Die Reise nach Westen" einleitet.

Die Autorin sucht nach Synthesen im Kunstdenken, Schlüsselszenarien und Initiationserfahrungen des Exils. Die Memoiren starten im Fischerort Shitang in der Provinz Zhejiang als windumtoster, bildungsferner armer Heimat ohne Alternativen, die Guo schon in "Village of Stone" 2004 beschrieb. Rückblenden führen zum Haus der Großeltern, die sie statt der in der Stadt Wenling arbeitenden Eltern großziehen. Die Zeit steht still unter dem "fischbauchweißen Himmel" zwischen Meer, Mönchen und Medizinmeistern.

Generationen verkörpern Zeitepochen, Biographien folgen einer fremdbestimmten Regie. In den Härtefällen des Privaten spiegelt sich universale Leidensgeschichte zwischen Feudalismus, Kommunismus und Kapitalismus: Da wären jener zur Qing-Zeit 1905 geborene Großvater, ein "Meeresnomade", dem Fischerei-Kollektive sein Boot und altes Leben wegnahmen - Strandgutsammler wurde er - und die ihm als Kindsbraut verkaufte Großmutter mit ihren gebundenen Füßen. Guos Eltern, überzeugte Maoisten, waren der Tochter bis zum Tag, als sie sie von Shitang zur Einschulung nach Wenling holten, unbekannt. Guo erzählt von Wendezeiten wie der Hundert-Blumen-Kampagne, als Kritik am System erwünscht war und wonach Guos Vater, zunächst ein "Modell-Lehrer", in den Fokus der Gegenkampagne geriet. Ihre Mutter war "direkt aus den Reisfeldern heraus" den Roten Garden beigetreten, lernte den auf die falsche Seite der Geschichte geratenen Vater bei Aktionen ihrer Propagandatruppe gegen Intellektuelle kennen, bemitleiden und lieben und heiratete den Klassenfeind.

Kann ein Mensch, der keine Liebe kennt, die Liebe vermissen? Das ist Guos Gretchenfrage in jenen Zeiten staatlich geregelter Liebe: Mit "reai" (heiße Liebe) bezeichnete man die Leidenschaft für Mao. Hatte Shitang "alle Zärtlichkeit in meinem Herzen getötet", gerät das neue Familienleben in Wenling angesichts eines Pascha-Bruders, einer rabiaten Mutter und eines durch die Malerei absorbierten Vaters, der die Tochter aber immerhin in Kunst und Lyrik einführt, zum Rollenspiel und Pflichtprogramm. Aus der Provinz, wo Frauen Freiwild und zu Gebärmaschinen degradiert waren, flüchtete sich die begabte Guo an die Pekinger Filmakademie.

So erhält man nicht nur Einblicke ins ländliche China (Shitang), ins Leben in einem kommunistischen Wohnhof (Wenling) und ins rigide Prüfungssystem (Peking), sondern auch Einblicke in die Untergrund-Aktionskunst der neunziger Jahre mit gewagten Performances auf der Großen Mauer und im Beijing East Village. Lehrreich sind Perspektivwechsel, wenn etwa Studenten im Pekinger Filmseminar sich beim Betrachten von Godards "La Chinoise" eher an die Baader-Meinhof-Bande erinnern als an die eigene Revolution der proletarischen Massen.

Nach dem Ende des Studiums scheitert die junge Drehbuchautorin an der "Großen Mauer" der Filmzensurbehörde und flüchtet sich in gutbezahlte Seifenopern. Der Sandsturm, der beim Abflug von Guo zum Stipendium im Westen in Peking herrscht, ist auch eine Metapher für die dortige Vernebelung des Geistes.

Doch die Ankunft in London 2002 geht mit Desillusionierung und wiederkehrendem Analphabetismus einher. Im Sozialbaublock revidiert Guo ihre Idealbilder vom reichen Westen. Die Stärke des Buchs liegt weniger in Selbstexotisierung als im Aufweisen von Differenzerfahrungen und culture gaps sowie im Schweben zwischen Alteritäten und Stereotypen. So etwa, wenn Guo bei einer Europa-Reise mit ihren zu Besuch gekommenen Eltern Roms Kult um die Antike der städtebaulichen Amnesie Pekings gegenüberstellt oder in England eine diesmal kommerzielle Zensur erfährt. Identität erweist sich als kulturelles Konstrukt: "Um zu überleben, brauchte ich einen Westen, der noch eine Spur vom Osten enthielt." Die Rolle als Künstlerin, Spurensucherin und "globale Bäuerin" ist der Nomadin Guo, anders als Angaben im Pass über Sprache, Hautfarbe und Geschlecht, wesentlich.

STEFFEN GNAM

Xiaolu Guo: "Es war einmal im Fernen Osten". Ein Leben zwischen zwei Welten.

Aus dem Englischen von Anne Rademacher. Knaus Verlag, München 2017. 368 S., geb., 24,- [Euro].

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»Die Stärke des Buchs liegt weniger in Selbstexotisierung als im Aufweisen von Differenzerfahrungen und culture gaps sowie im Schweben zwischen Alteritäten und Stereotypen.« F.A.Z., Steffen Gnam