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»I bin doch ned deppat, i fohr wieder z'haus.«
Der Erste Weltkrieg hat nicht stattgefunden, Amerika ist Kontinent der Hinterwäldler: In diesem Roman gibt es keine Anglizismen, keine amerikanischen Erfindungen und keinen Krieg. Dafür ein Europa voller Juden, den Mond als deutsche Kolonie und Wien als Zentrum der Welt.
»I bin doch ned deppat, i fohr wieder z'haus« lautet der Schlüsselsatz dieses Buches - denn damit fällt in Hannes Steins Roman Der Komet der Erste Weltkrieg aus. Gesprochen wird der Satz vom österreichischen Thronfolger am 28. Juni 1914 in Sarajewo, wo gerade jemand versucht
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Produktbeschreibung
»I bin doch ned deppat, i fohr wieder z'haus.«

Der Erste Weltkrieg hat nicht stattgefunden, Amerika ist Kontinent der Hinterwäldler: In diesem Roman gibt es keine Anglizismen, keine amerikanischen Erfindungen und keinen Krieg. Dafür ein Europa voller Juden, den Mond als deutsche Kolonie und Wien als Zentrum der Welt.

»I bin doch ned deppat, i fohr wieder z'haus« lautet der Schlüsselsatz dieses Buches - denn damit fällt in Hannes Steins Roman Der Komet der Erste Weltkrieg aus. Gesprochen wird der Satz vom österreichischen Thronfolger am 28. Juni 1914 in Sarajewo, wo gerade jemand versucht hat, eine Bombe auf Franz Ferdinand zu werfen.Das hat natürlich Folgen: denn ohne den Ersten Weltkrieg gibt es auch keinen Zweiten und keinen Kalten Krieg, keine Entkolonialisierung und keine Kollision mit dem Islam. Die europäischen Staaten versuchen ihre komplizierte Machtbalance zu erhalten - augusteischer Frieden herrscht auf der Welt.Amerika ist ein zurückgebliebener Kontinent voller Cowboys, Goldgräber und Hinterwäldler; Europa bleibt das vorherrschend von Monarchen regierte Maß aller Dinge.Vor allem: Das liebenswerte, etwas bräsige k.u.k.-Reich mit seiner Hauptstadt Wien ist und bleibt der Nabel der Welt.Hier, in der Hauptstadt des Vielvölkerreichs, dieser Stadt voller Juden, Psychoanalytiker und Wiener Schmäh, spielt Hannes Steins erster Roman. In dieser Szenerie lässt er seinen jungen und etwas tumben Protagonisten eine Liaison mit einer Gesellschaftsdame eingehen, deren Mann gerade auf dem Mond weilt (eine deutsche Kolonie, wo der Österreicher in seiner Eigenschaft als k.u.k.-Hofastronom aber arbeiten darf ). Die Nachrichten allerdings, die er von dort sendet, sind dramatisch. Ein Komet rast auf Kollisionskurs auf die Erde zu und soll in wenigen Monaten dort einschlagen.
Autorenporträt
Hannes Stein, geboren in München, aufgewachsen in Österreich, lebt, seit er eine Greencard gewonnen hat, mit Frau und Kind in Amerika. Neben seiner Tätigkeit als Kulturjournalist für diverse Medien (FAZ, Spiegel, Die Welt - deren New York-Korrespondent er gerade ist), schrieb er einige Bücher, u. a. Endlich Nichtdenker, Immer Recht haben! und zusammen mit Norman Manea Gespräche im Exil.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2013

Kinder, tanzt den Untergangscsárdás

Nicht jedes Paralleluniversum bietet auch eine schöne neue Welt: Hannes Stein lässt in seiner Romanfarce "Der Komet" das Habsburgerreich bis ins Jahr 2001 weiterleben. Und wenn es nicht gestorben ist, lebt es noch heute.

Man stelle sich vor, die "Titanic" hätte im letzten Moment für eine Minute den Rückwärtsgang eingelegt und wäre zwei Tage später sicher in den Hafen von New York eingelaufen. Oder man nehme an, nur mal so als Gedankenspiel, nicht der Flügelschlag des Schmetterlings löse einen Orkan aus, sondern eine heftige Bö fege einen Blumentopf vom Fensterbrett eines Hauses im fünften Stock und erschlage einen unterhalb am Trottoir spazierenden grantigen Philosophen. Kann deswegen die Vernichtung alles höheren Lebens auf der Erde durch einen Schweifstern bevorstehen, der erst ein Jahr vor dem apokalyptischen Ereignis von einer deutschen Forschungsstation auf der erdabgewandten Seite des Mondes entdeckt wird?

Hannes Stein hat sich all das ausgemalt und darum herum seine utopische Erzählung "Der Komet" gebastelt. Doch nicht genug damit, dass das seinerzeit größte Schiff der Welt wohlbehalten am Zielort angelangt ist, hat auch der stiernackige Thronfolger Franz Ferdinand das Attentat von Sarajevo überlebt, haben kein Erster und auch kein Zweiter Weltkrieg stattgefunden, keine Oktoberrevolution und hat auch nicht die NSDAP in Deutschland die Macht übernommen. Das Deutsche Reich wird vielmehr von einer Kaiserin (Augusta I. von Hohenzollern) regiert und hat seit 1942 friedlich den Erdtrabanten kolonisiert. Österreich-Ungarn besteht nach wie vor als konstitutionelle Monarchie, "aus vielen Völkern zusammengestückelt ... keine Internationale, wie die Austromarxisten sie vergeblich herbeiträumten, sondern - viel praktischer - eine Hinternationale. Reaktionär, fortschrittlich und human", wie Stein es gegen Ende des Buches von einem seiner Protagonisten zusammenfassen lässt.

Dabei ist die Geschichte, die der Roman vordergründig erzählt, recht nebensächlich. Barbara, die schöne Gattin des Hofastronomen David "Dudu" Gottlieb, beginnt während seiner Reise zum Mond eine Affäre mit dem Studenten Alexej von Repin. Dieser wird dadurch nebenbei in die Wiener Gesellschaft eingeführt, denn Frau Gottlieb unterhält einen klassischen bürgerlichen Salon. Auf diesem Umweg lernt sodann der Leser allerlei skurrile und, wie wohl Stein meint, interessante Persönlichkeiten kennen, darunter den Oberrabbiner, den Erzbischof und einen Doyen der Psychoanalyse namens Anton Wohlleben. Dieser wiederum beobachtet seltsame Albträume eines seiner Patienten und entdeckt dadurch den von Sigmund Freud in dieser wohlgeordneten, wenn auch typisch kakanisch schlamperten Parallelwelt nie konstatierten Todestrieb (Thanatos) jenseits des Lustprinzips (wie Freud bekanntlich seine Schrift dazu im Jahre 1920 benannte).

Das geht alles noch als harmlose Spintisiererei an. Stein malt in dieser äußerst schlichten Interpretation einer wie am Schnürchen ablaufenden monolinearen Entwicklung bunt aus, wie viel angenehmer unser aller Leben in Europa, besonders in Österreich, in etwas geringerem Maße auch in Ungarn und seinen Kronländern sein könnte, wie viel reicher auch durch das nie in Frage gestellte Zusammenleben von Katholiken und Juden. In seinem Wien, das demnächst vom Kometen zermantscht werden soll, leben an die dreieinhalb Millionen Menschen, etwa vierhunderttausend davon Juden. Neben diesen und den Anhängern der römischen Kirche scheint es zwar noch andere Konfessionen zu geben - Buddhisten einerseits und interessanterweise Anarchisten andererseits werden erwähnt, sogar Muslime wegen der Zugehörigkeit Bosnien-Hercegovinas zum Kaiserreich. Stein behandelt diese aber gleichsam ohne Interesse, sozusagen als bloße Taufschein- und Feiertagschristen, mithin vernachlässigbar.

Als Journalist und Beiträger zur "Achse des Guten" ist es Hannes Stein sowieso um gänzlich andere Botschaften zu tun. Seit vergangenem Jahr, nachdem er zuvor bereits eine Arbeitsbewilligung (die sogenannte Green Card) für die Vereinigten Staaten gewonnen hatte, ist Stein auch amerikanischer Staatsbürger, was ihn aber keineswegs daran hindert, die westliche Großmacht in seinem Roman als technisch rückständig und politisch eher harmlos ("eine Schweiz, die sich über einen ganzen Kontinent erstreckt", Kuba wird demnächst als jüngster Bundesstaat der Union beitreten) zu schildern. Sie hatten ja keinen Albert Einstein, und selbst Hollywood wird durch die Wiener Rosenhügelstudios und deren (jüdische) Filmemacher bestens ersetzt.

Vielleicht tauchen, als Gegengewicht zur so hämisch verspotteten politischen Korrektheit, ja deshalb in der Erzählung ständig Wörter wie "Neger" (ohne Anführungszeichen) auf, unterstellt er den Asiaten, Japanern im Besonderen, einen Hang zur Barbarei. Ob man in Nippon noch einen Kaiser hat, wird im Übrigen ausgeklammert. Seit den dreißiger Jahren führen die Japaner jedenfalls einen bestialischen Krieg auf dem chinesischen Festland, aber das sind eben keine Zivilisierten. In einem Glossar von immerhin 32 Seiten Umfang bietet Stein neben Erklärungen zum Verhältnis seiner Charaktere zu Menschen in der Realwelt auch eine Hymne auf Rudyard Kiplings Gedicht "Bürde des weißen Mannes". Ob Stein, wäre zur Niederschrift seiner Utopie bereits die Diskussion um Altherrenwitze und angeblich unter Alkoholeinfluss gemachte Äußerungen eines deutschen Spitzenpolitikers aufgeflammt gewesen, seine Protagonistin Barbara Gottlieb mit den Worten "Das Lachen der schönen Gastgeberin in ihrem rot-weißen Dirndl, das ihr, wie schon angemerkt, ganz ausgezeichnet stand" vorgestellt sowie zahlreiche weitere sexistische Bemerkungen eingestreut hätte, darüber mag man nicht mutmaßen.

Am meisten stößt man sich aber an den erfundenen Biographien einiger Menschen, die in Steins Utopie die Vernichtungslager von Auschwitz oder Mauthausen nie zu sehen bekommen haben (diese kommen, wie Stalins GULag, im Roman nur in den Träumen von Irren vor). Er meint, dass man etwa Anne Frank "die große alte Dame der deutschen Literatur, die vergnügte, weise Nörglerin", nennen darf. Das will man nicht einmal mehr als Chuzpe bezeichnen, das grenzt an Störung der Totenruhe.

MARTIN LHOTZKY

Hannes Stein: "Der Komet". Roman.

Galiani, Berlin 2013. 271 S., geb., 18,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gern hat Christoph Haas sich für eine Buchlänge die Illusion eines friedlichen Europas gegönnt. Der Autor macht es ihm schmackhaft mit einem Panorama (keiner großen Story allerdings), das einen weitgehend monarchistischen Staatenverbund zeigt. Franz Ferdinand wurde nicht getötet, Kriege sind nicht ausgebrochen, die deutsch-jüdische Tradition wurde nicht ausgelöscht, das 20. Jahrhundert ist ein Zeitalter des Ausgleichs, nicht der Extreme - wie schön. Ein einfacher Kniff mit großer Wirkung ermöglicht dieses Buch, das Hannes Stein laut Rezensent liebevoll mit Details und Verfremdung ausstattet. So taucht Hans Moser zwar auf, aber als ein anderer. Und Auschwitz ist nur in Albträumen präsent - wer wünschte sich das nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.02.2014

1914? War da was?
Retro-Utopie: Hannes Steins Roman „Der Komet“
Was wäre, wenn . . . ? Wer sich so etwas fragt, denkt meistens an Zukünftiges. Aber ist es nicht viel zauberhafter, auf diese Art und Weise von Vergangenem zu träumen? Was noch nicht geschehen ist, befindet sich im Reich des Möglichen; wie es eintreten wird, ob es überhaupt eintreten wird – das vermag niemand zu sagen. Alles Wünschenswerte ist im Zukünftigen zumindest theoretisch möglich; daraus nährt sich das Prinzip Hoffnung. Das Vergangene dagegen ist Geschehenes. Es ist harte Wirklichkeit
– und bringt gerade deshalb immer wieder die Sehnsucht hervor, es zumindest im Modus der Phantasie korrigieren zu können.
Aus diesem beflügelnden Widerspruch erklärt sich der Erfolg von Büchern, Filmen und Comics, die alternative Geschichtsverläufe präsentieren. Oft geht es hier darum, realhistorische Fakten in ihr Gegenteil zu verkehren: Aus Gewinnern werden Verlierer, aus Verlierern Gewinner. Quentin Tarantino hat dies in seinen beiden letzten Werken mit der ihm eigenen Mischung aus Drastik und Humor durchgespielt: In „Inglourious Basterds“ jagen nicht nur Nazis Juden, sondern auch Juden Nazis, und in „Django Unchained“ mutiert ein gehetzter „Nigger“ zu einem coolen Kopfgeldjäger, der den Weißen mit Blei und Dynamit zurückzahlt, was sie ihm angetan haben.
Bei Hannes Stein genügt ein knapp und energisch ausgesprochener Verzicht auf Heroismus, um der Geschichte im Jahr 1914 eine andere Wendung zu geben. „I bin doch ned deppat, i fohr wieder z’haus!“, sagt der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand, als der erste Attentatsversuch auf ihn in Sarajevo scheitert. Als Folge seiner Heimreise fallen mit dem Ersten Weltkrieg auch gleich der Zweite und die russische Revolution aus. Das Europa des frühen 21. Jahrhunderts, in das „Der Komet“ führt, kennt zwar Mikrowellenherde, regelmäßige Mondflüge und „Elektrobücher“, besteht jedoch – mit Ausnahme von Frankreich, der Schweiz und San Marino – aus konstitutionellen Monarchien. Allerorten herrscht seit Jahrzehnten schönster Friede. Dann aber entdecken Astronomen den Titel gebenden Himmelskörper, der unbeirrbar auf die Erde zusaust: In wenigen Monaten, so ist zu befürchten, tritt die Apokalypse ein.
Um eine Welt, wie „Der Komet“ sie entwirft, zu beglaubigen, bedarf es sowohl eines Sinns für Details als auch für Verfremdung. Über beides verfügt Hannes Stein in hohem Maß. Vieles, das wir aus unserer Wirklichkeit kennen, taucht auf, aber eben unter etwas anderen Vorzeichen. So ist ein näselnder, alter Dienstmann als Wiedergänger Hans Mosers zu erkennen und die blühende österreichische Filmindustrie gibt Anlass zu gehörigem patriotischen Stolz: Mit den „Rosenhügelstudios in Hietzing“ können es die hinterwälderischen Amerikaner nicht aufnehmen, die haben ja nicht einmal einen Unterhaltungsfilmregisseur wie Szczepan Sczpilberg zu bieten!
  Die reale Geschichte des vergangenen Jahrhunderts ist nur in Albträumen präsent. So wird, zur Verzweiflung seines gescheiten Psychoanalytikers, ein biederer Diplom-Ingenieur von furchtbaren Bildern heimgesucht, in denen Auschwitz, „ein fades Nest in der Provinz dort unten bei Krakau“, eine Rolle spielt. Das letzte Beispiel zeigt: So amüsant, so unterhaltsam Hannes Stein zu erzählen weiß, „Der Komet“ ist auch ein Buch der Trauer. Hinter den Scherzen verbirgt sich das Bewusstsein eines doppelten Verlustes, der nie wieder gutzumachen ist.
  Steins Klage gilt einerseits einer im besten Sinne des Wortes alteuropäischen Tradition der Liberalität und Toleranz, die in totalen Kriegen und in totalitärem Wahn erstickt worden ist. Und sie gilt andererseits der deutsch-jüdischen Kultursymbiose, für die mehrere Figuren des Romans stehen, allen voran der tapsige k. u. k. Hofastronom David Gottlieb, der von einer Ehekrise geplagt wird und der bevor er in die Rakete zum Mond steigt, sorgfältig eine halbe Stunde lang sein Morgengebet verrichtet.
  Eines darf man von diesem Buch allerdings nicht erwarten: ein schnell voranschreitendes Geschehen, überraschende Peripetien. Hierzu führen weder die Bedrohung durch den Kometen noch der zweite Handlungsstrang, in dem ein schüchterner Student der Kunstgeschichte sich in eine attraktive Salondame verliebt. In „Der Komet“ trifft Jules Verne auf Friedrich Torbergs „Tante Jolesch“: Der Roman ist eher statisch angelegt; seine Stärke liegt im Auffächern eines Panoramas. Das zwanzigste Jahrhundert nicht als ein Zeitalter der Extreme, sondern des Ausgleichs – das ist ein Traum, was sonst. Aber einer, den man mit Hannes Stein gerne teilt.
CHRISTOPH HAAS
  
Hannes Stein: Der Komet. Roman. Galiani Verlag, Berlin 2013. 272 Seiten, 18,99 Euro.
Franz Ferdinand mag nicht
ermordet werden – er fährt heim
Dieser amüsante Roman
ist auch ein Buch der Trauer
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