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SPIEGEL-BESTSELLER UND VIELFACH AUSGEZEICHNET Man nennt ihn den «Magier im Kreml». Der rätselhafte Vadim Baranow war Regisseur und Produzent von Reality-TV-Shows, bevor er zur grauen Eminenz von Putin wird. Nachdem er als politischer Berater von der Bühne verschwindet, werden immer mehr Legenden über ihn verbreitet. Bis er eines Nachts dem Ich-Erzähler dieses Buches, der seit Langem in Moskauer Archiven forscht, seine Geschichte anvertraut ... Dieser Roman führt uns ins Zentrum der russischen Macht, wo permanent Intrigen gesponnen werden. Und wo Vadim, der zum wichtigsten Spindoktor des…mehr

Produktbeschreibung
SPIEGEL-BESTSELLER UND VIELFACH AUSGEZEICHNET Man nennt ihn den «Magier im Kreml». Der rätselhafte Vadim Baranow war Regisseur und Produzent von Reality-TV-Shows, bevor er zur grauen Eminenz von Putin wird. Nachdem er als politischer Berater von der Bühne verschwindet, werden immer mehr Legenden über ihn verbreitet. Bis er eines Nachts dem Ich-Erzähler dieses Buches, der seit Langem in Moskauer Archiven forscht, seine Geschichte anvertraut ... Dieser Roman führt uns ins Zentrum der russischen Macht, wo permanent Intrigen gesponnen werden. Und wo Vadim, der zum wichtigsten Spindoktor des Regimes geworden ist, ein ganzes Land in ein politisches Theater verwandelt, in dem es keine andere Realität als die Erfüllung der Wünsche des Präsidenten gibt. Doch Vadim ist kein gewöhnlicher Ehrgeizling: Der Regisseur, der sich unter die Wölfe verirrt hat, gerät immer tiefer in die Machenschaften des Systems, das er selbst mit aufgebaut hat, und wird alles daransetzen, um dort wieder herauszukommen. Er nimmt den Erzähler mit auf eine Reise ins Herz der Finsternis. «Der Magier im Kreml» ist ein großer Roman über das zeitgenössische Russland und die Entstehung seiner medial inszenierten und vollkommen fiktiven, aber auch tödlichen Realität, einem Imperium der Lüge. Er enthüllt nicht nur die Hintergründe der Putin-Ära, sondern bietet auch eine hellsichtige Betrachtung über die Macht. * Ausgezeichnet mit dem Grand Prix du Roman de l'Académie française * Finalist des Prix Goncourt 2022 * 200 000 verkaufte Exemplare, Platz 1 der Bestenliste in Frankreich * Die Rechte wurden bereits in 26 Länder verkauft * Ein Roman über den einflussreichsten Berater von Putin und die mediale Inszenierung der Macht * Basiert auf der realen Gestalt von Putins Spindoktor Wladislaw Surkow
Autorenporträt
Giuliano da Empoli ist ein italo-schweizerischer Schriftsteller und Wissenschaftler. Er ist der Gründer von Volta, einem pro-europäischen Think Tank mit Sitz in Mailand, und Professor für Vergleichende Politikwissenschaft an der Sciences-Po Paris. Zuvor war er stellvertretender Bürgermeister für Kultur in Florenz und Berater des italienischen Ministerpräsidenten Renzi. Er ist Autor zahlreicher, international veröffentlichter Essays, darunter zuletzt "Ingenieure des Chaos" (2020) über neue Propagandatechniken, das auch ins Deutsche übersetzt wurde. "Der Magier im Kreml" ist sein erster Roman. In Frankreich wurden über 400.000 Exemplare verkauft und die REchte inzwischen in fast 30 Länder vergeben, das Buch wurde u. a. ausgezeichnet mit dem Grand Prix du Romane de l'Académie francaise und war Finalist für den Prix Goncourt. Michaela Messner lebt als Literaturübersetzerin in München und hat u.a. Werke von Alexandre Dumas, Anne und Emily Brontë, César Aira und Négar Djavadi ins Deutsche übertragen. 1992 erhielt sie den Raymond-Aron-Preis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Sogar Jewgeni Prigoschins Tod hat Giuliano da Empoli vorhergesehen, schreibt Rezensent Michael Hesse verdutzt. Dabei hatte der Autor, so Hesse, seinen meisterlichen Roman über die Machtdynamiken der Putin-Herrschaft bereits vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Frühjahr 2022 verfasst. Im Zentrum steht der Weg Putins an die Spitze des Landes nach den als demütigend empfundenen Jelzin-Jahren. Als eine Schlüsselfigur des aus der Perspektive eines Literaturwissenschaftlers erzählten Buches zeichnet da Empoli, lernen wir, eine fiktionalisierte Version des Putin-Beraters Wladislaw Surkow - der sich seinem Meister freilich letztendlich ebenfalls nicht gewachsen zeigt. Prigoschin selbst hat seinen Auftritt gegen Ende des Buches und legt, wie Hesse nachzeichnet, monologisierend seine Lebensphilosophie dar, die schließlich, jenseits dieses Romans, zu der für ihn fatalen Entscheidung führen wird, gegen Putin und damit den Kreml aufzubegehren.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2023

Russland
enträtseln
„Der Magier im Kreml“ von Giuliano Da Empoli
liefert ein entscheidendes Puzzleteil, um den
Überfall auf die Ukraine zu verstehen
VON NILS MINKMAR
Bis in das Gespräch unter Freunden schleicht sich die Frage, was man von Russland und seinem Präsidenten hält, ja überhaupt von ihm weiß. Ein Jahr nach dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine sind Einblicke und Gewissheiten rar, die Zeit der Russlandexpertinnen und Kremlbesucher ist vorüber. In Frankreich hatte diese Position lange die Historikerin Hélène Carrère d’Encausse inne. Sie kennt das Land, spricht die Sprache und galt immer als gute Quelle, falls jemand in Paris etwas über Moskau und vor allem über die berühmte russische Seele wissen wollte. Doch ihre vielen und prägnanten Fernsehauftritte sind heute ein Problem, denn bis in die Nacht des Angriffs weigerte sie sich zu glauben, dass die russische Regierung wirklich die Ukraine überfallen würde. Seitdem, vertraute sie neulich der Tageszeitung Le Monde an, irrt sie wie im Nebel herum. In Deutschland war der einstige Bundeskanzler Gerhard Schröder der Mann für den direkten Draht nach Moskau. Sein Wort wurde gehört, wenn es darum ging, die Sichtweise Putins zu erklären, für Verständnis zu werben oder umgekehrt diskret deutsche Belange im Kreml, oder wo auch immer er seinen Freund Putin traf, vorzutragen. Doch seit einem folgenlosen Trip nach Moskau kurz nach Beginn des Krieges wurde von ihm in dieser Hinsicht nichts mehr gehört. Schröder redet nun eher über seine Diät.
Mehr denn je ist Russland ein Rätsel, und was von dort über offizielle Kanäle, die Fernsehsendungen und die sozialen Netzwerke kommt, trägt wenig dazu bei, den Nebel zu lichten. Die Position Putins wird durch ihm ideologisch nahestehende Politikerinnen und Politiker der Linken, der AfD, des Rassemblement National oder der FPÖ weit deutlicher zum Ausdruck gebracht, als es der russische Präsident in seinen extralangen Ansprachen noch vermag. In dieser Situation ist nur noch die Literatur in der Lage, Licht ins Dunkel zu bringen. So erklärt sich ein Teil des Erfolges des Romans „Der Magier im Kreml“ von Giuliano Da Empoli. Der Autor ist Politikwissenschaftler und arbeitete auch praktisch als Berater des einstigen italienischen Premierministers Matteo Renzi. Es ist denkbar, dass er in diesem Rahmen Kontakt zu russischen Kollegen hatte, sein Protagonist soll jedenfalls dem russischen Regierungsberater Wladislaw Surkow nachempfunden sein.
Man legt den Roman aber auch dann nicht mehr aus der Hand, wenn man diesen Namen noch nie gehört oder gelesen hat. Zuvor aber soll man sich nicht vom Magier im Titel auf eine vulgäre Rasputin-Fährte führen lassen. Hier kommen keine mystischen Rituale und keine übersinnlichen Fähigkeiten vor. Die exotische Anmutung eines ewigen und rätselhaften, immens mächtigen Russlands ist bloß ein Element im Regal der Spezialeffekte, aus denen sich der Berater des Präsidenten mit Vergnügen bedient.
Der äußere Rahmen passt zu einer Verfilmung mit übersichtlichem Budget: Ein Literaturhistoriker aus Paris kommt für einige Zeit nach Moskau, um sich mit dem vergessenen Schriftsteller Jewgeni Samjatin vertraut zu machen. Dort erreicht ihn eine Nachricht des kaltgestellten und vergessen geglaubten Putin-Beraters Wadim Baranow. Er wird eingeladen, dramatisch mit einem Wagen abgeholt, und der einstige Vertraute Putins erzählt ihm sein Leben.
Und nun passiert etwas ganz Unerwartetes: Dieses Leben ist auch das der Leserin und des Lesers. In diesem nächtlichen Gespräch entfaltet sich die Geschichte seit dem Fall der Mauer. Baranow erzählt sehr anschaulich von den ersten Jahren der Freiheit, vom Run auf das große Geld, der auch in Moskau die krassesten Auswüchse zeitigte. Es ist zugleich die Zeit, in der sich die Medien die Welt unterwarfen. Nichts wurde wichtiger als ein gutes Image, eine gute Story, wenn man es in dieser Welt zu etwas bringen wollte. Baranow wird zu einem erfolgreichen und bekannten Fernsehproduzenten, reich und gelangweilt.
Privat läuft es eher nicht so gut, denn die entfesselte Macht und das nun geltende Recht des Stärkeren kolonisieren auch die intimen Beziehungen: Seine Freundin zieht mit einem der neuen Oligarchen ab. Es ist dieselbe Zeit, dieselbe Entwicklung, die Michel Houellebecq später in seiner „Ausweitung der Kampfzone“ beschreiben würde. Schritt für Schritt nähert sich Baranow über die Vermittlung des hier auf sehr anrührende Weise porträtierten, verstorbenen Oligarchen Boris Beresowski dem damaligen Premierminister Putin an.
Dann beginnt das Spiel, das auch hierzulande gespielt wurde: Der Oligarch und der Medienprofi unterschätzen den grauen Funktionär Putin. Sie agieren im Bewusstsein, dem kleinen Mann einen großen Gefallen zu tun. Sie beraten ihn und tauschen sich aus, aber die ganze Zeit, heute wissen wir es, verachtet Putin diese Leute und alles, wofür sie stehen. Wenn er möchte, killt er seine Freunde oder nimmt ihnen alles. Die Erfahrung des Beraters gleicht jener, die die deutsche Sozialdemokratie, so viele andere Kräfte in Europa und viele Wirtschaftsbosse mit Putin machten: Man wollte mit ihm Deals aushandeln, hielt sich für klüger. Man vertraute einem Mann, dem das alles völlig egal war, dessen Leben um die eigene Macht kreist.
Baranow bleibt viele Jahre im Kreml. Manche Passagen seiner Lebensbeichte sorgen dafür, dass die flache Hand an die Stirn fährt, so fassungslos ist man über die eigene Beschränktheit. Wie oft hat man sich über diese bunten, aber so schwer lesbaren Bewegungen wie die Tea Party Bewegung, die Brexiteers oder die ganzen Querdenker gewundert, deren Forderungen gegen die Interessen ihrer Anhänger gingen. Im Roman erst findet sich der Schlüssel, um diese Phänomene zu kapieren: Der liegt nicht im Thema, im Gehalt der Forderungen, sondern im Chaos selbst.
Irgendwann nämlich ist der Kreml genervt von all den Freiheits- und Demokratiebewegungen von Hongkong bis Kiew, hat politisch nichts mehr anzubieten, da kommt Baranow auf den Gedanken, einfach alle möglichen Gruppen, Sekten und Bewegungen aufzusuchen und anzustacheln. Baranow setzt auf den digitalen Appeal von Affekten: „Vielleicht gibt es jemanden, der gegen Impfungen ist, ein anderer ist gegen Jäger oder Umweltschützer oder Schwarze oder Weiße. Spielt keine Rolle. Hauptsache, jeder hat etwas, das ihm am Herzen liegt, und jemanden, der ihn zur Weißglut bringt.“
Das Ziel ist nicht per se politisch, sondern Chaos um des Chaos willen, um zu demonstrieren, dass die aufgeklärte Ordnung, die offene Gesellschaft nur eine Option der Geschichte ist. Der Roman ist klug genug, keine Verschwörungserzählung zu entfalten. Der Kreml hat den Rechtsruck in Europa, den Populismus und das obskurantistische Querdenkertum nicht alleine inszeniert. Baranow ist schon mit dem Anschein zufrieden. Putin und ihm genügte es, dass man ihnen solche Fähigkeiten zutraut. Denn je mehr Chaos herrscht, desto grösser die Wirkung des patriarchalischen Modells, das Putin symbolisiert. Aber ganz untätig waren die Kremlins auch wieder nicht, bezahlten Trollfarmen und schmierten Politiker aller Couleur, während sich etwa die Bundesrepublik in der Sonne der Arglosigkeit wärmte und jahrzehntelang Ferien von der Geschichte nahm. In diesen Passagen ist der Roman nichts weniger als das entscheidende Puzzleteil, um unsere Gegenwart zu verstehen.
Die nächtliche Unterredung endet, als die kleine Tochter Baranows erscheint und er das Interesse an seinem Gast verliert. An diesem Punkt hat man aber längst verstanden, dass der einzig verbliebene Weg für Putin die Gewalt ist, und vielleicht war das mit ihm immer so. Die Baranows dieser Welt und weite Teile auch der westlichen Öffentlichkeit hatten sich ihn anders gewünscht, und er hat das ausgenutzt. Seine Ära mündet in die sinnlose und umfassende Gewalt des Ukrainekrieges und aus ihr erklärt sich auch alles, was vorher war. Der „Magier im Kreml“ hätte um ein Haar den diesjährigen Prix Goncourt gewonnen, den wichtigsten französischen Literaturpreis, aber seine Relevanz ist davon völlig unabhängig. Besser als jede Talkshow und viele Sachbücher erklärt dieser spannende und aufklärende Roman, was in den vergangenen Jahren eigentlich passiert ist und wie fest so viele, mit zu geringen Ausnahmen, die Augen verschlossen haben. Wie dumm wir waren.
Der Schlüssel zum
Verständnis liegt im Chaos
um des Chaos Willens
Giuliano da Empoli: Der Magier im Kreml. Roman. C.H. Beck, München 2023. 265 Seiten, 25 Euro.
Giuliano da Empoli hätte für „Der Magier im Kreml“ um ein Haar den diesjährigen Prix Goncourt gewonnen.
Foto: Francesca Mantovani/Edition Gallimard
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2023

Als hätte man ihn in flüssigen Stickstoff getaucht
Giuliano da Empoli spürt in seinem Putin-Roman "Der Magier im Kreml" den Körperzeichen der Macht nach

Der Prix Goncourt 2022 ist ihm knapp entgangen: Erst nach vierzehn Runden schied Giuliano da Empolis Roman "Der Magier im Kreml" aus, es stand weiter fünf zu fünf - erst das Votum von Präsident Didier Decoin kürte Brigitte Girauds "Vivre vite". Da Empoli erhielt den Grand Prix du roman der Académie française - sowie die Werbung des Wahlvorgangs. Die subtile Vergeltung bestand darin, dass sich sein Roman mit gut 300.000 Exemplaren bis Ende 2022 einen Hauch besser verkaufte als "Vivre vite" - kein Wunder, denn "Der Magier im Kreml" ist anregend geschrieben und behandelt politische Aktualität.

Der Roman erzählt die fünfzehn Jahre, die Wadim Baranow als Berater Wladimir Putins gewirkt hat, ein kühler, detachierter Romantiker, der sich von nichts affektieren lässt. Baranow ist dem realen Berater Wladislaw Surkow nachempfunden: Viele der im Roman erzählten Ereignisse haben historische Pendants, etwa der Zweite Tschetschenienkrieg, der Untergang der Kursk oder die Ukraine-Krise; zentrale Figuren sind nicht erfunden und treten unter Klarnamen auf. Auf das faktuelle Gerüst legt da Empoli einen fiktionalen Mantel, der vor allem in vertraulichen Gesprächen sowie in den Reflexionen Baranows besteht.

Der Autor fasst das Leben seiner Hauptfigur in eine schmale Rahmenerzählung: Ein französischer Literaturwissenschaftler kommt nach Moskau und forscht zu Jewgeni Samjatin, dem Autor der Dystopie "Wir" (1920). Über einen Tweet kommt er in Kontakt mit Baranow, der sich seit einigen Jahren aus der aktiven Politik zurückgezogen hat; Baranow lässt den jungen Mann auf seinen luxuriösen Landsitz bringen. Dort vertraut er sich ihm in einem Lebensbeichte-Monolog an, der mehr als neunzig Prozent des Romans ausmacht.

Schon seine Familiengeschichte ist ein Symbol: Der Enkel eines Adeligen - dessen "typische Frechheit" und französische Bibliothek er erbt - und Sohn eines hohen Sowjetfunktionärs findet sich in der anarchischen Freiheit der Neunzigerjahre wieder. Baranow studiert an der Moskauer Schauspielakademie, lässt sich von der "schwarzen Elektrizität" der Aufbruchsjahre stimulieren, muss aber zusehen, wie ihm sein steinreich gewordener Freund Michail Chodorkowskij Xenja - die Liebe seines Lebens - ausspannt. Er wechselt das Lebensmodell, wird Fernsehproduzent, steigt unter dem Oligarchen Boris Beresowskij auf. Schließlich schlägt man ihm vor, statt Fiktionen Realität zu erschaffen: Es geht darum, Putin als Nachfolger des kranken Jelzin auf den Thron zu heben. Rasch wird Baranow klar, dass der FSB-Chef Ratgeber, sicher jedoch keine Anleitung braucht - Beresowskij ist weniger klug und wird es teuer bezahlen.

Der auf Französisch schreibende Schweizer und Italiener da Empoli ist Journalist, unterrichtet derzeit Politikwissenschaft und leitet einen Mailänder Thinktank; er war als Lokalpolitiker in Italien tätig und wie seine Hauptfigur selbst Berater (des damaligen Kulturministers Francesco Rutelli sowie Matteo Renzis). Die Spiele der Macht kennt er aus der Nähe: Manche Passagen, die auf Erfahrung aufbauen, gehören zu den stärksten des Buches. So, als nach den Moskauer Bomben-Attentaten 1999 der Befehl zum Angriff in Tschetschenien gegeben wird: "Putin schwieg eine Weile. Und als er wieder sprach, hatte sich sein Gesichtsausdruck nicht verändert, aber seine Präsenz war von einer anderen Konsistenz, als wäre sein Körper in einen Tank mit flüssigem Stickstoff getaucht worden. Der asketische Funktionär hatte sich unvermittelt in einen Erzengel des Todes verwandelt."

Detektivisch spürt Da Empoli den Körperzeichen der Macht nach, dem ironischen Blitzen im Auge, der verräterischen Körperhaltung, dem kaum erkennbaren Wink. Auch die Strategieanalysen - etwa jene zur Schwächung des Westens oder zur ideologischen Zementierung des Regimes - sind aufschlussreich. Baranow erklärt stolz: "Unser Meisterstück war der Aufbau einer neuen Elite, die maximale Macht und maximalen Reichtum auf sich vereint. Starke Männer, die sich an jeden Tisch setzen können, nicht so komplexbeladen wie eure zerlumpten Politiker und machtlosen Geschäftsleute." Diese Idee entspricht dem Selbstverständnis des Putinschen Apparats und hilft, sich mit den Mitteln der Fiktion ein eindrückliches Bild von ihm zu machen.

Literarisch ist "Der Magier im Kreml" dennoch kein großer Text: Er endet mau mit Rückzug. Der fehlende Handlungsbogen, etwa Aufstieg und Fall eines Höflings, wird nicht recht ersetzt, stattdessen reiht Da Empoli Episoden: zu Ereignissen, wie den Olympischen Spielen in Sotchi, oder zu Personen, wie Jewgenij Prigoschin. Nachdem Baranow erst Russland und dann Xenja (wieder-)erobert hat, scheint der Autor ratlos, wie er schließen soll. Er stellt zwei Bilder gegeneinander, eine apokalyptische Schau technologischer Kontrolle und die bezaubernde Präsenz eines kleinen Mädchens: Verzweiflung und Hoffnung.

Literarisch und ideologisch riskant sind zwei Punkte: Der Autor folgt seinem Spindoktor mit Sympathie - am Ende weiß man kaum noch, ob er dessen Ansichten teilt oder kritisiert. Insofern überrascht nicht, dass dem Roman vorgeworfen wurde, Stereotype des französischen Publikums zu bedienen; ein flagrantes Beispiel wäre Xenja, eine schöne Tyrannin, die sich in der eisigen Ostsee badet. Zudem sind die Klischeevorstellungen der Regierenden über ihre Untertanen insofern gefährlich, als sie keinerlei Realitätstest unterzogen werden. Schließlich finden sich neben gelungenen Passagen zu den Machtspielen solche, die den Eindruck vermitteln, da Empoli stelle sich Kreml-Intrigen wie Versailles unter Ludwig XIV. vor. Gerade in seiner "Russizität" tritt uns hier ein französischer Putin entgegen - das immerhin auf unterhaltsame und intelligente Weise. NIKLAS BENDER

Giuliano da Empoli, "Der Magier im Kreml". Roman.

Aus dem Französischen von Michaela Meßner. Verlag C. H. Beck, München 2023. 266 S., geb., 25,- Euro.

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