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Politisch instrumentalisierte Falschinformationen (sog. Fake News) vergiften den gesellschaftlichen Diskurs und tragen dazu bei, dass sich in der heutigen Informationsgesellschaft immer mehr Bürger von rationalen Fakten abwenden und dazu tendieren, ihre politische Meinung ausschließlich auf der Grundlage von subjektiven Emotionen zu gründen. Angesichts dieser politik-soziologischen Entwicklung, die als Postfaktizität betitelt wird, offenbart sich die konstitutive Bedeutung von Informationswahrheit in einer modernen Demokratie. Das nimmt die Arbeit zum Anlass, rechtsgebietsübergreifend zu…mehr

Produktbeschreibung
Politisch instrumentalisierte Falschinformationen (sog. Fake News) vergiften den gesellschaftlichen Diskurs und tragen dazu bei, dass sich in der heutigen Informationsgesellschaft immer mehr Bürger von rationalen Fakten abwenden und dazu tendieren, ihre politische Meinung ausschließlich auf der Grundlage von subjektiven Emotionen zu gründen. Angesichts dieser politik-soziologischen Entwicklung, die als Postfaktizität betitelt wird, offenbart sich die konstitutive Bedeutung von Informationswahrheit in einer modernen Demokratie. Das nimmt die Arbeit zum Anlass, rechtsgebietsübergreifend zu untersuchen, ob und, falls ja, mit welchen legitimen Mitteln es Aufgabe des materiellen Rechts ist, zum Zwecke des Demokratieschutzes Informationswahrheit zu institutionalisieren bzw. politische Fake News zu unterbinden. Hierbei gelangt sie zum Ergebnis, dass die dogmatische Lösung der Problematik hauptsächlich im Strafrecht zu verorten ist, mahnt aber grundsätzlich zu kriminalpolitischer Zurückhaltung.
Autorenporträt
Markus Schreiber studied law at the University of Augsburg with a major in intellectual property and competition law as well as antitrust law. After passing his first legal examination he worked as a research assistant for Prof. Dr. Arnd Koch (chair for criminal law, criminal procedure law and contemporary history of law, University of Augsburg). He received his Ph.D. for a thesis at the interface of media law and criminal law. Currently, he is completing his legal clerkship in the judicial district of the Higher Regional Court of Munich (OLG München).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2022

Hilft das Strafrecht gegen Fake News?
Wo die Grenzen des Rechts sind und wie auf behutsame Weise eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden kann

Viele Teilnehmer der derzeitigen Corona-Proteste sind davon überzeugt, dass ihnen die klassischen Medien die wahre Pandemielage verschweigen. Sie "informieren" sich stattdessen in sozialen Medien. Die dortigen Publikationen sind häufig objektiv falsch - die Demonstranten fallen auf "Fake News" herein.

Muss das Strafrecht einschreiten, um solche Falschnachrichten zu stoppen? Dies untersucht Markus Schreiber in seiner jüngst erschienenen Dissertation, die er im vergangenen Sommer an der Universität Augsburg vorlegte. Schreiber erliegt dabei nicht der Versuchung, die Verbreitung jedweden Schwachsinns mithilfe des Strafgesetzbuchs unterbinden zu wollen. Er analysiert stattdessen überzeugend, unter welchen Voraussetzungen politische Fake News schon bisher strafbar sind, künftig strafbar sein sollten und wo die Grenzen des Strafrechts verlaufen, wenn politische Falschnachrichten gestoppt werden sollen. Dabei bezieht er sich nur auf objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptungen zum politischen Geschehen - nicht hingegen auf Meinungsäußerungen.

Nach jetziger Rechtslage können sich die Autoren politischer Fake News etwa wegen Beleidigung oder Volksverhetzung strafbar machen - dies allerdings nur, wenn sie explizit geschützte Rechtsgüter gefährden. Das ist bei vielen Falschnachrichten allerdings nicht der Fall. Schreiber macht vor allem drei Situationen aus, in denen die Schöpfer von Desinformation straffrei bleiben, trotzdem aber der öffentlichen Meinungsbildung schaden: Wenden sich Fake News gezielt gegen die Reputation eines Politikers, ohne ehrenrührig zu sein, haben Gerichte derzeit keine Handhabe, die Falschnachrichten zu unterbinden. Gleiches gilt für den Fall, dass politische Fake News verbreitet werden, um einen Motivirrtum beim Wähler zu erzeugen. Der dritte Fall umfasst auf Falschnachrichten basierende Stimmungsmache, die so formuliert ist, dass sie knapp unter den Grenzen der Volksverhetzung bleibt.

In seinen Überlegungen, diesen Situationen mit einer neuen Strafnorm zu begegnen, betont Schreiber den Ultima-Ratio-Grundsatz. Nach dem Grundgesetz ist das Strafrecht stets nur letztes Mittel, um gesellschaftlichen Missständen abzuhelfen. Der Rechtswissenschaftler schlägt deshalb vor, die Autoren politischer Fake News über die bisherigen Regeln hinaus nur dann zu bestrafen, sofern sie Falschnachrichten wider besseres Wissen verbreiten und ihre Beiträge geeignet sind, Wahlberechtigte bei der Ausübung ihres Wahlrechts zu beeinflussen. Zudem sollen Desinformanten nach Ansicht des Juristen nur dann sanktioniert werden, wenn sie ein reichweitenvergrößerndes Computerprogramm benutzen. Dieses Tatbestandsmerkmal zielt darauf ab, "Social Bots" einzudämmen. Diese Computerprogramme sind so konzipiert, dass sie menschliches Verhalten in sozialen Netzwerken imitieren und Beiträge anderer Nutzer mit vorprogrammierten Inhalten kommentieren. Ein Einzelner kann auf diese Weise die Reichweite seiner Beiträge um ein Vielfaches steigern - weil er die Algorithmen des sozialen Netzwerks dahin gehend täuscht, viele andere Nutzer interessierten sich dafür.

Die Verwendung solcher Programme in Kombination mit wahlbeeinflussenden Falschinformationen ist für Schreiber sozialethisch derart verwerflich, dass strafrechtliche Sanktionen angebracht seien. Zugleich verhindere das Erfordernis eines reichweitenstarken Computerprogramms, dass jeder, der eine Lüge zum politischen Geschehen veröffentlicht, die Härte des Strafrechts fürchten müsse. Schreiber weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das deutsche Strafrecht kein allgemeines Lügendelikt kennt. Das Strafgesetzbuch sei kein Moralstrafrecht. Strafe erhalte nur der, der ein Schutzgut intensiv gefährde - was bei Lügen, die ohne solche technischen Hilfsmittel verbreitet werden, oft nicht der Fall sei.

Man kann darüber streiten, ob eine Strafnorm, die an einen bestimmten technischen Verbreitungsweg anknüpft, den Gefahren politischer Fake News ausreichend begegnet. In der Strafrechtslehre gibt es weiter gehende Vorschläge: So verlangt etwa der Münchener Strafrechtler Bernd Schünemann, bestimmte "Garantiepersonen", etwa Amtsträger oder Journalisten, gesondert zu bestrafen, wenn diese politische Fake News verbreiten. Dieser Vorschlag entstand während der Amtszeit des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Schreiber setzt sich mit Schünemanns Vorschlag auseinander - und gelangt zu dem Ergebnis, dass für eine solche Strafrechtsnorm Präventionseignung und Erforderlichkeit fehlten. Es bestehe die Gefahr, dass Amtsträger und Journalisten bei Geltung solchen Sonderrechts letztlich für die Glaubwürdigkeit ihrer eigenen Zunft büßen müssten. Schreiber überzeugt hier ebenso wie an vielen anderen Stellen in seiner Arbeit mit einer abwägenden Argumentationsführung - selbst wenn man sein Ergebnis nicht teilen mag.

Der Augsburger Rechtswissenschaftler hat ein lesenswertes Buch verfasst, das einem klar verständlichen Aufbau folgt. Schreiber gelingt es, einer zentralen gesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit mit juristischer Präzision zu begegnen. Dabei verstrickt er sich nicht darin, die zahlreichen Urteile zur Thematik zu referieren - sondern führt diese nur an, sofern sie zum Erkenntnisgewinn beitragen.

An der einen oder anderen Stelle hätte dem Werk dennoch eine inhaltliche Straffung gutgetan. Der Autor beschreibt etwa technische Details sozialer Netzwerke ausführlicher, als dies zum Verständnis der damit verbundenen juristischen Probleme erforderlich ist. Historisch Interessierte werden zudem hinterfragen, ob die mit Fake News verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen wirklich so neuartig sind, wie Schreiber in seiner Arbeit nahelegt: Kenner der mit reichlich Falschmeldungen geführten Wahlkämpfe der Weimarer Republik werden ihm möglicherweise widersprechen. Solche Fragen der Schwerpunktsetzung schmälern die juristische Leistung Schreibers nicht. Rechtspolitikern, die soziale Netzwerke regulieren, ist die Lektüre des Buches ausdrücklich angeraten. Es enthält einen Vorschlag, der das geltende Strafrecht verbessern würde - ohne seine Grenzen zu überschreiten. STEPHAN KLENNER

Markus Schreiber: Strafbarkeit politischer Fake News. Schriften zum Strafrecht, Band 383.

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2022. 343 S., 89,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Gefühl der Notwendigkeit von Straffung hier und da hindert den Rezensenten Stephan Klenner nicht daran, Markus Schreibers Buch über die rechtlichen Mittel gegen Fake News zu empfehlen. Die Dissertation vom vergangenen Sommer unternimmt laut Klenner den Versuch zu analysieren, unter welchen  Bedingungen Fake News strafbar sein sollten, und erörtert anhand von drei Fällen (u.a. wenn die Reputation eines Politikers das Ziel ist), wo das Gesetz Nachbesserung vertragen könnte. Dass der Autor bei seinen Forderungen wie bei der Auflistung von Fallbeispielen Maß hält und seinem Buch einen "verständlichen" Aufbau gönnt, kommt dem Leser laut Klenner zugute.

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