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Seit dem byzantinischen Bilderstreit und dem Bildersturm der Reformation ist nicht mehr in solcher Intensität über Bilder nachgedacht worden wie in den letzten Jahrzehnten. Neben der Archäologie und der Kunstgeschichte haben sich zahlreiche weitere Fächer an Fragestellungen rund um das Bild geradezu festgebissen. Angesichts dessen geht einer der bedeutendsten Kunsthistoriker der Gegenwart der Frage nach, warum Begriff und Geltung sowie Macht und Ohnmacht von Bildern so hartnäckig verfolgte Themen unserer Tage geworden sind.Vordergründig geht dieser Boom auf die nie zuvor dagewesene Dominanz…mehr

Produktbeschreibung
Seit dem byzantinischen Bilderstreit und dem Bildersturm der Reformation ist nicht mehr in solcher Intensität über Bilder nachgedacht worden wie in den letzten Jahrzehnten. Neben der Archäologie und der Kunstgeschichte haben sich zahlreiche weitere Fächer an Fragestellungen rund um das Bild geradezu festgebissen. Angesichts dessen geht einer der bedeutendsten Kunsthistoriker der Gegenwart der Frage nach, warum Begriff und Geltung sowie Macht und Ohnmacht von Bildern so hartnäckig verfolgte Themen unserer Tage geworden sind.Vordergründig geht dieser Boom auf die nie zuvor dagewesene Dominanz des Visuellen in fast allen Lebensbereichen zurück. Dahinter verbirgt sich jedoch ein tieferliegendes Problem als Paradoxon: Bilder besitzen zwar als von Menschen geschaffene Artefakte kein autonomes Leben, entwickeln aber immer wieder eine Präsenz, die sie mehr sein läßt als nur toter Stoff. Darauf gründet die Erwartung, daß das Nachdenken über sie mehr hervorzubringen vermag als der bloße Blick auf sie. Im Doppelspiel von lebloser Starre und Lebendigkeit liegt die handlungsstiftende Kraft von Bildern. Mit Blick darauf entwirft Bredekamp eine Theorie des Bildakts als Gegenstück zur Lehre vom Sprechakt und verfolgt das Phänomen wirkkräftiger Bilder in drei Bereichen: der künstlichen Lebendigkeit, des Austausches von Bild und Körper und der Eigentätigkeit der Form. Das Buch ist die stark erweiterte Fassung seiner im Jahr 2007 gehaltenen und vielbeachteten Frankfurter Adorno-Vorlesungen - und die Summe jahrzehntelanger Forschungen zur bildaktiven Phänomenologie.
Autorenporträt
Bredekamp, Horst§
Horst Bredekamp ist Professor für Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg ebendort. Er ist Träger des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa, des Aby-M.-Warburg Preises, des Max-Planck-Forschungspreises sowie des Richard Hamann-Preises für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Kunstgeschichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2011

Sachbücher des
Monats Februar
Empfohlen werden nach einer monatlich erstellten Rangliste Bücher der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie angrenzender Gebiete.
1. HELMUT JAMES u. FREYA VON MOLTKE: Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel: September 1944 - Januar 1945. Herausgegeben von Helmuth Caspar von Moltke und Ulrike von Moltke. C. H. Beck Verlag, 608 Seiten, 29,95 Euro.
2. TOBY LESTER: Der vierte Kontinent. Wie eine Karte die Welt veränderte. Aus dem Amerikanischen von Klaus Binder und Bernd Leineweber. Berlin Verlag, 527 Seiten, 39,90 Euro.
3. JOHN KEEGAN: Der amerikanische Bürgerkrieg. Übersetzt von Hainer Kober. Rowohlt Berlin Verlag, 512 Seiten, 26,95 Euro.
4. HORST BREDEKAMP: Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007. Suhrkamp Verlag, 463 Seiten, 39,90 Euro.
5. BERNHARD PÖRKSEN, WOLFGANG KRISCHKE (Hrsg.): Die Casting-Gesellschaft. Die Sucht nach Aufmerksamkeit und das Tribunal der Medien. Herbert von Halem Verlag, 346 Seiten, 18 Euro.
6.-7. FRANK KOLB: Tatort Troia. Geschichte – Mythen – Politik. Ferdinand Schoeningh Verlag, 310 Seiten, 29,90 Euro.
UNSICHTBARES KOMITEE: Der kommende Aufstand. Aus dem Französischen von Elmar Schmeda. edition nautilus, 128 Seiten, 9,90 Euro.
8. MARKUS KRAJEWSKI: Der Diener. Mediengeschichte einer Figur zwischen König und Klient. S. Fischer Verlag, 720 Seiten, 24,95 Euro.
9.-10. PETER GEIMER: Bilder aus Versehen. Eine Geschichte fotografischer Erscheinungen. Verlag Philo Fine Arts, 528 Seiten, 26 Euro.
SEBASTIAN JUNGER: War. Ein Jahr im Krieg. Übersetzt von Teja Schwaner. Karl Blessing Verlag, 336 Seiten, 19,95 Euro.
Besondere Empfehlung des Monats von Wolfgang Hagen: WERNER GRÜNZWEIG, CHRISTIANE NIKLEW (Hrsg): Hans Heinz Stuckenschmidt. Der Deutsche im Konzertsaal. Wolke Verlagsgesellschaft, 280 Seiten, 29 Euro.
Die Jury: Rainer Blasius, Eike Gebhardt, Fritz Göttler, Wolfgang Hagen, Daniel Haufler, Otto Kallscheuer, Petra Kammann, Guido Kalberer, Elisabeth Kiderlen Jörg-Dieter Kogel, Hans Martin Lohmann, Ludger Lütkehaus, Herfried Münkler, Wolfgang Ritschl, Florian Rötzer, Johannes Saltzwedel, Albert von Schirnding, Jacques Schuster, Norbert Seitz, Hilal Sezgin, Elisabeth von Thadden, Andreas Wang, Uwe Justus Wenzel.
Redaktion: Andreas Wang (NDR Kultur)
Die nächste SZ/NDR/BuchJournal-
Liste der Sachbücher des Monats erscheint am 28. Februar 2011.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2011

Erkundungen der Bildermacht

Von der Höhlenvenus bis zum Bildschirm im Kampfjet: Horst Bredekamp durcheilt auf den Spuren unserer Empfänglichkeit für Bilder die Geschichte.

Bilder bewegen uns. Nicht alle natürlich, mit denen wir zu tun bekommen, doch viele von ihnen. Ob nun Bilder, die wir aufsuchen, oder solche, denen wir nicht aus dem Weg gehen können. In Museen oder auf Plakatwänden, auf Bildschirmen oder Leinwänden, in Zeitschriften oder Büchern, als Fotografien, Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und so fort. Verwunderlich ist das nicht, denn sie wurden schließlich dazu gemacht, unsere Aufmerksamkeit zu erregen, uns auf bestimmte Ideen oder auch Handlungen zu bringen. Andernfalls wären sie gar keine Bilder. Obwohl es fast nichts braucht, um sie hervorzubringen. Die Vorgabe einer Perspektive, um eine Landschaft zu betrachten zum Beispiel, ja auch nur eine Geste, die uns einen Blickpunkt auf ein Objekt empfiehlt - und schon sind wir (auch) in der Sphäre der Bilder.

Dass weniges reicht, um uns ein Bild vor Augen zu stellen, daran erinnert Horst Bredekamp zu Beginn seines Buchs. Von Bildern in einem ganz grundlegenden Sinn handelt er dort, um deren bewegende Wirkung auf uns möglichst elementar zu fassen. Der im Titel auftretende "Bildakt" meint ihre Fähigkeit, unser Empfinden, Denken und Handeln anzurühren. Eine Fähigkeit, die hier nicht als abgeleitetes Phänomen, als Projektion unserer eigenen Lebendigkeit auf einen Bildträger gefasst werden soll, sondern als Effekt einer "Eigenkraft der Bilder". Einer Kraft, die sie durch ihre Herstellung erhalten, aber dann auf recht eigenständige Weise ausüben können - worin alle Spielarten von Anziehung wie Bedrohung wurzeln, die wir ihnen gegenüber empfinden mögen.

Kein kleines Geschäft also, das sich der Kunsthistoriker der Berliner Humboldt-Universität vorgenommen hat. Er lässt auch keinen Zweifel daran: Was die Aufklärung an solcher Bilderkraft mit richtiger Witterung gespürt, aber dann als bedrohlichen Animismus unter den Teppich gekehrt habe, das soll nun eine "Theorie des Bildakts" unverkürzt entfalten. Der lockere Verweis auf "die Aufklärung" mag zwar auch dem Umstand geschuldet sein, dass dieses Buch aus Bredekamps Frankfurter Adorno-Vorlesungen hervorging. Aber klar ist damit doch, dass Gipfelgespräche anvisiert sind.

Weshalb man auch erst einmal durch Platon, Heidegger und Lacan gejagt wird. "Ursprünge und Begriffe" stehen auf dem Programm. Das klingt zwar nach strengen Exerzitien, aber die sind Bredekamps Sache ohnehin nicht. Was die Ursprünge anlangt, bescheidet er sich mit der Feststellung, dass es einen elementaren Zusammenhang zwischen Bilderschöpfung und Evolution gebe. Das wird kaum ganz falsch sein, doch wie man sich den Zusammenhang genauer vorzustellen habe, das erfährt man nicht.

Dafür erhält man Beispiele, wie früh bereits Bildwerke bei unseren Vorfahren auftauchen, garniert mit einigen Verweisen auf anthropologische Theorien, die jedoch in so verquerer Weise eingeflochten werden, dass sich ihr Stellenwert allenfalls erahnen lässt. Womit man schon einen Grundzug von Bredekamps Darstellungsweise vor sich hat. Sie kombiniert eigentlich recht brave Bildbeschreibungen mit Winken auf tief ansetzende "bildaktive" Erklärungen.

Der Anspruch ist, auf den Begriff zu bringen, was geläufige Evokationen eines eigenständigen Bildlebens andeuten: wenn Artefakte durch Signatur und Kommentar zu einer eigenen "Stimme" kommen; Geschichten von lebendig werdenden Bildern erzählt werden oder vom Leben umgekehrt, das zum Bild erstarrt; alte und neue Praktiken, Personen durch ihre Bilder vertreten zu lassen, an denen Strafen vollzogen und die zum abschreckenden Kriegsmittel werden können.

Der Fundus ist überreich, auf den Bredekamp zurückgreifen kann, um den ins Auge gefassten Bildwirkungen quer durch die Geschichte entlang dreier Achsen zu folgen. Einmal entlang der Verfahren, Körper und Bilder aneinander anzugleichen, wie etwa in den Tableaux vivants oder dem Spiel mit der Faszination lebendig wirkender Automaten, Statuen oder Puppen. Im zweiten Anlauf entlang der Praktiken, Körper und Bilder füreinander einstehen zu lassen, von der Vera-Icon-Ikonographie über alte Bilderstürme bis zu zeitgenössischen Fortsetzungen des Krieges mit Bildermitteln. Und schließlich, weniger leicht vorherzusehen und auch um einiges freier noch in der Auswahl, am Leitfaden durch die Form selbst gestifteter Bildermacht. Bevor zuletzt noch mit den Effekten von Darwins sexueller Auslese eine Art naturgeschichtlicher Unterbau des Bildakts anvisiert wird - was den Autor sogar dazu bringt, seine eigene zu Beginn getroffene Feststellung, dass ein Bild nur sein kann, was irgendeine menschliche Zurichtung zu seiner Präsentation erfahren hat, beseitezusetzen.

Für den Anspruch einer "Theorie des Bildakts" wäre das zwar eher fatal. Aber diesen Titel setzt man als Leser ohnehin schnell beiseite, übersieht auch lieber die Anspielung auf die Sprechakttheorie. Denn um Theorie in einem einigermaßen belastungsfähigen Sinn geht es offensichtlich nicht, und man muss das auch nicht bedauern. Der Terminus gehört eher ins rhetorische Arsenal der Bedeutungssteigerung, mit der Bredekamp kunstgeschichtlich informierte und zumindest seit Aby Warburgs und Edgar Winds Zeiten geläufige Einsichten zum finalen Aufklärungsprojekt über unsere tiefsitzende Bildempfänglichkeit schmieden möchte.

Man darf sich stattdessen an Bredekamps Überzeugung halten, dass es ihm auch um eine "Selbststärkung" der Sprache in Zeiten der bildtechnischen Hochrüstung der Gegenwart zu tun sei, um die "Stärkung ihrer Klarheit, Finesse, Anarchie und Unergründlichkeit", ja dass die Sprache "im Zusammenspiel mit dem Bild oder auch im Konflikt mit der Sphäre des Visuellen zur höchsten Entfaltung ihrer selbst zu gelangen vermag".

Auch das ist zwar ein bisschen sehr steil formuliert, aber ausschließen möchte man es natürlich nicht. Bloß begreift man bei der Lektüre von Bredekamps Buch nicht recht, was den Autor dazu verleitet hat, die versammelten Bildkommentare mit diesem hohen Anspruch einzuleiten. Denn als Beispiel von Raffinesse möchte man sie nicht hinstellen, ihre stellenweise Unergründlichkeit ist von stilistischen Überstürztheiten nicht gerade leicht zu unterscheiden, die Klarheit leidet oft beträchtlich unter den philosophisch-anthropologischen Selbstüberforderungen, und an Anarchie denkt man bei dem recht hastig absolvierten Parcours eigentlich auch kaum.

Vielleicht muss man dieses Buch ja als letzten Tribut Bredekamps an seine disziplinäre Vorreiterrolle für eine Erweiterung des kunstwissenschaftlichen Terrains sehen. Zu welcher Rolle wohl gehört, es mit der Raffinesse so wenig wie mit der Anarchie zu übertreiben, aber an programmatisch zu verstehenden Vollmundigkeiten keinesfalls zu sparen. Mit der bald erreichten Emeritierung könnte die Bahn dann jedoch frei sein für das eine oder andere mit Muße geschriebene Buch. Der "Bildakt", für dessen akademisches Fortkommen wahrscheinlich gesorgt ist, müsste dann nur noch in - vielleicht abgründigen - Fußnoten figurieren.

HELMUT MAYER

Horst Bredekamp: "Theorie des Bildakts". Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 463 S., Abb., geb., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

So viel ist klar: Rezensent Mario Scalla fand die Lektüre dieses Buchs höchst anregend. In der Kürze der Kritik ist er allerdings gezwungen, ein bisschen viel Voraussetzungen zu machen, und so kann man ihm bei den Erläuterungen über den "schematischen", den "substitutiven" und den "intrinsischen" Bildakt nicht immer folgen. Man versteht aber, dass Autor Horst Bredekamp in seinen an die "Dialektik der Aufklärung" anknüpfenden Adorno-Vorlesungen sehr aktuelle Fragen über die Macht der Bilder stellt. Er denkt etwa darüber nach, dass Picassos "Guernica"-Teppich im UNO-Gebäude verhängt wurde, als Colin Powell dort die angeblichen Beweise für irakische Massenvernichtswaffen präsentierte. Und er macht sich auch Gedanken über islamistische Snuff Videos, für die Gefangene - eigens um das Bild davon zu verbreiten - hingerichtet wurden. Wer einen humanen Mittelweg zwischen Ikonoklasmus und Idolatrie sucht, so Scalla, wird nicht um die Lektüre von Bredekamp herumkommen.

© Perlentaucher Medien GmbH