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In der Gattungsgeschichte der Kriminalliteratur erweisen sich technische Innovationen als treibende Kraft der literarischen Entwicklungen. In Text und Bild veranschaulicht die Autorin das komplexe Zusammenwirken von kriminalistischen Verfahrensweisen, Wahrnehmung und medialer Präsentation.

Produktbeschreibung
In der Gattungsgeschichte der Kriminalliteratur erweisen sich technische Innovationen als treibende Kraft der literarischen Entwicklungen. In Text und Bild veranschaulicht die Autorin das komplexe Zusammenwirken von kriminalistischen Verfahrensweisen, Wahrnehmung und medialer Präsentation.
Autorenporträt
Die Autorin Gabriela Holzmann, geb. 1961; Studium der Germanistik, Publizistik und Theaterwissenschaft; verschiedene Tätigkeiten beim Film, Fernsehen und Hörfunk, u.a. Krimibearbeitungen für den Hessischen Rundfunk; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Germanistischen Institut der Freien Universität Berlin; 2000 Promotion; arbeitet zur Zeit als freie Autorin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anne Zielke reflektiert in ihrer Rezension über Gabriele Holzmanns Geschichte des Krimis den erkenntnistheoretischen Wert von Hypothesen. Gerade der Kriminalroman, belehrt die Rezensentin, eigne sich dafür, "unterschiedliche Erscheinungsformen von Kommunikation nachzuzeigen". Holzmanns Dissertation nehme zwar die "Wahrnehmungsraster" der Kriminalliteratur ins Visier und biete dem Leser eine Entstehungsgeschichte des modernen Kriminalromans bis zum Aufkommen der Massenmedien. Gleichwohl setze die Studie die falschen Akzente. Holzmanns Fragestellung kreise zu sehr um die Bedeutung der Fotografie etwa als Beweismittel für die Kriminalgeschichte. Am Ende, kritisiert die Rezensentin, habe Holzmanns Arbeit den Charakter einer "Bildergeschichte", da sie sich viel zu eingehend bei den technischen Neuerungen und ihren ästhetischen Folgen aufgehalten habe. Die für das Thema wesentliche Kommunikationswirkungsforschung bleibe in der Studie hingegen unterbelichtet. An diesem Punkt setzt Zielke nun mit ihren sperrigen erkenntnistheoretischen Erörterungen über kommunikative Strukturen des Kriminalromans ein, deren Fazit ist, dass sich die Wirklichkeit nach der Hypothese ordnet und nicht umgekehrt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2001

Schaut das Bild des Täters in den Pupillen des Opfers
Die Welt als Fall: Gabriela Holzmann liest die Geschichte des Krimis als Mediengeschichte / Von Anne Zielke

Zwar konnte Erik Lönnrot das letzte Verbrechen nicht verhindern", beginnt Jorge Luis Borges seine Erzählung "Der Tod und der Kompaß", "aber unstreitig hatte er es vorausgesehen." Was allein im Weltverhältnis des Detektivs zu zählen scheint, ist die Gültigkeit der Hypothese. Sie programmiert sich selbst bis zur Notwendigkeit im dauernden Dialog des Detektivs mit anderen Figuren. Konfrontiert mit dem Es-könnte-auch-anders-sein verworfener Möglichkeiten, läßt gerade diese zentrale Form des Kriminalromans den Leser an der Erkenntnis teilhaben.

Im Krimi als Bildungsroman verflüchtigt sich das Was der Erkenntnis zugunsten eines Wie, und so wird im detektivischen Blick auch eine bestimmte Form der Weltbetrachtung verhandelt. Es läßt sich der Kriminalroman als eine Metageschichte, als Geschichte nämlich der Medien lesen, die, wie Luhmann schreibt, die Phänomenologie des Seins durch eine Phänomenologie der Kommunikation ersetzt haben. In ihrer materialreichen Dissertation "Schaulust und Verbrechen" versucht Gabriela Holzmann jene Mediengeschichte zu erzählen, indem sie die "Wahrnehmungsraster" der Kriminalliteratur analysiert: Sie gleichen dem filmischen Blick. Holzmann interessiert sich vor allem für die Materialität der Medien, die "Hardware", und ihren Abdruck im Erzählen, und während sie den Details der Texte nachspürt, gelingt ihr zugleich eine Genealogie des modernen Kriminalromans, die sie 1950 mit dem Einzug des Massenmediums Fernsehen in die Haushalte enden läßt.

Das kann daran liegen, daß Holzmanns Erzählung weniger eine allgemeine Medien- als vielmehr eine Bildergeschichte ist. Die ersten Daguerreotypien markieren nicht nur den Beginn des Films, sondern auch des Kriminalromans. Es ist eine neue erzählerische Dimension, die die Fotografie als Beweismittel zugleich dem Kriminalroman sichert: Sie macht Gegenwart zeitlos verfügbar. Spuren lassen sich so nicht nur direkt am Tatort auswerten, sondern werden konserviert; am Foto kann der Detektiv später Hypothesen überprüfen, indem er scheinbar Beiläufiges plötzlich als Notwendiges, als fehlendes Puzzleteil liest. In vielen Romanen, zum Beispiel in Jules Vernes "Die Gebrüder Kip", wird die Begeisterung für neue Medien zur Allmachtsphantasie: Der Detektiv kann einen Mord aufklären, weil in den Pupillen des Opfers das Bild des Täters festgehalten war - als Wahrheit des brechenden Auges, das wie eine Kamera im Todesmoment ausgelöst wurde. Umgekehrt interpretiert Holzmann die bildliche Reproduktion des Lebendigen als "irritierende Inversion des Tötungsaktes"; sie argumentiert bei der Verschränkung von Gewalt und Medien ästhetisch und hakt die gesamte, stillschweigend an überkommenen Stimulus-Response-Modellen festhaltende sogenannte Kommunikationswirkungsforschung in einer Fußnote ab.

Jener Typus des Detektivs, der Stellvertreter einer absoluten Rationalität ist, dem die Welt tatsächlich zum Fall wird, ist nicht nur das Produkt einer medienhistorischen Entwicklung: In Deutschland wird zeitgleich mit der Erfindung der Fotografie die Folter abgeschafft. Während im Zentrum überkommener Rechtsauffassung, die so auch die Inquisition ermöglicht hatte, das Geständnis gestanden hat, zählt von diesem Zeitpunkt an die Auswertung von Spuren und die rationale Überführung des Täters. Später wird in die erzählerischen Strukturen der Romane auch die ästhetische Wirkung des Gegensatzes von Licht und Schatten im expressionistischen Film integriert. Licht bedeutet auch immer aufklärerisches Wirken des Detektivs, der eben das sprichwörtliche Licht ins Dunkel eines Verbrechens bringen will, während der Verbrecher, Stichwort Verdunkelungsgefahr, systematisch dagegenarbeitet. Die Wahrheit ist Wahrnehmung; sie liegt an der Oberfläche, man sieht sie, ohne sie zu sehen, und mit dieser Visualisierung, dem im Grunde immer schon offenbarten Rätsel, beginnt die Detektivliteratur: Mit Edgar Allan Poes "Die Morde in der Rue Morgue" von 1841, wo sich die mörderische Bestie als kein allegorisches, sondern als tatsächliches Tier herausstellt - ein wildgewordener Orang-Utan. Zugleich ist es bei Poes Geschichte ein Zeitungsartikel, der am Anfang die übel zugerichteten Leichen detailliert beschreibt; die Medienreferenz ermöglicht einen scheinbar objektiven Blick auf die Szenerie, wie auch ein Beweisfoto die Illusion von Objektivität erzeugt hätte, im Gegensatz zur Subjektivität eines Erzählers.

Interessant wird es im Grunde genau an diesem Punkt, den Gabriela Holzmann zwar andeutet, den sie mit einer Orientierung an technischen Entwicklungen und ästhetischen Implikationen aber nicht fassen kann: wenn Medien als eigentliches Weltverhältnis der Kriminalliteratur aufgefaßt werden müssen und diese Tatsache als Selbstreferenz in den Text integriert wird. Es wäre in mancher Hinsicht produktiver gewesen, das Erkenntnisparadigma in den Mittelpunkt zu stellen und die Geschichte der Kriminalliteratur als Erkenntnisallegorie im Licht der Medien zu lesen. Daß hierin die eigentliche Interpretationsfigur liegt, die sich auch auf den Beginn des Krimis anwenden läßt, legt Borges in "Der Tod und der Kompaß" durch ein indirektes Zitat nahe: "Lönnrot hielt sich für einen reinen Logiker, für einen Auguste Dupin, hatte etwas von einem Abenteurer und auch von einem Spieler."

Erwähnter Dupin ist der ermittelnde Detektiv in "Die Morde in der Rue Morgue", und die Welt des Abenteuers ist hier die Welt der Hypothesen selbst, das ausweglose Labyrinth der Zeichen. Nicht die Hypothese wird aus der Weltwirklichkeit gewonnen, sondern die Wirklichkeit ordnet sich nach der Hypothese, die damit wie die Medien realitätserschaffend ist. So hat Lönnrot am Ende seinen eigenen Tod durch seine Hypothese vorausbestimmt: Indem sein Mörder das detektivische Schema adaptiert, liefert er Lönnrot erst die Hypothese, die ihn in die Falle tappen läßt. Denn im Universum der Detektive wird implizit immer ein kohärentes, sinnhaftes System vorausgesetzt, analog zur philosophischen These von der Erkennbarkeit der Welt. Obwohl es auch den Zufall gibt, gibt es letztendlich keinen Zufall in der detektivischen Logik; jede Spur ist ein Zeichen, Teil eines angenommenen Puzzles. Ausgeschlossen wird die Möglichkeit des tatsächlich Zufälligen und die des Arrangements, und so jagt Borges seinen Helden in eine Welt, die Lönnrot bereits ahnt: Die Wirklichkeit, sagt er an einer Stelle, habe nicht die geringste Verpflichtung, interessant zu sein - Hypothesen dagegen schon. Das detektivische Prinzip wird bei Borges, wie auch in Robbe-Grillets "Die Radiergummis" oder Lars von Triers Film "Element of Crime", auf sich selbst angewendet und damit paradox.

Auch wenn sich Gabriela Holzmann am Ende ihrer Kriminal-Geschichte auf den Borges-Text bezieht, so wird doch das theoretische Versäumnis offenbar. Denn sie kann den detektivischen Blick, der Metapher für Medienentwicklungen sein soll, nicht als das entlarven, was auch die Kommunikation ist: die Bedingung der eigenen Möglichkeit.

Gabriela Holzmann: "Schaulust und Verbrechen". Eine Geschichte des Krimis als Mediengeschichte (1850-1950). J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2001. VIII, 359 S., 76 Abb., geb., 79,80 DM.

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"In der Tat ist die Lektüre für den Krimi-Fan aufschlussreich - Holzmann geht einerseits den diversen Einflüssen des kriminalistischen Fortschritts, der Spurensicherung, andererseits der Wirkung des Films auf den Krimi, aus dessen Darstellungsweise nach, wobei sie zum Krimi sowohl den analytischen Detektivroman (Wer war der Täter? Wie geschah der Mord?) wie auch den eher handlungsorientierten Thriller zählt, das 'Mystery' Element nicht zu vergessen, die planmäßige Verwirrung des Krimi-Lesers." (Darmstädter Echo) "Die Beziehung zwischen Schaulust und Verbrechen ist für das Genre, das Gabriela Holzmann in den Blick nimmt - die Kriminalerzählung zwischen 1850 und 1950 - ohne Zweifel konstitutiv, und gedachter Blick insofern daher gewinnbringend, als die 'Geschichte des Krimis als Mediengeschichte', wie sie Holzmann im Untertitel ihres Buchs ankündigt, bisher noch nicht geschrieben worden ist. Arbitrium Wer also eine anregende motivische Einflussstudie zu Licht- und Schattendarstellung sowie zur Gewaltwahrnehmung im wechselseitigem Bezug von Kriminalfilm und -literatur im frühen 20. Jh. sucht, wird hier fündig... " (IASL.uni-muenchen.de) "In summa wird man ihre Arbeit als sehr nützlich bezeichnen können, weil es in dieser Untersuchung gelingt, wichtige intermediale Diskurse der Gattungsgenese zu verdeutlichen." (literaturkritik.de)