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In ihrem Roman erzählt Lola Lafon von Frauen, die zu Komplizinnen werden, verstrickt in einem dichten Geflecht aus Schweigen, Scham und Schuld. Eine neue literarische Perspektive auf #MeToo.
Auf den Bühnen des Pariser Varieté werden Schweiß und Schmerz gekonnt weggepudert. Cléo, seit Jahren Tänzerin in den Champs-Élysées, ist in der Maske besonders sorgfältig. Denn kaum eine hat mehr zu verbergen. Bereits mit 13 träumte sie davon, Tänzerin zu werden, um der stumpfen Mittelmäßigkeit ihrer Familie zu entfliehen. Hoffnungsvoll und mit der ungebrochenen Ambition junger Menschen gerät Cléo in…mehr

Produktbeschreibung
In ihrem Roman erzählt Lola Lafon von Frauen, die zu Komplizinnen werden, verstrickt in einem dichten Geflecht aus Schweigen, Scham und Schuld. Eine neue literarische Perspektive auf #MeToo.

Auf den Bühnen des Pariser Varieté werden Schweiß und Schmerz gekonnt weggepudert. Cléo, seit Jahren Tänzerin in den Champs-Élysées, ist in der Maske besonders sorgfältig. Denn kaum eine hat mehr zu verbergen.
Bereits mit 13 träumte sie davon, Tänzerin zu werden, um der stumpfen Mittelmäßigkeit ihrer Familie zu entfliehen. Hoffnungsvoll und mit der ungebrochenen Ambition junger Menschen gerät Cléo in ein Netzwerk der Ausbeutung und Manipulation, in dem die Grenzen zwischen Täter und Opfer geschickt maskiert werden. Kann, wer anderen Leid zufügt, selbst Opfer sein?
Ein ergreifender Roman, der zeigt, wie leicht man zur Komplizin werden kann und wie viel Mut es braucht, sich von dieser Rolle zu befreien.
Autorenporträt
Lola Lafon, geboren 1972, wuchs in Sofia, Bukarest und Paris auf. Nach einer kurzen Karriere als Tänzerin widmete sie sich dem literarischen Schreiben. Sie ist die Autorin mehrerer Romane. Zuletzt erschien von ihr der Roman Komplizinnen (2020), für den sie neben weiteren Preisen den Prix Landerneau erhielt. Dies ist ihr erster Roman bei Hanser Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Niklas Bender überzeugt Lola Lafons Roman über sexuellen Missbrauch im Tanz auf ganzer Linie. Wie eine Riege wohlhabender alter Männer junge Elevinnen auf deren "Reife" testet und ihnen Stipendien verspricht und was das mit den Opfern macht, erzählt Lafon "schlaglichtartig" über einen langen Zeitraum, erklärt Bender. Besonders spannend findet Bender die Protagonistin Cleo, deren Aufstiegswillen die Autorin laut Rezensent ebenso gut festhält wie das Milieu des Balletts und der Tanzshows. Die moralischen und psychologischen Tiefenschichten bei allen am Missbrauch Beteiligten seziert Lafon überzeugend, meint Bender. Lektüre jenseits der Komfortzone, warnt er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2022

Wie ein eingewachsener Splitter

Torturen: Lola Lafon erzählt in ihrem Roman "Komplizinnen" von sexuellem Missbrauch in der Tanzausbildung.

Pygmalion ist eine von vielen Figuren der antiken Mythologie, die aus MeToo-Sicht suspekt erscheinen: Der Bildhauer verliebt sich in sein Werk, eine Elfenbeinstatue, und wünscht sich von Venus eine solche Frau. Er wird erhört, die Statue belebt sich unter seinen Liebkosungen, "und zugleich mit dem Himmel erblickt sie den Mann, der sie liebt" (so heißt es in Ovids "Metamorphosen"). Die Frau als Geschöpf männlichen Begehrens - Jean-Jacques Rousseau, Autor eines Pygmalion-Melodrams, tauft es auf den Namen Galathée.

Als Fondation Galatée tritt in Lola Lafons Roman "Komplizinnen" ein Kreis von reichen älteren Männern auf, die jungen Mädchen aus einfachen oder schwierigen Verhältnissen Stipendien versprechen und deren "Reife" bei intimen Mittagessen testen. Wenn die Statue Ovids auf den zweiten Blick mehr ist als ein männliches Phantasma, nämlich eine Parabel auf die Macht der Kunst, werden bei Lafon die Mädchen zu Statuen, brutal eingefroren im Alter von dreizehn Jahren, missbraucht beim ersten Versuch, eigene Träume zu verwirklichen.

Dieses heikle Thema geht Lafon klug an. Sie baut ihren Roman um ein Mädchen aus einem östlichen Pariser Vorort auf: Cléo, die Tänzerin werden will. Sie trainiert im Jugendzentrum Jazztanz und wird von der eleganten Cathy angesprochen, die sie durch Geschenke und Vorzugsbehandlung nicht nur zum Opfer, sondern auch zur Täterin macht, die der Stiftung weitere Kandidatinnen zuführt. All das wird im ersten und längsten Kapitel erzählt, das ein Viertel des Romans ausmacht. Der Hauptteil von "Komplizinnen" ist Cléos Leben danach gewidmet: eine Entscheidung, die einerseits den Langzeitfolgen von Missbrauch gerecht wird und andererseits zeigt, dass das Leben nicht nur daraus besteht. Vieles aber bestimmt er doch: "Diese Geschichte ist ein Splitter, um den herum mit den Jahren neue Haut gewachsen ist. Ein kleiner Hügel rosa Leben, straff und elastisch. Ein Fremdkörper, der keiner mehr ist, er gehört zu ihr, fest verankert in einem Strang Muskelfasern, kaum abgenutzt vom Lauf der Zeit." Am Ende steht das Projekt zweier Regisseurinnen, einen Dokumentarfilm zum Thema zu machen, ein Unterfangen, das es der nunmehr 48 Jahre alten Cléo, verheiratet und Mutter, erlaubt, auf die anderen Opfer zuzugehen.

Die 35 Jahre dazwischen werden schlaglichtartig in Kapiteln mit wechselnden Figuren erhellt. Ab und an wechselt der Fokus zu Betty, einer anderen Tänzerin, die Cléo der Fondation zugeführt hatte und die längere Zeit einen vierzigjährigen "Verlobten" hatte. Erzählt wird von Yonasz, Cléos Jugendfreund aus Gymnasialzeiten, Ossip, der als Tänzerinnen-Arzt auch Betty versorgt hat, Alan, einem One-Night-Stand Cléos, Lara, ihrer ersten großen Liebe, Claude, Cléos Ankleiderin im Diamantelles, und Anton, Bettys Neffe, der verstehen will, warum ein ehrgeiziges junges Mädchen den Tanz aufgibt, sich den familiären Erwartungen verweigert und ein Leben als Tierfreundin auf Sozialhilfe wählt. Der Blick auf die Leidensgefährtin ergänzt Cléos Parcours, indem er andere Reaktionen auf das Erlebte zeigt.

Die Hauptfigur ist gerade deshalb spannend, weil sie so relieflos, so schwer zu fassen ist: "Sie war durch so viele Kulissen gegangen, durch Scheinwelten, ein Leben aus Nacht und Neuanfang. Sie kannte sich aus mit dem Neuerfinden." Eine soziale Aufsteigerin, die sich lange Zeit ein- und anpasst, tut, sagt und denkt, was man von ihr erwartet, und nur für den Tanz lebt. Tatsächlich gelingt es der 1974 geborenen Lafon, selbst eine ehemalige Tänzerin, hervorragend, die Technik, die Atmosphäre und das Lebensgefühl des Tanzens einzufangen, sei es das einer Paillettenshow à la Folies Pigalle, das eines Jazz-Trainings im Jugendzentrum oder die Tortur des Balletts: "Kannte die Backstages so vieler Theater, den Holzgeruch, die verwinkelten Flure, in denen sich die Tänzerinnen drängelten, die rosa, abgenutzten Wände der fensterlosen Garderoben mit verblichenem Linoleumboden, die Spiegel umrahmt von Glühbirnen, die Schminktische, auf denen eine Ankleiderin ihr Kostüm bereitlegte, an einer Stecknadel ein Zettel: CLÉO." Für die Anarchistin Lafon ist Programm, dass alle Tanzformen nebeneinanderstehen, die nackende Nummernrevue gleichauf mit dem Ballett.

Die Stiftung Galatée ist erfunden, der Kern von "Komplizinnen" eine Versuchsanordnung. Lafon, deren Romane sowohl Leistungssport als auch Vergewaltigung schon thematisiert hatten, konstruiert sie moralisch und psychologisch spannend. Zwei Punkte sind dafür essenziell. Erstens taucht Lafon ihre Hauptfigur ins Zwielicht: Cléo hat Cathy Mitschülerinnen zugeführt, dafür materielle Gegenleistungen und soziales Prestige erhalten. Natürlich handelt es sich um eine weitere Form des Missbrauchs, wenn eine Dreizehnjährige derart instrumentalisiert wird - aber das entspricht nicht ihrem eigenen Erleben. Auch weil sie von keiner Not getrieben war, schätzt Cléo sich noch als Erwachsene als Handelnde und Schuldige ein - der Fall "eines schlechten Opfers". Dem Viktimologenkitsch macht Lafon einen Strich durch die Rechnung.

Zweitens seziert Lafon das Verhalten der Familien. Bettys Sippe, die den viel zu alten Liebhaber ihrer viel zu jungen Tochter aus Ehrgeiz akzeptiert hatte, liefert das Paradebeispiel: "Alle Familien kannten die Anleitung zu diesem Prozess des Bleichens: War ein Wort zu grell, so tauchte man es in ein Leugnungsbad, bis nur noch seine Kontur übrig blieb, die Kontur eines Verlobten." Die Verdrängungsmechanismen nimmt Lafon treffsicher auseinander: "Und die ständige Sorge um Betty-ohne-Zukunft überdeckte die Frage, die Betty-aus-der-Vergangenheit stellte. Betty, die alle ermuntert hatten, in ihre Zukunft hinauszugaloppieren wie ein kleines mechanisches Blechpferd."

Als Eindruck bleiben: Frauenfiguren, "mit dem gestärkten Bubikragen" und dem "Plappern eines kleinen Mädchens" (Betty) oder einem "Mädchengesicht von königlicher Sanftheit" (Cléo), eine verstörende Mischung aus Ekel, Zweifel und Tanzrausch, der versöhnliche Ausblick, als die gealterten Mädchen zueinanderfinden, und eine herausfordernde Lektüre jenseits der Komfortzone. NIKLAS BENDER

Lola Lafon:

"Komplizinnen". Roman.

Aus dem Französischen von Elsbeth Ranke. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2021. 288 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"'Komplizinnen' ist ein dichter, kluger Roman, der schlichte Opfer-Täter-Zuschreibungen vermeidet." Marlen Hobrack, Literarische Welt, 31.07.2021

"Dieses heikle Thema geht Lafon klug an. ... Tatsächlich gelingt es der 1974 geborenen Lafon, selbst eine ehemalige Tänzerin, hervorragend, die Technik, die Atmosphäre und das Lebensgefühl des Tanzens einzufangen ... Lafon, deren Romane sowohl Leistungssport als auch Vergewaltigung schon thematisiert hatten, konstruiert sie moralisch und psychologisch spannend. ... eine herausfordernde Lektüre jenseits der Komfortzone." Niklas Bender, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.01.2022

"Lola Lafon schreibt in einem schnellen, fast schnörkellosen Ton, deutet häufig nur an und baut damit einen Spannungsbogen auf. ... Lola Lafon klagt mit diesem Roman eindrücklich an, wie die Gesellschaft und mit ihr jeder Einzelne so gern wegschaut. Einfühlsam erzählt sie, wie die jungen Mädchen mit ihren widersprüchlichen Gefühlen allein gelassen werden, und dass das einfache schwarz-weiß Bild Täte gegen Opfer nicht funktioniert." Birgit Koß, Deutschlandfunk, 30.07.2021

"eine Geschichte von Pädophilie und Gewalt, von Klassenunterschieden, Konkurrenz und Solidarität, und davon, wie eine Weltsicht, die Tanz ausschließlich als Anmut versteht, die Tür zum Missbrauch weit öffnet. ... ein Roman, der weit mehr zu bieten hat als nur einen Blick hinter die Kulissen des Entertainments." Falk Schreiber, tanz, März 2022

"Fesselnd erzählt Lola Lafon von einem Mädchen, das auf dem Weg zu seinem Traumberuf Opfer und Mittäterin zugleich wird." Jana Felgenhauer, Barbara, September 2021

"Lola Lafon erzählt aus einer Vielzahl von Perspektiven, was # MeToo wirklich bedeutet. Wie sich ein Leben weiterlebt, wenn Verletztsein, Ohnmacht und Scham alles vergiften, selbst die Liebe von Menschen, die davon nichts ahnen. Ein unsentimentales Plädoyer gegen das Vergessen und eine Hommage an jene, die aus dem Schatten zu treten wagen." Sacha Verna, Annabelle, 26.11.2021
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