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Remo Erdosain schlafwandelt durch die Tage. Der gescheiterte Erfinder steht, wie so vieles in diesem Roman von 1929, am Rande des Abgrunds: Er hat Geld unterschlagen, das Gefängnis wartet, in Wahnvorstellungen sieht er eine Giftwolke über der Stadt.Erdosain treibt durch Massen und Gassen von Buenos Aires, durch Bordelle und Kaffeehäuser, trifft auf Schäbige und Verrückte - bis er einer Gruppe sendungsbewusster Verschwörer in die Hände fällt: ein melancholischer Zuhälter, ein apokalyptischer Apotheker, eine Prostituierte, ein Goldgräber. Unter der Leitung des »Astrologen« planen die Irren nicht…mehr

Produktbeschreibung
Remo Erdosain schlafwandelt durch die Tage. Der gescheiterte Erfinder steht, wie so vieles in diesem Roman von 1929, am Rande des Abgrunds: Er hat Geld unterschlagen, das Gefängnis wartet, in Wahnvorstellungen sieht er eine Giftwolke über der Stadt.Erdosain treibt durch Massen und Gassen von Buenos Aires, durch Bordelle und Kaffeehäuser, trifft auf Schäbige und Verrückte - bis er einer Gruppe sendungsbewusster Verschwörer in die Hände fällt: ein melancholischer Zuhälter, ein apokalyptischer Apotheker, eine Prostituierte, ein Goldgräber. Unter der Leitung des »Astrologen« planen die Irren nicht weniger als die Revolution. Doch für den großen Umsturz braucht es zuerst einen kleinen Mord.»Die sieben Irren« ist ein moderner Klassiker der lateinamerikanischen Literatur, der in eine Reihe mit den monumentalen Großstadtromanen von Dos Passos und Döblin gehört. In Arlts armen Teufeln, revolutionären Träumern und größenwahnsinnigen Sozialingenieuren treten die politischen Verwerfungen derzwanziger und dreißiger Jahre prägnant hervor - auch die jenseits von Argentinien: Die Farce kommt vor der Tragödie.
Autorenporträt
Roberto Arlt, 1900 als Sohn gerade erst ausgewanderter Eltern, einer Österreicherin und eines Preußen, in Buenos Aires geboren. In der Familie sprach man Deutsch, auf den Straßen von Buenos Aires lernte er die Gassen- und Gaunersprache »Lunfardo«. Als Autodidakt schrieb Arlt Romane, Erzählungen, Dramen und vor allem zahlreiche Kolumnen über seine Heimatstadt, wo er bis zu seinem frühen Tod 1942 lebte. Daneben versuchte er sich erfolglos als Erfinder, beispielsweise eines unzerreißbaren Damenstrumpfs. Zu Lebzeiten für seinen >niederen< Stil harsch kritisiert und nahezu unbekannt verstorben, wurde er erst von Julio Cortázar und besonders Ricardo Piglia wiederentdeckt. Heute zählt Roberto Arlt, neben seinem Zeitgenossen und literarischen Antagonisten Jorge Luis Borges, zu den einflussreichsten modernen Autoren Argentiniens. »Die sieben Irren« von 1929 ist sein wichtigster Roman.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.02.2019

NEUE TASCHENBÜCHER
Macht
der Fiktion
Jemand musste Remo Erdosain verraten haben. . . So taumelt der aus Verzweiflung zum Verbrecher gewordene durch ein kafkaeskes Buenos Aires der Zwanzigerjahre – Gefängnis, seine ihn verlassende Frau und die Grobheit der Welt im Rücken. Einen Ausweg scheint eine ominöse und größenwahnsinnige Geheimgesellschaft zu bieten – diese Träumer, Betrüger, Erfinder und Sozialingenieure steigern sich in ein Delirium hinein: Sie verschreiben sich einem Totalitarismus, der zugleich ein zynisches Geschäftsmodell ist. Roberto Arlts Meisterwerk erschien 1929 wie Döblins Alexanderplatz. Geschlagene Charaktere versuchen Sinn in einer so modernen wie verrohten Welt zu generieren, die vom Einzelnen nur als Tragödie oder Farce begriffen werden kann. Arlt erzählt nicht nur von der wahnhaften Flucht vor einer starren Gesellschaftsmaschinerie und ihrem deprimierenden Alltag, sondern fragt nach jener eigentümlichen Macht, die Narrative in einer aus den Fugen geratenen Zeit zu entfalten vermögen. Die Irrungen und Wirrungen von Spinnern sind keine Märchenstunde, sondern angesichts der zerfasernden westlichen Gesellschaften beklemmend aktuell. VOLKER BERNHARD
Roberto Arlt: Die sieben Irren. A. d. Span. v. Bruno Keller, neu bearb. v. C. Regling. M. e. Nachw. v. Ricardo Piglia. Wagenbach Verlag, Berlin 2018. 320 S., 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2019

Aufbruch in die Banditenaristokratie
Ein wiederentdeckter Ideenroman von 1929: Roberto Arlts "Die sieben Irren"

Roberto Arlt wurde 1900 als Sohn österreichisch-preußischer Einwanderer in Buenos Aires geboren. Er arbeitete als Polizeireporter, verfasste Zeitungskolumnen und schrieb Romane. Weil er davon allein nicht leben konnte, erfand er nebenbei einen unzerreißbaren Damenstrumpf. Der wurde aber erst nach Arlts Tod im Jahr 1942 zum unzerreißbaren Band zwischen Kundin und Kaufhaus. Nachdem der Nylonstrumpf in einer großen Sammelaktion patriotischer Frauenverbände eine kriegswichtige Funktion als Fallschirmzubehör der US-Army erfüllt hatte, expandierte er wenig später schon in pazifistischer Mission in den Einzelhandel. Da war die Welt, die Roberto Arlt in seinem jetzt wieder aufgelegten Werk "Die sieben Irren" schildert, bereits neu geordnet. Zuvor wurde sie aber so abgrundtief erschüttert, dass man diesen Ideenroman der zwanziger Jahre heute auch vor der Kulisse des Zweiten Weltkriegs neu entdecken kann.

Linke und rechte Extremisten liefern sich in Argentinien nicht nur rhetorische Gefechte. Es geht ums große Ganze. Um den Zuschnitt einer Gesellschaft, die länger schon gottlos geworden war, politisch zerstritten, klientelistisch, in verschiedene Utopien vom besseren Leben zwischen Anarchismus und sanfter Diktatur verstrickt.

Neben den politischen Rationalisierern treten bei Arlt Vertreter der Parawissenschaften auf sowie Agenten der argentinischen Halbwelt. Ein Astrologe ist Anführer von Umstürzlern mit mystofaschistischer Mission. Eine Gruppe soll gebildet werden, "in der sich alle menschlichen Hoffnungen gegenseitig verstärken" - die Hoffnungen der Proletarier, jene der Kleinbürger, der Angestellten und "der Abtrünnigen, egal, wovon sie sich losgesagt haben, die Menschen, die einen Prozess verloren haben und auf der Straße gelandet sind, ohne eine Ahnung, wie es weitergehen soll".

Auch die neue Führung weiß nicht wirklich, wie es weitergehen soll: "Ich will offen zu Ihnen sein", erklärt der Astrologe freimütig. "ich weiß nicht, ob unsere Gesellschaft bolschewistisch oder faschistisch sein wird. Manchmal glaube ich, das Beste wäre, ein solches russisches Durcheinander zu schaffen, dass nicht einmal Gott es mehr begreift."

Wie auch immer die Mission aussieht, ein "melancholischer Zuhälter" soll mit Bordellen für ihre wirtschaftliche Solidität sorgen. Die Hauptfigur Remo Erdosain, ein ehemaliger Versicherungsangestellter, ist fürs Startkapital zuständig. Dazu muss er nur dem verhassten Vetter seiner Frau an den Kragen. Der höhere Zweck heiligt die Mittel. Wobei dem Mord wie bei Dostojewskij durchaus metaphysische Konnotationen zugestanden werden. "In Wirklichkeit", heißt es jedenfalls, "dachte ich nicht an die Folgen, nur das Verbrechen selbst fesselte meine Neugierde."

Kurz davor ist Erdosains Ehefrau mit einem Hauptmann durchgebrannt. "Ich hasse das Elend" hatte sie geschrien. Remo entgegnet melodramatisch: "Natürlich. Weil du nicht an das Elend glaubst, an das fürchterliche Elend, das uns erfüllt, dieses innere Elend." Und darum geht es auch dem Autor.

"Die sieben Irren" greifen wie jeder gute Ideenroman das Gespräch der Epoche auf. Von nietzscheanischen Übermenschphantasien über die Erkenntnisfrüchte der Psychoanalyse, (frühkindliche Demütigungen werden für die geistige Apathie Remo Erdosains verantwortlich gemacht) bis hin zu den Sonderwegen der Parawissenschaft: Spiritismus, Theosophie oder Alchemie. Im Falle des Hobbymetallurgen Erdosain geht es um das Metallisieren von Rosen. Darüber hinaus werden die politischen Alternativen einer Epoche eruiert, in der noch nicht ganz absehbar war, dass die Welt wirklich bald von einem "Irren" regiert würde. Auf der Suche nach einem Symbol für die neue Bewegung scheidet Luzifer jedenfalls aus. Zu "intellektuell", heißt es. Den "Enthusiasmus des Pöbels" müsse man mit anderen Mitteln wecken. Etwas Gewöhnliches, gar Dummes müsse her, etwas wie Mussolinis schwarzes Hemd. Der Duce habe nämlich begriffen, dass die Psychologie des italienischen Volkes eine "Psychologie der Friseure und Operettentenöre" sei. "Man muss sich der Seele einer Generation bemächtigen - der Rest kommt von selbst."

Erdosains Seele ist eine leichte Beute: "Ich bin zum Lakaien geboren, zu einem dieser parfümierten und schäbigen Lakaien, die den reichen Prostituierten die Büstenhalter zuhaken, während sich der Liebhaber auf dem Sofa zurücklehnt und eine Zigarre raucht." Seine Selbstverachtung prädestiniert den schwächlichen Zyniker zum Märtyrer der neu entstehenden "Banditenaristokratie".

Roberto Arlt stiftet trotz blutrünstiger Umsturzrhetorik seiner schrägen Helden keine großen Sinnzusammenhänge. Die Erzählweise ist ebenso manisch wie die verschiedenen Erzähler. Der Wahnsinn, heißt es im Nachwort von Ricardo Piglia, sei eine Weise, die bestehenden Kausalitäten loszuwerden. Arlt zeichnet das Porträt einer offenporigen Stadtbevölkerung auf der Suche nach neuen Kausalitäten. Dabei gelingen ihm wunderbare Porträts von heiligen Huren, aber auch von ihren larmoyanten Freiern. Ebenso von spielsüchtigen Apothekern, gierigen Goldsuchern und trübsinnigen Vorstadttüftlern. Großstadtliteratur entsteht hier quasi im Vorbeilesen. Und schöne Sätze geben den Flair: "Wieder schimmerte zwischen den roten Wimpern der Frau ihr boshafter grünlicher Blick hervor. Es war, als werfe sie ihre Seele auf das Relief von Erdosains Gedanken, um einen Abdruck seiner Absichten zu nehmen."

Arlts Abdruck dieser Absichten ist ein Spiel mit dem Feuer. Aber er bleibt zum Glück durch und durch Theoretiker der Macht. Darin schließlich auch Pazifist. Denn auch sieben Irre können irren. "Möchtest Du die Macht haben, die Menschheit zu vernichten? Würde ich sie vernichten?", fragt Erdosain einmal sich selbst. "Nein, ich würde sie nicht vernichten. Denn die Macht dazu zu haben nähme der Sache jeden Reiz." Das haben wenige Jahre später andere anders gesehen.

KATHARINA TEUTSCH

Roberto Arlt:

"Die sieben Irren". Roman.

Aus dem argentinischen

Spanisch von Bruno Keller, neu bearbeitet von Carsten Reging. Mit einem Nachwort von Ricardo Piglia. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2018. 320 S., geb., 22,- [Euro].

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»Um es kurz zu machen: Arlt ist der Vater des modernen argentinischen Romans. Er ist der wichtigste argentinische Schriftsteller, der größte.« Ricardo Piglia »Arlt ist schnell, einer, der ins Risiko geht, anpassungsfähig, ein Überlebenskünstler. Arlt ist ein Russe, ein Dostojewski-Charakter.« Roberto Bolaño »'Die sieben Irren' ist eines der großen Bücher des 20. Jahrhunderts.« The Guardian »Ähnlich wie Döblin in 'Berlin Alexanderplatz', das im selben Jahr erschien, entwickelte Arlt eine expressive Sprache und innovative Erzähltechnik. Damit wurde er zum Vorbild für andere lateinamerikanische Schriftsteller.« Peter B. Schumann, Deutschlandfunk