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Vittorio Hösle bietet in diesem Buch eine Übersicht über die deutsche Philosophiegeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Er beginnt mit einer Erörterung der Frage, inwieweit es überhaupt legitim ist, den Gang der deutschen Philosophiegeschichte von den restlichen europäischen Philosophiegeschichten abzusondern, und endet mit verhaltener Skepsis hinsichtlich des Überlebens deutscher Philosophie im 21. Jahrhundert. Der Sonderweg deutscher Philosophie beginnt im Mittelalter mit Meister Eckhart und Nicolaus Cusanus. Eine neue Pointierung wird durch die Reformation gewiesen, die gerade wegen…mehr

Produktbeschreibung
Vittorio Hösle bietet in diesem Buch eine Übersicht über die deutsche Philosophiegeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Er beginnt mit einer Erörterung der Frage, inwieweit es überhaupt legitim ist, den Gang der deutschen Philosophiegeschichte von den restlichen europäischen Philosophiegeschichten abzusondern, und endet mit verhaltener Skepsis hinsichtlich des Überlebens deutscher Philosophie im 21. Jahrhundert. Der Sonderweg deutscher Philosophie beginnt im Mittelalter mit Meister Eckhart und Nicolaus Cusanus. Eine neue Pointierung wird durch die Reformation gewiesen, die gerade wegen ihrer antiphilosophischen Polemik einen Neubeginn des Denkens ermöglicht und die für Deutschland so charakteristische Verbindung von Philosophie und Philologie hervorbringt. Leibniz, Kant und die Fundierung der Geisteswissenschaften im späten 18. Jahrhundert sind Voraussetzungen der Synthese des Deutschen Idealismus, auf die mit Schopenhauer, Feuerbach, Marx und Nietzsche eine rasche Auflösung des Christentums ebenso wie der bisherigen Vernunftmetaphysik folgt. Die Neubegründungen der Philosophie bei Frege und im Logischen Positivismus, bei den Neukantianern und in der Phänomenologie Husserls werden als die wirkungsmächtigsten Versuche des frühen 20. Jahrhunderts dargestellt; auf sie folgt die Philosophie des Nationalsozialismus (Martin Heidegger, Arnold Gehlen, Carl Schmitt) und schließlich diejenige der Bundesrepublik (Hans-Georg Gadamer, Karl-Otto Apel, Jürgen Habermas und Hans Jonas). Das Buch ist eine auf gründlicher Kenntnis der Primärquellen beruhende Gesamtinterpretation der deutschen Philosophie. Zugleich versteht es sich als Rückblick auf den "deutschen Geist".
Autorenporträt
Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA). Bei C.H.Beck liegen u. a. von ihm vor: Moral und Politik. Grundlagen einer politischen Ethik für das 21. Jahrhundert (1997); Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie. Transzendentalpragmatik, Letztbegründung, Ethik (31997); Das Cafe der toten Philosophen. Ein philosophischer Briefwechsel für Kinder und Erwachsene (32004), Der philosophische Dialog (2006).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2013

Leistungsnoten für die Denker

Der Mann weiß halt, was es mit Geist und Welt eigentlich auf sich hat: Vittorio Hösle legt sich die deutsche Philosophie ganz nach seinem Gusto zurecht.

Von Achim Vesper

Philosophische Werke erheben den Anspruch auf ein Wissen, das - mit Kant formuliert - "für jedermann gültig ist, sofern er nur Vernunft hat". In ihren Entstehungsbedingungen sind sie dennoch mit der kulturellen Entwicklung einzelner Länder verbunden. Mit seiner "Kurzen Geschichte der deutschen Philosophie", die sich im Untertitel als "Rückblick auf den deutschen Geist" gibt, vertritt Vittorio Hösle die Ansicht, dass die deutschsprachige Philosophie in ihren Grundzügen sogar etwas Inhaltliches teilt. Er durchkämmt in ihm deutsche Philosophie von den Zeiten des Albertus Magnus bis zur Bundesrepublik anhand der Frage, worin ihr spezifischer Beitrag zur Philosophiegeschichte besteht. Nach Hösle beschritt die deutsche Philosophie einen glücklichen Sonderweg gegenüber anderen europäischen Nationen, da "zum deutschen Geist entscheidend das Nachdenken über den Geistbegriff" gehöre.

Verstehen lässt sich das Buch als Versuch einer regionalisierten Philosophiegeschichte mit Seitenblicken auf Kulturgeschichte und politische Geschichte. Das gelingt in den Abschnitten zur Philosophie des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die auch auf die späte Universitätsentwicklung und den Einfluss der Reformation zu sprechen kommen. In anderen Partien aber leidet das Buch unter den wertenden Ambitionen seines Verfassers. Hösle vergibt ständig Leistungsnoten. So entsteht eine Rangliste großer Denker, deren vordere Plätze Hegel und Goethe, als "der andere größte deutsche Geist", einnehmen. In den Genuss einer wohlwollenden Interpretation kommen allerdings nur wenige Philosophen, darunter Leibniz, Kant, Fichte, Herder und Husserl, während eine illustre Reihe anderer Geringschätzung erfährt. Als kollektives Unternehmen, das in der gemeinsamen Suche nach wohlbegründeten Überzeugungen besteht, kommt die Philosophie nicht in den Blick.

Dem Buch zufolge findet die philosophische Entwicklung in Deutschland ihre Höhepunkte im deutschen Idealismus mit Hegels Konzeption des absoluten Geistes sowie in der Begründung der Geisteswissenschaften durch eine Reihe von Autoren: von Lessing über Herder zu Humboldt. Damit wählt Hösle eine Konstruktion, die für andere Philosophen nur Rollen in Vor- oder Nachgeschichte bereithält. Es ist wohl diesem Schema geschuldet, dass Hösle der deutschen Aufklärung bis auf Lessing und Kant keine größere Aufmerksamkeit schenkt. Für die deutsche Entwicklung wichtige Philosophen wie Thomasius oder Tetens passen kaum in das Bild einer deutschen Philosophie, die eine Schlacht gegen den Empirismus schlägt. Aber auch mit Blick auf die hervorgehobenen Philosophen erscheint Hösles Sonderwegsthese künstlich. Immerhin führt Leibniz mit den "Nouveaux Essais" und der "Theodizee"Streitgespräche mit Locke und Bayle; ohne Hume und Rousseau wiederum lässt sich Kants philosophische Entwicklung nicht verstehen. Hösle aber versucht, beide aus ihrer Einbettung in den Kontext europäischer Kontroversen herauszulösen.

Systematisch beruhen die Argumentationen zumeist auf schroffen Gegenüberstellungen. Da Begriffe von uns nicht der Welt übergestülpt werden, müssen sie nach Hösle bereits in der Wirklichkeit niedergelegt sein. Da moralische Urteile nicht subjektiv sind, müssen sie ihr Fundament in einer transzendenten Ordnung haben. Ausgeblendet werden die vielen philosophischen Alternativen, für die zwischen den Extrempositionen Raum bleibt. Die Verteidigung des vernünftigen Gottesglaubens gehört zu den Zielen des Buches. Nach Hösle spricht für den Glauben, dass er einen passenden Rahmen für den objektiven Idealismus zur Verfügung stellt. Die Welt lasse sich als begrifflich strukturiert verstehen, wenn sie als "Ausdruck göttlicher Gedanken" aufgefasst wird. In der Ethik unterstützt Hösle Kants Moralkonzeption, auch wenn er sie mit Hegel um eine normative Theorie politischer Institutionen ergänzt sehen möchte. Etwas weniger strikt zeigt sich Hösle in Passagen, in denen er sich Philosophen zuwendet, die er nicht rundweg ablehnt. So stimmt er der Kapitalismuskritik bei Marx in Teilen zu, beanstandet aber das Fehlen einer normativen Theorie gesellschaftlicher Machtverteilung.

Ein dunkler Schatten fällt auch auf "den deutschen Geist" selbst. Kritisiert wird die Tradition ausgehend von Luther und Kant dafür, dass sie keinen legitimen Widerstand anerkennt. Dabei betrachtet Hösle das Recht auf Widerstand gegen Gewaltherrschaft als nur naturrechtlich begründbar. In direkter Weise intellektuell begünstigend gegenüber dem Nationalsozialismus verhält sich ihm zufolge vor allem Heidegger, da dessen Begriff der Entschlossenheit zur irrationalen Wahl von Überzeugungen anleitet. Erstaunlicherweise ordnet Hösle neben Nietzsche aber auch den Logischen Empirismus aufgrund seiner nichtkognitivistischen Metaethik in die Vorgeschichte des Nationalsozialismus ein.

In einem allgemeineren Sinn rechnet Hösle alle Philosophen ohne fundamentalistische Ziele der Verfallsgeschichte des deutschen Geistes zu. Wer seinen Platz in Otto Neuraths Boot eingenommen hat, wird bei ihm zum Adressaten moralischer Vorwürfe. Wird Regelfolgen mit Wittgenstein durch die Teilnahme an einer sozialen Praxis erklärt, muss laut Hösle die Kritisierbarkeit von Normen verlorengehen. Wird der Unterscheidung eines richtigen von einem falschen Verstehen mit Gadamer die Eindeutigkeit genommen, können nur Relativismus und Verwirrung übrig bleiben. Eine der letzten Lichtgestalten erkennt Hösle dafür in Karl-Otto Apel dank dessen Programm einer Letztbegründung, wohingegen er eine Soziologisierung philosophischer Probleme bei Habermas rügt.

Angesichts der vielen Abwehrkämpfe, die Hösle führt, ist seine Vereinnahmung der deutschen Philosophie verwunderlich. Überdies ist mit der Frage nach "dem Deutschen in der deutschen Philosophie" ohnehin nicht verständlich zu machen, weshalb die Beschäftigung mit Klassikern wie Kant oder Hegel intellektuell Aufregendes bietet. Die These vom Sonderweg der deutschen Philosophie wird man relativieren müssen - gewiss aber stellt dieses Buch einen Sonderweg der Philosophiegeschichtsschreibung dar.

Vittorio Hösle: "Eine kurze Geschichte der deutschen Philosophie".

Verlag C. H. Beck, München 2013. 320 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

So ganz versteht Thomas Meyer zwar bis zum Schluss von Vittorio Hösles "Kurzer Geschichte der deutschen Philosophie" nicht, was denn das Deutsche am deutschen Geist sein soll, den der Philosoph seit dem achtzehnten Jahrhundert am Werk sehen will - zumal er vollkommen unnötig ist, um die einzelnen Ausführungen über Hegel, Heidegger und Co. gewinnbringend zu lesen, findet der Rezensent. Auch erscheint es Meyer voreilig, dass Hösle die so entworfene "partikulare deutsche Denkwelt" als ehemals größenwahnsinnig abstempelt, um sie dann aufgrund ihrer mangelnden Präsenz auf dem gegenwärtigen internationalen Philosophieparkett dann gänzlich zu verabschieden. Aber das Buch ist toll geschrieben und liefert viele Reibungsflächen, lobt der Rezensent, der es deshalb auch Skeptikern ans Herz legt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein Lesevergnügen."
Arno Widmann, Berliner Zeitung, 16. Mai 2015