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Die deutsche Außenpolitik, jahrzehntelang erfolgsverwöhnt, verlangt nach neuer Orientierung. Denn zahlreiche außenpolitische Krisen gefährden die Stabilität Deutschlands in Politik und Gesellschaft. Das Hauptproblem ist der geringe Rückhalt für außenpolitische Entscheidungen in der Bevölkerung, und damit ein Mangel an Legitimation. Zudem stehen die deutschen auswärtigen Beziehungen unter dramatisch gewandelten Einflüssen: neue Technologien, neue starke und autoritäre Player auf internationalem Parkett sowie neue Öffentlichkeiten in unserer Gesellschaft. Emotionalisierte Öffentlichkeiten…mehr

Produktbeschreibung
Die deutsche Außenpolitik, jahrzehntelang erfolgsverwöhnt, verlangt nach neuer Orientierung. Denn zahlreiche außenpolitische Krisen gefährden die Stabilität Deutschlands in Politik und Gesellschaft. Das Hauptproblem ist der geringe Rückhalt für außenpolitische Entscheidungen in der Bevölkerung, und damit ein Mangel an Legitimation. Zudem stehen die deutschen auswärtigen Beziehungen unter dramatisch gewandelten Einflüssen: neue Technologien, neue starke und autoritäre Player auf internationalem Parkett sowie neue Öffentlichkeiten in unserer Gesellschaft.
Emotionalisierte Öffentlichkeiten treiben die Politik heute massiv vor sich her: zum Beispiel die globalisierungskritische Attac-Bewegung oder Pegida. Hier fordern Bürger mehr Teilhabe an der Politik. Eine Lösung sieht Volker Stanzel in der Öffnung des Staats für die Mitverantwortung von Bürgerinnen und Bürgern - auch in der Europäischen Union. Die Politik muss über die traditionellen Mittel staatlichen Handelns hinausgehen, die neuen Öffentlichkeiten ansprechen und so eine größere Legitimation für außenpolitisches Handeln erreichen.
Autorenporträt
Stanzel, Volker
Volker Stanzel, geb. 1948, ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik und unterrichtet an der Hertie School of Governance. Zuvor war er deutscher Botschafter in China (2004-2007) und in Japan (2009-2013).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2019

Außenpolitik als Innenpolitik
Ratschläge eines Diplomaten für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik

Schon so mancher Krieg wurde an der Heimatfront verloren - logistisch, wirtschaftlich, nicht zuletzt politisch. Von der Antike an ist die Kriegsgeschichte voll an Beispielen. Sie ziehen sich bis in die Gegenwart - Vietnam und Irak sind hier nur die bekannteren Fälle. Auch friedlichere Versuche der Durchsetzung des Willens einer Regierung gegenüber einer anderen oder auch von mehreren Regierungen gegenüber einer oder mehreren anderen sind oftmals gescheitert, wenn es keine ausreichende Unterstützung daheim gab. Über einen längeren Zeitraum hinweg konnte bislang nur derjenige außen- und sicherheitspolitisch erfolgreich sein, der sein Denken und Handeln innenpolitisch absicherte. Diese Erfahrung machen über kurz oder lang auch undemokratische Regierungsformen. Für Demokratien gilt dies umso mehr.

Welche Folgen es hat oder haben kann, wenn man diese historischen Lehren ignoriert, lässt sich bei Volker Stanzel verinnerlichen. Der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, der an der Stiftung Wissenschaft und Politik forscht und an der Hertie School of Governance unterrichtet, kommt aus der politischen Praxis: Unter anderem war er Politischer Direktor des Auswärtigen Amtes sowie Botschafter in Peking und Tokio. Entsprechend in der Realität geschult wirkt sein Blick auf Politik und Diplomatie.

Selten dürften derart nüchtern und pointiert zugleich wie bei Stanzel die Entwicklungen in der deutschen und europäischen Außenpolitik seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges beschrieben worden sein: Die Macht der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion während des Kalten Krieges sieht er als so solide gegründet, dass kein Europäer mehr zu sein habe hoffen dürfen als Verbündeter einer der beiden Seiten und vielleicht Kommentator. In dem Winkel der Weltpolitik, der nun für Jahrzehnte Schauplatz europäischer Außenpolitik geworden sei, habe man mehr oder weniger lustvoll mit neuen Ideen experimentieren können. Die europäische Einigung - nach so vielen vergeblichen Versuchen, sie im Dienst der Ausdehnung von Herrschaft mit bewaffneter Gewalt zu erreichen - war in Stanzels Augen ein Ergebnis solcher Experimente. Ein anderes sei die Orientierung europäischer Regierungen an der Suche nach multilateraler Übereinstimmung gewesen.

Im Fall der Bundesrepublik verkörpern derlei Experimente nach Stanzels Definition vor allem Adenauers Politik der Westbindung und der Aussöhnung sowie Brandts Entspannungs- und Ostpolitik. Diese Politik habe Deutschland schließlich zurück auf die Bühne der Weltpolitik geführt - und mit ihm ganz Europa, denn der Fall des Eisernen Vorhangs und die grell aufscheinende Implosion des Sowjetblocks hätten die Welt als Ganzes verändert.

Diese westliche Erfolgsgeschichte bildet gleichsam die Folie, vor deren Hintergrund bei Stanzel überaus deutlich wird, warum die gegenwärtige Außenpolitik Deutschlands auf immer mehr Beobachter ratlos bis orientierungslos wirkt. Ihm geht es darum, zu beleuchten, welche Konsequenzen ältere außenpolitische Erfolge wie die der Bundesrepublik für jüngere Entwicklungen haben können: Menschen lernten aus Erfolgen wie aus Misserfolgen. Wenn aber die Erfolge geradezu einzigartig seien, dann liege es nahe, die zugrundeliegende politische Strategie konsequent weiter anzuwenden - vielleicht so lange, bis der Krug zu lang zum Brunnen gegangen sei. Es solle daher niemanden verwundern, wenn Deutschland sich im international mit Beifall bedachten Glückszustand auch weiter wie bisher verhalten habe.

Die erste Gefahr, die Stanzel dabei treffsicher ausmacht, ist die der Selbstüberschätzung: Schon wenige Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, im ehemaligen Jugoslawien, habe sich gezeigt, dass es ganze Völker gab, die nun lieber alte Rechnungen begleichen wollten, als sich den etablierten KSZE-Mechanismen zur friedlichen Konfliktlösung anzuvertrauen. Der Kalte Krieg war zwar zu Ende, aber die Welt war kälter geworden. Die diese Entwicklung ignorierende Selbstüberschätzung, die Stanzel für ein Resultat der vier Jahrzehnte Geschichte der alten Bundesrepublik hält, könne nun zur für den Erfolgreichen typischen Arroganz verführen. Verbunden mit der Fehleranfälligkeit, die er als die zweite neue Gefahr erkennt, führe dies hinein in die heutige gefährliche Krisenlandschaft - und in ein gerütteltes Maß an Ratlosigkeit.

Wie ist ihr zu begegnen? Aus seinen langjährigen Beobachtungen deutscher und europäischer Außenpolitik leitet Stanzel Schlussfolgerungen für eine moderne Außenpolitik und generell für Politik in Zeiten zerfallender Öffentlichkeit und neuer gesellschaftlicher Verschiebungen ab. Zwar stellen sich auch für ihn die traditionellen außenpolitischen Fragen weiter, etwa nach den Befugnissen der Europäischen Kommission, der Rolle der Vereinigten Staaten im transatlantischen Bündnis, den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Aber die Rahmenbedingungen, in denen diese Fragen zu beantworten sind, haben sich nach Stanzels Analyse stark verändert: Die Bundesrepublik unterhält Beziehungen zu mehr Staaten als je zuvor. Neben international arbeitenden Organisationen und Unternehmen erzwingen die digitalen Verknüpfungen Veränderungen bei der Gestaltung von Politik. Und nicht zuletzt: Immer neue Teile der Öffentlichkeit mit jeweils ganz eigenen Interessen wollen Politik im Allgemeinen und Außenpolitik im Besonderen beeinflussen. Diese Kräfte wirken nach Stanzels Einschätzung allmählich viel stärker als die traditionellen.

Als Realist aus der Praxis verdammt er dies nicht, sondern versucht, damit umzugehen. Er mahnt, Regierungen müssten verstehen, wie sehr heute Politik insgesamt, und damit auch Außenpolitik, von Plattformen der Zivilgesellschaft aus mitbestimmt werde, die zwar nicht demokratisch legitimiert im traditionellen Sinn seien, aber beanspruchten, für höhere Interessen zu sprechen, sei es beim Klimaschutz oder bei der Einschätzung Europas. Folglich geht es für ihn heute nicht mehr nur um die Wirkung einer außenpolitischen Maßnahme jenseits der Grenzen. Heute müsse das Umfeld eines Problems weit über den Rahmen von "Politik" hinaus mitbedacht werden.

Als einen Fall, der durch und durch typisch sei für die Fragen, mit denen Außenpolitik heute zu tun habe, bezeichnet er die Flüchtlingskrise 2015. An ihr führt er vor Augen, dass erst dann ein neuer gesellschaftlicher Konsens möglich sein wird, der Politik trägt, wenn Wege gefunden werden, der Außenpolitik einen stärkeren Rückhalt der Bürger zu sichern. Denn auch hier gilt: Schon so mancher außenpolitische Konflikt wurde an der innenpolitischen Front verloren.

THOMAS SPECKMANN

Volker Stanzel: Die ratlose Außenpolitik und warum sie den Rückhalt der Gesellschaft braucht.

J.H.W. Dietz Nachf. Verlag, Bonn 2019. 255 S., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.08.2019

Vermessung
einer Zeitenwende
Zwei Bücher beleuchten die deutsche Außenpolitik
Eine Schlagzeile zur internationalen Politik zählt inzwischen zu den großen Routinephänomenen: „Die Welt ist aus den Fugen geraten“. So kann man viele Ereignisse und Krisen auf einen erklärenden Nenner bringen – von der neuen weltpolitischen Machtarchitektur über die diversen Sicherheitsrisiken bis hin zu neuen Unkalkulierbarkeiten und neuen strategischen Notwendigkeiten. Es besteht ein immenser Bedarf an Deutungen, Erklärungen, Perspektiven. Daher kann es nicht überraschen, dass dazu zwei Bücher fast gleichzeitig von zwei kundigen Autoren erscheinen: Stefan Fröhlich lehrt Politikwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg. Volker Stanzel war deutscher Botschafter in China und in Japan. Heute ist er Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Und beide geben auf die aktuellen Fragen ganz unterschiedliche Antworten.
Der eine – Fröhlich – lobt den deutschen Pragmatismus, die davon grundierte Gemeinschaftsorientierung als passende Antworten auf die Herausforderungen in Europa und in der Welt. Der andere – Stanzel – kritisiert eine gewisse strategische Ratlosigkeit und fordert eine neue Öffentlichkeit, die mehr außenpolitische Legitimation erreichen lässt. Und welcher Autor hat recht? Beide – denn es ist sowohl ein gekonntes situatives Krisenmanagement zu beobachten als auch die Unfähigkeit, die Zeitenwende neu zu vermessen.
Stanzel bietet zunächst einen leicht lesbaren Überblick über die Schauplätze jener Welt, die aus den Fugen geraten ist – von Palästina und Afghanistan über den Irak und Iran bis hin zu China und den USA. Dann reflektiert er mithilfe politisch-kultureller Kategorien wie Ansehen und Vertrauen die großen historischen Entwicklungslinien, auch die Irrtümer wie jene vom „Ende der Geschichte“. Und immer wieder spürt man den ganz persönlichen Erfahrungshorizont des Autors, seine eigene biografische Geschichte.
Treffsicher wird der Blick des Lesers auf die aktuelle Dialektik des digitalen Zeitalters gelenkt: „Informationsreichtum und Aufmerksamkeitsarmut“: „Nun bewegt sich dieser verantwortungsbereite, aber in seiner Verantwortungsfähigkeit eingeschränkte Politiker im digitalen Raum. Dieser Raum ist nicht nur Plattform für die unterschiedlichen neuen und höchst veränderlichen Öffentlichkeiten. Er steht auch bereit für einen Wettbewerb der berichteten Geschichten.“ In diesem Kontext gibt es für Stanzel viele neue Mitspieler: internationale Organisationen, internationale Konzerne, nicht staatliche Organisationen – und dann bietet er alarmierende Kurzerklärungen: Versagen, Fehleranfälligkeit, Fehlschlag. Die Schlussfolgerung des Autors lautet: Es bedarf eines grundsätzlichen Kulturwandels, der die demokratische Politik insgesamt einschließt. Also geht es um nicht weniger, als Außenpolitik anders zu denken, Abschied zu nehmen von bisherigen Stereotypen.
Beunruhigt und zugleich aufbruchsbereit hofft der Leser nun in dem Buch von Stefan Fröhlich auf die Antworten des Pragmatismus. Die Schlüsselfrage scheint zu sein: „Wer aber besitzt die Deutungshoheit im Ideenstreit über den zukünftigen Kurs Europas und die Zukunft des Westens?“ Jene inzwischen sogar machtpolitisch entscheidende Kategorie der Deutungshoheit findet so schnell keine präzise Definition, allerdings den lobenden Hinweis auf „einen Paradigmenwechsel hin zu einer aktiven Rolle des Landes“: Paradigmenwechsel hin zum Pragmatismus. Die Rolle einer vorsichtig zurückhaltenden Mittelmacht wird beschrieben. Die aktuelle Herausforderung besteht nun nach Ansicht des Autors darin, deutsche Führung mit der Akzeptanz der Partner zu verbinden – aber das war die Herausforderung bereits seit Mitte der 50er-Jahre.
In der Fülle von Krisen und Konflikten rund um den Erdball, die Fröhlich darstellt, fällt auf, dass er die besondere Herausforderung Europas durch die USA weitgehend auf das Phänomen Trump reduziert und erwartet, dass nach Trump wieder pragmatische Normalität im atlantischen Verhältnis dominieren wird. Dabei wird die grundlegende Veränderung der amerikanischen Gesellschaft übersehen, die sich Trump bloß zunutze gemacht hat. Der Schluss, der die zuversichtliche Überschrift „Angekommen“ trägt, erinnert dann durchaus an die Rhetorik Angela Merkels, wenn dort festgestellt wird, dass ein „prinzipienfester Pragmatismus in der Welt des 21. Jahrhunderts alternativlos“ ist.
Wenn der Leser nun beide Bücher zur Seite legt, dann hat er viel dazugelernt – eine Fülle historischer Details zu einzelnen Vorgängen, viele Analysen von Entscheidungen, zahlreiche politisch-kulturelle Phänomene. Aber beide Analysen haben nicht erreicht, was so dringend notwendig wäre: das Ende der strategischen Sprachlosigkeit. Es liegt doch auf der Hand: Die Außenpolitik benötigt einen neuen strategischen Horizont. Die Außenpolitik Deutschlands ist wie die Außenpolitik Europas endlich aus taumelnder Orientierungslosigkeit zu befreien.
WERNER WEIDENFELD
Werner Weidenfeld ist Direktor des Centrums für Angewandte Politikforschung der Universität München und Rektor der Alma Mater Europaea der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste (Salzburg).
Volker Stanzel:
Die ratlose Außenpolitik
und warum sie den Rückhalt der Gesellschaft braucht. Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Bonn 2019.
256 Seiten, 26 Euro.
Stefan Fröhlich:
Das Ende der Selbstfesselung. Deutsche Außenpolitik in einer Welt ohne Führung. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019.
166 Seiten, 20,44 Euro.
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