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Die Große Hamburger Straße ist eine Straße in der alten Mitte Berlins. Von dieser alten Mitte ist beinahe nichts mehr erhalten, denn abgerissen, begradigt und auch mal verschoben wurden die Häuser hier immer schon, zuletzt auch zerbombt, aber jedes Mal neu wieder aufgebaut. Die Große Hamburger Straße ist eine kurze Straße. Man ist schnell hindurchgegangen, oder auch nicht. Irina Liebmann ist es geschehen, dass sie in der Großen Hamburger Straße stecken geblieben ist. "Ins Loch gefallen für viele Jahre." Warum kam sie dort nicht heraus? Das fragt sie sich selber in diesem Buch. Was ist es, das…mehr

Produktbeschreibung
Die Große Hamburger Straße ist eine Straße in der alten Mitte Berlins. Von dieser alten Mitte ist beinahe nichts mehr erhalten, denn abgerissen, begradigt und auch mal verschoben wurden die Häuser hier immer schon, zuletzt auch zerbombt, aber jedes Mal neu wieder aufgebaut.
Die Große Hamburger Straße ist eine kurze Straße. Man ist schnell hindurchgegangen, oder auch nicht. Irina Liebmann ist es geschehen, dass sie in der Großen Hamburger Straße stecken geblieben ist. "Ins Loch gefallen für viele Jahre." Warum kam sie dort nicht heraus?
Das fragt sie sich selber in diesem Buch. Was ist es, das sie nicht loslässt? Ein Geheimnis, es muss ein Geheimnis sein, und so erzählt sie es auch. Denn wie wäre es, so beginnt das Buch, in die eigene Lebenszeit noch einmal zurückzukehren? Wie wäre es, in der vergangenen Zeit, in der alten Straße herumzuwandern mit dem heutigen Wissen. Würde man so herangehen, dann wäre die Straße ein Raum aus vielen Zeiten, aber nur einer Gegenwart - und die vergeht. Sie vergeht!
Mit dem vorliegenden Roman fasst Irina Liebmann ihre ganze bisherige Arbeit über die Mitte Berlins in einem Werk zusammen. Ein rätselhaftes Buch voller Liebe und Abschied ist es geworden, und atemverschlagende Entdeckungen enthält es auch.
Autorenporträt
Irina Liebmann, geboren in Moskau, lebt in Berlin. Seit 1975 freie Schriftstellerin, vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Berliner Literaturpreis (1998), dem Preis der Leipziger Buchmesse (2008), dem Preis Von Autoren für Autoren des Lübecker Literaturtreffens (2015) und mit dem Uwe-Johnson-Preis (2020). Ihr Werk erscheint in Neuausgaben bei Schöffling & Co.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2020

Was hätten wir denn tun sollen?
Irina Liebmann geht durch Berlins Mitte und notiert Verluste

Der Großen Hamburger Straße im alten Viertel von Berlin Mitte sieht man ihre zweihundertjährige Geschichte immer noch an. Doch es gibt tiefgehende Veränderungen und nicht nur diejenige Lücken, die Bomben im Zweiten Weltkrieg gerissen haben. Ein großer Teil der Bewohner ist es, der heute in diesem Viertel zwischen der Oranienburger und der Auguststraße fehlt.

Bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts lebten hier Juden, Protestanten und Katholiken friedlich zusammen, gingen in den Hinterhöfen ihrem Handwerk oder Gewerbe nach und bauten sich ihre Schulen oder Gotteshäuser, die Große Synagoge in der Oranienburger Straße ist nicht weit und die Sophienkirche auch nicht. Wie nahe alles so beieinander war, spürt man noch trotz aller Veränderungen. Aus dem Jüdischen Friedhof ist ein Park geworden, aber das Jüdische Krankenhaus, einst das zweitgrößte Berlins nach der Charité, wurde nicht wieder aufgebaut. Das ehemalige Jüdische Gymnasium war das Sammellager , von dem aus die Transporte in die Vernichtungslager Auschwitz und Theresienstadt abfuhren. "Die kamen dann weg, ist allgemein hier die Ausdrucksweise für den Sachverhalt Mord", so beschreibt es Irina Liebmann.

Die 1943 in Moskau geborene Autorin hat diesem Stadtteil bereits 1994 in ihrem preisgekrönten Roman "In Berlin" ein Denkmal gesetzt. Sprunghaftes Erzählen und genaue Beobachtung sind auch in ihrem neuen Buch ihre Stilmittel. Einige Figuren - Eva, Manne und andere - tauchen wieder als ihre Gesprächspartner auf. Doch deren Probleme - das Leben in einer geteilten Stadt, die Sehnsucht nach westlicher Freiheit - bestimmen nur noch in Rückblenden den Handlungsverlauf. Denn inzwischen ist die Mauer gefallen. Einige dieser Protagonisten sind in den Westen Berlins gezogen und kommen nur noch zu Besuch in ihr altes Viertel. Sie treffen sich in einem Café, dem einzigen, das hier von damals übrig geblieben ist.

Früher gab es in der Großen Hamburger Straße so viele Cafés, Gasthöfe und Kneipen wie sonst nirgendwo. Aber den Stammtisch gibt es noch, für Irina Liebmann eine Quelle von Informationen über die Häuser, die ehemaligen Bewohner und deren Geschichte, ehe die Stimmen im Alkoholdunst versickern. Die Informanten sind alt geworden wie die Autorin. Weiss jemand noch etwas Genaues? Es ist eine manchmal verwirrende Flut von Eindrücken und Auskünften, die da zusammenkommt. Manchmal finden sich auch alte Notizen oder Übriggebliebenes von längst veröffentlichen Büchern auf dem Schreibtisch.

Unbekümmert mischt Irina Liebmann das alles mit Aktuellem. Die Erkundung der Straße Haus für Haus, um zu einem Gesamtbild zu kommen, gelingt ihr allerdings nicht immer. Und warum sie ihre Spurensuche Roman genannt hat, ist auch nicht einzusehen. Man vermisst das lebendige Erzählen in ihren früheren Berlinromanen und vor allem in dem eindrucksvollen Porträt ihres Vaters Rudolf Herrnstadt - er war nach seiner Rückkehr aus Moskau 1945 der erste Chefredakteur der Zeitung "Neues Deutschland".

Doch Autobiografisches fehlt auch hier nicht. Irina Liebmann sieht sich bei ihrer Spurensuche zu und beteiligt zugleich den Leser. Spannung entsteht, wenn sich aus Bruchstücken endlich ein klares Zeitfenster auftut, wenn die Vergangenheit gegenwärtig wird. Berliner Adressbücher, Stadtpläne seit 1880, Kirchenbücher und Baupläne haben zum großen Teil den zweiten Weltkriegs kaum beschädigt überstanden. Sie sind das zuverlässige Material, auf das sich Irina Liebmann außer den Erinnerungen der Stammtischgäste stützen konnte.

Die Fragen am Anfang: "Wie kam das, was ist geschehen?" und "Was haben wir falsch gemacht, was ist zu tun" bleiben jedoch ohne schlüssige Antwort. Der Satz "die toten Juden sind nicht vergessen, also sind sie nicht wirklich tot" ist eher eine Beschwörung als ein Zeichen glaubwürdigen Überlebens.

MARIA FRISÉ.

Irina Liebmann: "Die Große Hamburger Straße". Roman.

Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2020. 336 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Die bewegte Geschichte einer ganzen Stadt erzählt über eine einzige Straße - ein poetischer Spaziergang durch das Zentrum der Hauptstadt, der viele blinde Flecken offenbart."
rbb Kultur

"Irina Liebmann webt aus tausenden Erzählfäden den Teppich einer Straße"
Annett Gröschner, radioeins - Die Literaturagenten

"Gedachtnis und Erinnerung sind zentrale Achsen im Gesamtwerk von Irina Liebmann, in dem es nach Reportagen und Horspielen mit 'Berliner Mietshaus' (1982) ein vielbeachtetes Prosadebüt gab. Von Beginn an ging es ihr darum zu erzahlen, 'wie etwas wirklich ist'. Damit waren schon früh Koordinaten für eine Poetologie gelegt, die Bezüge zu der von Uwe Johnson haben."
Jury Uwe-Johnson-Preis