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Die Tage des Deutschen Herbstes haben sich in das kollektive Gedächtnis gebrannt. Anne Ameri-Siemens erzählt aus verschiedensten Perspektiven, wie der Terror 1977 ein ganzes Land durchdrang und dann, nach der Entführung Hanns Martin Schleyers, die Bundesregierung unter Helmut Schmidt vor die furchtbare Alternative stellte: entweder Gefangene freizulassen oder den Tod der Geisel in Kauf zu nehmen. Anne Ameri-Siemens, eine der besten Kennerinnen der Zeit, hat zahlreiche, höchst unterschiedliche Zeitzeugen befragt. Damals politisch Verantwortliche kommen ebenso zu Wort wie Hanns-Eberhard…mehr

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Produktbeschreibung
Die Tage des Deutschen Herbstes haben sich in das kollektive Gedächtnis gebrannt. Anne Ameri-Siemens erzählt aus verschiedensten Perspektiven, wie der Terror 1977 ein ganzes Land durchdrang und dann, nach der Entführung Hanns Martin Schleyers, die Bundesregierung unter Helmut Schmidt vor die furchtbare Alternative stellte: entweder Gefangene freizulassen oder den Tod der Geisel in Kauf zu nehmen. Anne Ameri-Siemens, eine der besten Kennerinnen der Zeit, hat zahlreiche, höchst unterschiedliche Zeitzeugen befragt. Damals politisch Verantwortliche kommen ebenso zu Wort wie Hanns-Eberhard Schleyer; ehemalige RAF-Anwälte ebenso wie Angehörige der Opfer, Polizisten und die Bewacher der RAF-Gefangenen in Stammheim. Das Buch setzt die Menschen, die berichten, in den Kontext ihrer Zeit, lässt die Atmosphäre des Deutschen Herbstes in einzigartiger Weise lebendig werden - Wochen, in denen Politiker im Krisenstab auch extreme Lösungen zur Rettung Schleyers diskutierten. Auf diese Weise erzählt «Ein Tag im Herbst» die ganze Geschichte des Terrorjahres 1977, das einmalig war und geblieben ist - und die Geschichte der Bundesrepublik bis heute verändert hat.
Autorenporträt
Ameri-Siemens, AnneAnne Ameri-Siemens, geboren 1974 in Frankfurt am Main, arbeitet als Journalistin für das Feuilleton der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» und die «Frankfurter Allgemeine Quarterly». Für ihren «Spiegel»-Bestseller «Für die RAF war er das System, für mich der Vater» wurde sie 2007 u. a. mit dem Internationalen Buchpreis Corine ausgezeichnet. Mit der Verfilmung des Buchs, der Dokumentation «Wer gab euch das Recht zu morden?», war sie 2008 für den Grimme-Preis nominiert. Zuletzt erschien «Ein Tag im Herbst. Die RAF, der Staat und der Fall Schleyer» (2017).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2017

Die Bitternis der Staatsräson
Vor 40 Jahren trieb die Rote-Armee-Fraktion die Republik in einen dramatischen Kampf. Die Politik siegte. Doch um welchen Preis?
Anne Ameri-Siemens und Butz Peters beleuchten den Deutschen Herbst und seine Akteure – und finden viele, die das Geschehene bis heute verfolgt
VON TANJEV SCHULTZ
Das Erschreckende am Terrorismus ist nicht nur seine eigene Brutalität. Oft verführt er auch seine Opfer und Gegner zu unverhältnismäßigen Reaktionen, bis hin zur Barbarei. Guantanamo und die CIA-Folter sind Beispiele dafür. Die Erosion von Freiheitsrechten und Rechtsstaatlichkeit geschieht manchmal schleichend. Dann wird Schritt für Schritt der Datenschutz aufgeweicht, und „Gefährder“ sollen, obwohl keiner Tat überführt, auf unbegrenzte Zeit weggesperrt werden. Ein vermeintlich starker Staat macht die Bürgerrechte klein.
Es ist lehrreich, frühere Fälle zu studieren, in denen Terroristen den Staat herausforderten. In diesem Jahr jährt sich zum 40. Mal der Deutsche Herbst: 1977 trieb die Rote-Armee-Fraktion (RAF) die Bundesrepublik in einen dramatischen Kampf. Daran zu erinnern, ist mehr als nur eine zeithistorische Pflichtübung. Die Geschichte der RAF, das zeigen Neuerscheinungen zum Thema, ist noch immer brisant und bedrückend. Im Zentrum immer die Frage: Wie weit muss, wie weit darf der Staat im Kampf gegen den Terror gehen?
Butz Peters führt in einer lesenswerten Monografie die Gedankenspiele auf, die der Krisenstab anstellte, als die RAF den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer als Geisel hielt. Bundeskanzler Helmut Schmidt bat seine Berater auch um unkonventionelle Vorschläge. Dazu gehörten die Einführung der Todesstrafe für Terroristen und Drohungen gegen deren Familien. Hans-Jochen Vogel, damals Justizminister, wies solche Überlegungen zurück und rief zur verfassungsmäßigen Ordnung. Der Staat durfte das Recht nicht suspendieren.
Wie Schmidt trug indes auch Vogel die Linie mit, Stärke zu zeigen und unnachgiebig zu bleiben gegen die Forderungen der RAF, die ihre in Stammheim inhaftierten Mitglieder freipressen wollte. Die GSG 9 erstürmte in Mogadischu die entführte Lufthansa-Maschine Landshut und befreite die Passagiere. Die Stammheim-Häftlinge begingen Suizid, und die Terroristen ermordeten Hanns Martin Schleyer. Bei einem Staatsakt saß Helmut Schmidt neben Schleyers Witwe, die Hand im nicht endenden Entsetzen vor den Mund gelegt oder die Nasenwurzel greifend – ein Bild, das noch heute jeden ergreift, der ein Herz hat.
Peters erzählt ebenso sachlich wie eindringlich die Geschichte des Terrorjahres 1977. Er zeigt, wie die Lage vom Frühling bis in den Herbst eskalierte, sodass viele die Bundesrepublik in einem Ausnahmezustand wähnten, der besondere Mittel und besondere Härte verlangte. Im Bonner Regierungsviertel sah es zeitweise aus wie in einem Krieg. Gepanzerte Fahrzeuge blockierten die Straßen, Politiker verbargen sich hinter Sandsäcken und Stacheldraht. Die „Ouvertüre“ des Deutschen Herbsts, wie Peters es nennt, begann im Frühjahr, am Gründonnerstag. Die RAF ermordete Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine Begleiter, und mit einem Schlag beherrschten die linken Terroristen die Agenda des Landes.
Das Buch hält sich zurück mit zugespitzten Thesen oder Theorien, es widersteht der Versuchung, den dramatischen Stoff zusätzlich zu dramatisieren. Es vertraut auf gesicherte Fakten und die vielen Gerichtsentscheidungen zum Thema. Kühl begegnet der Autor den Legenden und Verschwörungstheorien, die unter anderem zu den Haftbedingungen und den Selbstmorden der RAF-Mitglieder kursieren.
Peters, Rechtsanwalt und Publizist, hat schon mehrere Bücher über die RAF geschrieben, das neue nimmt Erkenntnisse und Entwicklungen der vergangenen Jahre auf, beispielsweise den Prozess um die Ex-Terroristin Verena Becker. Die RAF-Geschichte ist mittlerweile schon recht gut ausgeleuchtet, dennoch liegt manches weiterhin im Dunkeln. Die Wahrheitssuche war und bleibt schwierig. Frühere RAF-Mitglieder, die etwas wissen und sagen könnten, schweigen beharrlich oder reden, wie Peter-Jürgen Boock, mit zweifelhafter Glaubwürdigkeit. Boock selbst fasste die Situation einmal so zusammen: „Wir waren es, die von unseren Eltern Auskunft gefordert hatten über die NS-Zeit. Mir ist aufgefallen, dass wir mit unserer verkorksten Geschichte dasselbe machen, nämlich nichts sagen oder etwas Falsches sagen.“
Es sind solche Zitate und Passagen, die dem Leser immer wieder die Verstiegenheit und die Jämmerlichkeit der RAF vor Augen führen. Zugleich hütet sich Peters vor zu einfachen Urteilen und Verurteilungen. Er nennt das Auskunftsverweigerungsrecht, das den Ex-Terroristen ihr Schweigen ermöglicht, einen „Segen des Rechtsstaats“. Diesen Rechtsstaat wollten die Terroristen beseitigen – und dennoch oder gerade deshalb muss er ihnen nun die Rechte gewähren, die ihn auszeichnen.
Das Buch enthält biografische Skizzen, es zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Persönlichkeiten der Täter – und es eignet sich damit auch gut für Leser, die sich erstmals näher mit der Geschichte der RAF auseinandersetzen möchten.
Das gilt genauso für das neue Buch von Anne Ameri-Siemens. Vor zehn Jahren hat sie eine viel beachtete Geschichte der RAF aus Sicht der Opferfamilien geschrieben. Nun konzentriert sie sich auf den Fall Schleyer, bleibt ihrem Erzählprinzip aber treu. Ameri-Siemens lässt Betroffene und Zeitzeugen ausführlich zu Wort kommen, ergänzt deren Beiträge durch eigene Erklärungen und montiert die Berichte und Bekenntnisse so geschickt, dass beim Lesen ein fast filmischer Eindruck entsteht.
Die Autorin hat mit Politikern wie Hans-Jochen Vogel und Burkhard Hirsch gesprochen, mit Schriftstellern und Journalisten, einem früheren RAF-Anwalt, einem Justizvollzugsbeamten. Jan Philipp Reemtsma berichtet aus eigenem Erleben, wie es sich anfühlt, als Geisel ausharren zu müssen. Mehrmals lange zitiert wird auch Hanns-Eberhard Schleyer, der Sohn des Ermordeten. Er war 32 Jahre alt, als er versuchte, den Vater zu retten und die Regierung daran zu hindern, das Leben eines Menschen der Staatsräson unterzuordnen. Die letzte Hoffnung, die ihm blieb, war das Bundesverfassungsgericht. Dort stellte er am 15. Oktober 1977 einen Antrag im Eilverfahren, der die Politik zwingen sollte, einen Austausch der RAF-Gefangenen vorzunehmen. Der Antrag hatte keinen Erfolg.
Zu später Stunde entschieden die Richter, die Regierung dürfe nicht auf ein bestimmtes Handeln festgelegt und für die Terroristen kalkulierbar werden. Sie überließen es der Regierung zu entscheiden, wie sie auf die Forderungen der Entführer reagieren wollte. „Ausgeliefert war mein Vater in gewisser Hinsicht auch der Politik und der Justiz“, sagt Hanns-Eberhard Schleyer. „Allen gegenüber war er hilflos.“
Viele Bürger haben die Art und Weise, in der die Regierung versuchte, Stärke zu zeigen, bewundert. Auch einige von Siemens’ Gesprächspartnern halten ihr Vorgehen ebenso richtig wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts; andere artikulieren Zweifel. Hanns-Eberhard Schleyer sagt: „Verstanden habe ich das Urteil nicht, bis heute nicht.“ Über lange Passagen hätten die Richter deutlich gemacht, dass es die vornehmste Aufgabe des Staates sei, seine Bürger zu schützen – und dann habe es einen Bruch in der Argumentation gegeben. Das Abstrakte habe sich vor den Schutz des konkreten Menschen geschoben.
Hans-Jochen Vogel besuchte einen Tag nach dem Urteil aus Karlsruhe die Familie Schleyer. Es liefen bereits die Vorbereitungen für den Einsatz der GSG 9 in Mogadischu, was Vogel jedoch verschwieg. Sie hätten nicht viel gesprochen, erinnert sich Hanns-Eberhard Schleyer. Die Familie habe nun gewusst, dass der Krisenstab einem Austausch der Geisel niemals zustimmen würde – und dies auch nie gewollt hatte. „Mir war mit einem Schlag die Unehrlichkeit klar geworden, mit der die politisch Verantwortlichen unserer Familie bis dahin begegnet waren.“
Das Buch zeigt aber auch, wie nah die Situation den Politikern ging und wie sehr diese damit auch später noch gerungen haben. Die Frage, ob sie sich schuldig gemacht hätten, begleite ihn seit 1977, sagt Hans-Jochen Vogel. Das Ergebnis, zu dem er immer wieder komme: Er habe Schleyers Tod nicht verschuldet, „aber mitverursacht habe ich ihn doch“.
Hätte es Möglichkeiten gegeben, anders zu handeln? Hätte der Staat sich nicht doch auf ernsthafte Verhandlungen mit der RAF einlassen können, ja müssen? Hätte man die RAF-Gefangenen nicht ins Ausland fliegen lassen können? Wäre das ein Zeichen der Schwäche gewesen? Diese Fragen wirft dieses bewegende Buch auf, ohne eine definitive Antwort geben zu können.
Nicht nur für Schleyers Familie ist zudem das Wissen um die Pannen niederschmetternd, die bei der Suche nach dem Versteck der Geiselnehmer passierten. Schon am zweiten Tag nach der Entführung hatte die Polizei einen guten Hinweis auf die Wohnung bekommen, in die Schleyer verschleppt worden war. Der Hinweis und so auch die Wohnung wurden jedoch nicht weiter überprüft.
Die RAF hat ihre fehlgeschlagene „Offensive 77“ später als ihre „härteste Niederlage“ bezeichnet. Trotzdem kann man nicht sagen, dass der Staat als Sieger aus dem Terrorjahr hervorging. Der Sieg war zu bitter, vielleicht war es nicht einmal ein Sieg. Das Morden der RAF ging noch jahrelang weiter. Und in einem entscheidenden Moment hatte der Staat eine Härte bewiesen, die selbst jene, die dies für richtig hielten, tieftraurig stimmte.
Tanjev Schultz ist Professor für Journalismus an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Butz Peters hütet sich vor
zu einfachen Urteilen
und Verurteilungen
Hätte es Alternativen gegeben?
Nicht nur Familie Schleyer stellt
sich immer wieder diese Frage
Gezeichnet: Kanzler Helmut Schmidt zwischen Hanns-Eberhard und dessen Mutter Waltrude Schleyer bei der Trauerfeier im Herbst 1977.
Foto: Sven Simon / Imago
Anne Ameri-Siemens: Ein Tag im Herbst. Die RAF, der Staat und der Fall Schleyer. Rowohlt-Verlag Berlin 2017, 320 Seiten, 19,95 Euro.
E-Book: 16,99 Euro.
Butz Peters: 1977. RAF gegen Bundesrepublik. Droemer-Verlag,
München 2017,
576 Seiten, 26,99 Euro.
E-Book: 24,99 Euro.
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