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Auf einer Insel, nicht weit vom Festland entfernt, prägen sonderbare Ereignisse das Leben. In regelmäßigen Abständen verschwinden Dinge, und zwar für immer. Zunächst sind es Hüte, dann alle Vögel, später die Fähre. Bald gibt es keine Haarbänder mehr und keine Rosen ... Die Bewohner haben sich damit abgefunden, dass auch ihre Erinnerung immer weiter verblasst. Nur einige wenige können nichts vergessen. Deshalb werden sie von der Erinnerungspolizei verfolgt, die dafür Sorge trägt, dass alle verschwundenen Dinge auch verschwunden bleiben, nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch in den…mehr

Produktbeschreibung
Auf einer Insel, nicht weit vom Festland entfernt, prägen sonderbare Ereignisse das Leben. In regelmäßigen Abständen verschwinden Dinge, und zwar für immer. Zunächst sind es Hüte, dann alle Vögel, später die Fähre. Bald gibt es keine Haarbänder mehr und keine Rosen ... Die Bewohner haben sich damit abgefunden, dass auch ihre Erinnerung immer weiter verblasst. Nur einige wenige können nichts vergessen. Deshalb werden sie von der Erinnerungspolizei verfolgt, die dafür Sorge trägt, dass alle verschwundenen Dinge auch verschwunden bleiben, nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch in den Köpfen der Menschen.
Als eine junge Schriftstellerin herausfindet, dass ihr Verleger Gefahr läuft, von der Erinnerungspolizei festgenommen zu werden, beschließt sie, ihm zu helfen - auch wenn sie damit ihr Leben riskiert. Sie richtet im Untergeschoss ihres Hauses ein Versteck für ihn ein. Doch die Razzien der Polizei werden ständig ausgeweitet, und immer häufiger verschwinden Dinge. Die beidenhoffen auf die Fertigstellung ihres neuen Romans als letzte Möglichkeit, die Vergangenheit zu bewahren.
Yoko Ogawas internationaler Bestseller ist eine faszinierende Parabel über den Verlust von Freiheit und die Bedeutung der eigenen Vergangenheit. Selten werden die drängenden Fragen unserer Zeit so poetisch verhandelt wie hier.
Autorenporträt
Yoko Ogawa gilt als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen ihrer Generation. Für ihr umfangreiches Werk wurde sie mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Akutagawa-Preis und dem Tanizaki-Jun¿ichir¿-Preis. Für ihren Roman »Das Geheimnis der Eulerschen Formel« erhielt sie den begehrten Yomiuri-Preis. Bei Liebeskind erschienen u.a. die Romane »Das Museum der Stille«, »Schwimmen mit Elefanten« und »Der Herr der kleinen Vögel«. Mit der englischsprachigen Ausgabe von »Insel der verlorenen Erinnerung« wurde Yoko Ogawa für den National Book Award und den International Booker Prize nominiert.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Steffen Gnam liest Yoko Ogawas Romandystopie um einen totalitären Staat, der seinen Bürger unter Strafe die Erinnerung verbietet, und eine Schriftstellerin und ihren Lektor, die sich dagegen stemmen, als Plädoyer für die subversive Kraft der Literatur. Die Darstellung von Erinnerungspolizisten und "kafkaesken Behörden" gemahnt Gnam an den Nationalsozialismus wie an die chinesische Kulturrevolution. Ein immens politischer Text, findet Gnam.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.11.2020

Das Kaffeekränzchen
Yoko Ogawas Roman „Insel der verlorenen Erinnerungen“ ist 1994 erschienen.
Jetzt ist das Buch plötzlich ein Weltbestseller. Liegt es an der hemmungslosen Nostalgie?
VON LEA SCHNEIDER
Rosen, Vögel, Hüte, Kaubonbons: Auf einer namenlosen Insel, die von einem namenlosen Regime regiert wird, verlieren die unterschiedlichsten Dinge schlagartig ihre Bedeutung und werden dann von den Inselbewohnern mehr oder weniger freiwillig zerstört. In diesem dystopischen Setting versteckt eine namenlose Schriftstellerin gemeinsam mit einem namenlosen alten Mann ihren namenlosen Verleger, weil er zu den wenigen Menschen gehört, die sich weiterhin an die verschwundenen Dinge erinnern können und darum von der „Erinnerungspolizei“ verfolgt werden.
In Yoko Ogawas bereits 1994 erschienenem und nun von Sabine Mangold ins Deutsche übersetztem Roman „Insel der verlorenen Erinnerung“ bleibt derartig viel namenlos oder im Vagen, dass einem der Wille zur Parabel quasi auf jeder Seite entgegenspringt. Ogawa beschreibt eine Welt, die so generisch und allgemein gehalten ist, dass sie sich als Kommentar auf praktisch jede historische oder gegenwärtige Situation beziehen lässt – und so liest nicht nur die New York Times ihren Roman als eine hochaktuelle Allegorie auf den weltweit wiedererstarkenden Autoritarismus.
„Insel der verlorenen Erinnerung“ hat sich seit seiner Übersetzung ins Englische nicht zuletzt aufgrund dieses vermeintlichen Gegenwartsbezugs zu einem internationalen Bestseller entwickelt, war zuletzt unter anderem für den Booker Prize nominiert und wird nun von der Regisseurin Reed Morano („The Handmaid’s Tale“) und dem Drehbuchautor Charlie Kaufmann („Eternal Sunshine of the Spotless Mind“) verfilmt.
Tatsächlich sind es allerdings gerade die stilistischen Entscheidungen, die den Roman möglichst leicht als Parabel lesbar machen sollen – die Reduktion auf wenige Figuren, die zahlreichen Märchen-Elemente, das Offenhalten von Zeit und Ort der Handlung, die Häufung symbolisch aufgeladener Objekte – die seine Aktualität fragwürdig erscheinen lassen. Dazu trägt vor allem das konsequent altmodische Inventar einer Erzählwelt bei, in der zwar ständig Schreibmaschinen, Haarbänder, Spieluhren und Corned-Beef-Dosen, aber weder Computer noch Smartphones auftauchen. Welchen Nutzen hat ein Buch, in dem das Internet nicht einmal als Möglichkeit existiert, für das Verständnis des spätkapitalistischen, digitalisierten Überwachungsstaates?
Wenn überhaupt, dann lässt sich „Insel der verlorenen Erinnerung“ eher als eine Art Anti-Roman zum digitalen Zeitalter lesen: Die nostalgische Liebe zu physischen, am besten handwerklich hergestellten oder anderweitig einzigartigen Gegenständen wird hier ohne Übertreibung als Rettung der menschlichen Seele dargestellt – wer, wie die Erzählerin, die Bedeutung der Dinge vergisst, dessen Herz wird „löchrig“. Dieser Rückzug in die Nostalgie für eine aggressiv verniedlichte Version der „guten, alten Zeit“ ist weder in Yoko Ogawas Werk noch in der zeitgenössischen japanischen Literatur etwas Neues. Dort gilt Ogawa schon lange als typische Vertreterin der sogenannten „Moratoriumsliteratur“, der auch andere bekannte Autoren wie Haruki Murakami zugerechnet werden.
Entlehnt aus der Psychologie, wo der Begriff den Zeitraum des Übergangs vom Kind zum Erwachsenen beschreibt, der als eine Epoche des Aufschubs erlebt wird, war „Moratorium“ in den letzten Jahrzehnten eines der zentralen Buzzwords der japanischen Kulturwissenschaften. Die Protagonisten dieser Romane zeichnen sich durch eine Art dauerhaftes Peter-Pan-Stadium aus: Sie betreiben einen Rückzug in geschützte Räume der Innerlichkeit, die von der übrigen Welt abgetrennt sind und in denen man sich ausschließlich mit sich selbst beschäftigt – eine Art „Cocooning in Retro-Welten“, wie die Japanologin Lisette Gebhardt schreibt. Es handelt sich also um eine Literatur der konsequent regressiven Geste, die letztlich eine Überforderung mit der Komplexität der Gegenwart verhandelt.
Genauso, wie die Protagonisten der Moratoriumsliteratur sich beharrlich weigern, ihre eingefrorenen Schutzräume zu verlassen, so weigert sich auch „Insel der verlorenen Erinnerung“ mit Händen und Füßen dagegen, sich in irgendeiner Weise konkret auf die reale Welt zu beziehen – und stellt sich doch selbst derart penetrant und ununterbrochen als kommentierende Parabel auf sie dar, dass die Lektüre schnell ermüdend wird. Die meisten Zutaten kommen einem so bekannt vor, dass man, als im letzten Drittel des Romans schließlich auch die Bücher verschwinden, schon seitenlang auf das oft bemühte Heine-Zitat – „Wo Bücher brennen, brennen bald auch Menschen“ – gewartet hat – bevor es dann auch gnadenlos eingesetzt wird, als vermutlich nächstliegendes Dystopie-Requisit der Weltliteratur.
So beschränkt sich der Erkenntnisgewinn hinsichtlich der gegenwärtigen Situation der Welt in diesem Roman auf sattsam bekannte Allgemeinplätze. Anstatt zum Beispiel der interessanten Frage nachzugehen, warum zwar ständig Dinge verschwinden, aber niemals neue entstehen – man könnte das Auslöschen der Tradition ja zumindest theoretisch auch als eine Befreiung empfinden, die Platz macht für bisher Ungedachtes – zieht Ogawa vor allem einen roten Faden motivisch durchs Buch: Das Kaffeekränzchen. In praktisch jedem Kapitel wird Kuchen gegessen, und man wird das Gefühl nicht los, dass das am Ende wiederum eine Meta-Allegorie auf Ogawas Pseudo-Allegorie ist: Man verlässt ihre Erzählung mit dem schalen Gefühl, gerade ein bisschen zu viel Zucker gegessen und dabei die eine oder andere Plattitüde ausgetauscht zu haben.
In Japan gilt Ogawa
schon lange als Vertreterin der
„Moratoriumsliteratur“
Brennende Bücher: das nächst-
liegende Dystopie-
Requisit der Weltliteratur
Vertreterin der sogenannten „Moratoriumsliteratur“, die sich durch den Rückzug in die Nostalgie nach einer aggressiv verniedlichten guten alten Zeit auszeichnet: die japanische Schriftstellerin Yoko Ogawa.
Foto: Getty Images
Yoko Ogawa: Insel der verlorenen Erinnerungen. Roman. Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Liebeskind,
München 2020.
350 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.12.2020

Sprechen wir nicht über Sprachverlust
Die unerträgliche Leichtigkeit des Vergessens: Yoko Ogawas Roman "Insel der verlorenen Erinnerung" imaginiert ein totalitäres Staatsgebilde

Eine Insel ist dem Vergessen anheimgefallen. Nach und nach verschwinden die Dinge und Essenzen des täglichen Lebens wie Hüte, Rosen, Glocken, Parfüm, Vögel oder eine Fähre und mit ihnen die Erinnerung ihrer Aura, Namen und Funktion.

Die Prosa Yoko Ogawas kreist um Einbrüche des Sonderbaren und Absonderlichen oder dunkler Parallelwelten und Mächte in den uniformen Alltag, um Auslöschungsphantasien und Amnesien der Empathie. Ihr in Japan 1994 erschienener, für den letztjährigen International Booker Prize nominierter Roman "Insel der verlorenen Erinnerung" ist als Dystopie eines totalitären Staates ungewohnt politisch.

Wenn Dinge verschwinden, gilt es für die Bewohner, sich ihrer Überreste zu entledigen. Wer sich dennoch ihrer entsinnen kann, gerät ins Visier der "Erinnerungspolizei". Die Mutter der namenlosen Erzählerin, eine Bildhauerin, die in Hohlräumen von Skulpturen Fragmente der Vergangenheit (das Ticket einer Fähre, Brausetabletten) verbarg, wurde bereits fünfzehn Jahre zuvor von einem Spezialkommando abtransportiert. Der protestlose Berufswechsel - ein Hutmacher fertigt nach dem Verschwinden der Hüte Regenschirme, eine Kosmetikerin wird Hebamme - offenbart die unerträgliche Leichtigkeit des Vergessens: Wahn wird Routine, das Böse Formsache.

Die der deportierten Mutter verpflichtete Heldin, eine Romanautorin, schließt sich mit ihrem Lektor als letztem Unbeugsamen und Erinnerungsbegabten kurz. Sie beschließt, ihn in einer Kammer ohne Tageslicht in ihrem Haus zu verstecken. Mit ihm möchte sie ihren Roman vollenden, als Reservoir der Erinnerungen und Antidot zum Vergessen. Nur einem alten Mann, der seinen Lebensabend auf einer ausrangierten Fähre verbringt, erzählt sie das Geheimnis. Als ihr Vertrauter zieht er nach einem Tsunami in ihr Haus, wo beide gemeinsam nun den Lektor in seinem Refugium umsorgen.

Neben dem Nationalsozialismus und Anne Frank als Schlüssellektüre der jungen Yoko Ogawa evoziert das Buch im Zerstören dekadenter Objekte die chineische Kulturrevolution. Es zeichnet zeitlose Allegorien und Infrastrukturen der Bürgerbewertung wie eine kafkaeske Behörde und labyrinthartige "Organisation" mit komplexem Verwaltungsapparat und eigenem Alphabet. Surreale Diktaturbeschwörungen im Text sind Zahnradgetriebe, die Mishimas Roman "Tempelbrand" beschwörende Schönheit der brennenden Bibliothek und erloschene Leuchttürme.

Mit dem Kunstgriff des Romans im Roman - über eine Stenotypistin, die ihre Stimme verlor - überblendet Yoko Ogawa Ohnmachtserzählungen von Abhängigkeit und Unterwerfung. Im Reich der erkalteten Sinne vermag die Schriftstellerin durch das "intakte Herz" ihres Lektors und Liebhabers den Roman im tragischen Finale zu vollenden: Yoko Ogawa deutet eine wiedererlernte Menschwerdung und Weltrettung durch Künstler und Untergrundkämpfer an. Ihr Buch ist ein unwiderstehliches Plädoyer für die subversive Kraft der Literatur: "Ich fragte mich, was wäre, wenn eines Tages die Wörter verschwinden würden. Aber nur im Stillen. Weil etwas wahr werden kann, sobald man es laut ausspricht."

STEFFEN GNAM

Yoko Ogawa: "Insel der

verlorenen Erinnerung".

Roman.

Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2020. 352 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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