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Christine Teuschs (1888-1968) Biografie spiegelt die großen politischen Umbrüche der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert wider. Im Kaiserreich geboren, gehörte sie der ersten Generation Parlamentarierinnen an, die 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt wurden. Teusch, die einem streng katholischen Elternhaus entstammte, etablierte sich im Berliner Reichstag schnell als Sozialpolitikerin und fand im linken Flügel des Zentrums ihre politische Heimat. Das katholische Verbandswesen und insbesondere die katholische Frauenbewegung prägten ihre politische Arbeit. Ihr karitatives…mehr

Produktbeschreibung
Christine Teuschs (1888-1968) Biografie spiegelt die großen politischen Umbrüche der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert wider. Im Kaiserreich geboren, gehörte sie der ersten Generation Parlamentarierinnen an, die 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt wurden. Teusch, die einem streng katholischen Elternhaus entstammte, etablierte sich im Berliner Reichstag schnell als Sozialpolitikerin und fand im linken Flügel des Zentrums ihre politische Heimat. Das katholische Verbandswesen und insbesondere die katholische Frauenbewegung prägten ihre politische Arbeit. Ihr karitatives Engagement ermöglichte es ihr, in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur weiter aktiv zu bleiben. Als erste Ministerin eines Bundeslandes (1947-1954) ging sie in die Geschichte der Bundesrepublik ein. Bis heute ist ihr Name mit dem Wiederaufbau des Bildungswesens in Nordrhein-Westfalen und ihrem Einsatz für ein konfessionell geprägtes Schulsystem verbunden.Christine Teuschs politische Anfänge, ihr Aufstieg in der CDU und ihre Tätigkeit als Kultusministerin stehen im Mittelpunkt dieser Biografie. Die Schulartikel der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen und das Landesschulgesetz 1952 sollten ihre politische Karriere krönen. Stets sah sich die hoch motivierte Ministerin in politische Kämpfe zwischen verschiedenen Interessengruppen - Parteien, Verbände und Kirchen - verwickelt. Ihr vehementer Einsatz für die Konfessionsschule war der Angelpunkt ihres politischen Lebens.
Autorenporträt
Dr. Kathrin Zehender studierte Geschichts- und Politikwissenschaft in Mannheim und ist nun wissenschaftliche Projektmitarbeiterin der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien e.V. in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.2015

Das Fräulein Minister in Düsseldorf
Zentrumspolitikerin Christine Teusch machte im Nachkriegsdeutschland Karriere

Ein "ehrbares Mädchen" sei sie, rief man ihr zum Abschluss ihrer Kabinettskarriere nach, als sie 1954 das Amt der nordrheinwestfälischen Kultusministerin abgab. Die Laufbahn der Christine Teusch (1888 bis 1968) hatte Jahrzehnte zuvor mit der Anfrage begonnen, ob das "sehr geehrte Fräulein eventuell geneigt sein würde, sich als Arbeitersekretärin in den Dienst der Christlichen Gewerkschaftsbewegung zu stellen". Das war 1918, noch im Krieg. In diesem Angebot kamen in nuce die Koordinaten zur Sprache, die das Leben der Politikerin Teusch gekennzeichnet haben. Sie war nicht verheiratet, katholisch, sozial-karitativ engagiert und politisch ambitioniert: keine einfache Konstellation, weder am Ende des Ersten Weltkriegs noch später - aber reizvoll für eine Biographie.

Am Leben von Christine Teusch lassen sich einige der großen Zäsuren und Entwicklungsschübe des 20. Jahrhunderts exemplarisch darstellen: die Brüche im politischen System Deutschlands zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik; das noch vom Kulturkampf des 19. Jahrhunderts geprägte katholische Milieu, das in der Weimarer Zeit einen demokratischen Aufschwung erlebte und unter der NS-Herrschaft den nächsten Kirchenkampf zu bestehen hatte; die Facetten der "Gender"-Geschichte zur sozialen Rolle von Frauen. Mit Wohlwollen erzählt Kathrin Zehender nun Christine Teuschs Leben, ebenso grundsolide, wie dieses wohl gewesen ist. Zehender war die Letzte, die Teuschs Nachlass im Kölner Stadtarchiv einsehen konnte, bevor das Gebäude im März 2009 buchstäblich vor ihren Augen zusammenstürzte.

Die Lebensbeschreibung spannt den Bogen von Teuschs bürgerlicher Herkunft aus Köln über deren Aufstieg im katholischen Verbandswesen hin zu ihrer parlamentarischen Karriere als Abgeordnete der Zentrumspartei im Reichstag bis schließlich zum krönenden Abschluss: der Beteiligung am Wiederaufbau Nachkriegsdeutschlands und an der europäischen Neuausrichtung der jungen Bundesrepublik. So entsteht das Porträt einer Frau, die sich auch dank rhetorischer Begabung bestens in den kapillaren Strukturen des katholischen Organisationswesens zurechtfand und sich in diesem sozialen Feld den Rückhalt für ihre parlamentarische Tätigkeit verschaffte.

Die Sicherung von Schutz, Fürsorge und Wohlfahrt vor allem für Frauen bildete ein Leitmotiv in Teuschs politischer Arbeit. Dabei kam ein Norm-Modell von "Frau-Sein" zum Tragen, das heute exotisch anmutet und doch typisch war für die paradoxen Effekte der widerwilligen Modernisierungsdynamik im politischen und sozialen Katholizismus. Teusch setzte sich für die Unterstützung weiblicher Berufstätiger ein, zumal in den Elendsjahren nach den beiden Weltkriegen. Dass Beruf und Ehe aber eigentlich nicht zusammengingen und Frauen um des Berufs willen auf Familiengründung verzichten müssten, gehörte auch zu ihren Glaubenssätzen. An solchen oszillierenden Punkten wünscht man sich einen vertieften Blick in die Weltanschauung der Christine Teusch. Denn spannend wäre es, mehr darüber zu erfahren, wie sie aus ihrer "streng katholischen" Glaubens- und Lebenshaltung konkrete politische Überzeugungen und Optionen ableitete.

Wie verhielten sich für Teusch religiöse und politische Sphäre zueinander - sofern sie diese überhaupt unterscheiden wollte? Welches war allgemein ihre Auffassung des "Politischen", welches ihre Idee vom Staat, von den Parteien? Die Konzentration der Biographie auf die politische Arbeit der Protagonistin in den Verbänden und Parlamenten bekräftigt ein traditionelles Urteil über den deutschen Katholizismus: pragmatisch, aber theoriearm. Zehender nennt zwei Hauptmotive für Teuschs hartnäckige Verteidigung kirchlich-katholischer Interessen: Da gab es eine Art Kollektiverinnerung der Katholiken in Deutschland an die Diskriminierung und Drangsalierung im Bismarckschen Kulturkampf. Hinzu trat die persönliche Erfahrung der Entrechtung und Bedrohung durch die NS-Diktatur. Letztere hat Teusch als eine geistig-sittliche Katastrophe gedeutet, die nur dadurch geheilt werden könne, dass der Staat im Unterrichtswesen den Kirchen eine weitgehende Zuständigkeit garantiere.

Als NRW-Kultusministerin der ersten Stunde setzte sie deshalb die Konfessionsschulen durch und erwarb sich damit viel Feind' und viel Ehr'. Aber es war - so Zehender - ein fragwürdiger Sieg, weil Teuschs politisches Anliegen nicht als Sicherung religiöser Autonomie und Pluralität, sondern als Oktroy der Rekonfessionalisierung empfunden wurde. So gelangt die Biographin bei aller Anerkennung für die Leistung ihrer Heldin in der damals gewiss nicht quotenfreundlichen Phase zu einer leicht nostalgischen Bilanz angesichts des Eindrucks, Christine Teusch habe mit ihrer Kultus- und Kulturpolitik die rechtzeitige Anpassung an jenen neuen Geist der Zeit versäumt, der schon begonnen hatte, die Phase des Nachkriegs abzulösen.

CHRISTIANE LIERMANN

Kathrin Zehender: Christine Teusch. Eine politische Biographie. Droste Verlag, Düsseldorf 2014. 307 S., 59,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christiane Liermann freut sich über die dem Kölner Stadtarchiv quasi in letzter Minute abgerungene Biografie über Christine Teusch, die Kathrin Zehender hier vorlegt. In der von der Autorin "grundsolide" und wohlwollend erzählten Lebensgeschichte der streitbaren Politikerin erkennt die Rezensentin die großen Zäsuren und Entwicklungsschübe des 20. Jahrhunderts wieder. Wenn Zehender über Teuschs bürgerliche Herkunft, ihren Aufstieg im katholischen Verbandswesen und ihre parlamentarische Karriere in der Zentrumspartei berichtet, erkennt Liermann zwar das Engagement dieser Frau für die Sache der Frau, hätte sich jedoch zugleich tiefere Einblicke in das Verhältnis von strenger Glaubenshaltung und politischer Überzeugung gewünscht.

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