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Heimat als Gedanke und Gefühl
Wie kommt es, dass ein Mensch sich in Deutschland zu Hause fühlt? Dass er sagt: Hier ist meine Heimat? Die Antwort darauf führt durch die Verschlingungen eines komplizierten Gefühls. Und sie zeigt, was Heimat heute bedeutet und wie man dennoch offen für die Fremde bleiben kann.
Am Faden der Lebensgeschichte seines Vaters erzählt Eberhard Rathgeb von Erfahrungen, die mit dem Tag beginnen, an dem einer auf die Welt kommt. Die individuell sind und dennoch in den Biografien berühmter Künstler und Denker ihren Widerhall finden. Vom Aufwachsen im Kleinen, dort, wo
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Produktbeschreibung
Heimat als Gedanke und Gefühl

Wie kommt es, dass ein Mensch sich in Deutschland zu Hause fühlt? Dass er sagt: Hier ist meine Heimat? Die Antwort darauf führt durch die Verschlingungen eines komplizierten Gefühls. Und sie zeigt, was Heimat heute bedeutet und wie man dennoch offen für die Fremde bleiben kann.

Am Faden der Lebensgeschichte seines Vaters erzählt Eberhard Rathgeb von Erfahrungen, die mit dem Tag beginnen, an dem einer auf die Welt kommt. Die individuell sind und dennoch in den Biografien berühmter Künstler und Denker ihren Widerhall finden. Vom Aufwachsen im Kleinen, dort, wo einer Verbundenheit fühlt, von Prägungen, die Seele, Geist und Gemüt erfahren, von Flucht, Exil und Tod, von der Sehnsucht nach einer verlorenen Heimat, von heimatlichen Fantasien und vertrauten Gedanken, von Nähe und Fremde.

Bei der Suche nach der deutschen Heimat und deren Bedeutung für ein Leben helfen unter anderem auch Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Martin Heidegger, Ludwig Wittgenstein, Theodor W. Adorno, Hannah Arendt, Albrecht Dürer, Tilman Riemenschneider, Rahel Varnhagen, Heinrich Heine, Stefan Zweig, ein Wolfsjunge und namenlose Flüchtlinge, die eines Tages im Nachbardorf auftauchen.

Autorenporträt
Rathgeb, Eberhard
Eberhard Rathgeb lebt als Schriftsteller in Norddeutschland. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ihrer Berliner Sonntagsausgabe. 2013 erhielt er den aspekte-Literaturpreis für seinen Debütroman »Kein Paar wie wir«. 2016 erschien bei Blessing sein viel gelobtes Sachbuch »Am Anfang war Heimat. Auf den Spuren eines deutschen Gefühls«.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Heimatfrage kann Rezensentin KatharinaTeutsch mit Eberhard Rathgebs Vaterbuch nicht für sich klären. Schon, weil Rathgeb das Thema Flucht und Flüchtlinge nur streift. Aber auch weil er bei seinem Versuch, auf den Spuren des Vaters das einst Richtung Argentinien verlassene Deutschland und das damit verbunden Heimatgefühl zu begreifen, zum Sphärischen neigt. Wenn Rathgeb mit Hannah Arendt, Adorno, Hölderlin und Heidegger im Gepäck durch deutsche Landschaften "mäandert", erfährt Teutsch eigentlich nicht viel mehr, als dass dort eine unheimliche Verbindung zwischen Gründeln und Grauen existiert. Und vielleicht, dass dem Phänomen Heimat nur retrospektiv auf die Spur zu kommen ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2016

Unerkanntes
Einverständnis
Eberhard Rathgeb erkundet
das Heimatgefühl
Das Buch „Am Anfang war Heimat“ von Eberhard Rathgeb ist nicht gerade dünn, 370 Seiten plus Literaturhinweise. Es verspricht, einem komplizierten Gefühl auf den Grund zu gehen. Es will zeigen, was früher Heimat war und heute noch ist, wie es kommt, dass ein Mensch sich in Deutschland zu Hause fühlt. Und obwohl längst nicht alle Versprechen erfüllt werden, ist „Am Anfang war Heimat“ ein sehr interessantes Buch geworden.
  Das Grausame an der Heimat ist ja, dass alle eine haben, wenige darin wohnen und kaum mehr einer darüber sprechen will. Heimatromane, Heimatfilme und Heimatmuseen haben verheerend gewirkt. Schon das Wort „Heimat“ nimmt außerhalb von Bayern niemand wirklich ironiefrei in den Mund. Soweit zur Arbeitsgrundlage des Einwandererjungen, Journalisten und Schriftstellers Eberhard Rathgeb.
  Rathgeb selbst wurde 1959 in Buenos Aires geboren, er hat, um seine 400 Seiten irgendwie zusammenzuhalten, den eigenen Vater im Zentrum seines Sachbuchs abgestellt. Rathgebs Vater zwangen die Umstände zwischen den Weltkriegen nach Argentinien, wo er halb glücklich, halb unglücklich wieder darauf wartete, zurückzukehren. Und als dies geschehen war, nannte er das Post-Nazi-Deutschland tatsächlich wieder „Heimat“, was den Sohn nicht nur verwunderte, sondern auch zu seinem Buch angestiftet hat: „Der Satz trennte uns, nicht wie uns Ansichten über Politik und Leben trennten, er beurkundete ein Einverständnis mit etwas, das ich nicht kannte, nicht spürte.“
  Und so sitzt der Sohn am Krankenbett des sterbenden Vaters, ein winziges Zimmer, indem die Stille nur von Röcheln und Husten unterbrochen wird, und denkt an die großen Dichter und Denker Deutschlands, und wie es um ihr Verhältnis zur Heimat bestellt gewesen war: „Heimat ist ein Gefühl wie Liebe und Hass, das heißt, auch sie lässt sich nicht mit ein paar Worten einkreisen und definieren, anders als Sonne, Vogel oder Kuchen.“
  Rathgeb hat dieses Buch nämlich auch geschrieben, um die deutsche Geistesgeschichte abzuklopfen, auf dass alles Heimatmäßige aus ihr herauspurzeln soll. Schnell landet er dann bei Geistesgrößen wie Heidegger, arbeitet sich rückwärts und vorwärts durch die Zeit, und am Ende steht der Vater neben Heidegger neben Stefan Zweig neben Thomas Mann neben Wittgenstein. Heimat, so die ungefähre These dieses Buchs, ist auch Denken und Sprache, also vor allem ein geistiger Ort.
  Der Auswandererfigur Stefan Zweig kommt neben Rathgebs Vater deshalb auch eine besondere Bedeutung zu. Beide wurden nicht nur geografisch vertrieben, sondern in erster Linie aus der deutschen Kultur und Sprache ausgespuckt. Zweig verließ sein Heimatland Österreich im Jahr 1934, ging nach London ins Exil, reiste später über New York, Argentinien und Paraguay weiter nach Brasilien, während das Zweig’sche Anwesen auf dem Salzburger Kapuzinerberg veräußert wurde und damit die Nabelschnur in die Heimat endgültig gekappt. „Das Heimatgefühl irrte fortan herum“, schreibt Rathgeb. Schöner kann man die Tragödie des Exils eigentlich gar nicht auf den Punkt bringen.
  Leider erzählt Rathgeb nicht immer so konkret. Oft umsegelt er seinen Gegenstand nur, und immer hat man die Angst, dass er ihn am Ende ganz aus den Augen verliert. Bleiben wir jetzt doch in Heideggers Schwarzwald-Hütte sitzen? Verenden wir bei Stifter und seiner Fast-Italienreise? Verzetteln wir uns mit Dürer in Überlegungen zur Aktmalerei?
  „Am Anfang war die Heimat“ ist deshalb vor allem ein irrer Stunt, Heimatbuch, Vaterbuch, Geschichtsbuch in einem, was eigentlich gar nicht richtig zusammengeht. Manchmal liest sich das alles sentimental, verstiegen und vage, dann wieder geistreich, innig und aufwühlend.
  Aber am interessantesten ist noch etwas anderes, nämlich das Grundrauschen, das unter dem ganzen Text liegt. Es geht nämlich auch um die Flüchtlinge, die jetzt in Deutschland heimisch werden wollen und die den Deutschen vor Augen führen, wie wichtig die eigene Heimat irgendwie doch ist. Gut möglich, dass man in den nächsten Jahren wieder mehr darüber sprechen wird, nicht verdruckst und verschämt, sondern ganz ehrlich. In jeder größeren Stadt florieren inzwischen die Regionalstammtische, mit dem immer gleichen Thema: In Berlin-Mitte wohnen bleiben oder doch zurück auf die Schwäbische Alb zu den Geschwistern, Freunden und alten Eltern? Insofern hat Eberhard Rathgeb schon das Richtige getan, hat ein assoziatives, gefühliges Buch über die Psychologie der Heimat geschrieben, oft klug, ab und zu elegisch, manchmal vage. Wahrscheinlich ist die Vermessung dieses Gedanken- und Gefühlsorts gar nicht anders möglich.
HANNES VOLLMUTH
Heimat ist auch Denken und
Sprache, ist vor allem ein
geistiger Ort
  
  
  
Eberhard Rathgeb: Am Anfang war Heimat. Auf den Spuren eines deutschen Gefühls. Karl Blessing Verlag, München 2016. 384 Seiten, 22,99 Euro. E-Book 18,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2016

Sehnsuchtsort Deutschland
Eberhard Rathgeb mäandert durch das Heimatgefühl

Zu Beginn der europäischen Flüchtlingskrise, die andernorts Krieg genannt wird, war die Bezeichnung "Flüchtling" umstritten. Inzwischen ist von Flüchtlingen die Rede mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der man vor siebzig Jahren über den Tross von "Heimatvertriebenen" sprach und davor über die Millionen der Opfer des Nationalsozialismus und davor von den Opfern der Religionskriege, der Judenpogrome, von den Kreuzzügen und so weiter und so fort.

Wer flieht, verlässt heimisches Terrain. So verwundert es kaum, dass neben dem Flüchtling derzeit auch die Heimat ein Comeback erfährt, mit dem sich massenweise Wähler mobilisieren lassen. Der Journalist Eberhard Rathgeb weiß das alles, doch er hält sich nicht allzu lange mit der Flüchtlingsfrage auf. Im Zentrum seiner erzählenden Heimatkunde steht sein Vater. In der Zwischenkriegszeit war er mit seinen Eltern nach Argentinien gegangen. 1959 wurde dort der Sohn Eberhard geboren. Er wuchs in Buenos Aires auf - und verließ die Stadt, um dorthin zurückzukehren, wo der Vater "zu Hause" war: nach Deutschland. Auch der Vater selbst war nach dem Krieg dorthin zurückgekehrt, hatte das Land bereist, geradezu sehnsuchtsvoll untersucht.

Sein Sohn springt auf den Reisezug des Alten auf und fragt sich, was dies nun genau sei, das sogenannte Heimatgefühl. Er erinnert mit Hannah Arendt, Karl Jaspers und Adorno an eine der bittersten Kontroversen der Nachkriegszeit. Lässt man die Heimat im Stich, wenn man ihr den Rücken kehrt, oder ist ihr Wiederaufbau eine intellektuelle Pflicht? Der deutsche Geist galt nicht nur der Madame de Staël in ihrem Buch "De l'Allemagne" als herausragendes Merkmal ihrer Nachbarn. In seinem Namen wurden die edelsten Ideen entwickelt und die barbarischsten Taten begangen. Alles zusammen, die deutsche Erde, der deutsche Geist und das deutsche Grauen, staunt der Autor, macht das unverwechselbare deutsche Heimatgefühl aus.

Bei Thomas Mann stellte sich dieses Paradox ungefähr so dar: "So weit konnte sich einer, der sich im Exil zum Repräsentanten der deutschen Kultur erklärt hatte, von seiner realen Heimat entfernen, von der ihm nichts blieb als eine Vergangenheit, die er bewahrte, und eine Zukunft, die er erhoffte, und eine Sprache, in der er sich zu Hause fühlte und die zu Manierismen zu formen ihm lieb war, wenn es galt, die deutsche Kultur, das, was er darunter verstand, als eine wahre Heimat in Anspruch zu nehmen und über sie zu befinden mit dem Recht dessen, der sie besaß, weil er sie nicht nur kannte, sondern aus ihr gemacht war, ihr Kind und ihr Hüter." Die kühne Grammatik birgt hier die Tendenz des gesamten Werks.

Rathgeb, der inzwischen zwei von der Kritik mit Lob bedachte Romane geschrieben hat, mäandert nicht nur durch deutsche Landschaften, sondern auch durch deutsche Biographien. Hölderlin und Nietzsche verbindet das wahnhafte Wandern in Sils Maria und von Bordeaux ins Schwabenland. Heidegger nimmt dieses Erbe auf, fühlt sich, den Schwarzwald erlaufend, mit Deutschlands Meisterdenkern verbunden ("die Mühsal und die Gefahren des Denkens") und ersinnt selbst ein riesiges Gedankengebäude samt Eigentlichkeits-Jargon, "als würde er einkehren in den inneren Bezirk seines Ich".

Rathgeb neigt bisweilen zum Sphärischen, das oft die kleine Schwester des Kitsches ist. Und das hat besonders in der heiklen Heimatfrage einen Effekt auf den Leser. Denn mehr als dass es in Deutschland eine unheimliche Verbindung zwischen dem Gründeln und dem Grauen gibt und dass bis heute keine schlüssige Soziologie dieser Paradoxie existiert, erfährt der Leser nicht. Der Romantiker Novalis hatte behauptet, die Philosophie sei "eigentlich Heimweh - Trieb, überall zu Hause zu sein". Wäre dann der deutsche Geist gar nicht deutsch, sondern eine Nation eigenen Rechts? Eichendorffs "Erdwinkelgedanken" zur universalen Tiefe eines "Weltbürgertums" aufgeblasen?

Das Sterben des Vaters bildet das Leitmotiv von Rathgebs Buchs. Adalbert Stifter wird ein letzter Wegbegleiter sein. Exkurse zu deutschen Dichtern und Denkern bilden das Gerüst dieses Versuchs über ein "deutsches Gefühl". Am Ende bleibt dem Leser neben einigen Intellektuellenporträts vor allem die Erkenntnis, dass Heimat immer ein Phänomen der Retrospektive ist. Auch deshalb erhalten sich Altertümlichkeiten der Sprache besonders gut dort, wo die Sprecher in der Minderheit sind und deshalb versuchen, eine verlorengegangene Heimat zu konservieren.

"Das Leben war leicht und zerbrechlich, es taucht ein in den Fluss des Werdens und Vergehens, der nicht nur ein Bild für die große Zeit der Geschichte war, deren Teil ein jeder war, wie Hegel sagte." Es muss wohl noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen, bis die Heimatfrage auch für die heutigen Flüchtlinge in Deutschland geklärt ist.

KATHARINA TEUTSCH

Eberhard Rathgeb: "Am Anfang war Heimat". Auf den Spuren eines deutschen Gefühls.

Blessing Verlag, München 2016. 372 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Am Anfang war Heimat ist ... ein irrer Stunt, Heimatbuch, Vaterbuch, Geschichtsbuch in einem ... Manchmal liest sich das alles sentimental, verstiegen und vage, dann wieder geistreich, innig und aufwühlend." Hannes Vollmuth, Süddeutsche Zeitung