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Eine junge Frau lernt ihren Mann ganz neu kennen, als sie zum ersten Mal seine Heimat an der nordirischen Küste besuchen; eine Mutter will verstehen, warum ihr kleiner Sohn so besessen ist von Tierknochen und der Apokalypse ... In diesen Geschichten ist die Welt ebenso schön wie fremd. Männer und Frauen, Alt und Jung bewegen sich durchs Leben, wie ein Tourist ein fernes Land erkundet: aufmerksam, mit einer Mischung aus Staunen und Misstrauen. Sie leben in ständiger Gefahr, missverstanden, verletzt oder abgelehnt zu werden, und wollen doch nur begreifen, wer sie sind, in welcher Welt sie leben.

Produktbeschreibung
Eine junge Frau lernt ihren Mann ganz neu kennen, als sie zum ersten Mal seine Heimat an der nordirischen Küste besuchen; eine Mutter will verstehen, warum ihr kleiner Sohn so besessen ist von Tierknochen und der Apokalypse ... In diesen Geschichten ist die Welt ebenso schön wie fremd. Männer und Frauen, Alt und Jung bewegen sich durchs Leben, wie ein Tourist ein fernes Land erkundet: aufmerksam, mit einer Mischung aus Staunen und Misstrauen. Sie leben in ständiger Gefahr, missverstanden, verletzt oder abgelehnt zu werden, und wollen doch nur begreifen, wer sie sind, in welcher Welt sie leben.
Autorenporträt
Danielle McLaughlin hat als Rechtsanwältin praktiziert, bevor sie mit 40 Jahren zu schreiben begann. Ihre Geschichten wurden in The New Yorker, The Irish Times, The Stinging Fly und verschiedenen Anthologien veröffentlicht, sie gewann u.a. die William Trevor/Elizabeth Bowen International Short Story Competition und den Willesden Herald International Short Story Prize. Ihr Erzählungsband »Dinosaurier auf anderen Planeten« kam 2015 auf die Shortlist der Irish Book Awards Newcomer of the Year und wurde 2019 mit einem der höchstdotierten literarischen Preise weltweit ausgezeichnet, dem Windham-Campbell Prize. »Die Kunst des Fallens« kam 2022 auf die Shortlist des Dublin Literary Award. Danielle McLaughlin lebt im County Cork, Irland.

Silvia Morawetz, geb. 1954 in Gera, studierte Anglistik, Amerikanistik und Germanistik und ist die Übersetzerin von u.a. Janice Galloway, James Kelman, Hilary Mantel, Joyce Carol Oates und Anne Sexton. Sie erhielt Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds, des Landes Baden-Württemberg und des Landes Niedersachsen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2021

Preis der
Versöhnung
Die beeindruckenden
Erzählungen der irischen Schriftstellerin
Danielle McLaughlin
VON CHRISTOPH BARTMANN
Die kosmetische Tortur des Füßebindens ist heute ausgestorben, auch in China ist die uralte und grausame Technik der Zurichtung weiblicher Füße längst verboten. Was soll eine irische Mutter also davon halten, wenn sich ihre halbwüchsige Tochter mit Hilfe von Kissenbezügen und anderen Heimtextilien die Füße bandagiert? Das sei eine Aufgabe für ein „Geschichtsprojekt“ in der Schule, erklärt die Tochter auf Nachfrage. Eine Empathieübung, damit Becky und ihre Klasse einmal merkten, „wie Unterdrückung sich anfühlt“. Konsterniert sucht Janice, Beckys Mutter, das Gespräch mit der Geschichtslehrerin. Ms Matthews kann am schulischen Füßebinden nichts Anstößiges finden und bringt das Gespräch dann rasch auf andere Themen. Warum Becky zuletzt so verstört und verschlossen gewesen sei? Sie würde in der Klasse wegen ihres Gewichts gehänselt, aber dagegen habe die Lehrerin etwas unternommen. Becky habe aber auch erwähnt, dass es „Spannungen“ zwischen den Eltern gebe. Was sie damit gemeint habe, will die Mutter später von Becky wissen, die beim Gespräch zufrieden ihre inzwischen blaurosa verfärbten Füße in Augenschein nimmt. „,Schau mal‘, sagt sie und hält ihren Fuß hoch, ‚er ist kleiner geworden‘.“ Womit sich dann die häuslichen Spannungen erst richtig entladen, die Tochter beschimpft die Mutter wüst, die Mutter verliert die Kontrolle und schlägt der Tochter heftig ins Gesicht, so heftig, dass dabei auch die sorgsam aufgebauten Figürchen ihrer Kristallsammlung zu Bruch gehen.
Dann kommt Philip, der Ehemann, von der Arbeit nach Hause, er ist, wie man inzwischen weiß, an den familiären Spannungen nicht unbeteiligt. „,Jetzt verlässt er mich‘“, glaubt Janice, „,nach dem hier bleibt er nicht mehr bei mir.“ Becky rettet mit einer Lüge die heikle Situation und vielleicht auch die Ehe ihrer Eltern. Als Preis der scheinbaren Versöhnung bleibt ein großes häusliches Unbehagen zurück. Dieses latente und dann auch manifeste Unbehagen, diese leise und dann abrupt auch laute Unterbrechung eines sonst meist ereignisarmen Alltags prägen die Stimmung in fast allen Erzählungen in „Dinosaurier auf anderen Planeten“, dem ersten und viel gelobten Buch von Danielle McLaughlin. Als der Erzählungsband 2015 in Irland erschien, erkannte man in ihm ein neues, beeindruckendes Beispiel einer spezifisch irischen Tradition.
Autorinnen und Autoren wie Anne Enright oder William Trevor haben die „Irish Short Story“ in der Welt bekannt gemacht. McLaughlin wandelt auf deren Pfaden, wenn sie in ihren Erzählungen immer wieder häusliche, familiäre Situationen in den Vordergrund rückt, die ökonomischen und sozialen Verwerfungen, die im Alltag ihrer Figuren wirksam sind und wenn sie viel Raum lässt für Eindrücke von Orten und Landschaften, Licht und Wetter. Auch wenn sich die Schicksale und Gefühlslagen ihrer Figuren ähneln mögen, ist die Topografie stets eine neue und unvorhersehbare. Von häuslichen Verwerfungen und Spannungen erzählen dann auch viele der folgenden Storys. Es wird hier ziemlich viel getrunken, gefeiert und geflirtet, die Leute kennen sich, manchmal zu gut, sie teilen miteinander angenehme und peinliche Erinnerungen. Sie haben Probleme im Job oder Probleme ohne Job, wir lesen von Männern und Frauen mit psychischen Problemen, die sich nicht genug um ihre Kinder kümmern können, es gibt Kinder mit Problemen in der Schule und Frauen mit alten Müttern, die lieber tot wären als noch länger im Pflegeheim.
Und es gibt Alice, die sich mit 45 Jahren noch mal nach einer neuen Liebe sehnt und die sich nun, nachdem ihr alter Vater für eine Woche verreist ist, eine wilde Zeit machen will. Aber die Erwartungen werden schnell gedämpft: „,Das Problem mit den Männer hier, Alice‘, sagt die Nachbarin, „,ist, die kennen dich alle‘.“ Dann lernt Alice aber doch einen Mann kennen, der jünger ist und der von ihr außer Sex so wenig will wie sie von ihm und dem sie im Bett offenbart, dass sie schon mal im Knast war: wegen Erpressung eines verheirateten Vaters. Sie war Tanzlehrerin seiner Tochter und hatte für ihr Schweigen viel Geld bekommen. Solche Mitteilungen werden fast beiläufig gemacht, weder die Figuren noch die Erzählerin machen großes Aufheben darum. Was immer Dramatisches passiert, es wird schnell wieder auf ein häusliches, alltägliches Maß gebracht, für ein Leben, in dem die Leute genug andere Sorgen haben.
Es ist bemerkenswert, wie Danielle McLaughlin es schafft, in diesen elf in der Tonalität ganz ähnlichen Geschichten die Besonderheit der einen oder anderen Erzählung zu akzentuieren. In der „Kunst des Füßebindens“, der vielleicht artistischsten Erzählung, gelingt ihr das etwa, indem sie den häuslichen Mutter-Tochter-Konflikt kontrastiert durch die blockweise Wiedergabe eines alten chinesischen Manuals über die Technik des Fußwickels. „Beginne am Tag des Fests für die Göttin Guanyin, damit sie ihre Gunst gewähre. Oder an der Schwelle zum Winter, wenn Knochen vor Kälte fühllos und spröde werden wie das gesprungene Eis auf einem See“, heißt es da.
So wie hier der archaische Text als Kontrast- und Ergänzungsmittel zur häuslichen Szene dient, ist es in der anderen Erzählungen oft der Blick aus dem Fenster, der Gang ins Freie, in eine alles andere als unversehrte Natur, jedenfalls eine Öffnung des häuslichen Kammerspiels auf die weitere Welt hin. Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, dass McLaughlin vor allem die Schlüsse ihrer Geschichten fast vorsätzlich vom bis dahin zentralen Konflikt ab- und auf eine größere, nicht menschengemachte Realität hinlenkt.
Plötzlich sind da etwa (in „Kein Oleander“) ein paar wilde Pferde, die einer der Figuren einen derartigen Schrecken einjagen, dass sie in einem Wald Zuflucht suchen muss. Es gibt Dimensionen eines größeren Entsetzens, ein andermal etwa vor einer angeschwemmten Schar getöteter Robben, die das sonst eher domestische Unbehagen in ein komplett neues Licht tauchen. So zeigt sich McLaughlin in ihren Erzählungen als eine Meisterin der Überraschung: was man noch am Anfang für soziologisch verlässliche Mitteilungen aus dem ländlichen irischen Alltag halten möchte, entwickelt sich Geschichte für Geschichte hin zu unabsehbaren Begegnungen mit einer Realität, die der häuslichen an Unwirtlichkeit in nichts nachsteht.
Aber auch an diese Sammlung von Kurzgeschichten darf man die Frage stellen, die man an dieses Genre (warum auch immer) eher stellt als an Romane: Was sagen sie uns, um mit Richard Ford, einem anderen großen Story-Autor, zu sprechen, über „The Lay of the Land“? Danielle McLaughlins Irland, das Irland der frühen Zehnerjahre, ist sicher nicht mehr das arme, katholische, zurückgebliebene Land der Vorfahren. Aber man spürt die Depression nach der Weltkrise von 2008.
Das Land und seine Leute wirken nicht arm, aber mitgenommen. Überall in diesen Geschichten liegt Müll in der Landschaft herum – immerhin ein Zeichen für einen gewissen Wohlstand, wenn man will. Die Leute bangen um ihre Jobs, wenn sie welche haben. Jeder zweite Jugendliche sei ja ohnehin in Australien, heißt es einmal.
Die Ehen kriseln, aber man bleibt zusammen – wer könnte sich schon eine Trennung leisten? Und was würden die Nachbarn sagen, irgendwo in den ländlichen Midlands? Bei allem, was diese Erzählungen an leuchtender Fantastik mit sich tragen, sie liefern auch ein genaues Bild vom Leben der Leute, von ihren Beklemmungen und Sehnsüchten, in Irland und auf anderen Planeten.
Land und Leute wirken hier,
im Irland der Nullerjahre,
nicht arm, aber mitgenommen
Danielle McLaughlin:
Dinosaurier auf
anderen Planeten.
Erzählungen.
Aus dem Englischen
von Silvia Morawetz.
Luchterhand Literaturverlag, München 2021.
256 Seiten, 20 Euro.

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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Beeindruckt ist Rezensent Christoph Bartmann in jedem Fall. Aber hat er die Erzählungen auch gern gelesen? Man wüsste es gerne, muss sich aber zunächst einlassen darauf, wie er sich langsam heranpirscht an die "sozialen Verwerfungen", in denen die Menschen dieser Geschichten leben, und an den immer wieder überraschenden Blick nach draußen - oft in eine beschädigte Natur. Die menschlichen Dramen versinken schnell wieder in den Trivialitäten des Alltags, findet der vorsichtig sondierende und viel Irisches ausmachende Kritiker, und meint, auch der suchende Blick nach draußen, selbst bis Australien, hebt die irischen "Beklemmungen" in diesen Geschichten nicht auf.

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»Es ist beeindruckend, wie Danielle McLaughlin es schafft, in diesen elf Geschichen die Besonderheit der einen oder anderen Erzählung zu akzentuieren.« Christoph Bartmann / Süddeutsche Zeitung