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Die Konungs skuggsjá (Der Königsspiegel) ist ein in Norwegen kanonisches Buch, dessen Handschrift um 1250 entstand. Mit faszinierender Weltaufgeschlossenheit vermittelt es die frühesten europäischen Kenntnisse über den nördlichen Atlantik, über Skandinavien, Irland, Island und Grönland, spricht von den Tücken der Seefahrt, berichtet vom Einfluss der Gestirne und Winde auf die Meeresströmungen ebenso wie von Seeungeheuern und Walen, Robben und vom Nordlicht.
Der Leser erfährt - dreihundert Jahre vor Kolumbus' Entdeckungsreise - von den verlockenden Küsten jenseits des Ozeans und erhält
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Produktbeschreibung
Die Konungs skuggsjá (Der Königsspiegel) ist ein in Norwegen kanonisches Buch, dessen Handschrift um 1250 entstand. Mit faszinierender Weltaufgeschlossenheit vermittelt es die frühesten europäischen Kenntnisse über den nördlichen Atlantik, über Skandinavien, Irland, Island und Grönland, spricht von den Tücken der Seefahrt, berichtet vom Einfluss der Gestirne und Winde auf die Meeresströmungen ebenso wie von Seeungeheuern und Walen, Robben und vom Nordlicht.

Der Leser erfährt - dreihundert Jahre vor Kolumbus' Entdeckungsreise - von den verlockenden Küsten jenseits des Ozeans und erhält Einblick in das Leben aller Stände und in die Berufe der Kaufleute und Seefahrer im Auftrag des norwegischen Königs. Dieses Erziehungsbuch der nordisch-höfischen Gefolgschaft, das auch vom Leben der königlichen Gesellschaft spricht und das Ideal des gerechten Herrschers entwirft, ist eine Welterkundung in poetischer Sprache.

Der anonyme norwegische Verfasser schöpft in farbenreichen Bildern aus dem Fundus morgen- und abendländischer Geschichten. Aus Parabeln der Evangelien und Episoden des Alten Testaments wird eine Erzählung von der Welt und vom Menschen gesponnen, die sich dem Leser als Gespräch zwischen fragendem Sohn und lehrendem Vater darbietet.

Von der Anlehnung an die Form des platonischen Dialogs bis zu den Auftritten des lachenden Sommers, des finsteren Winters und der bald in Freundschaft, bald in Zwietracht miteinander verbundenen acht Winde reicht das stilistische Repertoire. Im Königsspiegel begegnet uns eine Phantasie, der das gesamte Zeitalter »nichts auch nur ähnliches an die Seite stellen kann« (Rudolf Meißner in seinem Nachwort).
Autorenporträt
Rudolf Meißner (1862¿1948) war Mediävist mit Schwerpunkt auf deutscher und skandinavischer Literatur. Er hat mit seinen Übersetzungen erhebliche Teile der altnordischen Literatur erschlossen. Sein Königsspiegel erschien zuletzt 1978 bei Gustav Kiepenheuer, Leipzig und Weimar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2020

Hör mal, mein Sohn!
Der altnorwegische "Königsspiegel"

Muss man alles halten, was man verspricht? Sollte man die Welt sehen, bevor man sich einen Beruf sucht? Muss man einem Herrscher unbedingt gehorchen? Jedem Herrscher?

All das und noch viel mehr fragt ein Sohn seinen Vater, und der antwortet ausführlich, etwa: Man muss sich eben überlegen, was man verspricht und wie man das tut, jedenfalls niemals betrunken, denn sonst endet man wie König Herodes, der für die tanzende Salome Johannes dem Täufer den Kopf abschlagen ließ. Wie überhaupt die Bibel als Referenz dafür, wie man recht tun und irren kann, im "Königsspiegel" eine große Rolle spielt, jenem wohl um 1250 in Norwegen entstandenen und ohne Verfassernamen überlieferten Werk, das wie eine Flaschenpost auf uns kommt und ein plötzliches Schlaglicht auf die damalige Gesellschaft wirft.

Das literarische Genre des Fürstenspiegels, die ausführlich geschriebene Lehre, die einen Prinzen auf das Herrschen vorbereiten soll, ist uns inzwischen abhanden gekommen - die letzten relevanten Texte dazu stammen aus dem 18. Jahrhundert und tragen, wie Christoph Martin Wielands "Der goldene Spiegel", deutlich parodistische oder auch fatalistische Züge. Nicht nur, weil dem idealen Herrscher, der sich an den Lehren erst entwickeln soll, immer weniger Regenten in der Realität entsprechen. Sondern auch, weil die Lehren selbst mitunter als fragwürdig erscheinen können, besonders wenn sie aus einer lang zurückliegenden Zeit stammen.

Im norwegischen "Königsspiegel" ist der fragende Sohn aber kein künftiger Herrscher, sondern ein Untertan, der seinen Platz sucht, und umso mehr sichert er sich ab: Er bittet vorab um Entschuldigung, dass die Frage nach der Legitimität der weltlichen Herrschaft als töricht erscheinen könne, und tatsächlich fördert gerade der Blick auf die Könige des Alten Testaments einige Abgründe zutage, die der Vater dann mit großem sprachlichem Aufwand wegerklären muss, um etwa einen Tötungsbefehl König Salomos, der dann auch noch im Tempel vollstreckt wird, irgendwie zu rechtfertigen.

Nur geht es nicht nur um Herrschaft und deren Bedingungen. Der "Königsspiegel" widmet sich außer dem menschlichen Miteinander auch ausführlich und, wie es scheint, mit großem Hunger auf die Welt auch der Natur, den unterschiedlichen klimatischen Zonen und dort vorzugsweise dem Norden, er verweilt lange beim Meer und seinen Bewohnern und widmet sich Fragen wie der, ob Grönland eigentlich eine Insel sei oder hoch im Norden mit anderem Land zusammenhänge - eine Frage, die noch Jahrhunderte nach dem Abfassen des Buches offenbleiben musste, die der Verfasser aber im Sinne einer gemeinsamen Landmasse beantwortet.

Die Neugier ist größer als das tatsächliche Wissen, das aber ständig auf Überlegungen zurückgeführt wird, wie man sie anstellt, wenn der eigene Radius beschränkt ist und man auf Berichte anderer angewiesen ist, die man dann in ein eigenes System von der Welt überführt. So ist das Gespräch von Vater und Sohn auch betont sachlich gehalten, man fragt, wägt ab, vertieft bestimmte Punkte und geht zum nächsten Aspekt der Welterkundung über.

Es geht um die Legitimität einer Gesellschaftsordnung in einer Phase in Norwegens Geschichte, die zum einen von der Erinnerung an gerade überstandene politische Wirren bestimmt ist, zum anderen aber von Expansion und Arrondierung - und von Bestrebungen zur administrativen Vereinfachung.

Genau das macht den Zauber dieses Buchs aus: Das Spannungsfeld zwischen der Botschaft an den Sohn, absolut gehorsam zu sein, und der verlockenden Fremde mit all ihren Wundern. Und der Verheißung von Ländern hinter dem Horizont des Vaters.

TILMAN SPRECKELSEN

"Der Königsspiegel". Fahrten und Leben der alten Norweger.

Aus dem Altnordischen und mit einem Nachwort von Rudolf Meissner. Vorwort von Sverre Bagge. Die Andere Bibliothek, Berlin 2019. 444 S., geb., 44,- [Euro].

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