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Die Habsburgermonarchie mit der Vielfalt ihrer Völker, Sprachen und historischen Räume war ein faszinierendes "Europa im Kleinen". Föderalismus wurde im 19. Jahrhundert zur umkämpften Leitidee. Das föderale Laboratorium reichte von Metternichs »Föderativstaat« über die Personalautonomie der Austromarxisten bis zu Verfassungsentwürfen unter Franz Ferdinand und Kaiser Karls Nationalitätenbundesstaat von 1918. Neben föderalen Reformentwürfen beschreibt das Buch das Habsburgerreich als gelebte Föderation. Diese umfasste eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die dualistische Konkurrenz von…mehr

Produktbeschreibung
Die Habsburgermonarchie mit der Vielfalt ihrer Völker, Sprachen und historischen Räume war ein faszinierendes "Europa im Kleinen". Föderalismus wurde im 19. Jahrhundert zur umkämpften Leitidee. Das föderale Laboratorium reichte von Metternichs »Föderativstaat« über die Personalautonomie der Austromarxisten bis zu Verfassungsentwürfen unter Franz Ferdinand und Kaiser Karls Nationalitätenbundesstaat von 1918. Neben föderalen Reformentwürfen beschreibt das Buch das Habsburgerreich als gelebte Föderation. Diese umfasste eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die dualistische Konkurrenz von Österreich und Ungarn und eine zunehmende Eigenständigkeit und Zusammenarbeit der österreichischen Kronländer gerade in modernen Politikbereichen wie Bildung, Gesundheit, Fürsorge und Infrastruktur. Diese föderale Geschichte im europäischen 19. Jahrhundert führt weit über die Geschichte des habsburgischen Reichs hinaus bis in die europäische Gegenwart.
Autorenporträt
PD Dr. Jana Osterkamp ist Historikerin und Juristin. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Collegium Carolinum und lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Milos Vec empfiehlt das Buch der Juristin Jana Osterkamp über die Habsburgermonarchie als Modell für ein föderales Europa. Wie die Autorin den Föderalismus historisch erkundet und mit dem Nationalstaat abgleicht, findet er überzeugend nicht zuletzt als rechtspolitisches Plädoyer. Vor allem Osterkamps Einteilung des Kaiserreichs in Verwaltungsföderalismus, Nationalitätenbundesstaat, Kronländerföderalismus und Trialismus scheint ihm erkenntnisfördernd. Dass Osterkamp zudem vielsprachige Quellen nutzt und ihre historische Analyse mit moderner Föderalismustheorie grundiert, hebt das Buch für Vec aus der Menge vergleichbarer Darstellungen heraus.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2021

Was sich von Kakanien lernen lässt
Im Ideenlabor: Jana Osterkamp analysiert die Habsburgermonarchie als Modell für ein föderales Europa

Imperien haben eine schlechte Reputation. Ihnen werden hegemonialer Expansionsdrang nach außen und diskriminierende Unterdrückung nach innen zugeschrieben. Auch in der Habsburgermonarchie des neunzehnten Jahrhunderts mischten sich Gleichheit und Ungleichheit in ziemlich undurchsichtiger Weise. Robert Musil rechnete diese Mischung zu den Merkwürdigkeiten Kakaniens: "Vor dem Gesetz waren alle Bürger gleich, aber nicht alle waren eben Bürger." Der Streit über politische Mitbestimmung, Religion und Sprachenrechte begleitete die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie bis zu ihrem Ende. Das Buch der Juristin Jana Osterkamp gewinnt der Habsburgermonarchie viele gute Seiten bei ihrem Umgang mit Vielfalt ab und sieht sie als Modell für ein föderales Europa.

Schon auf der ersten Seite kontrastiert Osterkamp das Prinzip Föderalismus einerseits mit dem National- und Einheitsstaat andererseits: Anstelle der Vereinheitlichung von Gesellschaft und Staatsorganisation versucht der Föderalismus, Unterschiede zu integrieren, und ist auf die Ordnung von Vielfalt angelegt. Es sei - idealerweise - ein Streben nach Gleichwertigkeit von Regionen und Kulturen, Gemeinschaften und Individuen. Mit ihrer Darstellung verfolgt Jana Osterkamp in der Einkleidung einer historischen Analyse ein rechtspolitisches Anliegen: Sie wirbt für die Idee des Föderalismus und hat dabei explizit das vielfältige Europa des 21. Jahrhunderts im Auge.

Die Habsburgermonarchie, weit nach Osteuropa reichend, gilt Osterkamp als "eines der weltweit innovativsten Ideenlabors für föderale Vorstellungen". Osterkamps Motto lautet daher gewissermaßen: "Mehr Ostalgie wagen." Die Erzählung beginnt historisch im frühen neunzehnten Jahrhundert und endet mit dem sang- und klanglosen Zerfall des Reiches am Ende des Ersten Weltkriegs. Das achtzehnte Jahrhundert hatte Fortschritte in Form der theresianischen Reichsvereinheitlichung beschert, während Metternichs Reformen im Vormärz neue Ideen föderaler Vielfalt in die politische Wirklichkeit brachten, um Beherrschbarkeit und Effizienz zu steigern.

Osterkamp identifiziert vier Erscheinungsformen des Föderalismus in jenen Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts: Verwaltungsföderalismus, Nationalitätenbundesstaat, Kronländerföderalismus und Dualismus beziehungsweise Trialismus. Mit Mut und Geschick ordnet sie jede Variante einer Epoche des Kaiserreichs zu. Nach 1867, mit der Entstehung der Doppelmonarchie, ändert sich die gelebte Herrschaftsordnung. Die beiden Reichsteile stehen im Verhältnis einer (Kon)Föderation mit gemeinsamer Außenpolitik, Zoll-, Verteidigungs- und Wirtschaftsgemeinschaft.

Was das Buch deutlich von bisherigen Darstellungen der Habsburgermonarchie abhebt, ist aber nicht nur der präzise und konsequent durchgehaltene Fokus auf den Föderalismus, sondern auch die Vielsprachigkeit in den Primärquellen sowie ein reflektiertes Wechselspiel mit moderner Föderalismus-Theorie. Außerdem kann Osterkamp mit dem bisher als verschollen eingestuften Thronwechselprogramm des Erzherzogs Franz Ferdinand von 1914 auftrumpfen. Daraus entwickelt Osterkamp ihre Idee von der Habsburgermonarchie als einem "Kooperativen Imperium". Denn innerhalb der weiten Grenzen war gerade um 1900 die Fähigkeit zur vertikalen und horizontalen Politikverflechtung der Schlüssel, um die Herausforderungen der Moderne - Infrastruktur, Fürsorge und Bildung - zu bewältigen. Es gelang vor allem in den österreichischen Kronländern.

Pikant daran war, dass diese Kooperation vielfach gegen explizite Verbote, miteinander in Austausch zu treten, stattfand. Sie wurde aber zunehmend politisch gebilligt. Es herrschte also ein "Zwang zur Informalität", wobei Osterkamp offenlässt, ob sie auch diesen vorbildlich findet oder als Juristin dann doch eher auf Legitimation durch Verfahren setzen würde. Dieses föderale Programm setzte sich schon 1848 von der Paulskirche ab, weil darin viele "Nationen" und eben nicht nur Deutsche Platz finden sollten: Die Habsburgermonarchie verfolgte eine supranationale Reichsidee, was die Unterordnung unter eine gesamtdeutsche Regierung und einen deutschen Nationalstaat verboten habe - gerade aus Sicht slawischer Politiker. Deren Forderungen nach politischer Gleichheit wurden auf das Naturrecht gegründet, nationale Autonomie aufgrund historischer Rechtstitel verlangt.

Umgekehrt war aber kaum festzustellen, was eine "Nation" innerhalb dieses Reiches ausmachen sollte. Die Kriterien von Territorium, Kultur, Sprache oder Religion ließen sich gerade nicht kohärent bestimmten Gruppen zuweisen. Für das Reich und seine Teile war es nicht minder schwer festzustellen, wer "Souveränität" besaß (Staatenbund oder Bundesstaat?). Unklar war, ob es sich um eine sogenannte Realunion oder doch nur um eine Personalunion oder um etwas dazwischen handelte. Je schärfer man dies juristisch und politisch diskutierte, umso "flirrender" (Osterkamp) wurden die begrifflichen Bezugspunkte.

Osterkamp würdigt die Vielfalt dieser europäischen Besonderheit einer mehrstufigen Föderation zu Recht gerade deswegen, weil sie innerhalb des Imperiums verschiedene Geschwindigkeiten und Experimente förderte. Die "föderale Ungleichzeitigkeit" ermöglichte regionale Vorstöße auf neuen Politikfeldern und bei neuen Staatsaufgaben. Fehler hatten nur eine begrenzte Reichweite. Wie Gerechtigkeit finanziell, national und religiös aussehen sollte, blieb Gegenstand von politischem Streit. Die Demokratisierung in den österreichischen Landtagen kam nicht voran. Im Wiener Abgeordnetenhaus lärmte der parlamentarische Frust nicht-deutscher Volksgruppen. Erst recht kamen die Juden im Spannungsverhältnis zwischen Nationalisierung, Konfessionalisierung und Demokratisierung nicht zu gleichen Rechten: Die "Laborfunktion" hatte ihre Grenzen. Die Vorstellung nicht-territorialer Personenverbandsrechte blieb 1917 Reformprogramm. Erst ab der Zwischenkriegszeit wurde diese innovative Idee aus dem habsburgischen Denklabor in Osteuropa verfassungsrechtlich umgesetzt.

MILOS VEC

Jana Osterkamp:

"Vielfalt ordnen". Das

föderale Europa der

Habsburgermonarchie

(Vormärz bis 1918).

Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2020. 531 S., geb., 70,- [Euro].

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