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Wie verändert die AfD das Parteiensystem? Und was heißt das für die Demokratie in Deutschland? Die Partei neuen Typs verbindet Rechtspopulismus mit konventionellen Moralvorstellungen, durchdringt die sozialen Netzwerke mit ihrer Agitation und hat, stärker als andere Parteien, den Charakter einer politischen Bewegung. Dieses Buch erklärt anhand empirischer Daten und neuester Studien die komplexe Entwicklung von Wählerschaft und Ideologie, Kandidaten und Programmatik, der Abgeordneten und ihrer Aktivitäten auf Landes- und Bundesebene. 70 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik verändert die AfD…mehr

Produktbeschreibung
Wie verändert die AfD das Parteiensystem? Und was heißt das für die Demokratie in Deutschland? Die Partei neuen Typs verbindet Rechtspopulismus mit konventionellen Moralvorstellungen, durchdringt die sozialen Netzwerke mit ihrer Agitation und hat, stärker als andere Parteien, den Charakter einer politischen Bewegung. Dieses Buch erklärt anhand empirischer Daten und neuester Studien die komplexe Entwicklung von Wählerschaft und Ideologie, Kandidaten und Programmatik, der Abgeordneten und ihrer Aktivitäten auf Landes- und Bundesebene.
70 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik verändert die AfD den Parteienwettbewerb dramatisch. Gestartet als Euro-kritische Partei, konzentriert sie sich heute auf die Bekämpfung von Migration und propagiert das Wiedererstarken einer nationalistischen Identität. Ihr Spektrum reicht von konservativ über protestorientiert bis hin zu rechtsextremen Haltungen. Das macht es schwer, sie zu erfassen. Die AfD fischt keinesfalls nur an den gesellschaftlichen Rändern, sondern sie hat längst die Mitte der Gesellschaft erreicht, der eine neue, weitere Spaltung droht.
Mit Beiträgen von Heiko Giebler, Magdalena Hirsch, Philippe Joly, Pola Lehmann, Josephine Lichteblau, Theres Matthieß, Reinhold Melcher, Sven Regel, Wolfgang Schroeder, Benjamin Schürmann, Niklas Stoll, Susanne Veit, Aiko Wagner und Bernhard Weßels.
Autorenporträt
Schroeder, Wolfgang
Wolfgang Schroeder, geb. 1960, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Kassel, Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Progressiven Zentrums.

Weßels, Bernhard
Bernhard Weßels, geb. 1955, Professor für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, Stellvertretender Direktor der Abteilung Demokratie und Demokratisierung am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2019

Ambivalenz für Deutschland
Ein Sammelband ergründet die Erfolge der AfD – faktenreich und klug
Die haben keine Chance. Die sind ganz schnell wieder weg. So wie alle anderen Parteien dieser Art vor ihnen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Bundestag kommen sie auf keinen Fall. Wenn doch, werden sie sich schnell zerlegen. Einfache Sache.
Von solch falschen Hoffnungen wurde der beispiellose Aufstieg der AfD in den sechs Jahren seit ihrer Gründung begleitet, vielleicht sogar befördert. Man fühlte sich sicher, machte es sich leicht. Bisher war doch jeder Versuch gescheitert, in Deutschland eine Partei rechts von CDU und CSU zu etablieren. Nun sitzt die AfD seit zwei Jahren mit einer stabilen Fraktion im Bundestag und ist in allen Landtagen vertreten. Und wenn ein Erfolg allen Erwartungen widerspricht, sollte man seine Annahmen überprüfen. So sprechen die Autoren des Buchs „Smarte Spalter“ zu Recht von einem Rätsel, das sie mit einem genauen Blick auf Köpfe, Inhalt und Strukturen der Partei und die Haltung ihrer Wähler auflösen wollen. Tatsächlich leistet dies der von Wolfgang Schroeder und Bernhard Weßels, beide Professoren am Berliner Wissenschaftszentrum, herausgegebene Band über die AfD auf angenehm unaufgeregte Art.
Die Autoren haben sich mit der Partei aus der Nähe beschäftigt, Programme und umfangreiche sozialwissenschaftliche Daten analysiert. Weil sie das Phänomen als Politikwissenschaftler kundig einordnen, stehen am Ende kluge Thesen und offene Fragen. Eine Stärke des Buchs liegt darin, wie sie die für deren Erfolg relevante Ambivalenz der AfD erfassen. Diese Ambivalenz besteht auch darin, dass durch die AfD bestimmte Themen auf die Tagesordnung kommen, die bisher gemieden wurden, die Partei aber „zugleich die Axt an die Wurzeln der Demokratie legt“. Die Autoren sind in ihrer Haltung eindeutig. Auch ist etwa Wolfgang Schroeder, einer der Herausgeber, als Sozialdemokrat klar einzuordnen. Er war mal Staatssekretär in Brandenburg, ist Mitglied der Grundwertekommission der SPD. Jedoch steht nicht die Haltung im Vordergrund, sondern Empirie und ein differenzierter Blick auf die AfD, die auch nach all ihren Metamorphosen hin zum rechten Rand vielschichtiger ist, als es oft wahrgenommen wird.
Es entsteht ein klares Bild der Partei, ohne ihre gegensätzlichen Strömungen zu ignorieren. Sie entspricht eben nicht dem Klischee einer von einem charismatischen Führer geprägten rechten Organisation. Es gibt solche Figuren, etwa Björn Höcke, entscheidend für den Erfolg der AfD sind sie nicht. Treffend bemerken die Autoren, dass der Einstieg ins parlamentarische System nicht gelungen wäre, wenn zu Beginn „rechtsextreme Lautsprecher“ im Zentrum gestanden hätten. Der Erfolg war möglich, weil die AfD den Umweg des Euro-Skeptizismus nahm, angeführt von konservativen Bürgern, die wie der einstige Sprecher Bernd Lucke zumeist die Partei längst verlassen haben.
Die Autoren zeigen auf, dass die Partei heute eine andere ist als 2013. Sie ist zu einer Heimat für Modernisierungsverlierer geworden. Es geht dabei nicht um die persönliche Unzufriedenheit von Bürgern, sondern das Gefühl, als Person Teil einer Gesellschaftsgruppe zu sein, die an Einfluss und Bedeutung zu verlieren scheint.
Sorgfältig wird herausgearbeitet, dass die AfD Wähler anzieht, die sich von anderen Parteien nicht mehr vertreten sehen – etwa Menschen, die Migration ablehnen, oder meinen, dass Sorgen wegen des Klimawandels unnötig sind. Klar wird damit, dass die AfD keine schnell vorübergehende Erscheinung sein dürfte. Sie schließt eine Repräsentationslücke.
Ein wichtiges Kapitel wertet die für den AfD-Erfolg bedeutenden Auftritts in den sozialen Medien wie Facebook oder Twitter aus, wo die Partei stark auf Emotionalisierungen über negativ besetzte, polarisierende Begriffe setzte. Die drei in ihren Tweets am häufigsten verwendeten Wörter lauten: Flüchtlinge, Terror, Gewalt. Es könnte sich für weitere Forschungen lohnen, wenn noch intensiver untersucht würde, was das Smarte an den „smarten Spaltern“ ausmacht.
Eine wichtige Erkenntnis bietet die Analyse des Wählerpotenzials: So dürfte es für anderen Parteien schwer sein, Wähler zurück zu gewinnen. Zugleich kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die AfD ihr Potenzial nahezu ausgeschöpft haben dürfte. Das würde bedeuten, dass die in der Partei gehegte Hoffnung auf enorme weitere Zuwächse sich nicht erfüllen dürfte. Was aber würde es für die inneren Gegensätze der AfD bedeuten, wenn sie stagnieren oder Rückschläge erleiden sollte?
Bisher konnten die pragmatischen Kräfte, die auf baldige Koalitionen hoffen, und die fundamentalistischen äußerst Rechten leidlich nebeneinander bestehen. Es gab ständig Streit, aber mehr als genug Posten zu vergeben. Die Partei profitiert vom Nebeneinander der Strömungen, weil sie für unterschiedliche Gruppen wählbar blieb.
Aber das Gefüge ist fragil. Und es lasse sich noch nicht sagen, ob die AfD vor einer Implosion oder einer neuen Metamorphose stehen könnte. Es zeichnet die Autoren aus, viele Rätsel aufzulösen und jene offen zu lassen, die offen bleiben müssen.
JENS SCHNEIDER
Die Partei, gegründet erst
2013, schließt eine
Repräsentationslücke
Wolfgang Schroeder,
Bernhard Weßels (Hg.):
Smarte Spalter.
Die AfD zwischen
Bewegung und Parlament.
Verlag J.H.W.
Dietz Nachf., Bonn 2019.
296 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2020

Ein Rätsel namens AfD
Janusköpfigkeit als Strategie - Die Geschichte einer allmählichen Radikalisierung

Auch sieben Jahre nach ihrer Gründung und zahlreichen Wahlerfolgen herrscht keine Klarheit, wenn es um die AfD geht. Wie viel Rechtsextremismus steckt in der selbsternannten Alternative, wie viel Konservatismus? Wollen ihre Wähler vor allem gegen "die da oben" protestieren? Oder sind sie ideologisch überzeugte Anhänger einer Partei, die ein anderes politisches System will? Und stimmt es, dass sich in der Partei gemäßigte, konservativ-liberale Kräfte und demokratiefeindliche Rechtsradikale gegenüberstehen? Das "Rätsel AfD" will ein Sammelband lösen. Schon im Titel "Smarte Spalter" benennt er die Spaltung der Gesellschaft als Ziel der Partei, billigt ihr zugleich Geschick zu. Zu diesem Geschick gehört, dass die AfD anfangs nicht mit "rechtextremen Lautsprechern" auftrat. Von der "einzigen Vertreterin eines homogenen Volkswillens" und der "Utopie einer homogenen deutschen Gesellschaft" war 2013 wenig zu hören. Ihr Führungspersonal speiste sich vielmehr aus der wissenschaftlichen, publizistischen und politischen Elite der Bonner Republik. Zuerst gelang es mit der Ablehnung der Euro-Rettung für Griechenland, später mit dem Flüchtlingsthema die rechtspopulistische Landnahme zu starten. Ursächlich für den Erfolg sind in beiden Fällen, so heißt es an einer Stelle des Bandes, die "massenmedial repräsentierten Repräsentationslücken, die die etablierten Parteien hinterlassen haben". Die AfD hat so binnen weniger Jahre die These von der angeblichen Chancenlosigkeit eines rechtsgerichteten Populismus in Deutschland widerlegt, von der die meisten Parteienforscher ausgegangen waren.

Die Behauptung, die AfD sei von Anfang an so radikal gewesen, wie sie sich heute darstellt, wird von den Untersuchungen des Bandes widerlegt. Das gilt etwa für die Wähler - und auch Wählerinnen, die es allerdings in der Männerpartei AfD deutlich weniger gibt. Stammten die Wähler bis 2015 aus den mittleren, zum Teil oberen Einkommensschichten, so sank deren Anteil Mitte 2015 mit dem Ausscheiden des Parteigründers Bernd Lucke deutlich. Die Zahl der Wähler mit mittlerem Einkommen ging von rund 50 auf 30 Prozent zurück, diejenige aus den unteren Einkommensschichten stieg auf 50 Prozent an. Auch die Zahl der Beamten unter den Wählern sank von 27 Prozent auf zehn bis zwölf Prozent.

Heute, so das Fazit, stellen die "gering gebildeten Männer der finanziellen Unterschicht" das Gros der AfD-Wähler. Sie positionieren sich deutlich weiter rechts als die Wähler von 2013, etwa wenn es um das Topthema Einwanderung geht. Sozialpolitisch aber stehen sie heute mehr links als früher, was der stärkeren Bedeutung unterer Schichten entspricht. Es ist bezeichnend, dass die Partei bei den sozial- und wirtschaftspolitischen Themen bisher ein programmatisches Defizit hat, weil die Strömungen hier uneins sind. Erinnert sei an den mehrfach verschobenen Rentenparteitag, der in diesem Jahr stattfinden soll. Würden Fragen der Umverteilung oder sozialen Ungleichheit in der Gesellschaft an Gewicht gewinnen, könnte die AfD ihre exponierte Position als "Alternative" sogar verlieren, mutmaßt ein Autor.

Als Kernproblem, aber auch als Erfolgsfaktor der Rechtspopulisten sehen die Herausgeber des Bandes, die Politologen Wolfgang Schroeder und Bernhard Weßels, den Doppelcharakter der AfD: Sie trete als klassische Partei auf, zugleich aber mit den Strukturen einer Bewegung. Dementsprechend unterscheiden sie zwischen "Parlamentsorientierten" und "Bewegungsorientierten" in der Partei. Während Erstere kein taktisches Verhältnis zu Parlamentarismus und Demokratie hätten, wollten Letztere gar nicht koalitionsfähig werden, also regieren. Ihnen gehe es vor allem darum, Gefolgsleute auf der Straße zu sammeln und "als erste echte Internetpartei" Anhänger im Netz zu mobilisieren. Ihre parlamentarische Stärke nutzten sie als Erpressungspotential gegenüber den anderen Parteien.

Das eigentliche Ziel sei es aber, das politische System grundsätzlich zu ändern. Die "Bewegungsorientierten", damit ist der radikale "Flügel" um Björn Höcke und Andreas Kalbitz gemeint, setzen demnach intern auf Gefolgschaft und Gehorsam. Sie pflegen ein funktionierendes Netzwerk, während ihre innerparteilichen Gegner sich nicht gleichermaßen organisieren, sondern sich als konservativ-liberale Bürgerliche zu präsentieren suchen. Vor allem die raffinierte Vermittlung des starken Mannes Alexander Gauland, der sich zwischen den beiden Flügeln positionierte, habe diesen Konflikt bisher ausgleichen können. Diese Janusköpfigkeit der AfD mache den Umgang mit ihr für konkurrierende Parteien besonders schwer.

Zweifel sind allerdings angebracht, ob die Unterscheidung in Bewegungs- und Parlamentsorientierte, gemeinhin Gemäßigte und Radikale genannt, als analytisches Instrument weit trägt. Die Herausgeber gehen so weit, dass sie eine Spaltung der AfD in Bund und Land oder aber in Ost und West für möglich halten. Danach sieht es derzeit nicht aus. Vielmehr scheint die Entwicklung der AfD über diese Frontstellung hinweggegangen zu sein - nicht zuletzt angesichts des Drucks durch den Verfassungsschutz. Denn auch der "Flügel", der im Osten dominiert, hat sich der neuen AfD-Losung "Wir wollen regieren" angeschlossen. Wie taktisch das auch immer gemeint ist - als Unterscheidungsmerkmal für die Strömungen scheint es problematisch. Ja, die Partei propagiert sogar dank ihrer Stärke im Osten, dass dort zuallererst eine Regierungsbeteiligung zu erwarten sei. Und auch im Osten redet die AfD einer (Schein-)Verbürgerlichung das Wort.

Reicht das als neues Erfolgsrezept für die AfD? Wird sie bei Wahlen weiter zulegen? Die Autoren sehen bundesweit kaum noch Abwanderung von Union, SPD, FDP und Linken zur AfD (die Grünen waren in dieser Hinsicht ohnehin immun). Danach kann die AfD kaum noch Wähler von den anderen Parteien abziehen. Aber ebenso schwer ist es für die anderen Parteien, Wähler von den Rechtspopulisten zurückzugewinnen. Die AfD hat das wohl erkannt. Sie setzt derzeit auf Konsolidierung. Und darauf, dass sie mittel- und langfristig die bürgerlichen Schichten erreichen kann, die sie noch nicht gewonnen oder schon wieder verloren hat.

MARKUS WEHNER

Wolfgang Schroeder / Bernhard Weßels (Herausgeber):

Smarte Spalter. Die AfD zwischen Bewegung und Parlament.

Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2019. 296 S., 22,- [Euro].

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