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Beeindruckend klarsichtig seziert Vonnegut das Streben nach Geld, Ruhm und Liebe, welches das Leben hochintelligenter, schrulliger Menschen in unvorhersehbare Bahnen lenkt. Da ist zum Beispiel George, der mit einemsprechenden Kühlschrank »Jenny« zusammenlebt; da ist die junge Sekretärin Amy, die sich in einen flüchtigen Bankräuber verliebt; da kommt eine Selbstmordwelle, die sich wie eine Seuche ausbreitet und selbst die angesehensten Wissenschaftler des Landes vor Rätsel stellt.

Produktbeschreibung
Beeindruckend klarsichtig seziert Vonnegut das Streben nach Geld, Ruhm und Liebe, welches das Leben hochintelligenter, schrulliger Menschen in unvorhersehbare Bahnen lenkt. Da ist zum Beispiel George, der mit einemsprechenden Kühlschrank »Jenny« zusammenlebt; da ist die junge Sekretärin Amy, die sich in einen flüchtigen Bankräuber verliebt; da kommt eine Selbstmordwelle, die sich wie eine Seuche ausbreitet und selbst die angesehensten Wissenschaftler des Landes vor Rätsel stellt.
Autorenporträt
Kurt Vonnegut, geboren 1922, betrat 1952 mit seinem Debüt »Player Piano« die literarische Bühne. 1969 entstand sein bekanntester Roman, »Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug«, in dem er seine Erfahrungen als Soldat im Zweiten Weltkrieg verarbeitete. Mit diesem und vielen anderen Werken gehört er zu den wichtigsten amerikanischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Sein Leben endete 2007 nach 84 Jahren, notabene das gleiche Alter, das Vonnegut seinem Alter Ego Kilgore Trout prophezeite. Bei Kein & Aber erschienen die Erzählbände »Der taubenblaue Drache« (2009), »Ein dreifach Hoch auf die Milchstrasse!« (2010) und »Hundert-Dollar-Küsse« (2012) in neuer, brillianter Übersetzung von Harry Rowohlt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hymnisch bespricht Rezensent Oliver Jungen diesen nun unter dem Titel "Hundert-Dollar-Küsse" erschienenen Erzählband mit früher, unveröffentlichter Prosa des im Jahre 2007 verstorbenen Autoren Kurt Vonnegut. Für den Kritiker sind Vonneguts Geschichten Literatur von "purer Sinnlichkeit, vollem Körpereinsatz" und beinahe "verbotener Intensität". Wann etwa habe man in der Gegenwartsliteratur schon einmal von einem personifizierten Zwölf-Millionen-Dollar-Gewinn gelesen, der seiner Besitzerin auf ihr vieles Klagen nur ein "lautes, nasses Furzgeräusch" erwidert, fragt der amüsierte Rezensent, der bei allem Vergnügen über Vonneguts kuriose Gestalten auch immer Einsamkeit, Melancholie und Zivilisationszweifel in den "zupackenden" Erzählungen erkennt. Diese herrlich leicht und feinsinnig beobachteten Geschichten kann der Rezensent nicht zuletzt dank der exzellenten Übersetzung Harry Rowohlts jedem Leser nur unbedingt ans Herz legen - wenn auch mit der Warnung, dass man nach diesen "narrativen Kalorienbomben" schnell süchtig werden kann.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2012

Festbeleuchtete Gesellschaft

Mit Saft und Kraft und Pessimismus: Der amerikanische Schriftsteller Kurt Vonnegut zeigte schon in frühen Erzählungen, dass er zuzupacken versteht.

Mann und Frau verlieben sich ineinander, aber das Kennenlernen wird dadurch verzerrt, dass die Frau unerwartet zwölf Millionen Dollar geerbt hat und damit den Fluch des universalen Misstrauens: Will nicht jeder nur an ihr Geld? Wie nun beschreibt Kurt Vonnegut diesen Vorgang? Er entscheidet sich für die anschaulichste Lösung, lässt die Erbschaft als Person durchs Haus stapfen und hämische Kommentare abgeben. "Zwei schläfrige Menschen", flüstert der Mann etwa und will den Abend in Richtung Bett verlagern: ",Ich schlafe nie', sagte das Kilraine-Vermögen." "Ich hatte nette Freunde und einen grünen '49er Chevy, der schon fast bezahlt war", klagt die Dame über das verlorene Glück der ehrlichen Armut. Wie reagiert das Geld? "Die zwölf Millionen Dollar machten ein lautes, nasses Furzgeräusch." Wo sonst in der Gegenwartsliteratur furzen zwölf Millionen Dollar dem Lauf der Dinge ihr Veto entgegen?

Überhaupt geht es zur Sache in diesem Buch, das mit den Bänden "Der taubenblaue Drache" (2009) und "Ein dreifach Hoch auf die Milchstraße!" (2010) eine Einheit bildet: Männer schlagen hier einander nieder oder - kaum zu unterscheiden - kumpelhaft auf den Rücken, Fäuste knallen auf Tische, Zaster wird gemacht. Frauen kokettieren mit ihrer Sechziger-Jahre-Küchen-Rolle, immer bereit jedoch, alles aufs Spiel zu setzen. Auch sie landen, wenn es schlecht läuft, mit ausgeschlagenen Zähnen im Krankenhaus. Mit einigem Recht ließe sich die Einsamkeit als Leitmotiv dieser erstmals übersetzten Erzählungen bezeichnen. Hin und wieder stehen Melancholie und Zivilisationszweifel sogar im Vordergrund: ein vom Alkohol zerstörter "Vormund", eine Mutter, die den Tod ihres Jungen nicht verkraftet, ein Mann, der das Roboterabbild seiner Frau der lebendigen Version so lange vorzieht, bis diese stirbt.

Aber depressiv ist hier nichts, denn sogleich rummst es erneut, verstecken sich hübsche Raubmörder in Fabriken, deren Rettung sich verzückte junge Dinger aus dem "Mädels-Pool" vornehmen, blasen sich Familienväter mit Revolvern "das Hirn aus dem Schädel", um qua Lebensversicherung das Wohlergehen der Familie zu sichern. Kurt Vonnegut, das ist Literatur mit vollem Körpereinsatz, pure Sinnlichkeit, ein Genussmittel von fast schon verbotener Intensität. Und deshalb ist der beste aller möglichen Übersetzer Harry Rowohlt, der wieder prächtige Sätze wie diesen erschaffen hat: "Meinen Sie wirklich, mein Mann könnte keine klumpigen Klumpen Klumpatsch malen?" Es streiten hier - sehr lustig - die Ehefrauen eines abstrakten und eines stets Indianer-plus-Hütte fabrizierenden figürlichen Malers miteinander.

Man wird schnell süchtig nach diesen narrativen Kalorienbomben. Dabei hält sich der Autor noch zurück im Vergleich mit seinen späteren Weltuntergangsszenarien, denn es handelt sich ausschließlich um frühe, postum veröffentlichte Prosa, die für den Markt geschrieben war. Diverse Zeitschriften wie etwa "Collier's" gehörten zu den Abnehmern. So gehen die Figuren mehr oder weniger normalen Berufen nach: Versicherungsangestellte, Verwaltungsmitarbeiter oder Donut-Ketten-Chefs. Freilich tummeln sich allerlei Kriminelle unter ihnen, doch auch die zeigen sich von ihrer menschlichsten Seite, wenn etwa der Ganove Gribbon in "Wer sterblich ist, der schläft" alles daransetzt, den Weihnachtsfestbeleuchtungswettbewerb zu gewinnen.

Vonnegut, der 2007 gestorben ist, war nicht praktizierender Pessimist. Als Soldat im Zweiten Weltkrieg, als Polizeireporter und als PR-Berater hatte er zu viel von den Schwächen der menschlichen Natur mitbekommen - und sich ebendeshalb dem Humanen verschrieben, was nicht selten die Form deutlicher Kapitalismuskritik annahm. Doch muss man deshalb ein so defensives Vorwort schreiben, wie es Dave Eggers getan hat? Eggers stellt den moralischen Charakter als Hauptkennzeichen von Vonneguts "Mausefallen-Storys" heraus, um diesen dann in einer gewundenen Apostrophe an eine imaginäre Internet-Kommentatoren-Gemeinde zu legitimieren: Er, Eggers, schreibe so etwas natürlich nicht, aber es sei doch "für manche Gegenwartsliteratur ganz okay". Als ließe sich Vonnegut auf die Moral reduzieren! Als hätte man hier Böll-Erzählungen oder prätentiösen Herr-Keuner-Hokuspokus vor sich!

Das Besondere an dieser Literatur - und das gilt auch für die von den Plots her zugegeben etwas schlichte Gelegenheitsprosa der frühen Jahre - ist doch ganz unabhängig von ihrer ethischen Komponente das Vermögen, in wenigen Zeilen eine perfekte Szene hinzustellen, in die man so restlos eintauchen kann wie in einen gut gemachten Film. Man folgt dabei einer klaren Handlungslinie, in der Regel einem Konflikt, doch auch alle Details an den Rändern der Wahrnehmung sind absolut stimmig. Und das Wichtigste: Nie wirkt Vonneguts Stil angestrengt. Immer scheint es, als beschriebe jemand en passant und leicht amüsiert eine Szene, die er eben beobachtet hat. Es gibt nicht viele Erzähler, die diese wunderbare Leichtigkeit beherrschen.

OLIVER JUNGEN

Kurt Vonnegut: "Hundert-Dollar-Küsse." Sechzehn unveröffentlichte Geschichten.

Mit einem Vorwort von Dave Eggers. Aus dem Amerikanischen von Harry Rowohlt. Kein & Aber Verlag, Zürich 2012. 300 S., geb., 19,90 [Euro].

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