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Spätestens seit dem Film "Das Schweigen der Lämmer" ist um Profiler ein enormer Kult entstanden. Joachim Käppner erzählt davon, wie "operative Fallanalytiker" in Deutschland wirklich arbeiten. Ausführlich beschreibt er vor allem die Münchner Profiler um Alexander Horn, die bereits 2006 die Neonazi-Morde des NSU an neun Ausländern als Verbrechen extremistischer oder wahnsinniger Einzeltäter einstuften. Damals glaubte ihnen keiner, und die Ermittler suchten weiter eine ominöse ausländische Mafiagruppe. Was Käppner über die Hintergründe und Ermittlungspannen berichtet, liest sich selbst wie ein Krimi.…mehr

Produktbeschreibung
Spätestens seit dem Film "Das Schweigen der Lämmer" ist um Profiler ein enormer Kult entstanden. Joachim Käppner erzählt davon, wie "operative Fallanalytiker" in Deutschland wirklich arbeiten. Ausführlich beschreibt er vor allem die Münchner Profiler um Alexander Horn, die bereits 2006 die Neonazi-Morde des NSU an neun Ausländern als Verbrechen extremistischer oder wahnsinniger Einzeltäter einstuften. Damals glaubte ihnen keiner, und die Ermittler suchten weiter eine ominöse ausländische Mafiagruppe. Was Käppner über die Hintergründe und Ermittlungspannen berichtet, liest sich selbst wie ein Krimi.
Autorenporträt
Joachim Käppner ist Redakteur und Autor bei der Süddeutschen Zeitung. Zuletzt veröffentlichte er Die Familie der Generäle (2007) und den SPIEGEL-Bestseller Berthold Beitz (2010), für den er 2011 den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis und den Herbert-Quandt-Medienpreis erhielt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die etwas irritierende anfängliche Begeisterung für sein Thema kriegt der Autor im weiteren Verlauf des Buches rasch in den Griff, beruhigt Hannes Hintermeier den Leser. Sachlich und informierend geht Joachim Käppner sodann vor und erklärt dem Rezensenten die Entwicklung des Profilings in der Polizeiarbeit, die Operative Fallanalyse, etwa im Fall von Adolf Hitler, erstellt vom amerikanischen Auslandsgeheimdienst, aber auch im Fall des Heide- oder Brummimörders oder, brisant, findet Hintermeier, in Sachen NSU, deren unbehelligte Umtriebe Käppner mit einem Blick in die Machtstrukturen der Geheimen erläutert. Den Schrecken, der ihm nach der Lektüre in den Gliedern sitzt, führt der Rezensent darauf zurück, dass der Band der guten alten Dämonisierung entgegenwirkt. Die vom Autor zitierten Ermittler nämlich halten nicht viel vom eiskalt planenden Serientäter. Vom Dieb zum Sexualmörder, das sei oft nur ein Schritt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2013

An den Taten sollt ihr sie erkennen

Nirgendwo hat das Image des Profilers so wenig mit der Realität zu tun wie hierzulande: Joachim Käppner kennt diese Fahnder und weiß, dass sie ganz anders vorgehen als im Fernsehen.

Von Hannes Hintermeier

Soll man Indizien sammeln - oder soll man sich in das Hirn des Täters versetzen? Dieses alte Dilemma divergierender Ermittlungsmethoden ist um eine dritte Variante erweitert worden, seit der amerikanische Inlandsgeheimdienst FBI das Profiling erfand. Seither wird die Arbeit dieser Kriminalisten in Fernsehserien und Romanen heroisiert. Wenn nichts mehr geht, muss es der Profiler retten. Der erscheint häufig in Form einer ansehnlichen Polizeipsychologin, wahlweise auch als Schnösel vom LKA, BKA oder Staatsschutz. Immer zum Missvergnügen der ermittelnden Kommissare.

Joachim Käppner, der sich mit der Thematik für die "Süddeutsche Zeitung" beschäftigt, hat zusammengetragen, sortiert und bewertet, was sich in der Polizeiarbeit und also jenseits von Medien und Fiktion entwickelt hat. Vor zehn Jahren verschaffte der ehemalige Innsbrucker Streifenpolizist Thomas Müller, der sich beim FBI ausbilden ließ, dem Thema Profiling breiten Raum. Seit seinem ersten Buch "Bestie Mensch" (2004) ist er als Rampensau in Talkshows und mit Vorträgen unterwegs. Auch wenn seine Methode mittlerweile als angestaubt, er selbst als "seriöser Dinosaurier" des Faches gilt, seine Aufbauleistung besteht.

Schon der wichtigste Ermittler der Weimarer Republik, Ernst Gennat, folgte der Devise, Serienmörder und Vergewaltiger nicht als Monster, sondern als Menschen zu begreifen: "Wer mir einen Beschuldigten anfasst, fliegt! Unsere Waffen sind Gehirn und Nerven." Diese Entdämonisierung war folgenreich. Auch für das FBI, das zunächst eine Typologie (serial killer, mass murderer, spree killer) entwickelte und sich dann auf "Modus Operandi" und "Handschrift" der Täter konzentrierte. Die Behavorial Science Unit, vom FBI 1972 ins Leben gerufen, diente auch als Vorlage für den folgenreichsten Roman des Genres, Thomas Harris' "Das Schweigen der Lämmer". Bis heute unerreicht, obwohl zu Tode kopiert.

Die Vorgehensweise des Täters folgt demnach einer "meist rationalen Überlegung und ist deshalb auch veränderlich". Die Handschrift kann oder will der Verbrecher aber nicht verändern: "Was hat er getan, was er zur Durchführung des Verbrechens nicht hätte tun müssen? Was ist ihm dabei so wichtig, das Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit erlaubt?"

Dass der Autor die Operative Fallanalyse (OFA) bewundert, wird schnell deutlich. Bei seinem Blick in die Geschichte erinnert er an das erste Täterprofil, das 1930 für den "Vampir" Peter Kürten erstellt wurde; und auch jenes, das der amerikanische Auslandsgeheimdienst OSS für Hitler lieferte, fehlt nicht. Der Autor ist zunächst arg hingerissen von "legendären" frühen Profilern und "genialischen Psychopathen", findet dann aber bei seinem Gang durch die schlimmsten Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte - stellvertretend seien hier nur mit ihren medialen Fallnamen Nelly, Peggy, der Heidemörder, der Brummimörder, der Mann mit der Maske und NSU genannt - zu einem sachlicheren Ton.

Die Definition aus dem Polizeihandbuch hilft nur bedingt weiter: "Bei der Fallanalyse handelt es sich um ein kriminalistisches Werkzeug, welches das Fallverständnis bei Tötungs- und sexuellen Gewaltdelikten (. . .) auf der Grundlage objektiver Daten und möglichst umfassender Informationen zum Opfer mit dem Ziel vertieft, ermittlungsunterstützende Hinweise zu erarbeiten."

Verhandelt wird eine junge Disziplin: 1993 wird im Bundeskriminalamt zu Wiesbaden von Harald Dern die Versuchseinheit KFF (Kriminalistisch-kriminologische Fallanalyse) gegründet, aus der fünf Jahre später die Abteilung für Operative Fallanalyse hervorgeht. Auch in München werden zu dieser Zeit ernsthafte Gehversuche unternommen. In deren Zentrum steht bald Alexander Horn, der als sehr junger Beamter zu der vom damaligen Münchner Polizeipräsidenten Udo Nagel aufgebauten Abteilung stößt. Was damals belächelt, wenn nicht verlacht wurde, ist heute eine etablierte Form der Kriminalistik; die von allen Bundesländern gepflegte Datenbank (ViCLAS) unterstützt mit 24 000 gespeicherten Fällen die Ermittler.

Die Vorstellungen über Profiler entstammen meist dem Reich der Fiktion: Anders als im Fernsehen handelt es sich um Kriminalbeamte mit mehrjähriger Erfahrung in den Feldern Tötungs- und Sexualdelikte und einer Ausbildung zum Fallanalytiker; Stellen für Psychologen sind selten. Der eigentliche Schatz der Profiler ist Erfahrungswissen. Hilfe holen sie sich von externen Beratern wie forensischen Psychiatern. In der Öffentlichkeit gelten sie als die Retter komplizierter Fälle, aber wehe, wenn dies nicht gelingt. Ihre Arbeit steht und fällt mit der Fähigkeit, die Mordermittler zu überzeugen, sich von eingefahrenen Ansätzen zu lösen. Profiler liefern die ihnen am wahrscheinlichsten erscheinende Hypothese, sie beschreiben Tat und Tatverhalten, nicht die Persönlichkeit des Täters, das obliegt dem psychiatrischen Sachverständigen.

Auch wenn Joachim Käppner mehrfach betont, die tatsächliche Anzahl von Sexualdelikten sei heute viel niedriger als in den siebziger Jahren - es bleibt nach Lektüre das Gefühl des Schreckens. Vielleicht gerade deswegen, weil bewusst jede Dämonisierung des Bösen vermieden wird. So korrigiert das Buch auch das Bild des eiskalt planenden Serientäters, je mehr Fälle es aus der Binnenperspektive der Ermittler erzählt. Die Rede ist von einer "erheblichen Deliktsbreite": Diebstahl, Körperverletzung, Raub, Erpressung, Drogen - das sind die klassischen Einstiegsvergehen von Männern, die als Vergewaltiger oder Sexualmörder enden.

Die meisten sind polizeibekannt, manche sogar "massiv". Sie töten nicht aus Lustgewinn, sondern um ihre Tat zu vertuschen. Sie verraten sich häufig durch ihr "geographisches" Verhalten und ihr Bewegungsmuster; viele Täter leben im Umkreis von zwanzig Kilometern zum Kontaktort mit dem Opfer, bei Sexualmorden an Kindern "lebte oder arbeitete fast die Hälfte der Täter unmittelbar in der Nachbarschaft des Opfers, weniger als 1000 Meter entfernt".

Am Ende dieses soliden und informativen Buches steht das politisch brisanteste und ein wahrhaft beunruhigendes Kapitel. Auf sechzig Seiten versammelt der Autor noch einmal alle losen Ermittlungsenden jenes Desasters, das sich NSU-Ermittlung nennt. Es ist ein Blick in Machtstrukturen von Apparaten, die sich gegenseitig ignorieren, blockieren und bekämpfen. Das reicht bis hinauf in die Spitzen der Innenministerien, namentlich Günther Beckstein in Bayern und Wolfgang Schäuble im Bund, die beide die Hypothese von ausländerfeindlichen Serientätern für abwegig hielten. Weil im "Irrgarten des Föderalismus" nicht sein durfte, was schon längst war.

Die Münchner OFA-Abteilung hat bereits 2006 ein Täterprofil erarbeitet, das sehr genau Böhnhardt und Mundlos beschrieb. Ein Schreiben aus der FBI-Zentrale in Quantico bestätigte 2007 diese Theorie, über deren Plausibilität sich die Münchner mit ihren amerikanischen Kollegen ausgetauscht hatten. Man empfahl "nach jemandem zu suchen, der Türken hasst". Das Gutachten wurde von den zuständigen Fahndern schlichtweg ignoriert.

Joachim Käppner: "Profiler". Auf der Spur von Serientätern und Terroristen.

Verlag Hanser Berlin, Berlin 2013. 344 S., Abb., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.10.2013

Mörderseelen
Bücher von SZ-Autoren:
Joachim Käppner über Profiler
Sie gelten als kamerascheu, diskret und effizient: die Fallanalytiker der Kripo. In der Öffentlichkeit Profiler genannt, sind sie durch Kriminalromane und Kinofilme von einem Mythos umgeben, der wenig mit der Realität gemein hat. Joachim Käppner, Autor und Redakteur im innenpolitischen Ressort der SZ, hat Fallanalytiker über Jahre bei ihrem Versuch begleitet, in die Seele eines Täters zu blicken. Er war dabei, als der Münchner Profiler Alexander Horn 2006 die Hypothese aufstellte, bei den Mördern von neun Migranten müsse es sich um Rechtsextremisten handeln – es waren die Terroristen des NSU. Doch der Polizeiapparat jagte weiter eine türkische Mafia, die nur in der Phantasie existierte.
  Viele Fallanalytiker haben für das Buch erstmals einen tiefen Einblick in ihre Arbeit gewährt. Käppner beschreibt Fälle, Erfolge und Grenzen des Profiling, von den Gründern beim FBI bis hin zur Suche nach Serientätern wie dem „Maskenmann“ in Deutschland. Der Versuch, sich auf psychologischem Wege dem Mörder und seinen Motiven zu nähern, ist spannender als die Horror-Abziehbilder im Krimi. Allerdings: „Einen Hannibal Lecter“, sagt ein BKA-Profiler mit Blick auf den Serienkiller aus „Das Schweigen der Lämmer“, „hatten wir noch nie.“ Das immerhin ist beruhigend.
SZ
Joachim Käppner: Profiler. Auf der Spur von Serientätern und Terroristen. Hanser Berlin 2013. 352 Seiten, 21,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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