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Die Stadt, die Menschen, die Politik, die Geschäfte
Hannover ist eine unterschätzte Stadt, häufig geschmäht als Inbegriff deutscher Mittelmäßigkeit. Dabei ist Hannover nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der gewichtigen Machtzentren in der Bundesrepublik geworden. Viele maßgebliche Politiker haben ihre Karriere dort begonnen. »Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein« - diese berühmte Annonce eines bekannten Hannoverschen Unternehmers gilt auch heute noch: Ursula von der Leyen, die neue »Kriegsministerin« und Tochter des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht,…mehr

Produktbeschreibung
Die Stadt, die Menschen, die Politik, die Geschäfte

Hannover ist eine unterschätzte Stadt, häufig geschmäht als Inbegriff deutscher Mittelmäßigkeit. Dabei ist Hannover nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der gewichtigen Machtzentren in der Bundesrepublik geworden. Viele maßgebliche Politiker haben ihre Karriere dort begonnen. »Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein« - diese berühmte Annonce eines bekannten Hannoverschen Unternehmers gilt auch heute noch: Ursula von der Leyen, die neue »Kriegsministerin« und Tochter des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, macht sich ebenso Hoffnungen auf die Nachfolge von Kanzlerin Merkel wie SPD-Chef Sigmar Gabriel, der auch einmal Regierungschef in der Landeshauptstadt war. Lutz Hachmeister erzählt zum ersten Mal die politische Sittengeschichte dieser geheimen deutschen Machtzentrale - über Maschmeyer, Schröder & Co. und den Fall Wulff hinaus, mit schillerndem Personal wie den Hell's Angels, Margot Käßmann, Unternehmern wie Martin Kind und Dirk Roßmann und natürlich mit dem »Hannover«-Sound der Scorpions.
Autorenporträt
Hachmeister, LutzLutz Hachmeister, geboren 1959 in Minden, ist Geschäftsführer des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) in Köln. Der ehemalige Chef des Grimme-Instituts und Medienredakteur des »Tagesspiegel« zählt heute zu den bekanntesten deutschen Dokumentarfilmern (Das Goebbels-Experiment, The Real American - Joe McCarthy, Auf der Suche nach Peter Hartz) und hat als Autor u. a. die zeithistorisch-politischen Bücher Nervöse Zone. Politik und Journalismus in der Berliner Republik (2007) und Heideggers Testament. Der Philosoph, der "Spiegel" und die SS (2014) veröffentlicht.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Bettina Raddatz weiß mitunter nicht, wie der Hase läuft im Buch des Medienwissenschaftlers Lutz Hachmeister. Ist Sigmar Gabriel, als einer aus der Hannoveraner politischen Kaderschmiede, die der Autor beschreibt, nun unberechenbar oder mag er's unter Merkel bequem? Trotz gründlicher Recherchen und historischer Analysen zum Machtzentrum Hannover unterlaufen dem Autor Widersprüche, meint Raddatz, die sich auch fragt, wieso der Autor vor allem politische Freunde und Kulturmenschen aus dem linken Spektrum zu Wort kommen lässt. Ausgewogenheit geht anders, meint sie. Die kulturelle, medienpolitische und städtebauliche Geschichte der Stadt, "Spiegel"-Gründung inklusive, vermag ihr Hachmeister dennoch zufriedenstellend zu vermitteln und Hannovers Aufstieg zum Machtzenztrum entlang der Ministerpräsidenten-Bios zu erläutern. Dass laut Raddatz ausdrücklich keine Schlüpfigkeiten dabei abfallen, sondern im wesentlichen unterhaltsame Fakten im historischen Kontext, rechnet die Rezensentin dem Autor hoch an.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2016

Unter Strippenziehern an der Leine

Aber die Tür zum Partykeller bleibt zu: Lutz Hachmeister will dem Machtzentrum Hannover auf die Schliche kommen.

Die Hannover-Connection, auch als Erbfreunde Hannovers und Maschsee-Mafia bezeichnet, beschäftigt die Medien seit geraumer Zeit. Von Männerbündnissen aus Spitzenpolitikern, Wirtschaftsvertretern und Rotlichtgrößen ist die Rede. Jetzt hat der Dokumentarfilmer und Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister ein Buch über "die machtpolitische Kaderschmiede Hannover" vorgelegt.

Der Autor widmet sich dem Imageproblem der niedersächsischen Landeshauptstadt und ihrer politischen und kulturellen Geschichte und liefert einen Abriss der Gründerjahre des Magazins "Der Spiegel", entstanden auf Betreiben eines ehemaligen britischen Panzeroffiziers. Breiten Raum nehmen neben der medienpolitischen und städtebaulichen Entwicklung der Stadt Beschreibungen der Niedersächsischen Ministerpräsidenten ein; angefangen von Hinrich Kopf über Ernst Albrecht, Gerd Schröder, die Kurzzeitregierungschefs Gerhard Glogowski und Sigmar Gabriel bis hin zum späteren Bundespräsidenten Christian Wulff.

Drei Faktoren benennt der Autor, die Hannovers Aufstieg zum bundesdeutschen Machtzentrum ausmachen: die dominierende Rolle der jeweiligen Ministerpräsidenten, das engmaschige Beziehungsgeflecht von Spitzenpolitikern zu "Wirtschaftsmagnaten, Anwälten und publizistischen Herolden" sowie das auf Mittelmäßigkeit und Provinzialität programmierte Image der Stadt mit ihren kulturellen und soziologischen Wirklichkeiten.

Doch wer im Sinne eines investigativen Journalismus Neuigkeiten über das Netzwerk aus operativer Politik, Industrie und Kultur in der niedersächsischen Landeshauptstadt erwartet, garniert womöglich mit Schlüpfrigkeiten aus dem Partykeller des hannoverschen Anwalts und "Strippenziehers" Götz von Fromberg, wird nicht auf seine Kosten kommen. Der Wert des unterhaltsam geschriebenen, faktenreichen Buchs liegt vor allem darin, dass es die Entwicklung des Machtzentrums Hannover im historischen Kontext betrachtet.

Von der Zeit Heinrichs des Löwen, als Hannover eine Marktsiedlung an der Leine war, über den Reichspräsidenten Hindenburg, der Hannover schätzte, weil "es alle Vorteile einer Großstadt ohne die Nachteile derselben habe", bis in die Gegenwart hinein gewährt der Autor Einblick in die Höhen und Tiefen der Entwicklung der Landeshauptstadt. Dabei fällt auch die ein oder andere Nachricht ab. Nur wenigen dürfte bekannt gewesen sein, dass der amtierende britische Premier David Cameron Nachkomme aus der Verbindung des derben Königs Wilhelm IV. mit der Schauspielerin Dorothea Jordan ist.

Anders als bislang zu lesen, konstatiert Hachmeister, dass der Multimillionär Carsten Maschmeyer, stets neben Götz von Fromberg als Schlüsselfigur der Hannover-Connection benannt, niemals politische Macht hatte. Und in der Tat spricht viel dafür, dass die Bedeutung der Anzeigenkampagne von Maschmeyer bei der Wahl Schröders zum Bundeskanzler überschätzt wird. Nach sechzehn Jahren Kohl-Regierung herrschte eine weit verbreitete Wechselstimmung.

Wenn der Autor dennoch suggeriert, dass die Verbindungen Schröders zur Versicherungswirtschaft und insbesondere zu dem von Maschmeyer gegründeten AWD-Konzern suspekt waren, lässt er außer Acht, dass Hannover einer der bedeutendsten deutschen Versicherungsstandorte ist. Auch ist die Riester-Rente Ergebnis parlamentarischer Abstimmungsprozesse, in die auch der Bundesrat einbezogen war. Die hohen Honorarzahlungen der AWD an den damaligen Versicherungsexperten Bert Rürup für Vorträge wie auch die Teilfinanzierungen von Schröders und Wulffs Buchprojekten durch Maschmeyer sind dagegen in einem anderen Licht zu betrachten, selbst wenn justitiable Beweise für Korruption fehlen, wie der Autor anmerkt.

Weshalb ausgerechnet die mit mehr als hundert Millionen verkauften Tonträgern weltweit erfolgreiche Band "Scorpions" als "emblematisch für den Hannoverismus" bezeichnet wird, erschließt sich dem Leser nicht. Die gelegentlich zu detailreich und langatmig vorgebrachten Beschreibungen werfen allerdings die Frage auf, was die vom Autor beschriebene "radikalisierte Stadtplanung" nach dem Zweiten Weltkrieg und die Gründerjahre der Magazine "Spiegel" und "Stern" mit der Tatsache zu tun haben, dass keine andere deutsche Großstadt so viele bundesdeutsche Spitzenpolitiker hervorgebracht hat wie Hannover. Dabei liefert der Autor selbst eine durchaus schlüssige Erklärung: Das Amt des niedersächsischen Regierungschefs macht diesen automatisch zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden des weltweit größten Automobilkonzerns. Über eine solche Machtfülle verfügt kein anderer deutscher Ministerpräsident.

Bei der Darstellung der Politiker und insbesondere ihrer Bewertung lässt es Hachmeister an Neutralität fehlen, wenn er vorrangig "politische Freunde", Künstler und Wissenschaftler zu Wort kommen lässt, die dem linken Spektrum zuzurechnen sind. Der frühere Ministerpräsident und Vater der amtierenden Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, im Vorspann süffisant als "Kriegsministerin" bezeichnet, war eben nicht nur für das vom Autor in den Vordergrund gerückte Celler Loch und Gorleben verantwortlich; vielmehr hat er nach beharrlichem Kampf Helmut Kohl und Lothar Späth 652 Millionen Mark Strukturhilfe für sein Land abgerungen. Von dem Geld profitieren viele niedersächsische Städte bis heute.

Unerwähnt bleiben auch Albrechts Verdienste um das Privatfernsehen. Zwar fällt die Abhandlung über den "frog" Gerd Schröder etwas ausgewogener aus, doch wenn ausgerechnet dessen parteipolitischer Gegner Peter von Oertzen als profilierter Kenner Schröders mit den Worten zitiert wird, "Schröder sei ein aufstiegssüchtiger Plebejer voll schrecklicher Minderwertigkeitskomplexe", stellt sich die Frage, weshalb neben dem linken Kulturpolitiker nicht auch Mittelständler aus Niedersachsen zu Wort kommen. Noch heute schwärmen viele Handwerkspräsidenten von der Zeit, als Schröder Regierungschef in Niedersachsen war und es regelmäßige Gesprächsrunden des Mittelstands mit dem Regierungschef gab, was später in Vergessenheit geriet.

Trotz gründlicher Recherchen und profunder historischer Analysen verstrickt sich Hachmeister gelegentlich in Widersprüche, etwa wenn er feststellt, dass Christian Wulff ohne die publizistischen Kommentierungen durch den ehemaligen F.A.Z.-Mitherausgeber Frank Schirrmacher - den er wie den "Bild"-Herausgeber Kai Diekmann und den Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner der "Potsdamer Medienmafia" zuordnet - nicht hätte zurücktreten müssen. Denn zugleich stellt er fest, dass Wulff, der sich ostentativ als Tugendbold und Moralapostel geriert habe, am Ende an seinen eigenen Fehlern gescheitert sei. Gleiches gilt, wenn er dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel süffisant vorhält, dass dieser sich unter den Fittichen der Überkanzlerin Merkel bequem eingerichtet habe. Zuvor hatte er den stellvertretenden Bundeskanzler als aufbrausend und nicht berechenbar beschrieben. Was denn nun, mag sich der Leser da fragen.

BETTINA RADDATZ

Lutz Hachmeister:

"Hannover". Ein deutsches Machtzentrum.

Deutsche Verlags-Anstalt, München 2016. 352 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Der Wert des unterhaltsam geschriebenen, faktenreichen Buchs liegt vor allem darin, dass es die Entwicklung des Machtzentrums Hannover im historischen Kontext betrachtet.« Frankfurter Allgemeine Zeitung