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Kaum ein Gebiet der modernen Philosophie ist komplexer, kaum eines wird kontroverser diskutiert als die Philosophie des Geistes. Wie in keiner anderen philosophischen Disziplin manifestieren sich hier zudem die Konflikte zwischen zwei scheinbar unversöhnlichen Welten: der Welt des Geistes bzw. der Geisteswissenschaften und der Welt des Gehirns bzw. der modernen Naturwissenschaften. Mit John R. Searle hat nun einer der Großmeister des Fachs eine historisch-systematische Einführung geschrieben, die zugleich eine neue Sicht auf dieses »wichtigste Thema der gegenwärtigen Philosophie« bietet.…mehr

Produktbeschreibung
Kaum ein Gebiet der modernen Philosophie ist komplexer, kaum eines wird kontroverser diskutiert als die Philosophie des Geistes. Wie in keiner anderen philosophischen Disziplin manifestieren sich hier zudem die Konflikte zwischen zwei scheinbar unversöhnlichen Welten: der Welt des Geistes bzw. der Geisteswissenschaften und der Welt des Gehirns bzw. der modernen Naturwissenschaften. Mit John R. Searle hat nun einer der Großmeister des Fachs eine historisch-systematische Einführung geschrieben, die zugleich eine neue Sicht auf dieses »wichtigste Thema der gegenwärtigen Philosophie« bietet. Ausgehend von »Descartes und anderen Katastrophen «, präpariert Searle zwölf zentrale Probleme der Philosophie des Geistes, verwirft selbst die einflußreichsten Theorien und schlägt eigene Lösungen jenseits der Zwei-Welten-Lehre vor. Entstanden sind provozierende Analysen etwa des klassischen Leib- Seele-Problems und des Zusammenhangs zwischen Bewußtsein und Neurobiologie. Dem Unbewußten ist ebenso ein eigenes Kapitel gewidmet wie der Wahrnehmung und dem schwierigen Problem der mentalen Verursachung. Searles temperamentvoll geschriebenes Buch, das nicht mit Kritik an eingefahrenen Denkmustern geizt und mit einem Minimum an philosophischem Jargon auskommt, ist eine umfassende Einführung in die Philosophie des Geistes für Studierende und ein Lesevergnügen für jeden, der sich für die tiefen Fragen der Philosophie interessiert.
Autorenporträt
Searle, John R.John R. Searle wurde in Oxford ausgebildet und ist seit 1959 Slusser Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley. Für sein umfangreiches Werk, das die Philosophie der Gegenwart auf vielen Gebieten maßgeblich beeinflußt hat, erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Jean Nicod Preis und die National Humanities Medal.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2006

Wie die Galle zur Leber
John Searle erklärt, warum er aus freien Stücken Bush gewählt hat

Ein Philosophie-Professor verspricht kurzerhand die Lösung des Geist-Körper-Problems. Ach, hätte er nur geschwiegen! Denn dem Originalitätsanspruch John Searles steht seine Kenntnislosigkeit in der Sache entgegen.

Über die Frage, warum John Searle George W. Bush seine Stimme gegeben hat (der Philosoph selbst benutzt dieses Beispiel), lassen sich zwei verschiedene Geschichten erzählen. Die eine nimmt an, daß Searle eine bewußte, freie Entscheidung getroffen hat und versucht, mehr oder weniger plausible Gründe für sein Votum anzuführen: etwa daß Bush intelligenter ist als sein Herausforderer, daß er über eine plausible Bildungspolitik verfügt oder daß er Amerikas Rolle in der Weltpolitik besonders eindrucksvoll definiert. Die andere Geschichte besagt, daß Searle nicht aus freien Stücken sein Kreuzchen gemacht, sondern daß sein Gehirn alles für ihn erledigt hat. Seit Searles erstem Gedanken an die Wahl hat die Arbeit der Neuronen sein Denken und Verhalten kausal determiniert. Seine Ansicht, die Wahl aus guten Gründen getroffen zu haben, ist eine Illusion.

Diese beiden Deutungen sind aus der Geschichte der Philosophie bereits gut bekannt. Die erstere Position wird typischerweise dem Dualismus zugeschrieben, der eine Unabhängigkeit des Geistes von der Materie postuliert; letztere Position gilt als materialistisch, und sie besagt, daß die Welt aus materiellen Teilchen und bestimmten Kräften besteht und auf diese Weise vollständig erklärt werden kann. An diesem Punkt setzt das neue Buch von John Searle an, und er verspricht nicht weniger als eine Lösung des Geist-Körper-Problems.

Um eine größtmögliche Wirkung zu erzielen, zieht Searle alle stilistischen Register, die man als Skribent mit Überzeugungswillen benötigt: Er redet seine Leserinnen und Leser immer wieder einschmeichelnd oder mit erhobenem Zeigefinger an und gibt kleine Anekdoten seines eigenen Lebens preis, die er sogleich in philosophische Argumente ummünzt. Mit auktorialer Fürsorge will er Grundeinsichten der Philosophie des Geistes - "das zentrale Thema der Philosophie" - vermitteln und den staunenden Laien in den Stand versetzen, über diese schwierigen Probleme selbständig nachzudenken. Immerhin.

Bei so viel hemdsärmeligem Paternalismus ist es nicht ganz leicht, einen klaren Blick für Searles Argumentationsgang zu bewahren. Kehren wir noch einmal zurück zum Dualismus und Materialismus. Beide enthalten nach Searle wahre Einsichten, denn einerseits gibt es nichtreduzierbare und nichteliminierbare geistige Eigenschaften, andererseits besteht die Welt aber nur aus Materie und Kraftfeldern. Searles Vorschlag, beide Positionen miteinander zu versöhnen, besteht darin, einen "biologischen Naturalismus" anzubieten, der wie folgt aussieht. Bewußtsein ist ein reales Phänomen, das nicht eliminiert werden kann, aber es wird vollständig von neurobiologischen Prozessen determiniert. Es ist somit nicht ontologisch (weil ich die Erste-Person-Perspektive nun einmal habe), wohl aber kausal reduzierbar auf die neuronalen Prozesse. Nun werden Bewußtsein, Intentionalität und subjektives Erleben nicht auf der Ebene einzelner Neuronen oder Synapsen realisiert, sondern auf der Ebene des gesamten Gehirns. Bewußtsein ist eine biologische Systemeigenschaft des Gehirns, so wie die Verdauung eine Eigenschaft des Verdauungstraktes ist. So einfach ist die Lösung, wenn man sich "nur von den traditionellen Kategorien" löst.

Wer sich in der Geschichte der Hirnforschung auch nur ein wenig auskennt, wird stutzig. Daß Bewußtseinsprozesse einer Gesamtfunktion des Gehirns entsprechen, haben vor fast hundert Jahren bereits holistische Neurologen wie Kurt Goldstein, Henry Head und Constantin von Monakow angenommen, und sie haben sich vor allem deswegen nicht durchgesetzt, weil diese Eigenschaft des Gehirns mit den zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar war. Daß die Gedanken im gleichen Verhältnis zum Gehirn stehen wie die Galle zur Leber, ist eine Kernaussage der Materialisten des neunzehnten Jahrhunderts.

Gewiß muß ein Philosophieprofessor nicht alle Gehirntheorien kennen, aber erstens stehen Kenntnislosigkeit und Originalitätsanspruch hier in einem geradezu aberwitzigen Widerspruch zueinander; und zweitens hätte eine etwas solidere Kenntnis oder Berücksichtigung der bestehenden Literatur Searle unter Umständen zu einem etwas kritischeren Umgang mit der eigenen Position geführt.

Wenn also Bewußtsein, Subjektivität und Erste-Person-Ontologie wirkliche Phänomene der physischen Welt sind, die bislang einzig von Gehirnen realisiert werden, dann stellt sich auch heute die Frage, wie diese Phänomene durch Hirnforscher gemessen und erklärt werden können. Überhaupt nicht, sagen einige, zumindest nicht mit den heutigen Darstellungstechnologien und Theorien. Andere argumentieren, daß das nur funktioniert, wenn Versuchspersonen im Experiment freiwillig und aufrichtig ihre subjektiven Befindlichkeiten mitteilen.

Was ist Searles Meinung dazu? Wir erfahren es nicht, weil er sich nicht einmal diese Frage stellt. Searle führt das Wort Neurobiologie unzählige Male im Munde, aber mit der aktuellen Hirnforschung hat er wenig zu schaffen. Nicht der Rede wert sind die kontrovers diskutierten Experimente von Benjamin Libet; die Existenz der Spiegelneuronen; die enorme Plastizität des Nervensystems.

Statt dessen hält Searle im Kapitel über die Willensfreiheit eine verblüffende Hypothese bereit. Zwar räumt er ein, daß die Frage des freien Willens nach dem heutigen Stand der Hirnforschung nicht zu beantworten sei, aber wenn Bewußtsein jederzeit durch neuronale Prozesse determiniert ist, warum sollte es beim freien Willen anders sein? Tatsächlich glaubt Searle, daß man den freien Willen nur dann retten könne, wenn man postuliert, "daß es eine quantenmechanische Komponente in der Erklärung von Bewußtsein gibt". Wie man sich das nun vorzustellen habe, bleibt im dunkeln. Vor allem stellt sich die Frage: Wenn die Quantenmechanik bei Bewußtsein und Gehirn am Werke ist, wieso ist sie es dann nicht auch bei Urin und Niere?

Im letzten Kapitel dreht Searle noch einmal eine philosophische Pirouette, wenn er sich mit David Humes Theorie des Selbst auseinandersetzt. Nach Hume benötigen wir für unsere personale Identität nicht mehr als einen Körper und eine Abfolge von Erlebnissen. Das ist richtig, meint Searle, aber es reicht nicht, denn es werden zusätzlich formale Anforderungen benötigt, die es uns ermöglichen, mit diesen Erlebnissen umzugehen, Entscheidungen zu treffen und Handlungen auszuführen, und genau das wird durch keine andere Instanz als die Vernunft gewährleistet. Auch wenn man dieser Argumentation zustimmt, so bleibt die Frage, ob es sich dabei nun auch um eine Systemeigenschaft des Gehirns handelt, die durch neuronale Prozesse vollständig determiniert ist. Wenn ja, dann hat Searle Bush gewählt, weil sein Gehirn es so vorgegeben hat; wenn nein, dann weil er seine mehr oder weniger plausiblen Gründe gehabt hat.

Es gibt eine unüberschaubar große Literatur zum Geist-Körper-Problem. John Searle hat dazu einiges beigetragen. Wenn irgendwann einmal eine Geschichte dieses Problems geschrieben wird, dürfte Searles aktuelles Buch allerdings am ehesten in der Rubrik Kuriosa zu finden sein.

MICHAEL HAGNER

John R. Searle: "Geist". Eine Einführung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 323 S., geb., 26,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als gelungene Einführung in die Philosophie des Geistes empfiehlt Rezensent Michael Pauen dieses Buch des amerikanischen Philosophen John Searle, auch wenn er ihm in kaum einen Punkt zustimmen will. Pauen beschreibt Searles Herangehensweise als recht temperamentvoll: Sämtliche bedeutende Theorien vom Geist - vom cartesianischen Substanzdualismus bis zum materialistischen Monismus - erklärt Searle für falsch. Das geht für Pauen zwar in Ordnung, doch Searles eigenen Biologischen Naturalismus hält er für genauso wenig überzeugend. Gar nicht einverstanden ist er mit den Searles Darlegungen zur Willensfreiheit. Doch Pauen will seine Einwände gar nicht gegen das Buch gerichtet sehen. Denn sein Autor argumentiere so intelligent und klar, dass die Auseinandersetzung mit ihm die reinste Freude sei. Und lehrreich.

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