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"Thomas de Maizière erzählt verständlich und präzise, wie Politik funktioniert." (Süddeutsche Zeitung, Detlef Esslinger, 11. Februar 2019)Jeder weiß, wie die Arbeit eines Lehrers oder eines Arztes aussieht - was genau aber macht ein Politiker, zumal ein Minister? Thomas de Maizière, der 28 Jahre lang Regierungsverantwortung in unterschiedlichsten Positionen übernommen hat, bietet dem Leser Innenansichten der Macht und erklärt anhand zahlreicher Beispiele aus seiner Amtszeit, wie wir regiert werden. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag in einer Zeit zunehmender Entfremdung zwischen Teilen der…mehr

Produktbeschreibung
"Thomas de Maizière erzählt verständlich und präzise, wie Politik funktioniert." (Süddeutsche Zeitung, Detlef Esslinger, 11. Februar 2019)Jeder weiß, wie die Arbeit eines Lehrers oder eines Arztes aussieht - was genau aber macht ein Politiker, zumal ein Minister? Thomas de Maizière, der 28 Jahre lang Regierungsverantwortung in unterschiedlichsten Positionen übernommen hat, bietet dem Leser Innenansichten der Macht und erklärt anhand zahlreicher Beispiele aus seiner Amtszeit, wie wir regiert werden. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag in einer Zeit zunehmender Entfremdung zwischen Teilen der Gesellschaft und ihren gewählten Repräsentanten. Thomas de Maizière liefert einen Werkstattbericht. Er folgt den Fragen, wie ein politisches Ergebnis durch gutes Regieren entsteht, welche Abläufe es dafür braucht, was ist der Normalfall und wie wird in Krisen gehandelt und entschieden? Ein Insiderblick auf Grundlage der Erfahrung aus fast drei Jahrzehnten Regierungsarbeit. Thomas de Maizière war Bundesminister in zwei Großen Koalitionen mit der SPD sowie in einer Koalition der Union mit der FDP, und das in drei Ministerien. In zwei Bundesländern - in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen - arbeitete er als Staatssekretär und Minister in insgesamt sechs Ressorts, sowohl in Regierungen mit absoluter Mehrheit als auch in Koalitionen mit FDP und SPD. Der Schwerpunkt dieses Buches liegt aber bei der Arbeit in der Bundesregierung.Der Vollblutpolitiker verfolgt den Ansatz, die eigenen Erfahrungen zu verallgemeinern und an konkreten Beispielen zu beschreiben, wie Deutschland regiert wird. Er möchte politisch interessierte Bürgerinnen und Bürger erreichen und informieren, indem er den Vorhang öffnet und den Blick hinter die Kulissen des Regierens zulässt. Trotz aller Objektivität möchte er dabei für die Arbeit des Regierens in Deutschland werben. Denn er weiß, "dass viel Abfälliges über die Regierungen im Speziellen und den Politikbetrieb im Allgemeinen zu hören ist, sei es aus Unkenntnis, aus Hochmut, aus Abneigung gegen Machtausübung schlechthin oder aus Unzufriedenheit über die Ergebnisse". Dort wo es aus seiner Sicht strukturelle oder tiefgreifende Mängel im praktischen Regieren gibt, bewertet er sie und macht Vorschläge, wie sie behoben werden könnten. Am Ende hat auch der ehemalige Minister kein Patentrezept für "gutes Regieren". Und doch formuliert er Regeln, Prinzipien und Maßstäbe, die ihm wichtig sind und die auch für andere Personen mit Führungsverantwortung gelten, die für das Zusammenwirken und die Arbeitsmethoden in großen Institutionen aller Art wichtig sind, um zu guten Ergebnissen zu kommen."Als Minister gilt es, über die ,Blase Politik' hinaus zu wirken. Man muss die Mechanismen im ,Berliner S-Bahn-Ring', also im Berliner Politikbetrieb, kennen. Gleichzeitig ist es wichtig, seine Termine so zu machen, dass man die soziale Wirklichkeit unterschiedlicher Gruppen und der verschiedenen Regionen in Deutschland so gut wie möglich kennenlernt.Dazu gehören Interesse, Neugier, Offenheit und Zuneigung zu den Menschen. Wer die Menschen nicht achtet und schätzt, sollte lieber nicht Minister werden." (Thomas de Maizière)"Tolles Buch! [...] Ein Stück Zeitgeschichte"(ZDF "Markus Lanz", Markus Lanz, 13. Februar 2019)"Eine strukturierte Übersicht über das Regieren an sich, gespeist aus Jahrzehnten persönlicher Erfahrung."(t-online, Jonas Schaible, 14. Februar 2019)
Autorenporträt
Thomas de Maizière, Dr. jur., geb. 1954, 1990 Mitglied der Verhandlungsdelegation für den deutschen Einigungsvertrag,1990-1998 Staatssekretär in der Regierung von Mecklenburg-Vorpommern, 1999-2005 Staatsminister in Sachsen in unterschiedlichen Ressorts; 2005-2009 Chef des Bundeskanzleramtes, 2009-2011 und 2013-2018 Bundesinnenminister sowie 2011-2013 Bundesverteidigungsminister; seit 2009 Mitglied des Bundestages. Thomas de Maiziere ist seit 2003 im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages und seit 2018 Vorsitzender der Deutschen Telekom Stiftung. Thomas de Maizière ist Honorarprofessor für Staatsrecht an der Universität Leipzig.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2019

Berlin direkt
Thomas de Maizière erzählt verständlich und präzise,
wie Politik funktioniert. Nur einmal wird er scharf
VON DETLEF ESSLINGER
Man wüsste ja zu gerne, wie diese „selbstbewussten Unternehmensführer“ hießen, über die er schreibt. Sie konnten „eine Frage der Bundeskanzlerin nicht beantworten, weil sie nicht Teil der vorbereiteten Unterlagen war“, sie wurden dann „plötzlich unsicher und fahrig“. Oder welche Kabinettskollegen er hier meint: „lautstark und polemisch in der Sprache“, aber Pressekonferenzen schon deshalb scheuend, „weil sie wussten, dass sie da nicht bestehen können“. Und wer mag wohl der „bedeutende Journalist“ gewesen sein, der ihm gebeichtet habe, „dass er seine Kommentare nicht für die normalen Zeitungsleser, sondern eigentlich für uns Politiker schreibt“. Tsss, solche Leute gibt’s?
Seit knapp einem Jahr ist Thomas de Maizière kein Minister mehr. Zur „Wiederankunft“ im normalen Leben, wie er selber sagt, legt er nun ein Buch vor, für das er bereits in der Regierung die Idee hatte. Es erscheint an diesem Montag und ist nicht als Memoiren angelegt; zum Glück. Memoiren sind oft Dutzendware: erstens, weil Schreiben ein Handwerk ist, wie Regieren übrigens auch; indes ein Handwerk, das die wenigsten Politiker beherrschen. Die Folge ist, dass schreibende Politiker viel erwähnen, aber kaum erzählen – sowie, dass man immer bald merkt, worum es in all der Unbeholfenheit letztlich geht: um eine Selbstseligsprechung des Autors.
Thomas de Maizière weist darauf hin, dass bei ihm kein Ghostwriter, sondern nur er am Werk war. Und, was soll man sagen: Er kann schreiben. Auf den 252 Seiten stehen Hauptsachen in Hauptsätzen. Es ist praktisch frei von Phrasen. Seine Thesen unterlegt er mit Beispielen aus seinem Erleben. Zugleich liefert er schon vom Konzept her keine Dutzendware. Wahrscheinlich die wenigsten wissen ja, dass Regieren eben auch ein Handwerk ist; geschweige denn, wie es funktioniert. Wer nichts weiß, stellt aber gern Vermutungen an, und bei manchen Menschen mutieren Vermutungen zu absonderlichen Gewissheiten. Zum Teil sind daran auch Politiker schuld; im Grunde haben sie, wie Angehörige anderer Berufe auch, eine Bringschuld, ihre Tätigkeit zu entmystifizieren. Bei ihr gibt es geschriebene und ungeschriebene Regeln, wie ebenfalls in jedem anderen Beruf auch.
Wegen dieser Bringschuld hat de Maizière geschrieben; das sagt er ausdrücklich. Seine Erfahrungen benutzt er, um Systemisches zu zeigen: wie eine Regierung gebildet wird. Welche Phasen eine Wahlperiode hat. Wie man aus Krisen lernt. Was die Unterschiede in der Arbeit eines Kanzleramts-, eines Verteidigungs- und eines Innenministers sind; all das war er.
Kanzleramtsminister zum Beispiel sollten lieber nicht in die Öffentlichkeit drängen. Tun sie es doch, treten sie garantiert einem Fachminister auf den Fuß und erschweren sich nur ihren Job. Der besteht ja zu einem guten Teil aus der Vermittlung zwischen Fachministern. Deshalb ist es für Helge Braun gut, dass praktisch keiner ihn im Café erkennen würde. (Helge Braun ist der derzeitige Kanzleramtsminister.) De Maizière erklärt, was man als Minister unbedingt können muss: lesen während Autofahrten. „Wem dabei schlecht wird, der wird sein Arbeitspensum kaum schaffen.“ Er beschreibt, warum Koalitionsverträge lang sein müssen: weil jeder, auch das THW, erwähnt werden will. Und warum sie so langweilig zu lesen sind: weil Fachpolitiker sich nicht redigieren lassen. Er erklärt, warum es neuerdings vor Koalitionsverhandlungen immer erst Sondierungsgespräche gibt, die das Ziel einer Einigung in einzelnen Fragen haben – weil Sondierungen nach den ungeschriebenen Regeln der Öffentlichkeit an Differenzen in der Sache scheitern dürfen, Koalitionsverhandlungen aber nicht. Also wollen „die Kritiker einer Koalition sicher sein, dass ihre Interessen schon früh gehört werden und nicht zu kurz kommen“.
Indem er Strukturen erzählt statt Ereignisse, klärt er über beides auf. Warum hat die FDP im Herbst 2017 die Jamaika-Verhandlungen auch abgebrochen? Wegen der Länder. Die FDP wollte die Einkommensteuer senken. Diese aber wird zwischen Bund und Ländern geteilt. Also müssen Landespolitiker jeder Senkung zustimmen, also waren auch die SPD-Ministerpräsidenten implizit an den Gesprächen zwischen Union, FDP und Grünen beteiligt. Sie teilten mit, dass sie keiner Senkung zu ihren Lasten zustimmen würden – was für alle regierenden Landespolitiker aus Union, FDP und Grünen sehr praktisch war. „Meine Erfahrung ist“, schreibt de Maizière, „dass sehr viele, vielleicht die meisten Konflikte in solchen Verhandlungen nicht parteipolitischer Art sind.“ Wer übrigens selber ab und an Verhandlungen zu führen hat, dem gibt er zehn Grundregeln an die Hand. Die erste: „Verhandele stets so, dass du nicht einseitig der Bittsteller bist.“
Es gibt Menschen, die kommen schlecht weg in dem Buch. De Maizière ist aber so vornehm, sie nicht zu identifizieren; mit einer Ausnahme: gelegentlich er selbst. Er gibt zu, 2013 das Kostendebakel um die Aufklärungsdrohne Euro Hawk als Verteidigungsminister „schlecht gemanagt“ zu haben; die Sache hätte fast zum Rücktritt geführt. Und er erzählt, wie er 2015 wegen einer Terrorwarnung ein Länderspiel in Hannover absagte, wie er in der Pressekonferenz gefragt wurde, ob die Lage vorbei sei und er nicht sagen wollte, dass da noch eine Bombenwarnung für den Hauptbahnhof war. Also sagte er: „Ein Teil dieser Antwort würde die Bevölkerung verunsichern.“ Tagelang wurde er verulkt dafür. „Natürlich hätte es bessere Antworten gegeben als die von mir gewählte, etwa: ,Die Lage ist vorbei, wenn alle sicher zu Hause sind‘. Aber sie ist mir nicht eingefallen.“
Zum Job von Politikern gehört es, öffentlich zu reden. Manche können es nicht, manche können es, und manche von letzteren reden trotzdem langweilig. Warum? Über Angela Merkel schreibt de Maizière, sie sei „sicher nicht die beste aller Redner“. Aber die Kanzlerin müsse wie kein anderes Regierungsmitglied jedes Wort auf die Goldwaage legen. Denn jede Andeutung werde sofort verbreitet, „und zwar in der Kurzform einer Agenturmeldung. Aus einer Andeutung wird dann eine Ankündigung oder ein Versprechen gemacht.“ Ihm selbst sei nachgesagt worden, zu sachlich zu sein. Aber angesichts von Terror sei es für einen Innenminister wichtig, seine Emotionen zu kontrollieren. „Sonst achten die Menschen nur auf die Emotionen des Ministers, und nicht darauf, was er an Warnungen mitzuteilen hat.“
Eine Schärfe aber leistet er sich. Erstens gehört so etwas zu jedem richtigen Buch, zweitens hat dieser Autor keine Lust, sie sich zu verkneifen. Ausführlich beschreibt er, wie er im September 2015 mit seinen Juristen darüber debattierte, ob man die Flüchtlinge überhaupt zurückweisen dürfe. „Wenn sich ein Minister nach langen Diskussionen einer Rechtsauffassung anschließt und eine Entscheidung trifft, die er für rechtmäßig hält, die aber manchen nicht gefällt, dann ist der Vorwurf eines Rechtsbruchs ehrabschneidend.“ Gemeint ist das Wort Horst Seehofers, in Deutschland gebe es seit 2015 eine „Herrschaft des Unrechts“. Dieser ist übrigens in etwa der einzige derzeitige Spitzenpolitiker, dessen Name in dem Buch kein einziges Mal fällt.
Indem er Strukturen erzählt
statt Ereignisse,
klärt er über beides auf
Erst Kanzleramtsminister, dann Innen-, dann Verteidigungs- und später wieder Innenminister: Thomas de Maizière 2011 mit Kanzlerin Angela Merkel.
Foto: FABRIZIO BENSCH/Reuters
Thomas de Maizière:
Regieren. Innenansichten der Politik. Herder-
Verlag, Freiburg 2019. 252 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2019

Banker ohne Vorbereitung
Erfahrungen mit Wirtschaftsführern und Lobbyisten

Thomas de Maizière hatte 28 Jahre lang Regierungsverantwortung in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und dem Bund. Dort war er Chef des Kanzleramtes, Verteidigungsminister und Innenminister. Nun hat er ein Buch mit dem Titel "Regieren" vorgelegt. Und tatsächlich geht es dort ums Regieren, es geht um Institutionen, Mechanismen, Rollen, Erwartungen, Inszenierungen, Alltag, Krisen, Loyalität, Illoyalität, Kritik und Haltungen. Das Buch ist kein politisches Testament, keine Bewerbung für andere Aufgaben, keine Rechtfertigung vergangener Entscheidungen (beziehungsweise nur ganz selten). Es ist ein Lehrbuch übers Regieren und sollte von jedem gelesen werden, der Minister werden will, und von jedem, der beruflich mit Ministern zu tun hat.

Dazu gehören Wirtschaftsführer, Lobbyisten und Unternehmer. Viele von ihnen machen sich ein falsches Bild von den Abläufen innerhalb des "Berliner S-Bahn-Rings", wie de Maizière die "Blase" geographisch eingrenzt. Regierungsgeschäfte verlaufen anders als Verhandlungen in Vorstandsetagen und ganz anders, als es Studenten in Vorlesungen zum Staatsrecht lernen.

Als Minister hatte de Maizière immer eine Ausgabe des Märchens "Der kleine Häwelmann" von Theodor Storm dabei. Dabei geht es um einen kleinen Jungen, der immer mehr und noch mehr Aufmerksamkeit beansprucht, nicht genug bekommen kann, in seinem Bettchen aus dem Haus fliegt und immer "mehr, mehr" schreit. "Ein solches Verhalten habe ich oft bei Interessenverbänden und Unternehmen kennengelernt", resümiert de Maizière: "Es konnte nie genug sein. Jeder Fortschritt, den sie zuvor eingefordert hatten, war nicht genug."

Er habe dann in solchen Gesprächen die Geschichte vom kleinen Häwelmann erzählt oder sogar ein Exemplar an die Betroffenen gesendet: "Bewirkt hat es wahrscheinlich wenig, außer Erstaunen. Manche waren sicher beleidigt." Für de Maizière sind Interessenverbände unersättlich. "Genauso wie es legitim ist, dass die Verbände ihre Interessen einseitig vertreten, ist es notwendig, dass die Regierung die Interessen der Allgemeinheit vertritt."

Spannend ist, wie de Maizière die Arbeit der Berliner Lobbyisten bewertet: "So unterschiedlich der Hintergrund der Interessenverbände ist, so ähnlich ist die Arbeitsweise. Es gibt Geschäftsstellen mit hauptamtlichen Mitarbeitern. Es gibt Zeitschriften und Newsletter, die inzwischen die Posteingänge der E-Mail-Adressen so zustopfen, dass sie kaum noch zur Kenntnis genommen werden. Es werden Parlamentarische Abende veranstaltet, Preise verliehen, Konzerte durchgeführt, Partys gemacht und Gutachten vergeben."

Zu den Parlamentarischen Abenden schreibt der frühere Politiker: "Die Veranstalter geben sich große Mühe. Ein wirklicher Imagegewinn ist damit trotzdem nicht verbunden. Es gibt zu viele derartige Veranstaltungen, und sie unterscheiden sich inzwischen oft nur danach, ob die Location cool ist." Er hätte diese Veranstaltungen daher nur selten besucht, sich aber regelmäßig im Ministerium mit den Verbänden getroffen. Das sei nicht kritikwürdig. Aber: "Es gibt Verbände, denen es gelungen ist, aus den Ministerien zuweilen Vorlagen an den Minister zu bekommen, bevor der Minister sie auf dem Tisch hat. So ist es beim Bundeswehrverband. Man hört es auch aus dem Gesundheitsministerium. Das ist nicht in Ordnung." Im Buch beschreibt de Maizière, eher beiläufig, mit welchem Trick er undichten Quellen im Ministerium auf die Spur gekommen ist.

Welcher Lobbyismus scheitert? Besonders beachtet würden in der Politik immer die Positionspapiere der Kirchen, schreibt der Christdemokrat, aber er warnt: "Je gefälliger und austauschbarer die Stellungnahmen werden, wenn sie ihr Spezifisches verlieren und sich äußern wie jeder andere Interessenverband, dann werden sie von der Regierung auch so behandelt: als wichtig, aber wie andere unter ferner liefen." So werde eine Stellungnahme der Kirchen zum Mindestlohn oder zum Rentenniveau nicht mehr beachtet als die des Deutschen Gewerkschaftsbundes. "Deshalb ist hier Zurückhaltung angeraten", schreibt de Maizière.

Was ihm auch nicht gefallen habe, seien schlecht vorbereitete Bankenchefs: "Ich habe gemeinsam mit dem Kollegen Peer Steinbrück in der Finanzkrise Vorstandsvorsitzende von Banken erlebt, die zuvor in der Öffentlichkeit vor Kraft nicht laufen konnten, in der Krise aber nicht nur klein mit Hut, sondern auch substanzlos waren bei der Beschreibung der Krise oder bei der Analyse der Lage der eigenen Bank. Ich habe selbstbewusste Unternehmensführer bei der Bundeskanzlerin erlebt, die eine Frage der Kanzlerin nicht beantworten konnten - obwohl sie nahelag -, weil sie nicht Teil der vorbereiteten Unterlagen war, und die dann plötzlich unsicher und fahrig wurden."

Und was schreibt de Maizière über ebendiese Bundeskanzlerin? "Sie hat den mit Abstand schwierigsten, anspruchsvollsten und arbeitsreichsten Job in der Regierung. Ihr Arbeitspensum ist immens, dass man allein davor nur den Hut ziehen kann, wie sie das schafft. Die Bundeskanzlerin muss zu allen wichtigen Themen auskunftsfähig sein. Allein das verlangt harte Arbeit, ein gutes Gedächtnis und eine ungeheure Intelligenz." Er habe Angela Merkel oft als warmherzig, witzig und dem Gesprächspartner als Menschen zugewandt erlebt.

Ob er auch ihr einmal die Geschichte vom kleinen Häwelmann erzählt hat? Diese endet übrigens mit dem Absturz des Jungen in ein großes Gewässer. Zuletzt schreibt Storm, etwas unvermittelt, an den Leser seines Märchens: "Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!" De Maizière hat 28 Jahre lang viele kleine Häwelmänner an die Hand genommen. Sein Antrieb war die Loyalität zu unserem Staat, den er nie hat ertrinken lassen. Respekt.

JOCHEN ZENTHÖFER

Thomas de Maizière: Regieren. Herder, Freiburg 2019. 252 Seiten. 24 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Schwieriger, als man denkt

Ein Manifest gegen die furchtbaren Vereinfacher. Der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière über "Regieren".

Von Karl-Rudolf Korte

Regieren ist ziemlich einfach. Davon sind zumindest die meisten Bundesbürger überzeugt. Seit Jahrzehnten geben immer mehr Befragte an, dass es, ihrer Einschätzung nach, keiner besonderen Fähigkeiten bedarf, um Politik zu gestalten. Gleichzeitig sind die Erwartungshaltungen gegenüber der Politik dramatisch angestiegen: Diesseitiges und oft auch Jenseitiges soll Berlin lösen! Allen Vereinfachern ist das Buch von Thomas de Maizière zu empfehlen. Sachlich-nüchtern, schnörkellos im Ton, deskriptiv und problemorientiert zugleich, macht der Autor deutlich, dass es sich beim Regieren um die politische Steuerung einer komplexen Gesellschaft handelt. Man bekommt in den sieben Hauptkapiteln einen sehr guten Eindruck, wie schwierig sich der politische Alltag gestaltet und über welche differenzierten Kenntnisse, vielfältigen Netzwerke und langjährigen Erfahrungen die politischen Akteure verfügen sollten. Komplexitäts-Kompetenz und Gestaltungswissen sind politisch überlebenswichtig. Die Politikgestaltung kann man erlernen, gerade nach der Auswertung der Buchkapitel. Die Professionalisierung der Politiker, mithin ihre damit oft einhergehende Bürgerferne begleiten diesen Befund.

Der Werkstattbericht ist eine persönliche Binnensicht eines Politikers, der 28 Jahre lang Regierungsverantwortung im Bund und in zwei Bundesländern getragen hat. Er kennt die verschiedenen Ebenen der Politik zwischen kommunaler Verantwortung und europäischem Ordnungsrahmen. Und er hat Erfahrungen in sechs verschiedenen Ressorts gesammelt. Für die Regierungslehre ist die Monographie auch als Ergebnis einer teilnehmenden Beobachtung extrem hilfreich, weil de Maizière ordnet, systematisiert, reflektiert. Instrumente, Stile, Praktiken, Techniken der Regierungskunst lernt der Leser kennen.

De Maizières Blick auf die Länderregierungen ist getrübt, obwohl er in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen lange Jahre Verantwortung getragen hat. Warum bespricht sich die Kanzlerin zunehmend mehr mit den Ministerpräsidenten - und entzieht die Entscheidungsprozesse der Regierung oder den Koalitionsgremien? Ministerpräsidenten und auch Landesminister äußern sich zu bundespolitischen Belangen. Umgekehrt gilt es als grobe Einmischung, wenn sich Bundespolitiker zu landespolitischen Themen einlassen. Auch die Koalitionsverhandlungen im Umfeld einer extrem schwierigen Regierungsbildung 2017/2018 ordnet der Verfasser nach diesem Muster. Die Sachkonflikte hingen demnach im Jamaika-Format keinesfalls in erster Linie an parteipolitischen Gegensätzen. Es waren eher Bund-Länder-Konstellationen, die - vor allem bei Haushalts- und Steuerfragen - nicht übereinstimmten. Der Bundesrat ist machtpolitisch extrem bunt aufgestellt. Deshalb wandern wichtige Gesetzgebungsvorhaben in die Ministerpräsidenten-Konferenz mit der Kanzlerin. Der Autor geißelt das.

Man lernt, warum Vereinbarungen im Koalitionsformat von Verhandlung zu Verhandlung immer länger werden. Dazu tragen keine juristischen Feinabstimmung oder Absicherungen bei, wie es häufig an anderen Stellen der Fall ist. Eher sind es Interessenabwägungen zwischen dem Innenbereich, in dem später in der Ministerialverwaltung der Vertrag abzuarbeiten ist, und dem Außenbereich der Parteimitglieder. Wichtige Einschätzungen zur Arbeit am Kabinettstisch hat der Autor erstmals offengelegt. Wie und in welcher Atmosphäre arbeitet ein Bundeskabinett? Dass hier intensive koordinierende Vorarbeit notwendig ist, hat wenig Neuigkeitswert. Aber wie stellt man Kollegialität faktisch her? Angedeutet wird an zahlreichen Stellen, wie es der Bundeskanzlerin mit sehr persönlichen Stilmitteln gelingt, die Wertschätzung der Kabinettsmitglieder voranzutreiben. Anders wäre es auch kaum zu erklären, dass in der Öffentlichkeit kein einziges abschätziges Wort über die Zusammenarbeit mit Merkel existiert, trotz ihrer schon sehr langen Dienstzeit.

Wo fallen die Entscheidungen? Politikmanagement verbindet die Steuerbarkeit des politischen Systems mit der Steuerungsfähigkeit der politischen Akteure. Um das Räderwerk der Politik in Schwung zu halten, muss jede Regierung beachten, dass sie je nach Lageeinschätzung höchst unterschiedliche Steuerungsmechanismen aktiviert. Der Autor begibt sich auf die Spurensuche nach Informalitätskulturen, die er als "Vorwirkung des förmlichen Verfahrens" - im Juristendeutsch - bezeichnet. Er wägt anwendungsbezogen ab zwischen Sachkompetenz, Führungs- und Methodenkompetenz. Das sind die Ebenen von politischer Rationalität. Nur wer sie kreativ nutzt, kann aktiv gestalten und nicht nur reaktiv abarbeiten.

Durch politische Krisen hat de Maizière viel gelernt. Er stellt sich auch seinen Fehlern, die er mit mehr und anderer Erfahrung heute nicht mehr machen würde. Man erkennt, dass spontane, einsame Entscheidungen ihm fremd sind. Die Generierung von Wissensbeständen erfolgt systematisch, so dass es in der Regel zu einer informierten Entscheidung kommt. Diese kann politisch falsch sein, aber wie sie zustande kommt, lässt sich entlang der Logik der Kapitel transparent nachvollziehen. "Verabredungssicherheit" ist ihm wichtig und sichert Vertrauen, ohne das ein Ministerium oder das Bundeskanzleramt nicht zu führen sind.

Ob Leser am Ende tauschen möchten? Wohl kaum, angesichts der angedeuteten Höchst-Anstrengung im Arbeitsalltag und der potentiellen Bedrohung, mit der jeder Innenminister auch sehr persönlich zurechtkommen muss. Individuelle Risiko-Intelligenz hat zumindest Thomas de Maizière geholfen. Sichtbar wird, welche persönliche Rolle Entscheidungsträger übernehmen. Auch die Kehrseite schimmert durch: wenn selbstlernende algorithmische Entscheidungssysteme zukünftig Politik mitgestalten. Um das transparent zu steuern und zu kontrollieren, bedarf es einer komplett anderen Regierungslehre.

Thomas de Maizière: Regieren. Innenansichten der Politik.

Herder Verlag, Freiburg 2019. 252 S., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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