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Als Eleonora und Chirú einander zum ersten Mal begegnen, ist sie achtunddreißig und er achtzehn Jahre alt. Nichts scheint die beiden zu verbinden. Und doch nimmt die bekannte Theaterschauspielerin den schlaksigen Musikstudenten als Schüler an, um seinen Weg für eine Weile zu begleiten. Sie führt ihn in ihre schillernde Künstlerwelt ein.Aber was ist diese lebensgewandte Frau für den Jungen - Lehrerin, Mutter, Geliebte? Von allem etwas und nichts davon ganz. Wie »Accabadora« beginnt auch dieser Roman Murgias in Sardinien, führt seine Protagonisten dann aber durch ganz Europa. Michela Murgia…mehr

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Produktbeschreibung
Als Eleonora und Chirú einander zum ersten Mal begegnen, ist sie achtunddreißig und er achtzehn Jahre alt. Nichts scheint die beiden zu verbinden. Und doch nimmt die bekannte Theaterschauspielerin den schlaksigen Musikstudenten als Schüler an, um seinen Weg für eine Weile zu begleiten. Sie führt ihn in ihre schillernde Künstlerwelt ein.Aber was ist diese lebensgewandte Frau für den Jungen - Lehrerin, Mutter, Geliebte? Von allem etwas und nichts davon ganz. Wie »Accabadora« beginnt auch dieser Roman Murgias in Sardinien, führt seine Protagonisten dann aber durch ganz Europa. Michela Murgia erweist sich erneut als sensible Erzählerin - sie entwirft kraftvolle, autonome Charaktere, die sie meisterlich durch die Untiefen menschlicher Beziehungen führt.
Autorenporträt
Michela Murgia wurde 1972 in Cabras (Sardinien) geboren. Bei Wagenbach erschienen der SALTO-Band »Elf Wege über eine Insel« sowie im Taschenbuch »Camilla im Callcenterland« und »Murmelbrüder«. Ihr Erfolgsroman »Accabadora« wurde in 25 Sprachen übersetzt und auf Deutsch bereits über 150.000 Mal verkauft.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Als Eleonora den 18-jährigen Chirú zufällig kennenlernt, ist sie bereits 38, eine erfolgreiche Theaterschauspielerin und zufrieden mit gelegentlichen Affären, die ihr selbstbestimmtes Leben begleiten. Gegen alle Bedenken wird der aufgeweckte junge Musiker ihr "Schüler", nicht im pädagogischen Sinn, sondern als Sinnsuchender im Leben. Die sardische Erzählerin Michela Murgia bricht geschickt mit Erwartungen, ihre "Education sentimentale" ist, wie bei all ihren Büchern, in schönster Sprache verfasst (und ebenso schön übersetzt), mit Poesie und manchmal auch etwas Kitsch. Wer erwartet, dass sich die Beziehung der beiden zu einer erotischen Affäre entwickelt, wird enttäuscht. Eleonora ist fasziniert und zugleich enerviert von dem sensiblen Jungen, den sie auf sardisch "Chirú", Spatz, nennt. Sie ist Mutter, platonische Geliebte und Lehrerin in einer Person und stellt ihn vor immer schwerere Prüfungen. Einerseits, um ihn auf das Leben vorzubereiten, andererseits, um zu sehen, wie weit sie gehen kann. Es ist ihre "Antenne für die Abgründe anderer", die Eleonora fasziniert, sie weiß selbst nie, wie sich das Verhältnis zu dem Heranwachsenden entwickelt. Geht es dabei um Macht oder Achtsamkeit? Um Liebe oder Fürsorge? Ist eines ohne das andere denkbar? Zugleich taucht Eleonora tief in ihre eigene Jugend ein.

© BÜCHERmagazin, Michael Pöppl (mpö)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2017

Lasst perlende Arpeggien ertönen

Subtile Erotik: Michela Murgias sardischer Roman "Chirú" erzählt von der verrückten Liebe einer Geigenlehrerin zu ihrem Schüler.

Romane können Lebensstationen ihrer Verfasser markieren und sich dabei aus der Ferne Botschaften senden, in etwa so, wie früher Telegramme von Bahnhof zu Bahnhof geschickt wurden, über die Telegraphendrähte am Gleisrand. In ihrem raffiniert-archaischen Romanerstling "Accabadora" hatte die sardische Autorin Michela Murgia die Entwicklung ihrer Heldin mit folgenden Worten enden lassen: "Viele von den Dingen, die sie glaubte an dem Ufer zurückgelassen zu haben, von dem damals das Schiff nach Genua abgelegt hatte, kamen eins nach dem anderen zu ihr zurück, wie Treibholz, das nach einer Sturmflut an den Strand gespült wird." Echoartig sendet ihr neuer Roman "Chirú" nun seinen Anfangssatz zurück: "Chirú kam zu mir wie die Holzstücke an den Strand, geschliffen und verbogen, als Überrest eines langen Treibens."

Menschen und Erinnerungen als Treibholz, dem Wollen und Wirken der Gezeiten ausgeliefert: Den maritimen Bilderfundus bringen beide Romane zu voller Geltung. Die abermalige Verwendung der Metapher betont jedoch auch eine Veränderung: Während "Accabadora" das Heranreifen des Mädchens Maria in der Obhut einer Sterbehelferin nach altem sardischen Brauch beschrieb, steht Eleonora, die Erzählerin von "Chirú", mit Ende dreißig im vollen modernen Leben. Die Schauspielerin feiert internationale Erfolge und genießt in Cagliari, der größten Stadt Sardiniens, eine selbstbestimmte urbane Existenz. Sie wird ihrerseits Erzieherin von Chirú, einem siebzehnjährigen Geigenschüler, dessen Entwicklung sie begleitet.

Chirú bittet sie selbst darum. Keck tritt er in Eleonoras Leben, und mit ihm wird der Leser in diese Welt eingeführt, diejenige einer geschmackvollen, gutgekleideten und wählerischen Frau, die das soziale Treiben durchschaut. Glücklicher ist sie darüber nicht geworden, wie Chirú pointiert festhält: "Du bist unglücklich mit Klasse, sagen wir es so." Grund der Melancholie ist allerdings nicht nur eine illusionsfreie Sicht auf die Gesellschaft, sie nährt sich mehr noch aus familiären Verstrickungen, von denen Eleonora sich befreien musste: Den herrschsüchtigen Vater, der ihre Kindheit und Jugend zur Hölle gemacht hat, konnte sie, kaum volljährig, ins Gefängnis bringen; mehr als Andeutungen erhalten wir nicht. Detailliert werden hingegen eisige Kindheitserinnerungen geschildert, die, wie der Roman als Ganzes, schillern. Zum Beispiel die Jahrmarktsszene: Der achtjährigen Eleonora wird der Kauf eines begehrten Spielzeugs verweigert, und sie begreift plötzlich die Natur des "Getriebes von Belohnung und Strafe", welches der Vater konstruiert hat; es ist das Ende ihrer Kindheit und der Beginn des Misstrauens. Ist die archetypische Schroffheit der Szene ein Beispiel für edle Einfalt und stille Größe oder belegt sie eher einen leichten Hang zum Kitsch? Am Anfang des Romans neigt man zur ersten, am Ende eher zur zweiten Antwort.

Klarer ist der Fall in den Gesellschaftsschilderungen: Die Initiation in den Kulturbetrieb ist von gnadenlos-komischer Klarsicht. Man erinnert sich mit Genuss daran, dass Murgia in "Camilla im Callcenterland" ihre Erfahrungen als Staubsaugerverkäuferin zu einer bitterkomischen Satire verarbeitet hat und dabei viel Sinn für abgründige Dialoge gezeigt hatte. In "Chirú" wird etwa die Party eines römischen Produzenten mit fein-saurer Ironie geschildert. Das Ereignis ist eine "genauestens auf ihre fröhliche Wirkung hin kalkulierte Karawanserei aus Farben und Musik": "Während wir weiter hineingingen, wies ich ihn diskret auf die Flut von Presseleuten auf der Suche nach Kontakten hin, von Kritikern, Zulieferern verschiedener Presseerzeugnisse, und vor allem auf die Dutzende kräftiger, junger Männerkörper, zweifelhafte Talente mit unzweifelhaften Deltamuskeln, die wahllos und in alle Richtungen ihre Verführungskraft verströmten." Zu diesem Anlass lehrt Eleonora Chirú, die "Liturgie der Verstellung" zu durchschauen und Kleidung wie ein Buch zu lesen, das die soziale Stellung des Trägers preisgibt. Die Balzacsche Konstellation - die soziale Initiation eines jungen, ehrgeizigen Epheben durch eine ältere Mentorin - liefert die schwunghaftesten Szenen des Romans.

Sie werden treffend gezeichnet, stehen aber nicht im Zentrum des Romans. Weit wichtiger, weit heikler auch ist die Beziehung, die sich zwischen Lehrerin und Schüler entspinnt. Das Begehren ist von Anfang an massiv präsent. Schon die ersten Beschreibungen nimmt Eleonora liebenden Auges vor: "Sein längliches und noch unfertiges Gesicht unterschied sich nicht sehr von denen Tausender anderer Jugendlicher, die ich im Leben gesehen hatte: ein Schmelztiegel von im Werden begriffenen Gegensätzen, auf dem der Funke einer Identität aufleuchtete, die zwischen dem ,schon' und dem ,noch nicht' balancierte." Was erst wenig schmeichelhaft klingt, wird bald erotisch präziser: "Die dunklen Augen, das einzig Schöne, das sich an ihm bereits manifestiert hatte, waren groß und lebhaft, und sie bewegten sich ständig mit einer schamlosen Neugier, ohne jegliche Affektiertheit." Es ist die subtile Erotik des Versprechens. Eleonora verrät sogleich ihre Empfänglichkeit dafür, als ihr die Koseform Chirú entschlüpft. Die Anziehung wächst stetig, obwohl der junge Mann bald beweist, dass er geschickt und mitunter skrupellos manipuliert.

Brisant wird die Beziehung, als Eleonora im Rahmen einer Europa-Tournee nach Stockholm kommt und sich in Martin de Lorraine, den dortigen Operndirektor, verliebt: einen feinen, kultivierten Mann, dessen Ironie ein aufrichtiges Interesse kaum verbirgt. Die Zweier- wird zur brisanten Dreierkonstellation: Eleonora zögert ein Wiedersehen mit ihrem Zögling hinaus, und als Chirú sie schließlich am Ende der Tournee in Florenz wiedersieht, verliert der pädagogische Eros sein Adjektiv: Es kommt zu Vereinigung und Bruch. Der Epilog schildert ein Wiedersehen auf Distanz vier Jahre später: Lehrerin und Schüler haben eine neue Rolle gefunden, die Anziehung schwelt unter der Asche weiter.

Romane wie "Chirú", die eine radikale Innensicht wählen, stehen und fallen mit der Person, die ihre Geschichte erzählt. Den Leser muss sie nicht nur durch Konsequenz bestechen, sondern in ihm auch eine besondere Emotion erzeugen, nämlich Sympathie oder Faszination - und sei es dadurch, dass sie selbst fasziniert ist wie Eleonora von Chirú. Das ist nur die eine Hälfte: Auch die Entwicklung des Charakters, die auf dieser Emotion aufbaut, muss den Leser mitnehmen. In "Chirú" gibt es zwei Phasen: Über weite Strecken taucht der Leser gern in Eleonoras Welt ein, lässt sich durch die Abgründe der Vergangenheit schrecken und von der Latenz des jungen Torsos betören. Am Ende allerdings wird überdeutlich, dass ihr Romeo "ein verängstigter und erschütterter Achtzehnjähriger, nichts weiter" ist: Sie sieht es, bleibt aber in ihren Emotionen gefangen. Für das Wiedersehen vier Jahre später gilt das noch mehr: Die Sentimentalität der Heldin fließt aus den Zeilen wie schmelzendes Eis aus der Waffel, obwohl die Situation wenig Anlass dazu bietet.

Aber das ist vielleicht nur eine falsche Note am Schluss. Denn Michela Murgia belegt abermals dass sie packende Geschichten erzählt, einen Sinn für aberwitzige oder doppelbödige Dialoge hat und es versteht, ihre Leser für sardische Charaktere von universellen Maßen einzunehmen. "Chirú" ist ein schöner, abgründiger Roman, der melancholisch der "flüchtigen Grazie" der Jugend und den Gefahren ihres Sirenengesangs nachspürt.

NIKLAS BENDER

Michela Murgia: "Chirú".

Roman.

Aus dem Italienischen von Julika Brandestini. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2017. 208 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2020

NEUE TASCHENBÜCHER
Antenne für die
Abgründe anderer
Manchmal bestimmen kleine Ereignisse ein ganzes Leben. Bei der Schauspielerin Eleonora war es ein Besuch mit den Eltern auf dem Jahrmarkt, wo ihr vom Vater das ersehnte Spielzeug, von Bruder und Mutter die Solidarität verweigert wurde. „Es war jene Antenne für die Abgründe anderer, die mich dreißig Jahre später, auf einer Terrasse im historischen Stadtzentrum von Cagliari, dazu brachte, mit einem achtzehnjährigen Jungen zu Abend zu essen, den ich nie zuvor gesehen hatte.“ Mit großer Sorgfalt entwirft Michela Murgia die Psychologie ihrer Figuren, deren Konturen sich an solchen biografischen Details und an Gegenständen des Alltags abzeichnen, wie dem Umgang mit Stäbchen im Sushi-Restaurant, oder dem Selbstbild, das sich in der Kleidung spiegele. Detailliert und mit sichtlichem Spaß wird die Oberschicht des italienischen Kulturbetriebs geschildert, trotz der teils abgründigen Tiefe der Figuren stets mit einer Unbeschwertheit, die man italienisch nennen könnte. Was Eleonora von dem 20 Jahre jüngeren Chirú möchte? Nachdem sie ihm die Feinheiten der Libretti Lorenzo da Pontes erklärt hat, füttern sich die beiden gegenseitig mit Pommes. NICOLAS FREUND
Michela Murgia: Chirú. Roman. Aus dem
Italienischen von Julika Brandestini.
dtv, München 2020.
208 Seiten, 10,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Susanne Lenz bewundert die sardinische Schriftstellerin Michela Murgia für ihre scharfe Beobachtungsgabe wie für ihren kraftvollen Ausdruck. Auch in dem neuen Roman "Chiru" findet sie viel davon, wenn die lebenskluge Schauspielerin Eleonora eine Affäre mit dem 17-jährigen Geigenschüler Chirú beginnt und ihn in den Kunstwelt Sardiniens einführt. Mit Hingabe liest Lenz vom Lärm zerbrechender Gewissheiten, vom Treibgut des Leben oder von der Verführungskraft jugendlicher Unverschämtheit. Dass die Autorin die Grenze zum Kitsch streift, verübelt ihr die Rezensentin nicht, sie verbucht das sogar als ein ihr selbst fehlendes kulturelles Verständnis.

© Perlentaucher Medien GmbH
Antenne für die Abgründe anderer. Nicolas Freund Süddeutsche Zeitung 20200310