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So wie die Flößer zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Stamm zu Stamm springen, immer in Gefahr, immer in Bewegung, so entwickelt sich auch die Freundschaft zwischen Konrad, dem Flößersohn, und Julius, dem Sohn des Waldbesitzers und Holzhändlers. Nach einem Zerwürfnis sehen sie sich erst Jahre später wieder. Die Zeiten haben sich geändert, und Julius braucht dringend Hilfe. Und da sind zwei seit Generationen verfeindete Familien in der Bretagne, deren Land von einem Bach geteilt wird, der ständig seinen Lauf verändert. Um die Fehde wegen der Grundstücksgrenze zu beenden, schlägt ein findiger…mehr

Produktbeschreibung
So wie die Flößer zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Stamm zu Stamm springen, immer in Gefahr, immer in Bewegung, so entwickelt sich auch die Freundschaft zwischen Konrad, dem Flößersohn, und Julius, dem Sohn des Waldbesitzers und Holzhändlers. Nach einem Zerwürfnis sehen sie sich erst Jahre später wieder. Die Zeiten haben sich geändert, und Julius braucht dringend Hilfe. Und da sind zwei seit Generationen verfeindete Familien in der Bretagne, deren Land von einem Bach geteilt wird, der ständig seinen Lauf verändert. Um die Fehde wegen der Grundstücksgrenze zu beenden, schlägt ein findiger Anwalt vor, die Seiten zu tauschen. Kurz darauf verändert ein archäologischer Fund von unschätzbarem Wert die Lage auf dramatische Weise.In Driessens bildhafter, plastischer Sprache wirkt jeder Satz formvollendet. Seine vielschichtigen, sorgfältig komponierten Geschichten entwickeln eine solch anschauliche Suggestivkraft, dass man förmlich das Holz riechen, den Regen spüren, den Fluss hören kann
Autorenporträt
Martin Michael Driessen, geboren 1954, ist Schauspieler, Theater- und Opernregisseur, Übersetzer und Schriftsteller. Er lebt auf einem Hausboot bei Rotterdam. Für »An den Flüssen« erhielt er den ECI Literaturprijs. Der vielfach ausgezeichnete Autor wird mit diesem Buch erstmals auf Deutsch vorgestellt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2019

Die Flasche Whisky kehrt immer zum Trinker zurück
Auf den Lauf ist kein Verlass, auf das Wasser schon: Martin Michael Driessens Erzählungsband "An den Flüssen"

"Wenn du trinken musst, dann tu es jetzt", hatte sein Agent gesagt, "deine Proben für den Banquo fangen erst im September an." Und der Sohn des Angesprochenen leiht ihm gern sein Kanu und sein Zelt und hofft darauf, dass sein Vater sich auf dieser Tour endlich totsäuft. Auch in den anderen beiden Erzählungen des Bandes "An den Flüssen" (im niederländischen Original "Rivieren") steigt der Erzähler sofort in eine konkrete Situation ein, deren Bedeutung und Einbettung in einen größeren Zusammenhang erst nach und nach entfaltet wird.

Die Flüsse, die dem Band den Titel gaben, sind sehr unterschiedlicher Natur. Der alkoholabhängige Schauspieler der ersten Erzählung wagt sich mit seinem Kanu auf die Aisne im Nordosten Frankreichs, die nach heftigen Regenfällen Hochwasser führt. Nicht das ist aber die größte Herausforderung für ihn, sondern der Kampf mit dem Whisky, den er mit sich führt und den er mannhaft in den Fluss schleudert. Während er abends erstmals das Kanu festmacht, um an Land das Zelt aufzubauen, treibt eine Flasche nah am Boot vorbei. Die Flasche Whisky ist zu ihm zurückgekehrt, und bedenkt man, dass er sich auf eine Rolle in einer Shakespeare-Tragödie vorbereitet, die unweigerlich auf die Katastrophe zuführt, weiß man: Das Schicksal hat entschieden und nimmt beinahe apokalyptische Ausmaße an. Dazu passt, dass fast alles hier in der Nacht im totalen Dunkel geschieht. Der Schauspieler wird zum Mörder eines jungen Bauernmädchens und einer Färse und findet selbst auch den gewaltsamen Tod. So vorhersehbar das recht bald ist, so mitreißend ist es erzählt (und von Gerd Busse ins Deutsche gebracht). Nur etwas mehr als zwanzig Seiten braucht der 1954 geborene Martin Michael Driessen, der 2016 in den Niederlanden den renommierten ECI-Literaturpreis für seinen Erzählungsband erhielt, um die Tragödie auf der Handlungsebene zu entwickeln und zugleich in die seelischen Abgründe seines Protagonisten vorzudringen. "Fleuve sauvage" heißt die Geschichte und spielt im Titel auf die Dreharbeiten zu Elia Kazans Film "Wilder Strom" von 1960 an, für den der alkoholkranke Montgomery Clift unterschreiben musste, dass er während der Dreharbeiten keinen Tropfen Alkohol trinkt.

Um einen Strom geht es aber erst in der folgenden Erzählung, den Rhein nämlich, auch wenn alles im Frankenwald an einem kleinen Bach beginnt. Von dort startet die Reise der Stämme des Holzhändlers Durlacher in die große Welt, über Main und Rhein bis nach Amsterdam. Durlachers Sohn Julius ist mit Konrad befreundet, einem Jungen aus armer Familie, dessen sehnlichster Wunsch es ist, selbst Flößer zu werden und bis zum Rhein zu kommen, was ihm mit Hilfe seines Freundes dann auch gelingt. Leider hält Driessen hier nicht die Höhe der ersten Erzählung, sondern drängt ins Epische. Mit 60 Seiten ist die Geschichte auch die längste im Buch und krankt daran, dass sie zu viel Material und zu viele Motive verarbeiten möchte: die Geschichte des Holzflößens, das Verhältnis von Herr und Knecht, soziale Umwälzungen, ungelebte Homosexualität. Der Zeitraum, den sie abbilden möchte, umfasst die Zeit von etwa der vorletzten Jahrhundertwende bis zu Hitlerdeutschland. Da sich Driessen aber nicht für einen Roman entscheiden konnte, geht das epische Erzählen eher ruckweise voran und wird mehr und mehr zu einer Abfolge zeitgeschichtlicher Genreszenen. Da kommt es dann - zumindest in der deutschen Version - auch sprachlich zu unfreiwillig komischen Abstürzen wie diesem: "Hoch aufgerichtet und breitbeinig stand er dann da, seine Stange in beiden Händen, wenn es nötig war."

In der dritten Erzählung, "Pierre und Adèle", ist Driessen aber wieder ganz auf der Höhe seines Könnens. Während die beiden ersten Erzählungen als Tragödien konzipiert sind und beide von einem umfassenden Scheitern erzählen, ist die letzte eher als Tragikomödie, ja fast als Farce im Marx'schen Sinne zu lesen. Ein Bach in der Bretagne trennt seit Jahrhunderten das Grundeigentum der beiden Familien Chrétien (katholisch) und Corbé (hugenottisch), die selbstverständlich seit ebenso langer Zeit tödlich verfeindet sind. Kompliziert wird die Lage zusätzlich dadurch, dass das Bächlein immer wieder seinen Lauf ändert, so dass das Grundeigentum auf beiden Seiten sich je nachdem unbedeutend vergrößert oder verkleinert, bis die Natur die nächste Korrektur vornimmt. "Über die Jahrhunderte hinweg gesehen kam weder die eine noch die andere Familie dabei zu kurz - doch von Generation zu Generation waren sowohl die Corbés als auch die Chrétiens davon überzeugt, dass die Natur sie systematisch benachteiligte."

Beide Seiten nehmen als Vermittler über drei Generationen hinweg die jüdische Notarsfamilie Salomon in Anspruch. In der jüngsten Generation ist Eduard Salomon am Zug. Am Anfang liest er "moderne Schriftsteller wie Claudel und Romains", später ist er "ein untersetzter Herr, der Gide und Mauriac las", noch später reist er aus seiner neuen Heimat, den Vereinigten Staaten, an und denkt während der Zugfahrt in die Bretagne an seinen "literarischen Helden Nabokov". Mit diesem Kunstgriff markiert Driessen auf viel elegantere Art als in der vorhergehenden Erzählung die erzählte Zeit. Zudem gelingt ihm an einer Stelle im Dialog Salomons mit dem aktuellen Herrn des Hauses Chrétien eine Szene von Proust'scher Prägnanz, den "ganz normalen" Antisemitismus betreffend. Darüber hinaus ist Eduard Salomon eine der sympathischsten und eindringlichsten literarischen Nebenfiguren seit langem. Er findet schließlich eine geniale Lösung für das jahrhundertealte Problem, auch wenn das noch nicht das Ende der Geschichte ist.

"An den Flüssen" ist die erste Übertragung eines Buches von Driessen ins Deutsche überhaupt. Warum man ihn bei uns nicht schon früher entdeckt hat, spätestens vor drei Jahren, als die Niederlande und Flandern Ehrengäste der Frankfurter Buchmesse waren, ist etwas rätselhaft. Zu wünschen wäre, dass der Verlag uns mehr von diesem exzellenten Erzähler lesen lässt.

JOCHEN SCHIMMANG

Martin Michael Driessen: "An den Flüssen". Erzählungen.

Aus dem Niederländischen von Gerd Busse. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2019. 140 S., , geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Dieses Buch zeigt auf bewundernswerte Weise die Meisterschaft des Autors, der komplexe, lebensechte Figuren in einer Handvoll Szenen porträtieren kann. Es ist das beste Werk, das ich in den letzten Jahren gelesen habe." De Standaard