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"EIN WAHRER KENNER DER MATERIE WIDMET SICH EINEM DER WICHTIGSTEN THEMEN UNSERER ZEIT: DER DEMONTAGE DER AMERIKANISCHEN DEMOKRATIE." CLAUS KLEBER
Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine wirkt der Westen geschlossen wie lange nicht. Doch die Weltmacht ist angeschlagen. Sie wird sich zunehmend auf ihr nationales Interesse und die Auseinandersetzung mit China konzentrieren. Zu glauben, die USA würden unsere Interessen auch in Zukunft mitvertreten, ist die transatlantische Illusion. Der USA-Experte Josef Braml analysiert unsere geopolitische Lage und zeigt, warum wir selbstständiger…mehr

Produktbeschreibung
"EIN WAHRER KENNER DER MATERIE WIDMET SICH EINEM DER WICHTIGSTEN THEMEN UNSERER ZEIT: DER DEMONTAGE DER AMERIKANISCHEN DEMOKRATIE." CLAUS KLEBER

Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine wirkt der Westen geschlossen wie lange nicht. Doch die Weltmacht ist angeschlagen. Sie wird sich zunehmend auf ihr nationales Interesse und die Auseinandersetzung mit China konzentrieren. Zu glauben, die USA würden unsere Interessen auch in Zukunft mitvertreten, ist die transatlantische Illusion. Der USA-Experte Josef Braml analysiert unsere geopolitische Lage und zeigt, warum wir selbstständiger werden müssen: militärisch, politisch, wirtschaftlich. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber wenn wir jetzt nicht damit anfangen, dann werden wir zu den Verlierern der neuen Weltordnung gehören und die Grundlagen verspielen, auf denen unser Wohlstand beruht.
Die neue Weltordnung stellt Deutschland und Europa vor große Herausforderungen. Die Zeiten, in denen wir uns im Schatten der USA durchlavieren konnten, sind vorbei. US-Präsident Donald Trump hat Europa mit Strafzöllen belegt, den Zusammenhalt der NATO infrage gestellt und die liberale internationale Ordnung durch seine America-First-Politik mit dem Rammbock traktiert. Zwar legt Joe Biden wieder mehr Wert auf die Einbindung von Verbündeten, doch wer garantiert, dass in vier Jahren nicht wieder Donald Trump im Weißen Haus sitzt? Das eigene Schicksal von den Ergebnissen der US-Präsidentschaftswahlen abhängig zu machen, ist in etwa so nachhaltig, wie im Kasino beständig auf Rot zu setzen. Josef Braml liefert eine schonungslose Bestandsaufnahme der weltpolitischen Gegebenheiten und zeigt, was auf dem Spiel steht, wenn Europa nicht lernt, für seine Interessen selbst einzustehen.

Deutschland und Europa in der neuen Weltordnung - wie wir Wohlstand und Sicherheit bewahren Der Weg zu europäischer Souveränität - warum wir uns auf die USA nicht mehr verlassen können
Ein grundlegender Beitrag zur Neuausrichtung unserer Außenpolitik
Von einem intimen Kenner der amerikanischen Politik
Autorenporträt
Josef Braml ist ein bekannter USA-Experte und Direktor Europa der Trilateralen Kommission ¿ einer einflussreichen globalen Plattform für den Dialog zwischen Amerika, Europa und Asien. Er verfügt über 20 Jahre Erfahrung in angewandter Forschung und Beratung weltweit führender Think Tanks, unter anderem bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), dem Aspen Institut, der Brookings Institution, der Weltbank und als legislativer Berater im US-Abgeordnetenhaus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2022

Die europäische Illusion

Das Buch wurde vor Kriegsbeginn in der Ukraine abgeschlossen. Es liest sich aber wie eine sehr aktuelle Mahnung zur Umkehr.

Von Thomas Speckmann

Politische Bücher kommen und gehen. Je nach Anlass, je nach Gemengelage, je nach Konjunktur des öffentlichen Interesses. Aber manche bleiben. Das geschieht dann, wenn sie ein Thema nicht nur aufgreifen, sondern es formen und weiterentwickeln. Wenn aus ihnen ein politischer Fahrplan nicht nur für die unmittelbare Gegenwart, sondern auch für die nach Möglichkeit nicht allzu ferne Zukunft hervorgeht. Und wenn dieser Fahrplan mehr ist als eine Vision, mehr als ein frommer Wunsch. Wenn dieser Fahrplan zumindest eine reelle Chance hat, nicht nur wahrgenommen, sondern auch umgesetzt zu werden. Dann bleiben politische Bücher länger als die von ihnen beschriebene Politik ihrer eigenen Gegenwart.

In Zeiten, in denen - wieder einmal - viel von Zeitenwenden, von Zäsuren, von Umbrüchen und Umwälzungen die Rede ist, tut ein Autor gut, der bereits politische Bücher geschrieben hat, die bleiben. Vor zehn Jahren veröffentlichte Josef Braml ein Buch zum "amerikanischen Patienten". Das war im besten Sinne transatlantische Politikberatung. Der international ausgewiesene USA-Kenner und heutige Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission, einer globalen Plattform für den Dialog zwischen Amerika, Europa und Asien, stach nicht nur hervor mit einer sehr treffenden Prognose der Politik Washingtons - er befürchtete bereits am Ende der ersten Amtszeit von Barack Obama aufgrund der massiven Probleme der Vereinigten Staaten einen neuen Protektionismus, eine verschärfte Ressourcenrivalität mit China, eine zunehmende Sicherung eigener Interessen sowie eine Abwälzung sicherheitspolitischer Lasten auf die westlichen Verbündeten.

Braml gab den Europäern darüber hinaus wertvolle Hinweise für ihren künftig notwendigen Umgang mit den USA. Eine zentrale Empfehlung, die zwar bislang nicht umgesetzt wurde, aber nun angesichts von Russlands Überfall auf die Ukraine eine Renaissance nicht zuletzt in Deutschland als Moskaus wichtigstem Gaskunden in Europa erlebt: eine transatlantische Umwelt- und Energiepartnerschaft, die Forschung und Investitionen im Bereich neuer Technologien und den freien Handel alternativer Kraftstoffe im multilateralen Rahmen fördert, als Grundlage für eine multilaterale, umweltverträgliche Energiesicherheitspolitik.

Zwar hat Braml sein neues Buch vor dem russischen Überfall vollendet - die Druckfahnen lagen Anfang Februar vor. Aber erneut ist seine Stärke die vorausschauende Empfehlung, die auf historischer Erfahrung basiert. So nimmt er den europäischen Weg im Umgang mit Russland vorweg, der nun - wieder - eingeschlagen wird: glaubwürdige militärische Abschreckung, verbunden mit diplomatischer (Wieder-)Annäherung. Denn für Braml hat sich gegenüber Moskau historisch bewährt: "Es braucht eine Kombination aus einer Politik der Stärke und einer Politik der ausgestreckten Hand." Damit knüpft Braml ausdrücklich an das an, was Helmut Kohl und Horst Teltschik in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre auch in seinen Augen sehr erfolgreich praktiziert hatten, aufbauend auf dem NATO-Doppelbeschluss und der Ostpolitik von Willy Brandt und Egon Bahr.

Zu dieser sicherheitspolitischen Tradition zurückzukehren bedeutet für Braml, keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass militärische Aggressionen nicht unbeantwortet bleiben werden, und sicherzustellen, dass auch glaubwürdige militärische Mittel zur Abschreckung vorhanden sind - eine Vorwegnahme des nun verkündeten 100-Milliarden-Nachrüstungsprogramms der Ampelkoalition. Es bedeutet für Braml aber ebenso, nach neuen Wegen zu suchen, wie das Sicherheitsdilemma in Europa aufzulösen ist, wie neues Vertrauen geschaffen werden kann. Dabei geht es ihm um Initiativen für eine neue Sicherheitsarchitektur, in der die Interessen aller Parteien aufgehoben sind, Sicherheit miteinander, nicht gegeneinander - dies dürfte für die nun kommenden Jahre umso mehr gelten, nicht trotz, sondern gerade wegen der russischen Aggression und ihrer Eindämmung durch den Westen.

Auch Braml denkt hier nicht zuletzt an Rüstungskontrolle. Ein Schritt könnte nach seinem Urteil die Wiederbelebung des A-KSE-Prozesses sein - des Versuchs, den im November 1990 unterzeichneten KSE-Vertrag zur Begrenzung der konventionellen Streitkräfte in Europa an die Gegebenheiten nach der Auflösung des Warschauer Paktes und der Sowjetunion anzupassen. Die Wiederaufnahme dieser Verhandlungen könnte nach Bramls Vorstellung dann den Auftakt bilden für eine Neubelebung der Abrüstungsverträge.

Um Europas Sicherheit und Zusammenhalt allerdings wirklich strategisch zu gewährleisten, plädierte Braml schon vor Moskaus Feldzug gegen Kiew weitsichtig dafür, vorauszudenken und dementsprechend mutig zu handeln. Dazu wandelte er ein - russisches! - Sprichwort für Europas Staaten zeitgemäß ab: "Vertrauen in andere ist gut, eigene Verteidigungsfähigkeit ist besser." Sein Fazit aus der jüngeren Entwicklung: Es sei höchste Zeit, dass sich die Europäer neben vertrauensbildenden Maßnahmen gegenüber Russland auch über eigene, von den USA unabhängige militärische Fähigkeiten Gedanken machten - im konventionellen wie im nuklearen Bereich -, auch um möglichen Erpressungsversuchen oder gar Aggressionen der russischen Führung vorzubeugen. Was ist dem noch hinzuzufügen? Außer: Zu spät für die Ukraine, hoffentlich nicht auch noch zu spät für die ukrainische Nachbarschaft im Westen.

Den bereits kurz nach der Ankündigung der "100-Milliarden-Bazooka" für die Bundeswehr aufkommenden kritischen Stimmen in Deutschland sei zur Lektüre empfohlen, was Braml von seinem Kollegen Lawrence Freedman vom King's College London in Erinnerung ruft: Der Doyen der Abschreckungsforschung beschreibe die "inhärente normative Anziehungskraft" dieses Verteidigungskonzepts. Wenn ein Staat eine Abschreckungsstrategie wähle, signalisiere er, dass er keinen Kampf anstrebe, aber dennoch einige Interessen für so wichtig halte, dass sie es wert seien, dafür zu kämpfen. "Es ist eine defensive Absicht ohne Schwäche. Sie versucht, Aggressionen zu verhindern, während sie nicht aggressiv ist. Sie unterstützt den Status quo, anstatt ihn zu stören." Umso mehr hält Braml das Konzept der Abschreckung für vereinbar mit den Prinzipien einer wehrhaften liberalen Demokratie.

Eben eine solche für Europa erneut entstehen zu lassen - daran scheitern die Europäer bislang. Und zwar nicht an anderen, sondern an sich selbst. Sie werden von Braml daran erinnert, dass sie durchaus schon heute die Voraussetzungen dafür hätten, sich selbst zu verteidigen. Die Zahlen weiß er dabei auf seiner Seite: Die Mitglieder der Europäischen Union geben gemeinsam fast dreimal so viel wie Moskau für Verteidigung aus. Allein Frankreich und Deutschland wenden zusammen rund zwei Drittel mehr für Rüstung auf als Russland - und dies bereits vor dem Aufbau des Sondervermögens für die deutschen Streitkräfte in Höhe von zwei ihrer aktuellen Jahreshaushalte.

Es muss folglich auch nach Bramls Analyse weniger darum gehen, sehr viel höhere Verteidigungsausgaben vorzusehen, sondern vielmehr darum, effizienter zu investieren, um die notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln, indem man im europäischen Rahmen Waffensysteme gemeinsam einkauft und weiterentwickelt. Braml zitiert eine von der Münchner Sicherheitskonferenz bereits 2013 in Auftrag gegebene McKinseyStudie: Sie bezifferte die jährlichen Kosten bisheriger Ineffizienzen in Europa auf 13 Milliarden Euro - ein Drittel der damaligen Ausgaben für die europäische Rüstungsbeschaffung. Die daraus in den vergangenen Jahren immer wieder abgeleitete, aber eben bislang nicht umgesetzte Schlussfolgerung: Durch "Pooling & Sharing" ihrer Fähigkeiten könnten die Europäer auch ihrer Diplomatie mehr Gewicht verleihen. Hatte nicht Wolfgang Ischinger schon lange vor Putins Griff nach der gesamten Ukraine gemahnt: "Diplomatie bleibt heiße Luft ohne militärische Fähigkeit"? Bramls Buch ist eine Mahnung, die bleibt.

Josef Braml: Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können.

C. H. Beck Verlag, München 2022. 176 S., 16,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Thomas Speckmann staunt über die prophetische, durch ausgewiesene Kenntnis gestützte sicherheitspolitische Agenda, die der Generalsekretär der deutschen Gruppe in der Trilateralen Kommission Josef Braml vorlegt. Das Buch, abgeschlossen vor dem Krieg in der Ukraine, glänzt laut Speckmann mit historischer Erfahrung und vorausschauender Empfehlung hinsichtlich der Notwendigkeit europäischer militärischer Abschreckung und diplomatischer Annäherung a la Kohl/Teltschig. Die Hoffnung, die Braml in die europäische Fähigkeit zur Selbstverteidigung setzt und die er mit Zahlen belegen kann, findet Speckmann bemerkenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.03.2022

Alles neu
macht der Krieg
Zwei hervorragende Studien zeigen, wie Europa
sich in dieser neuen Welt behaupten kann
VON FLORIAN KEISINGER
Die politische Ordnung Europas ist eine Kriegsgeburt. Dasselbe gilt für fast alle EU-Staaten. Kriege haben Europa geprägt wie kein anderer Faktor. Die Wahrnehmung des Krieges als dem großen Zukunftsgestalter endete für die Europäer mit dem Zweiten Weltkrieg. Die Erfindung der Europäischen Union markierte einen präzedenzlosen historischen Sonderweg. Man integrierte den Nationalstaat in eine überstaatliche Ordnung, in der fortan die Konfliktregelung durch Krieg als ausgeschlossen galt. Militärisches Engagement sollte, wenn überhaupt, lediglich punktuell und als humanitäre Intervention erfolgen. Mit diesem Modell entwickelte Europa nach 1945 ein einzigartiges Laboratorium der pazifistischen Moderne – welches angesichts der Realitäten des 21. Jahrhunderts nun jedoch an seine Grenzen stößt.
Denn der europäische Sonderweg der vergangenen 70 Jahre beruhte im Kern auf zwei Voraussetzungen, die heute nicht mehr gelten: die weitreichende Schutzfunktion, die die Vereinigten Staaten für Europa übernahmen, und die bilaterale Ordnung des Kalten Krieges, in der Europa keine nennenswerte Rolle spielte.
Allerspätestens der russische Überfall auf die Ukraine dürfte auch den eingefleischtesten Anhängern eines pazifistischen Europas vor Augen geführt haben, dass sich die Welt gewandelt hat. Die Vereinigten Staaten können und wollen nicht länger den Schutz der westlichen Welt übernehmen; dazu kommen mit China und Russland globale Akteure, die ebenso expansiv wie aggressiv das Konzept einer liberalen und demokratischen Weltordnung nicht nur infrage stellen, sondern auch aktiv bekämpfen.
Die Frage der Stunde lautet daher: Was muss Europa unternehmen, um sich in diesem neuen weltpolitischen Koordinatensystem zu positionieren, vorausgesetzt, es will bei der künftigen Gestaltung des Weltgeschehens noch ein Wörtchen mitreden?
Damit befassen sich zwei neue Bücher, die beide vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine abgeschlossen wurden, ohne jedoch dadurch an Aktualität einzubüßen; im Gegenteil, die darin adressierten Punkte erweisen sich jetzt als drängender denn je. Sie unterscheiden sich in ihrer Sachlichkeit und Ausgewogenheit wohltuend von den einseitig anti-amerikanischen und russlandfreundlichen Ressentiments, mit denen jüngst etwa der frühere Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg, Klaus von Dohnanyi, hervorgetreten ist – und damit just den Sprung in die Bestsellerlisten schaffte.
Für den Amerika-Experten Josef Braml steht nicht erst seit der Präsidentschaft Trumps fest, dass sich Europa aus seiner Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten lösen muss – politisch, militärisch und auch technologisch. Nicht zuletzt, da sich die Abwendung der Vereinigten Staaten vom europäischen Kontinent bereits unter Präsident Obama angebahnt hatte, der das strategische Augenmerk auf Asien und insbesondere China lenkte. Präsident Biden setze diese Politik unvermindert fort. In der sich abzeichnenden multipolaren Weltordnung müsse Europa daher ein eigenständiger Akteur werden, auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten.
Die Westeinbindung im Rahmen etwa der Nato stellt Braml nicht infrage, sehr wohl jedoch die außenpolitische Positionierung Europas gegenüber seinem transatlantischen Partner. Schließlich könne man nicht wissen, „wann in Washington erneut jemand wie Trump im Weißen Haus sitzt“. Generell ist Braml skeptisch, was den weiteren Entwicklungspfad der Vereinigten Staaten anbelangt: Global gelinge es der einstigen Supermacht schon lange nicht mehr, seine Weltordnungsfunktion wahrzunehmen innenpolitisch sei das Land so tief gespalten wie nie zuvor, ein weiteres Abgleiten ins Antidemokratische nicht ausgeschlossen.
Bramls weitsichtige Empfehlungen für eine umfassende „europäische Souveränität“ sind angesichts des Ukrainekrieges aktueller denn je, etwa, wenn er eine transatlantische Umwelt- und Energiepartnerschaft anmahnt; aber auch, wenn er in der Handels- und Technologiepolitik darauf drängt, die Abhängigkeiten von den Vereinigten Staaten sowohl regulatorisch als auch, was die technologischen Fähigkeiten anbelangt, zu beschränken. Und selbst für den Umgang mit Russland haben Bramls Vorstellungen wenig an ihrer Gültigkeit eingebüßt. Seine Devise lautet: „Wandel durch diplomatische Annäherung“ bei gleichzeitiger „glaubwürdiger militärischer Abschreckung“ – wobei der Schwerpunkt, das darf man getrost hinzufügen, nunmehr bei Letzterem liegen muss. Hier setzt Braml neben erhöhten Verteidigungsausgaben vor allem auf die Gestaltung einer wegweisenden deutsch-französischen Verteidigungsstrategie, die außer gemeinsamen Rüstungsprojekten auch die Europäisierung der französischen Nuklearkapazitäten beinhaltet.
Wie ein solches gesamteuropäisches Sicherheits- und Verteidigungskonzept aussehen kann, damit beschäftigen sich die drei US-amerikanischen Militärexperten John R. Allen, Frederik Ben Hodges und Julian Lindley-French in ihrem Buch über den künftigen Krieg, der nunmehr – schneller als von den Autoren erwartet – zu einem Phänomen unserer Gegenwart geworden ist. Die Perspektive des Dreiergespanns ist reizvoll, Allen und Hodges sind als ehemalige hochrangige US-Militärs Praktiker des Krieges, während Lindley-French die akademische Perspektive beisteuert.
Nicht anders als Braml fordern auch sie, dass Europa seine Verteidigungsfähigkeit signifikant ausbauen müsse, da die Vereinigten Staaten nicht mehr länger in der Lage sein werden, den Schutz Europas wie bisher zu gewährleisten. Plakativ gesprochen heißt das, dass Europas Befähigung zum Krieg dergestalt sein muss, es mit einem militärischen Gegner wie Russland aufzunehmen, zumal im Falle eines globalen Kriegsszenarios die Vereinigten Staaten vollauf mit China beschäftigt sein werden. Mit dem apokalyptischen Szenario eines Dritten Weltkrieges im Jahr 2030, der zum Niedergang Europas und zum Sieg der totalitären Bündnispartner China und Russland führt, eröffnet der Band. Davon ausgehend skizzieren die Autoren Maßnahmen, die es militärisch, strategisch und politisch umzusetzen gilt, um im systemischen Großkonflikt Demokratie versus Autokratie die Oberhand zu behalten.
Sowohl Braml als auch Allen, Hodges und Lindley-French argumentieren in die gleiche Richtung. Dennoch unterscheiden sich ihre Konzepte in den Nuancen. Während für Braml die eigenständige europäische Handlungsfähigkeit die erstrebenswerte Zielgröße darstellt, steht für das US-amerikanische Trio die kollektive Stärkung der westlichen Sicherheitsarchitektur in Gestalt von EU, Nato und Vereinten Nationen im Vordergrund. Hätten die Europäer im Kalten Krieg noch rund 50 Prozent der westlichen Kapazitäten für die Verteidigung Europas zur Verfügung gestellt, rechnen sie vor, sei dieser Anteil mittlerweile auf 25 Prozent gesunken – eine Entwicklung, die dringend revidiert werden müsse, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Bei den technischen Fähigkeiten bewegten sich die Europäer derzeit deutlich hinter den amerikanischen, russischen und chinesischen Streitkräften.
Entsprechend stehen die Anforderungen an einen „Hyperkrieg“ der Zukunft im Mittelpunkt der Analyse. Zum einen bedürfe es hierfür der engen Koordination und Planung im westlich-globalen Verbund, primär unter Federführung der Nato, die die Autoren zuvorderst als eine europäische Institution betrachten (wenngleich unter Führung der USA); zum anderen eine grundlegende Revision der bisher stark divergierenden europäischen Verteidigungspolitiken sowie die Bereitschaft, umfassend und eng abgestimmt in die für den Krieg der Zukunft nötigen Spitzentechnologien zu investieren: von Künstlicher Intelligenz über maschinelles Lernen bis hin zu offensiven Cyber- und Nanotechnologien. Deutschland als „europäische Großmacht“ und global am stärksten vernetzte Wirtschaftsnation sehen Allen, Hodges und Lindley-French dabei in der Verantwortung, gestaltend voranzugehen.
Was bis vor wenigen Wochen noch als starker Tobak in den Ohren der meisten Deutschen geklungen haben dürfte, ist angesichts der Rückkehr des Angriffskrieges nach Europa mittlerweile mit einem gänzlich anderen Zungenschlag belegt. Die Forderung nach einer massiven Stärkung der deutschen und europäischen Verteidigungsfähigkeit ist nicht mehr nur der Appell einzelner Fachpolitiker, sondern, Stichwort „Zeitenwende“, vereinbarter Auftrag einer Ampel-Bundesregierung, inklusive der dafür erforderlichen Budgets.
Die Befähigung zum Krieg ist seit jeher ein maßgebliches Kriterium moderner Staatlichkeit. Die EU ist diesen Schritt bislang nicht gegangen. Will Europa sein Potential als Friedensmacht künftig jedoch nicht mehr nur nach innen, sondern auch nach außen geltend machen, bedarf es dieses Modernitätsnachweises. Die Bücher von Braml sowie Allen, Hodges und Lindley-French liefern hierfür ebenso wichtige wie zeitgemäße Denkanstöße.
Florian Keisinger ist Historiker.
Josef Braml ist skeptisch, was
den weiteren Entwicklungspfad
der USA anbelangt
John Lindley-French, John R. Allen
und Frederik Ben Hodges legen
den Fokus auf den „Hyperkrieg“
Josef Braml:
Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können. Verlag C.H. Beck, München 2022. 176 Seiten, 16,95 Euro.
E-Book: 12,99 Euro.
John Lindley-French,
John R. Allen,
Frederik Ben Hodges: Future War. Bedrohung und Verteidigung Europas. Aus dem Englischen von Bettina Vestring. Verlag LangenMüller, München 2022, 408 Seiten, 34 Euro.
Die Zukunft im Blick – oder doch nicht? Bundeswehrsoldaten 2017 in Rukla in Litauen mit Natofahne.
Kay Nietfeld/dpa
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