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Ziemowit Szczerek ist wieder on the road. Sein Erzähler Pawel, Journalist bei einem auf Fake News spezialisierten Internetportal, fährt mit einem alten Vectra auf der berühmten Landesstraße Nr. 7 von Krakau in Richtung Warschau. An Allerheiligen, dem polnischsten aller Tage, geht es auf der »Königin der polnischen Straßen« mächtig verkatert und mit Vollgas hinein ins Herz der Finsternis. Unterwegs trifft Pawel auf zwielichtige Gestalten und Orte, auf Nationalismus, Chauvinismus und Größenwahn - jene Dämonen, die nicht nur in Polen ihr Unwesen treiben ...

Produktbeschreibung
Ziemowit Szczerek ist wieder on the road. Sein Erzähler Pawel, Journalist bei einem auf Fake News spezialisierten Internetportal, fährt mit einem alten Vectra auf der berühmten Landesstraße Nr. 7 von Krakau in Richtung Warschau. An Allerheiligen, dem polnischsten aller Tage, geht es auf der »Königin der polnischen Straßen« mächtig verkatert und mit Vollgas hinein ins Herz der Finsternis. Unterwegs trifft Pawel auf zwielichtige Gestalten und Orte, auf Nationalismus, Chauvinismus und Größenwahn - jene Dämonen, die nicht nur in Polen ihr Unwesen treiben ...
Autorenporträt
Ziemowit Szczerek, geboren 1978, streitbarer Intellektueller und Journalist, publiziert unter anderem in »Nowa Europa Wschodnia« und »Tygodnik Powszechny«. Er ist fasziniert vom Osten Europas, vom Gonzo-Journalismus sowie von »geopolitischen, geschichtlichen und kulturellen Kuriositäten«, wie er selbst sagt. Für »Mordor kommt und frisst uns auf« (Voland & Quist 2016) wurde er mit dem Paszport-Preis der »Polityka« ausgezeichnet und für den Nike-Literaturpreis, die wichtigste literarische Auszeichnung Polens, sowie den Internationalen Literaturpreis des HKW nominiert. Thomas Weiler wurde 1978 im Schwarzwald geboren. Seit seinem Übersetzerstudium in Leipzig, Berlin und St. Petersburg übersetzt er Belletristik und Kinderliteratur aus dem Polnischen, Russischen und Belarussischen. 2019 wurde er mit dem Karl-Dedecius-Preis geehrt. Er lebt mit seiner Familie in Markkleeberg bei Leipzig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.05.2020

Noch ist Polen ziemlich verloren
Ziemowit Szczereks Roman "Sieben" erzählt von einem Road-Trip durchs Land und dessen Klischees

Eine Landstraße wie jede andere, könnte man meinen. Doch nein, "die Sieben", der Ziemowit Szczereks Roman seinen Titel verdankt, ist viel mehr als das. Sie ist die "Königin unter Polens Straßen, Rückgrat des polnischen Staates". Sie durchläuft das ganze Land, von Süd nach Nord, und umgekehrt natürlich, doch wenn man mit Pawel, der Hauptfigur, unterwegs ist, gilt nur diese eine Richtung. Denn Pawel ist Journalist und fährt mit seinem Opel Vectra von Krakau nach Warschau, wo er einen wichtigen Termin hat.

Pawel arbeitet bei keinem renommierten Medium, sondern bei einem auf Fake News spezialisierten Internetportal, und man hat beim Lesen zunehmend den Verdacht, dass der wichtige Termin nur in seinem Kopf existiert, zumal Letzterer nach der vergangenen Nacht noch reichlich zugedröhnt ist. Am Vorabend war Halloween, und die Krakauer Altstadt hatte sich in "ein einziges großes Pub, ein Alko-Disneyland" verwandelt, bevor das wilde Treiben in Allerheiligen, das schönste aller polnischen Feste, überging.

Unterwegs lässt Pawel keine Gelegenheit aus, zu Alkohol und Drogen zu greifen, was ihn sehr gesellig, scharfsinnig und phantasievoll macht. Mit dem Ergebnis, dass seine Eskapade zu einer äußerst abenteuerlichen Fahrt durch die polnische Provinz und zugleich zu einem atemlosen witzig-respektlosen Monolog wird. Im Grunde ist es egal, worauf sich sein Blick richtet - alles, was er beschreibt, wirkt irgendwie verzerrt, karikiert, obwohl es eine messerscharfe Bestandsaufnahme der wahren Zustände in Polen ist. Schon die Landschaft, die er entlang der "Sieben" sieht - voller planloser Bebauung, hässlicher Architektur, kaputter Straßen und Viadukte, riesiger Werbetafeln und Graffitis, gigantischer Denkmäler kommunistischer Provenienz und billiger Bars -, wirkt auf ihn reichlich abstoßend. Gleichzeitig aber muss er sich eingestehen, dass er das ganze "Rumgepfusche" irgendwie mag.

Ähnlich geht es ihm mit den Menschen. Jede Begegnung bedeutet ein weiteres Beispiel von Provinzialität, Engstirnigkeit, Nationalismus oder Chauvinismus, oft gepaart mit dem Hang zur Nörgelei. Die einen sind unzufrieden, weil sie glauben, ständig übers Ohr gehauen zu werden, die anderen sehen in der Globalisierung die Quelle allen Übels und wünschen sich einen starken, wirtschaftlich unabhängigen Staat. "Polnische Banken, polnische Autos, polnische Computer, Streitkräfte", zählt einer auf, während ein anderer es mit schlichtem "überhaupt alles polnisch. Polnisches Polen" umschreibt. Diese Fixierung aufs eigene Land kennt Pawel zu Genüge, die Begegnungen helfen ihm aber, die Quellen dieser Fixierung besser zu verstehen, die Ängste und Phobien seiner Landsleute präziser zu benennen, zumal sich zu den realen Menschen, denen er begegnet, bald andere Gestalten gesellen.

Es ist schließlich Allerheiligen, der Tag der Toten, an dem die Vorstellung, dass einige von ihnen auf die Erde zurückgekehrt sind, keiner besonderen Phantasie bedarf. In Pawels Fall schon gar nicht, nachdem er sich nach einem Verkehrsunfall einer Gruppe von Hipstern anschließt, die ihn mit halluzinogenen Substanzen in Vollrausch versetzen. So dauert es auch nicht lange, bis er ein Schloss von monströser Hässlichkeit entdeckt, in dem etliche polnische Könige zu bewundern sind, und - von der Vision besessen, sie könnten lebendig werden und wieder all die Katastrophen herbeiführen, von denen es in der polnischen Geschichte wimmelt - ihnen allen den Kampf ansagt.

Von den historischen Dämonen ist es nicht weit zu den aktuellen. Etwa zu der Vorstellung, Putin griffe das Land an, zumal dieses Zentralpolen, durch das die "Sieben" führt, besonders stark die einstige Abhängigkeit von Russland in Erinnerung ruft: zu kommunistischen Zeiten, aber auch in den Jahren "Kongresspolens", in denen das Zarenreich hier das Sagen hatte. Also malt sich Pawel aus, wie russische Panzer "Reihen niedriger Pavillons mit Gemüsestand, Blumenladen, Döner, Klamotten zum Kilopreis, Kurzwaren und Gammelspelunke" zermalmen, und dieser assoziative Sprung von den Königen über Putin zum polnischen Kleinunternehmertum ist ebenso witzig wie nachvollziehbar.

Natürlich geht es hier auch um die Fragen, wie das Land in seiner jetzigen Form von den Nachbarn wahrgenommen wird und wie es heute um Polens Zugehörigkeit zum Westen beziehungsweise zum Osten steht. Wobei mit "jetzt" und "heute" die Zeit vor der Machtübernahme durch die nationalkonservative PiS-Partei gemeint ist, weil das Buch im Original 2014 erschien, und das, was in den nächsten Jahren politisch passieren wird, sich hier erst langsam abzeichnet.

Ähnlich chaotisch wie das Land ist die - von Thomas Weiler bravourös ins Deutsche übertragene - Form von Szczereks Romans, was aber eindeutig eine Stärke ist. Das Buch ist rasant, überdreht, absurd, gespickt mit literarischen und filmischen Verweisen, Eskapaden in die Popkultur, gedanklichen Spielen mit Stereotypen verschiedener Art, Reflexionen über nationale Komplexe, Träume und Phantasien. Schade nur, dass die Hauptfigur zu stark an Lukasz aus Szczereks erstem Roman "Mordor kommt und frisst uns auf" erinnert. Auch der war ein Journalist mit Sinn fürs Absurde und Hang zum Zynismus, und auch der schrieb in jenem Gonzo-Stil, den er sich von Kerouac und Thompsons abgeguckt hatte. Es gibt indes einen Unterschied: Lukasz war in der Ukraine unterwegs, konnte also ohne schlechtes Gewissen dafür sorgen, dass alle seine Schilderungen den polnischen Klischees über das Nachbarland entsprachen. Pawel hingegen fährt durch Polen selbst und nimmt doch ein wenig Rücksicht auf die Gefühle seiner Landsleute.

MARTA KIJOWSKA

Ziemowit Szczerek:

"Sieben". Das Buch der polnischen Dämonen.

Aus dem Polnischen von Thomas Weiler. Voland & Quist Verlag, Dresden 2019.

272 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.06.2020

Königin unter
Polens Straßen
Letzter seines Genres: Ziemowit
Szczereks Roman „Sieben“
Gleich nach den Umstürzen von 1989 kam ein Wort in Umlauf, mit dem man im Westen das postkommunistische Durcheinander in den Ländern Mittel- und Osteuropas satirisch auf den Punkt zu bringen glaubte: „Absurdistan“. Beflügelt wurde die Konjunktur Absurdistans durch eine neue groteske Literatur aus den so bezeichneten Ländern selbst. Autoren wie Jáchym Topol in Tschechien, Andrzej Stasiuk in Polen oder Viktor Pelewin schrieben nach 1989 weiter an diesem Genre eines, wenn man so will, neuen osteuropäischen Surrealismus. Diese Bücher waren gegenwartsnah, gerade dann, wenn sie dem Verrückten Raum gaben. Der Mär von der „Transformation“ hin zu liberalen Musterdemokratien vertrauten sie keinen Augenblick.
Jetzt, gut fünfzehn Jahre nach dem EU-Beitritt der mittelosteuropäischen Länder ist diese absurdistische Gegenwartsliteratur ihrerseits historisch geworden. Die Verhältnisse haben sich normalisiert, wenn auch nicht unbedingt zum Besseren verändert. Wenn man in den wilden Neunzigerjahren den ganzen Osten als Riesenbasar imaginierte, wäre jetzt eher die EU-finanzierte Bahnhofs-Shopping -Mall die Signatur der Zeit. Insofern kann man die These wagen, dass mit Ziemowit Szczereks aberwitzigem Roman „Sieben. Das Buch der Polnischen Dämonen“ aus dem Jahre 2014 das Genre sich dem Ende zuneigt. Einen Roman wie diesen könnte man fünf Jahre später schon nicht mehr schreiben, und zwar aus einem ganz einfachen Grund.
Die Infrastruktur ist eine andere geworden. „Sieben“, der Titel bezieht sich, neben vielem anderen, hauptsächlich auf die Staatsstraße Nummer Sieben, die Polen von Nord nach Süd durchmisst und die inzwischen, bis auf manche Lücken, einer regelrechten Autobahn gewichen ist. Auf dieser aus Mitteln des EU-Kohäsionsfonds mitfinanzierten Trasse sind Abenteuer, wie sie der Sensationsjournalist Paweł in einer Allerheiligennacht zwischen Krakau und Warschau erlebt hat, schlechterdings unmöglich: alles viel zu aufgeräumt, angepasst an die Brüsseler Standards. Polnischen Dämonen wird man am Straßenrand nun nicht mehr begegnen, was nicht heißt, dass sie ganz verschwunden wären.
Im Gegenteil, sie sind befördert worden, dank des „guten Wandels“ der PiS, in die offizielle Politik, in parlamentarische Debatten und ideologische Verlautbarungen. Was Szczerek sich noch als Gedankengut einiger verwirrter Freaks ausmalt, darf jetzt von Staats wegen behauptet und von der Regierungspresse verbreitet werden. Eine Entwicklung, die sich auszumalen auch Szczereks kühne Geschichtsphantasmagorie nicht kühn genug ist. 2014 – damals waren in Polen noch die Liberalen am Ruder, aber es war auch das Jahr, in dem Putin den Konflikt in der Ostukraine anzettelte, ein Ereignis, das auch für die Romanhandlung einige Konsequenzen hat.
Paweł, der Held, arbeitet für ein Fake-News-Portal und nimmt es schon von daher mit der Wahrheit nicht allzu genau. Szczerek, sein Erfinder, ist auch Journalist, und zwar ein erklärter Fan des Gonzo-Journalismus. Ganz im Geiste Hunter S. Thompsons ist ihm jedes Mittel recht, um die Leser zu verblüffen, und man muss sagen, es gelingt ihm.
Verblüffend ist nämlich auch das historische Wissen, mit dem hier das Buch der polnischen Dämonen aufgeschlagen wird. Szczerek oder sein Paweł haben diskursiv alles an Bord, was die polnische Geschichtspolitik umtreibt: die Lehre vom Sarmatismus, der Abstammung des polnischen Adels von uralten iranischen Stämmen. Oder die Idee des „Intermare“, einer polnisch dominierten Einflusssphäre zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Die kleine Autofahrt von Krakau nach Warschau, am Allerheiligentag, dem wichtigsten polnischen Feiertag, wird jedenfalls zum ideologisch-dämonologischen Höllentrip. Dass dabei das eine oder andere Auto im Straßengraben landet, dass es Tote und Verletzte zu beklagen gibt, dass aus der Dunkelheit tatsächlich ein ganzes Heer polnischer Dämonen unterschiedlicher Observanz ersteigt, dass die Ankunft in Warschau zusehends ein Ding der Unmöglichkeit wird, versteht sich fast von selbst.
Und das alles auf der „Sieben“. „Die Sieben, die Sieben, denkst du, Königin unter Polens Straßen, Rückgrat des polnischen Staates, Weichselpolens, das Oderpolen ist ja eine ganz andere Nummer.“ In der Mitte Weichselpolens klaffe ein „schwarzes Loch“, sinniert der Erzähler. Was die Loreley für Deutschland und die Puszta für Ungarn, sei für Polen „das pfannkuchenplatte Land voller Betonmist ohne Sinn und Verstand“. Auch wenn Szczerek dem Gonzo-Journalismus huldigt und keiner Übertreibung aus dem Wege geht, ist auf sein Urteil doch Verlass: man sollte mit ihm und seinem Buch auf Reisen gehen, solange von seinem wilderen Polen noch etwas übrig ist.
CHRISTOPH BARTMANN
Die Fahrt von Krakau nach
Warschau wird zum ideologisch-
dämonischen Höllentrip
Ziemowit Szczerek:
Sieben. Das Buch der polnischen Dämonen. Roman. Aus dem
Polnischen von Thomas Weiler. Verlag Voland & Quist, Berlin 2019.
288 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Dieses Buch ist stellenweise so messerscharf auf den Punkt formuliert, dass es wehtut ... Ein lesenswerter Roman." Fabian May, WDR5 "Mad Max auf polnische Art: Mitten durch die polnische Provinz führt die Reise. Hinein in die Seele Polens, in seine Albträume und Ängste, seine Verletzungen, seine Hoffnungen und seinen Größenwahn." Mathias Schnitzler, Berliner Zeitung "Diesen Roman darf und muss man bei allem Spaß an Verschwörungsunsinn und veräppelter Vaterlandsromantik als einen scharfsinnigen politischen Kommentar lesen." Mario Pschera, neues deutschland "Szczerek [...] schickt seinen Antihelden Pawel auf einen aberwitzigen und rauschhaften Roadtrip, um es mit den polnischen Mythen, Wundern, Legenden und Dämonen aufzunehmen ..." Ingo Petz, DER STANDARD