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Die Crau, eine Steinwüste vor den Toren von Arles. Weites, nacktes Land, überlassen einzig dem rauen Mistral und den Schafen. Hier leben Matt und Nel, verbunden durch eine tiefe Freundschaft. Als Matt beginnt, die Vergangenheit der Region zu erforschen, stößt er immer wieder auf die Namen zweier Cousins von Nel, die in den Achtzigern hier lebten.
Zwei Brüder, Enfants terribles, intelligent, exzessiv und voller Verachtung für jegliche Gefahren. Für kurze Zeit sind sie da, in Arles, in der Crau, im Leben ihrer Freunde, von denen sie gehasst und vergöttert werden. Partys, Gewalt, Freiheit,
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Produktbeschreibung
Die Crau, eine Steinwüste vor den Toren von Arles. Weites, nacktes Land, überlassen einzig dem rauen Mistral und den Schafen. Hier leben Matt und Nel, verbunden durch eine tiefe Freundschaft. Als Matt beginnt, die Vergangenheit der Region zu erforschen, stößt er immer wieder auf die Namen zweier Cousins von Nel, die in den Achtzigern hier lebten.

Zwei Brüder, Enfants terribles, intelligent, exzessiv und voller Verachtung für jegliche Gefahren. Für kurze Zeit sind sie da, in Arles, in der Crau, im Leben ihrer Freunde, von denen sie gehasst und vergöttert werden. Partys, Gewalt, Freiheit, Jugend, Nachlässigkeit. Matt versucht, das Lebensgefühl jener Jahre einzufangen, und scheucht dabei Echos auf, die ihm und Nel ihre eigenen Entscheidungen gnadenlos vor Augen führen.
Autorenporträt
Sylvain Prudhomme, geboren 1979, ist Schriftsteller und Übersetzer. Seine Kindheit verbrachte er in Kamerun, Burundi, Mauritius und im Niger. In Paris studierte er Literaturwissenschaften und arbeitete danach mehrere Jahre in Afrika. Er ist Autor von mehreren Romanen und Mitbegründer der Zeitschrift Geste. Er wurde u. a. mit dem Prix littéraire Georges Brassens, dem Prix littéraire de la Porte Dorée, dem Prix François Billetdoux und dem Prix Révélation de la Société des Gens de Lettres ausgezeichnet. 2019 erhielt er den Prix Femina.
Rezensionen
»Sylvain Prudhomme ist mit diesen kontrapunktischen Erzählebenen ein beeindruckender Roman gelungen, seine charismatischen Charaktere erstarren nie in Klischees, weder in ihrem Hedonismus noch in der Agonie. Daher bohren sie sich in unsere Hirne und Herzen, fragen, wo unsere Sympathien liegen: bei den schillernden Schmetterlingen oder eher bei den beständigen Schafen?« Heinz Gorr Bayern 2

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.04.2019

Wildes Leben,
früher Tod
Sylvain Prudhomme erzählt
von zwei Brüdern aus Arles
Eine Elegie hat Sylvain Prudhomme geschrieben, einen Klagegesang also, zwar in Prosa, aber in einer Sprache, die durch ihren sparsamen Einsatz von Satzzeichen fast so frei strömt wie Poesie. Erzählt wird hier vom wilden Leben und frühen Tod zweier Brüder aus Arles. In der Erinnerung ihrer Freunde sind Fabién und Christian zu den „Legenden“ geworden, die dem Roman seinen Titel geben.
Legenden sind durch ihr unsicheres Verhältnis zur Wahrheit bestimmt. Etwas Außerordentliches hat sich einmal zugetragen, aber was davon überliefert ist, die „Fama“ oder eben die Legende, ist durch viele Hände und Münder gegangen. Keine Legende ohne diejenigen, die sie pflegen, bewahren oder manchmal auch nachbearbeiten. Hier sind es zwei Männer, die sich ein bisschen zufällig in der Chronistenrolle wiederfinden: der Fotograf Nel, der mit seiner Kamera das pastorale Leben in der Crau, einem öden Winkel der Provence, erforscht, und sein englischer Freund Matt, der neuerdings Filme macht.
Zufällig gerät ein längst geschlossenes und nur sporadisch noch mal öffnendes Kult-Lokal aus Nels jungen Jahren in ihren Blick, die „Chou“ oder „Churascaia“ in der Camargue, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren das Partyvolk aus halb Südfrankreich anlockte und einen Ruf genoss für ihre langen Nächte und freien Sitten. Nel und Matt sind so etwas wie die Ethnografen der älteren und inzwischen verschütteten Lebensformen in ihrer Gegend.
Die juvenilen Exzesse in der Chou sind ebenso Vergangenheit wie das Nomadenleben der Schäfer, aber die beiden Freunde finden diese Vergangenheit aufregender als die Gegenwart. Sie selbst sind längst dem wilden Leben entwachsen, haben Familie und Verantwortung, aber irgendwie wirkt die Legende in ihnen nach, auch wenn sie dem Ruf der Wildnis dann nur bei einem Spontanbad in der eiskalt strudelnden Rhône nachgeben.
„Legenden“ ist also der Roman einer Recherche, eine, wenn man will, „oral history“, bei der man den beiden Männerfreunden dabei folgt, wie sie das Leben und Sterben zweier anderer Männer rekonstruieren. Die Geschichte fußt auf einer tatsächlichen Begebenheit, gibt Prudhomme in einer Nachbemerkung zu erkennen. Ein Freund in Arles, der Landschaftsfotograf Lionel Roux, habe ihm von zwei Brüdern erzählt, die in ihrer Schulzeit einen legendären Ruf genossen hätten, so gut aussehend, elegant, risikofreudig und schwer erziehbar, wie sie gewesen seien. Nel, der Fotograf im Roman, war ihr Cousin, und etwas widerwillig lässt er sich auf die Erinnerungsarbeit ein. „Er fragte sich“, heißt es, „ob ihm das gefiel oder nicht. Ob er diese Recherchen wollte. Ob er sie als Gelegenheit nehmen konnte, seinerseits auch an seinen Cousin zurückzudenken, ihn besser kennenzulernen. Er wusste keine Antwort.“ So ist das mit Nel und Matt: Sie fragen sich Dinge, wissen aber öfter keine Antwort. Warum interessiert sie die Geschichte mit den beiden legendären Brüdern und dem ebenso legendären Partyschuppen nun derart, dass daraus gleich ein Film werden soll? In Prudhommes zarter, einfacher, mit einem Modewort „achtsamer“ Erzählung bleibt manches ein wenig untermotiviert, aber das tut ihrer suggestiven Wirkung keinen Abbruch. Junge, attraktive Männer in tollen Klamotten suchen aus Langeweile und um den Mädchen zu gefallen ein bisschen Streit mit anderen Cliquen, vertilgen Riesenmengen Whisky und proklamieren, sehr französisch, dass man entweder wild und gefährlich leben könne oder gar nicht.
„Zéro de Conduite“ oder „Betragen ungenügend“, um Jean Vigos Filmtitel zu zitieren, das hat ästhetisch und als Lebensprogramm viel für sich, jedenfalls wenn das Geschehen unter dem hohen Himmel der Provence spielt.
Je länger die beiden Freunde nun Angehörige und Weggefährten von Fabién und Christian befragen, desto mehr rundet sich das Gehörte zum Porträt einer vergangenen, jetzt schmerzlich vermissten Epoche. Der Name dieser Epoche könnte einfach „Jugend“ sein, als die Phase, in der man vorübergehend wenig Rücksicht auf Verluste nimmt. Die Jugendzeit in diesem Roman trägt darüber hinaus den historischen Index einer bestimmten Zeit, der Achtzigerjahre.
Das wilde Leben hat einen präzisen Preis. Fabién, der sensiblere, intellektuellere der beiden Brüder, kehrt irgendwann ins bürgerliche Leben zurück, wird Steward bei der Lufthansa in Frankfurt und stirbt mit 38 Jahren an Aids. Am selben Tag stirbt, wie es der Zufall will, und weit weg von zu Hause, auch sein Bruder.
Das alles ist längst Vergangenheit, aber in Nel und Matt hat die Legende von den beiden früh abgestürzten Überfliegern etwas ausgelöst. In der letzten Szene des Romans erlebt man sie in der zum fünfzigsten Geburtstag noch einmal geöffneten Chu, eine Flasche J&B kommt auf den Tisch, und nach durchzechter und durchtanzter Nacht geht es mit 120 Sachen im Clio zurück nach Arles. „Und der Wagen flitzte schwerelos dahin.“ Wenn das mal gut geht!
CHRISTOPH BARTMANN
Sylvain Prudhomme: Legenden. Roman. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Unionsverlag, Zürich 2019. 250 Seiten, 22 Euro.
Junge Männer in tollen
Klamotten, Riesenmengen
Whisky – ob das gut geht?
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