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In Hilde Domins Nachlass finden sich weit über tausend Briefe, die sie mit ihrem Mann gewechselt hat: von den Anfängen ihrer Beziehung in Heidelberg, über die Zeit in Italien und Santo Domingo bis zu ihrer endgültigen Rückkehr nach Deutschland.
Die frühen Briefe Hilde Domins aus der Studienzeit in Heidelberg und den gemeinsamen Jahren in Italien zeichnen sich durch Wortwitz, Verspieltheit und weitgehende Unbekümmertheit aus. Sie sind spontane Zeugnisse einer großen Liebe, aber auch eines eigensinnigen Selbstbewusstseins. Beide verfolgen ehrgeizig ihre Studienpläne, machen ihren Abschluss in…mehr

Produktbeschreibung
In Hilde Domins Nachlass finden sich weit über tausend Briefe, die sie mit ihrem Mann gewechselt hat: von den Anfängen ihrer Beziehung in Heidelberg, über die Zeit in Italien und Santo Domingo bis zu ihrer endgültigen Rückkehr nach Deutschland.

Die frühen Briefe Hilde Domins aus der Studienzeit in Heidelberg und den gemeinsamen Jahren in Italien zeichnen sich durch Wortwitz, Verspieltheit und weitgehende Unbekümmertheit aus. Sie sind spontane Zeugnisse einer großen Liebe, aber auch eines eigensinnigen Selbstbewusstseins. Beide verfolgen ehrgeizig ihre Studienpläne, machen ihren Abschluss in Italien und heiraten dort. Als Hitlers Rassegesetze auch in Italien wirksam werden, beginnen die Jahre des Exils. Mit der Ankunft in Santo Domingo nimmt eine ungewisse Zukunft ihren Lauf. Sechs Jahre vergehen, bevor Erwin Walter Palm die Erlaubnis erhält, als Archäologe und Kunsthistoriker den lateinamerikanischen Kontinent zu bereisen. Hilde Domin bleibt oft allein zurück. Heimatlosigkeit und Verlassenheit, dazu eine schwere Ehekrise trüben ihre Stimmung und fördern doch den Durchbruch zur eigenen künstlerischen Existenz, zum lyrischen Schreiben.

Als Lyrikerin wurde Hilde Domin berühmt. Als Briefautorin kann sie nun entdeckt werden. Auf ihr bisheriges Leben und Schreiben werfen ihre Briefe aus 28 Jahren ein überraschend neues Licht.
Autorenporträt
Hilde Domin, 1909 in Köln geboren, studierte Jura, Philosophie und Nationalökonomie. Ihre Studien beendete sie in Florenz. Mit Hitlers Machtergreifung brach die Zeit des Exils an, die Hilde Domin gemeinsam mit ihrem Mann zunächst in England, dann in der Karibik, in Santo Domingo, verbrachte. Nach 22jährigem Exil kehrten sie nach Deutschland zurück. Hilde Domin lebte bis zu ihrem Tod im Februar 2006 in Heidelberg. Als eine der bedeutendsten Lyrikerinnen der Nachkriegszeit erhielt sie zahlreiche Literaturpreise und Auszeichnungen, u.a. 1999 den Jakob Wassermann-Preis der Stadt Fürth und 2005 die höchste Auszeichnung der Dominikanischen Republik für ihr Lebenswerk. Literaturpreise: Hilde Domin erhielt u.a. den Meersburger Drostepreis, 1971, die Heine-Medaille der Heinrich-Heine Gesellschaft, Düsseldorf, 1972, den Roswitha-Preis der Stadt Gandersheim, 1974, den Rilkepreis, 1976, die Richard-Benz-Medaille der Stadt Heidelberg, 1982, den Nelly-Sachs- Preis, Kulturpreis der Stadt Dortmund, 1983, die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland- Pfalz, 1992, den Friedrich Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg v.d.H., 1992, den Preis für Literatur im Exil der Stadt Heidelberg, 1992, den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung, 1995, den Jakob-Wassermann-Preis der Stadt Fürth, 1999, den Staatspreis des Landes NRW, 1999, Verleihung des Ehrenbürgerrechts der Stadt Heidelberg, 2004 und Verleihung des Ordens del Mérito de Duarte, Sánchez y Mella, en el grado de Comméndador der Dominikanischen Republik, 2005. Die Gedichte von Hilde Domin wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Hilde Domin starb am 22. Februar 2006. S. FISCHER VERLAG
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2009

Eine großartige Sekretärin
Erwin Walter Palm wollte ein berühmter Dichter sein, seine Frau Hilde Domin ist es geworden - jetzt erscheinen ihre Briefe an ihn

"Von jetzt an, Sternlein, die eigne Bahn", schreibt Palm, als Domin ihm ihr erstes Gedicht schickt.

So froh und optimistisch haben wohl selten zuvor Emigranten ihr Land verlassen. "Während sie sich hier Sorgen machen und zwischen Politik und Wirtschaft, unserer deutschen Scylla & Charibdis, ein ängstliches Dasein führen, werden wir leben wie die Götter. Es ist eigentlich eine Gemeinheit. Womit haben wir verdient, daß es uns so gut gehen soll?", schrieb die Studentin der Nationalökonomie Hilde Löwenstein an ihren Freund Erwin Walter Palm im September 1932. Ihr gemeinsames Ziel war Italien. Doch die gute Laune beim Verlassen des Landes hatte weniger mit dem Zielort oder einer weltmännischen Lässigkeit als mit der Verkennung der politischen Lage zu tun. Denn anders als Hilde Löwenstein, die nach ihrer Heirat Palm hieß und sich als Dichterin Domin nannte, es später gern darstellte, war es nicht visionäre Früherkennung der politischen Lage, sondern vielmehr deren Verkennung, die sie so früh und scheinbar sorgenfrei das Land verlassen ließ, in das sie und ihr Mann erst 22 Jahre später zurückkehren sollten.

Das ist nur eine der Erkenntnisse, die sich aus der Lektüre des schönen, dramatischen, poetischen, traurigen und romantischen Briefbands gewinnen lassen, der in diesen Tagen, pünktlich zum hundertsten Geburtstag der Dichterin, erscheint. Es ist die Geschichte der Flucht an einen Ort, an den sonst keiner floh, damals, als so viele Juden aus Europa sich in alle Welt verstreuten. Es ist die Geschichte einer sonderbaren Liebe, der Liebe einer modernen, selbstbewussten Frau zu einem selbstbesessenen, machohaften, ganz sich seiner Kunst und seinen Studien widmenden Mann, dem sich die Frau so lange klaglos dienend unterordnet, bis es eines Tages zur Explosion kommt, die das ganze Liebesgleichgewicht zu zerstören droht. Und es ist vor allem die Geschichte einer Dichter-Werdung unter den merkwürdigsten Umständen.

Aber zunächst: die Liebe. Im Sommer 1931 haben sie sich in der Mensa im Heidelberger Marstallhof kennengelernt, der Student der Altphilologie und die damals noch Jura studierende Domin. Eine intellektuelle Liebesbeziehung von Anfang an. In den ersten Briefen wütete sie gegen den "bestgehaßten Tucholsky", gegen einen feigen Artikel des "kompromißlerischen Joseph Roth" in der "Frankfurter Zeitung", sie schreibt über Karl Jaspers, Kant und über Plato, den gemeinsam zu lesen sie sich abends regelmäßig trafen. Später hat sie sich an die Anfänge so erinnert: "Mit den Platoabenden war er allen Rivalen, die in mich verliebt waren, von vornherein überlegen. Es war dies, die gemeinsamen Leseabende, der Beginn einer Lebensform, die sich für uns Jahrzehnte lang bewährt hat, besonders auch in den Jahren der Not." Sie nennt sich Hase in allen Variationen und unterzeichnet meist mit einem Hasenbild, ihn nennt sie Affe, Äffchen, Affi. Eine Studentenliebe in Heidelberg, wie aus dem Lehrbuch der Romantik, so sieht es auch Palm, als er über die Stadt und seine Freundin schreibt: "Ihr zwei gehört nämlich unlöslich zusammen: ihr seid süß und betäubend wer euch einmal geküßt hat ist euch verfallen."

Doch Schwierigkeiten gab es auch, von Anfang an. Beide hatten neben ihrer Beziehung Affären, mehrmals ist ihre Liebe beinahe am Ende, Klagen häufen sich: "Warum sind Deine Briefe so dürr wie die Bäume im Winter?" fragt Domin, um zwei Monate später in einem Geständnisbrief zerknirscht zu schreiben: "Ich habe Dich viel zu lieb, um zuzusehen, wie ich Dich ruiniere." Es pendelt auf beiden Seiten zwischen Liebe und Untreue so hin und her, um sich doch meist wieder in einem Gleichgewicht auszubalancieren. Erst mit der Reise nach Italien schlägt das Pendel zuungunsten Domins aus. Es war ein großer Schritt für sie damals, unverheiratet, als junge Studentin ohne Geld, ihrem Freund ins Ausland zu folgen. Skeptisch stimmten ihre Eltern zu. Kurz vor der Abreise wird sie krank, beinahe flehentlich bittet Domin Palm um einen Aufschub der Reise um ein oder zwei Tage. Das lehnt er ab und fährt allein voraus.

Von jetzt an ist klar, wer dient und wer sich selbst verwirklicht. Domin verdient das Geld mit Sprachunterricht, er widmet sich seinen Studien der Archäologie und Kunstgeschichte. Und vom Beginn des Jahres 1933 an ist auch den sorglosen Studienreisenden klar, dass eine baldige Rückkehr in die Heimat unwahrscheinlich ist. Und auch im Italien Mussolinis wird die Lage für die beiden jüdischen Studenten langsam unsicher. All die praktischen Herausforderungen des Exils hat Hilde Domin für die beiden bewältigt. Sie nennt sich selbst "Hasenmanagerin" und "Bodenmannschaft seines Flugzeugs", er nennt sie später in guten Stunden "eine großartige Sekretärin".

Das Urteil des Lesers dieser Briefe über die beiden wird allerdings etwas ungerecht sein, denn die Herausgeber des Bandes haben sich entschlossen, nur die Briefe Domins zu veröffentlichen und von Palm nur manchmal im Anhang einen Briefausschnitt. Das ist für eine Liebesgeschichte in Briefen eine mehr als ungewöhnliche Entscheidung. Man ahnt allerdings, wenn man im Anhang einige Palm-Briefausschnitte liest, dass man auf die oft langatmigen, verdrechselten, selbstbespiegelnden Briefe des Mannes verzichtet hat, um den Lesern nicht auf die Nerven zu gehen und den Umfang des Bandes nicht auf unhandliche und unverkäufliche 800 Seiten zu verdoppeln. Wahrscheinlich also war es die einzig richtige Entscheidung, sich ganz auf die Briefe Domins zu konzentrieren, denn auch von ihren Schreiben an Palm haben die Herausgeber nur etwa ein Zehntel der vorhandenen für die Edition ausgewählt. Man vertraut sich den Herausgebern letztlich auch gern an, weil die ganze Edition in einem beinahe altmodisch erscheinenden Sinne so vorbildlich ist, so kenntnisreich und zurückhaltend im Anhang kommentiert und die einzelnen Abschnitte so schön biographisch einleitend, dass kaum Zweifel an der richtigen Briefauswahl bestehen bleiben.

Die Briefe Domins sind wunderbar und ergreifend. Man kann die Dichterin schon lesen, als sie noch gar keine Dichterin war. Zwischen Naturbetrachtung, Lebenspraxis, Geldnot, Liebesnot und Einsamkeit kommt langsam die Poetin zu sich selbst. Während Palm sich sucht und sucht. In London entdeckt er bei einem Buchhändler eine García-Lorca-Ausgabe und beschließt augenblicklich Spanisch zu lernen, um García Lorca zu übersetzen. Sie verdient das Geld mit Sprachunterricht, das er gleich für Spanischstunden wieder ausgibt. Palm ist wie ein Kind, das von Begeisterung zu Begeisterung springt und von Not nichts wissen will. Er dichtet und dichtet, sie soll Verlage für ihn finden und berühmte Schriftsteller, die sich für ihn einsetzen, dann will er plötzlich nur noch Dramen schreiben. Und als sie, als einzige Passagiere, nach langer Fahrt den Zielort ihrer langen Flucht, Santo Domingo, erreichen, ist er nur kurz ziellos. "Doch eines Tages stellte er fest, daß die frühen kolonialen Häuser denselben Atrium-Hausplan wie die Häuser in Pompeji haben. Dann ging er von Haus zu Haus und untersuchte, ob und wieviele Bauten nach dem alten römischen Hausplan, der über Spanien in die Neue Welt eingewandert ist, errichtet wurden." Auch wenn Palm noch lange Zeit weltberühmter Dichter und Dramatiker werden will, es werden seine Forschungen zur südamerikanischen Kolonialkunst und -architektur sein, die der Welt im Gedächtnis bleiben.

Und von Hilde Domin: ihre wunderbaren Gedichte. Es nähert sich in diesen Briefen langsam der Moment, in dem es passiert. Sie hat später ihre Geburt als Dichterin immer mit dem Tod ihrer Mutter in Zusammenhang gebracht. Das stimmt auch, es war aber vor allem, wie sich in diesen Briefen zeigt, eine Explosion der Enttäuschung über ihren Mann, dem sie ein Leben lang gedient hatte und der in dem einen Moment, in dem sie ihn wirklich brauchte, als ihre Mutter starb, nicht bei ihr war, sondern eine Affäre mit einer mexikanischen Millionärin begann. Alle Wut und Traurigkeit, die Unfähigkeit zum sachlichen Weiterführen des Dienstbriefwechsels führen sie zur Dichtung. Ihre ersten Gedichte schreibt sie in die Briefe an ihren treulosen Mann. Am Anfang noch lobt er sie dafür aufs schönste: "Von jetzt an, Sternlein, die eigne Bahn." Aber als später ihre Gedichte auch noch gedruckt werden und sie all den Ruhm bekommt, den er zeitlebens für sich erträumte, wird seine Bewunderung dünn und grämlich. Über eines seiner Dramen hatte er einmal zu ihr gesagt, es sei "mehr wert als Dein Leben". Dieser grandiose Selbstüberschätzer wird nun übel bestraft. Es ist ein Wunder, dass die beiden zusammenbleiben, später gemeinsam nach Heidelberg zurückkehren und dort zusammen alt werden. In einem der letzten Briefe des Bandes schreibt Hilde Domin an ihren Mann: "Im übrigen finde ich mich, nach der Selbstanalyse, doch verblüffend modern. Als sei ich eigentlich die Quadratur des Zirkels."

Wenn Palm es nach all den Jahren nicht sieht, muss sie eben auch das ihm selber sagen.

VOLKER WEIDERMANN

Hilde Domin: "Eine Liebe im Exil. Briefe an Erwin Walter Palm aus den Jahren 1931-1959". Hrsg. von Jan Bürger und Frank Druffner. Fischer 2009, 380 Seiten, 19,90 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die aus den Beständen des Marbacher Literaturarchivs veröffentlichten Briefe Hilde Domins an ihren Ehemann Erwin Walter Palm zeigen Manfred Koch, wie vielschichtig der traumatische Komplex am Anfang von Domins Dichterinnenkarriere sich tatsächlich gestaltete. Nicht nur der Tod der Mutter, auch Domins Fehlgeburt, über die Koch in den "furiosen" Briefen erfährt, und die selbstlose Aufopferung für den "egomanen Gatten" im dominikanischen Exil erkennt Koch jetzt als "Movens ihres Schreibens".

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