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Zwischen Geistesblitz und Gelehrtenroutine versammeln die »Vorlesungen zur Naturlehre«, was an Aufzeichnungen Lichtenbergs im Zusammenhang mit seiner Göttinger Lehrtätigkeit bis dato unveröffentlicht geblieben ist.Der Band bietet mit dem Nachdruck von Erxlebens »Anfangsgründe der Naturlehre« einerseits den Ausgangspunkt und Leitfaden für Lichtenbergs Vorlesungstätigkeit. Zum anderen erlaubt er durch den parallelen Abdruck von Lichtenbergs zahlreichen Randbemerkungen einen lebendigen Eindruck von Lichtenbergs Verwendung des Buches in den Vorlesungen und bei der Fortschreibung des Werkes seines…mehr

Produktbeschreibung
Zwischen Geistesblitz und Gelehrtenroutine versammeln die »Vorlesungen zur Naturlehre«, was an Aufzeichnungen Lichtenbergs im Zusammenhang mit seiner Göttinger Lehrtätigkeit bis dato unveröffentlicht geblieben ist.Der Band bietet mit dem Nachdruck von Erxlebens »Anfangsgründe der Naturlehre« einerseits den Ausgangspunkt und Leitfaden für Lichtenbergs Vorlesungstätigkeit. Zum anderen erlaubt er durch den parallelen Abdruck von Lichtenbergs zahlreichen Randbemerkungen einen lebendigen Eindruck von Lichtenbergs Verwendung des Buches in den Vorlesungen und bei der Fortschreibung des Werkes seines früh verstorbenen Freundes. Von den drei erhaltenen Exemplaren aus Lichtenbergs Besitz enthält das der vierten Auflage von 1787 die weitaus meisten Marginalien und steht daher im Mittelpunkt dieser Ausgabe. Lichtenbergs weitere Bearbeitung des Erxleben beleuchten die beigegebenen Vorreden zur fünften bzw. sechsten Auflage sowie die Randbemerkungen zur letzteren. Ein ausführliches Verzeichnisder in den Marginalien oft nur sehr verkürzt angegebenen Literatur dokumentiert Lichtenbergs Rezeption der aktuellen Veröffentlichungen in seinem Fach, das er selbst vor seinen Studenten als in einem »reissenden Fortgang« begriffen charakterisierte.»Man sehe, wie wunderlich die Physik sich unter des klugen und thätigen Lichtenbergs Händen auf Erxlebens schmalem Grunde aufhäuft«, schrieb Goethe am 31. März 1819 an Bernhard August v. Lindenau.
Autorenporträt
Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) war als Schriftsteller und Wissenschaftler tätig. Er war Professor für Physik, Mathematik und Astronomie an der Universität Göttingen. Lichtenberg gilt als erster deutscher Professor für Experimentalphysik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.08.2005

Im reißenden Fortgang
Die naturkundliche Arche Noah der Aufklärung, frisch restauriert: Lichtenbergs Physikvorlesungen nach Erxleben
Jean Pauls Feldprediger Schmelzle ist die Karikatur eines vorsichtigen Menschen. Für seine „Reise nach Flätz” wappnet sich dieser pathologische Angsthase gegen alle nur erdenklichen Gefahren, die er bloß aus Büchern kennt. Bei Lichtenberg findet er einmal den Hinweis auf ein die Atemluft zersetzendes Ferment und fürchtet sich sogleich vor chemischen Attacken. Die Überlegungen des Göttinger Experimentalphysikers, auf die er sich beruft, sind indes keine kühnen Ahnungen moderner Gaskriege oder Giftanschläge, sondern spielen mit dem naturkundlichen Wissen der Zeit. Darüber hielt Professor Lichtenberg - ungleich bekannter durch sein Nebenamt als Aphoristiker und Spötter - seit 1778 regelmäßig physikalische Vorlesungen.
Als Grundlage nutzte Lichtenberg die „Anfangsgründe der Naturlehre” seines Freundes Johann Christian Polykarp Erxleben von 1772. Dieses Lehrbuch war lange Standard, sechs Auflagen in zwei Jahrzehnten sprechen für sich. Erxleben, der sich auch durch Einführung der Veterinärmedizin in Göttingen wie als Gegner der „Phlogiston”-Theorie auf die Seite des Fortschritts stellte, starb 1777, im Erscheinungsjahr der zweiten Auflage. Erst sein Nachfolger Lichtenberg, der das Kompendium von der dritten bis zur sechsten Auflage mit Zusätzen, Verbesserungen und Vorreden versah, führte das Buch zum großen Erfolg.
Zum Auftakt einer auf fünf Bände angelegten kritischen Ausgabe von Lichtenbergs Vorlesungen sind jetzt Erxlebens „Anfangsgründe” auf dem Stand von 1787 neu erschienen. Da unter den drei erhaltenen Handexemplaren Lichtenbergs die vierte Auflage am reichsten annotiert ist, wurde sie für diese ungewöhnliche Edition ausgewählt. Deutlich kann man die Textschichten unterscheiden: Von Erxlebens ursprünglicher Fassung sind zum einen Lichtenbergs gedruckte Zusätze zur dritten und vierten Auflage, zum anderen seine handschriftlichen Marginalien - oftmals in Gestalt von Handskizzen - abgehoben. Ein Anhang erlaubt den Abgleich mit den Bemerkungen zur sechsten Auflage und enthält eine Bibliographie der 1500 Bücher, auf die Lichtenberg am Rande anspielt.
Diese aufwändige Ausgabe markiert wissenschaftsgeschichtlich einen Meilenstein. Erstens wird so das naturkundliche Schulwissen, wie es in den unteren, philosophischen Fakultäten an deutschen Aufklärungsuniversitäten vermittelt wurde, in der exemplarischen Form eines verbreiteten Standardwerks zugänglich. Zweitens gewinnt man durch Lichtenbergs Ergänzungen und Korrekturen einen Eindruck von der Struktur wissenschaftlicher Revolutionen zwischen 1772 und 1794. Er selbst spricht von einem „reissenden Fortgang” im Bereich der Physik. Der hitzige Streit um die bei Verbrennungsprozessen vermeintlich freigesetzte Feuermaterie Phlogiston, die später als Paradefall für Thomas S. Kuhns Theorie des Paradigmenwechsels diente, macht das besonders deutlich. Lichtenbergs Zusätze zu diesem Thema expandieren schlagartig, sein „Kurzer Abriß der Crawfordischen Theorie von Wärme und Feuer” ist alles andere als kurz. Aus seiner Ergänzung eines einzigen Paragraphen Erxlebens sind achtzehn neue auf ebenso vielen kleingedruckten Seiten geworden.
Erxlebens naturkundliche Arche Noah konnte Lichtenberg auf diese Weise ziemlich lange seetüchtig halten. „Ich habe”, schickt er der fünften Auflage voraus, „über ein Paar leck gewordene Stelle wieder ein Paar Bohlen genagelt, in einige Risse Lappen gestopft und manches zur Bequemlichkeit der Equipage an Bord bringen lassen”. Schwer beladen war dieses kosmologische Schiff allenthalben. Von den Körpern und ihren Bewegungen, von ihrer Statik und Mechanik, geht es zur Hydrostatik, von der Luft zu Licht, Wärme und Elektrizität, schließlich vom Weltgebäude zur Erde im Allgemeinen und Besonderen.
Überall finden sich Themen, die auch in der Kultur- und Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts einschlägig sind: Erdbeben und Magnetismus, Auge, Licht und Farbe, Anziehung und Kraft, Mikroskop und Spiegel, Wind und Wolken. Über angeblich gefährliche Fermente hätte Jean Pauls Feldprediger Schmelzle sich hier jedenfalls beruhigen können: Die zersetzende Wirkung von (feuchter) Luft in Form von Rost, Gärung, Fäulnis oder Verwitterung sind alltäglich und erklärbar. Wie Blitz und Donner bleiben sie nur so lange bedrohlich, wie man sie als Naturphänomene nicht durchschaut.
ALEXANDER KOŠENINA
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG: Vorlesungen zur Naturlehre. Lichtenbergs annotiertes Handexemplar der vierten Auflage von J. C. P. Erxleben: „Anfangsgründe der Naturlehre”. Hrsg. v. der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Technischen Universität Darmstadt, bearbeitet v. Wiard Hinrichs, Albert Krayer, Horst Zehe. (= Gesammelte Schriften. Historisch-kritische und kommentierte Ausgabe, Bd. 1). Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 1133 S., 98 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Dieser Band, so kann der Rezensent Bernhard Dotzler nur staunend feststellen, ist ein weiterer Erweis der Außergewöhnlichkeit des Georg Christoph Lichtenberg. Auf den ersten Blick nicht mehr als persönliche Anmerkungen zum physikalischen Standardlehrbuch des jung verstorbenen Johann Christian Polykarp Erxleben, aber die haben es in sich. In der Um- und Verarbeitung, im Hinzufügen unter gleichzeitigem Weiterexperimentieren wird der Band zu etwas anderem, als er war. Nämlich zum Dokument der "Wissenschaft in Aktion", das die heute aktuelle Theorie dessen wissenschaftlichen Fortschritts als Experimentalveranstaltung mit immer offenem Ausgang bereits erahnen lässt. Der Dialog zwischen Lichtenberg und dem verstorbenen Lehrbuchautor ist seiner Zeit weit voraus, erklärt der Rezensent.

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