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Vor 1914 war Kurt Eisner als Redakteur des Parteiorgans «Vorwärts» einerder führenden Intellektuellen der SPD. Dass der brillante Journalist versuchte,der deutschen Sozialdemokratie in theoretischer wie taktischerHinsicht neue Wege aufzuzeigen, zeugte nicht nur von großem Selbstbewusstsein,sondern zugleich von einem höchst eigenständigen politischenKopf. Im Ersten Weltkrieg sagte sich der Pazifist von seiner ehemaligenPartei los und zählte zu denjenigen, die in die USPD übertraten. Eisnerkämpfte für Völkerverständigung und Demokratie und übte als politischerRedner eine charismatische Anziehung…mehr

Produktbeschreibung
Vor 1914 war Kurt Eisner als Redakteur des Parteiorgans «Vorwärts» einerder führenden Intellektuellen der SPD. Dass der brillante Journalist versuchte,der deutschen Sozialdemokratie in theoretischer wie taktischerHinsicht neue Wege aufzuzeigen, zeugte nicht nur von großem Selbstbewusstsein,sondern zugleich von einem höchst eigenständigen politischenKopf. Im Ersten Weltkrieg sagte sich der Pazifist von seiner ehemaligenPartei los und zählte zu denjenigen, die in die USPD übertraten. Eisnerkämpfte für Völkerverständigung und Demokratie und übte als politischerRedner eine charismatische Anziehung auf seine Mitmenschen aus. So wares kein Zufall, dass er zum Anführer der Novemberrevolution in Bayernwurde. In der Nacht zum 8.November 1918 rief er die Republik Bayernaus, wobei er den Begriff «Freistaat» prägte. Als erster bayerischer Ministerpräsidentveröffentlichte er u. a. Dokumente, die den deutschen Anteilam Ausbruch des Krieges belegten, womit er die uneinsichtige deutscheRechte weiter gegen sich aufbrachte. Den Mut, auch unbequeme Wahrheitenoffen auszusprechen, musste er am 21. Februar 1919 mit seinemLeben bezahlen, als er nach der verlorenen Landtagswahl auf demWeg insParlament war, um seinen Rücktritt zu erklären. Bernhard Graus großeBiographie setzt diesem übel diffamierten, großen Deutschen sein verdientesDenkmal.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.06.2017

NEUE TASCHENBÜCHER
Eine neue Sicht–
Bernhard Graus Kurt Eisner-Biografie
Wer ein Stimmungsbild der Ereignisse im München von 1918/ 19 erhalten möchte, greife zu Oskar Maria Graf. „Unschlüssig stand die gestaute Masse da. Es hieß, Eisner würde im Saal sprechen. Die Revolution hatte gesiegt“, schreibt er in seinem gehetzten Bekenntnis „Wir sind Gefangene“.
Wer aber in ruhigem, sachlichem Ton erfahren will, wie es zum Sturz der Monarchie gekommen ist und welche Rolle Kurt Eisner zunächst als Anführer der Novemberrevolution und dann als erster Ministerpräsident gespielt hat bis zu seiner Ermordung durch Anton Graf von Arco auf Valley vier Monate später, der lese Bernhard Graus quellensatte Kurt Eisner-Biografe.
Erstmals 2001 erschienen, ist sie bis heute das Standardwerk über den Journalisten und Politiker, der fast zwei Jahrzehnte lang Mitglied der SPD war, ehe er 1917 der USPD beitrat. Nun liegt es als Taschenbuch vor, allerdings ohne Berücksichtigung der neuesten Forschungsliteratur.
Grau erzählt die Geschichte Eisners nicht vom Ende her. Er erklärt dessen politisches Handeln aus dem Lebenslauf und löst ein, was er als Prämisse so umreißt: „Erst wenn man sich vor Augen führt, welch enorme Bedeutung Eisner in der sozialdemokratischen Presse zukam und welch wichtige Rolle er bei den innerparteilichen Richtungsstreitigkeiten nach der Jahrhundertwende gespielt hat, dürfte es möglich sein, auch sein Wirken als Ministerpräsident in neuem Licht zu betrachten.“
Man liest über Eisners bürgerlich-jüdische Sozialisation ebenso ausführlich wie über den Versuch, Kant und Marx zusammenzudenken. Und Grau würdigt den Journalisten Eisner. Dieser lernte das Handwerk von der Pike auf, ehe er 1898 zum „Vorwärts“ kam, den er modernisierte, bis er ihn 1905 im Streit verließ. So leistet die Biografie Erhebliches: Das verzerrte Bild eines weltfremden Utopisten mit Rauschebart weicht endgültig dem Bild eines Mannes, der durchaus in der Lage war, realpolitisch zu denken und zu handeln. Zeit, dies unter Beweis zu stellen, ließ man ihm jedoch keine. FLORIAN WELLE
Bernhard Grau: Kurt Eisner 1867-1919. Eine Biographie. C.H. Beck Verlag, München 2017. 651 Seiten, 22 Euro.
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"Wer in ruhigem, sachlichem Ton erfahren will, wie es zum Sturz der Monarchie gekommen ist (...), der lese Bernhard Graus quellensatte Kurt Eisner-Biografie."
Florian Welle, Süddeutsche Zeitung, 7. Juni 2017

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2001

Unbeugsamer Eigenbrötler
Ministerpräsident in den Wirren der Revolution 1918/19: Kurt Eisner

Bernhard Grau: Kurt Eisner 1867-1919. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2001. 510 Seiten, 98,- Mark.

Fällt sein Name, hat man meist nur ein Bild im Kopf: den nickelbebrillten, langhaarigen Zausel mit dem krausen Bart. Das berühmte Porträtfoto, das ihn nach seiner Entlassung aus der Haft zeigt, hat ihn so verewigt und bis heute das Diktum über Kurt Eisner zementiert: Er war ein Literat, ein Feuilletonschreiber, ein einfältiger Gelehrter. Daß so einer bayerischer Ministerpräsident werden konnte, war nichts anderes als den Wirren der Revolution von 1918 geschuldet - Zufall, Ironie der Geschichte.

Die Eisner-Forschung, so Bernhard Grau, habe sich von diesem Zerrbild nie richtig gelöst. Daher will er nun Kurt Eisner "Gerechtigkeit widerfahren lassen". Natürlich konzentriert auch er sich auf Eisners letzte Lebensmonate, auf den Zeitraum vom 7. November 1918 bis zum 21. Februar 1919. Als Biograph gilt sein Interesse aber dem gesamten Leben des Mannes, der 1919 Opfer eines Attentates wurde. "Wer Eisners politisches Leben betrachtet, für den ist es keine Paradoxie mehr, daß ausgerechnet der ,weltfremde Phantast', der Idealist, der Bohemien zum Ministerpräsident werden konnte." Denn das Bild vom unpolitischen Gelehrten, den Kriegsende und Revolution unverhofft an die Macht spülten, stimme nicht. Eisner sei in Wirklichkeit ein ausgesprochen politischer Kopf gewesen - ein Mann, der mit Hilfe mitreißender Rhetorik, politischem Instinkt und dem Glauben an die Richtigkeit seiner Sache unerschütterlich dafür gearbeitet hat, daß er 1918/19 zur "Symbolfigur für einen moralisch integeren demokratischen Neuanfang" werden konnte.

Freilich war dem 1867 in Berlin Geborenen ein ganz anderer Lebensweg vorgezeichnet. Aus bürgerlichen jüdischen Verhältnissen stammend, sollte Eisner die Universitätslaufbahn einschlagen. Doch familiäre Veränderungen zwangen den Germanistik- und Philosophiestudenten zum Abbruch des Studiums. Zum schnellen Gelderwerb genötigt, wurde er Journalist. Er habe einen "modernen, auf Breitenwirkung abzielenden Journalismus" verfochten und sei damit bei seinen Vorgesetzten meist "angeeckt".

Grau schildert Eisner als den unbeugsamen Eigenbrötler: einerseits ein brillanter Schreiber und glänzender Stilist, andererseits stets darauf aus, sich nicht vor den Karren anderer spannen zu lassen. Auch nicht vor den der deutschen Sozialdemokratie, zu der Eisner 1898 gerade wegen seines journalistischen Ausnahmetalents "geholt" wurde. Bis 1905 war er leitender Redakteur des SPD-Zentralorgans "Vorwärts". Er machte das Blatt zu einem der auflagenstärksten Periodika im Kaiserreich. Doch als es darum ging, es stramm auf marxistisch-orthodoxen Kurs zu verpflichten, nahm Eisner lieber seinen Hut.

In der Führungsriege der Partei blieb er immer der unsichere Kantonist, dem als spätberufener bürgerlicher Intellektueller kein "Stallgeruch" anhaftete. Als Anhänger der neukantianischen Lehre stand er theoretisch nicht auf dem Fundament des Parteimarxismus, der 1891 im Erfurter Programm formuliert wurde. Mit seinem Verständnis von Sozialismus als einer klassenübergreifenden Bewegung, die sich weniger auf ökonomische Gesetzmäßigkeiten stützte als vielmehr darauf, die Köpfe der Menschen zu gewinnen, saß er innerparteilich zwischen allen Stühlen.

Viele hunderttausend Köpfe konnte er als einer der frühesten und entschiedensten Kriegsgegner in der SPD gewinnen. Anfangs noch davon überzeugt, Deutschland führe einen gerechten Verteidigungskrieg, vollzog er bereits Ende 1914 eine radikale Kehrtwendung und brach aus dem (in seinen Augen für die Sozialdemokratie so verhängnisvollen) Burgfrieden aus. Deutschland trug die Hauptschuld am Ausbruch des Krieges - das stand für Eisner nunmehr fest. Diesen Krieg so schnell als möglich zu beenden, um damit zu beweisen, daß es noch ein besseres, friedliebendes Deutschland gebe, galt fortan sein ganzes Streben.

Warum sich gerade Eisner berufen fühlte, 1918 das Deutsche Reich gegenüber den alliierten Kriegsgegnern zu vertreten und für humane Friedensbedingungen zu werben, fragt Grau. Die Antwort liefert er gleich mit: Es war Eisners ausgeprägtes Sendungsbewußtsein, die moralische Integrität, die er als einer der Kriegsgegner der ersten Stunde für sich reklamierte. Aber leitete er daraus zu Recht ab, daß nur er Sprecher dieses besseren Deutschlands sein könne? Grau spricht es ihm nicht rundweg ab, stellt es aber deutlich in Frage. Eisner habe als bayerischer Ministerpräsident keinen Anspruch darauf erheben können, das Reich nach außen zu repräsentieren.

Für einen Biographen geht Grau mit seinem "Helden" ein wenig zu heftig ins Gericht: "Selbst mit dem Abstand vieler Jahrzehnte fällt es schwer, einen objektiven Standpunkt zu finden." Daher beschränkt er sich weitgehend darauf, die zeitgenössischen Urteile über Eisners Person und Politik wiederzugeben. Ein bißchen mehr Wertschätzung hätte Eisner schon verdient. Ganz gleich, ob seine Politik zur damaligen Zeit chancenlos war, weil sie zu idealistisch und weltfremd war. Eisner erkannte die Probleme dennoch in einer fast schon visionär zu nennenden Weitsicht. Er wollte die schonungslose Benennung derjenigen, die an Krieg und Niederlage die Schuld trugen. Als diese nicht stattfand, prognostizierte er, daß man die sich als "Konkursverwalter" des alten Regimes verstehende Sozialdemokratie für die Niederlage verantwortlich machen werde. So sah er die "Dolchstoßlegende" voraus, noch bevor sie geboren wurde.

HANS CHRISTOF WAGNER

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Für gründlich recherchiert, insgesamt zu lang und manchmal etwas selbstgerecht hält Christoph Jahr die neue Eisner-Biografie, die dem ermordeten bayrischen Ministerpräsident der Münchener Republik einen gebührenden Platz in der deutschen Geschichte zuweist: als "realistischer Utopist", schreibt Jahr, und pragmatischer Visionär. Um die ganze Person zu erfassen, habe sich der Autor keineswegs auf Eisners kurze Amtszeit als Ministerpräsident beschränkt, sondern auch die bürgerliche Herkunft aus jüdischem Elternhaus berücksichtigt und seinen politischen Werdegang durch SPD und USPD beschrieben. Als politischen Spinner und "weltfremden Phantasten" könne man Eisner in Zukunft nicht mehr abtun, so Jahr. Der Zeitpunkt von Eisners Ermordung als Anfang vom Ende linker Experimente und bayrischer Liberalität bedeutet für den Rezenten auch "über vertane Alternativen der deutschen Geschichte nachzudenken".

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