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Produktdetails
  • Verlag: Beck
  • Originaltitel: Palmyre. L'irremplaçable trésor
  • 2. Aufl.
  • Seitenzahl: 127
  • Erscheinungstermin: 20. Juni 2023
  • Deutsch
  • Abmessung: 202mm x 124mm x 11mm
  • Gewicht: 165g
  • ISBN-13: 9783406807879
  • ISBN-10: 3406807879
  • Artikelnr.: 67584477
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.06.2016

Es war einmal ein Traum

Wer das einmal gesehen hat, wird es nie vergessen. Nach stundenlanger Fahrt durch eine staubige Wüste tauchte wie eine Fata Morgana ein architektonisches Wunder auf: Tempel und Prozessionsstraßen, ein riesiges Amphitheater, eine Agora, hochragende Säulen und kunstvoll verzierte Kapitelle und über allem eine arabische Burg, gebaut aus einem Stein, der sich tagsüber wie ein Chamäleon verwandelt - grau im Morgenlicht, in strahlendem Weiß am Mittag und golden glühend, wenn die Sonne versinkt. Das alles gibt es so nicht mehr, seit in einem Akt sinnloser Barbarei die Anführer des "Islamischen Staates" große Teile Palmyras zerstören ließen und noch dazu, als sei dies nicht schon Brutalität genug, den zweiundachtzig Jahre alten Khaled al-Asaad umbrachten, der ein halbes Leben lang diesen Schatz gehütet hatte. Man möchte schreien über solch eine Untat an einer Anlage, die tausend Jahre Menschheitsgeschichte repräsentiert, aber inzwischen hat sich der kurze Sturm der Entrüstung schon wieder gelegt angesichts neuer Schrecken, die auf der Tagesordnung stehen. Umso wichtiger ist es, das Andenken wachzuhalten. Auch wenn es fast ein wenig rührend wirkt, wenn der greise französische Althistoriker Paul Veyne die Metropole in der Wüste so beschreibt, als wäre nichts geschehen und nur ein paar Bilder mit dem Vermerk "zerstört" versehen sind, ist sein kleines Buch weit mehr als ein Requiem, weil hier Wissen vermittelt wird. Mit erkennbarer Lust am Erzählen entsteht das Bild einer urbanen Konstruktion, in der nicht nur die Waren der Welt umgeschlagen wurden, sondern sich Kulturen aus Ost und West begegneten und von der Ströme neuer Ideen ausgingen. Und noch ein zweiter Aspekt macht diese knapp hundertfünfzig Seiten über die - wie es im Klappentext heißt - "geschändete Königin der Wüste" bedeutsam: Sollte es irgendwann in Friedenszeiten gelingen, Teile des Zerstörten zu rekonstruieren, wird man für diesen Blick auf Palmyra dankbar sein.

tg

"Palmyra - Requiem für eine Stadt" von Paul Veyne. Verlag C. H. Beck, München 2016. 127 Seiten, 13 Abbildungen. Gebunden, 17,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bisweilen ähnelt die Lektüre von Paul Veynes Buch der Arbeit eines Archäologen, meint Rezensentin Sonja Zekri: viele Details, die auch schon mal ins Nichts führen. Dass der französische Historiker mitunter abschweift, bedauert die Kritikerin zwar, es scheint ihr Lesevergnügen aber kaum zu schmälern. Zu sehr fasziniert sie die Geschichte der antiken Oasenstadt Palmyra im heutigen Syrien. Dass der IS gerade dort wütete, scheint der Rezensentin fast folgerichtig, schließlich sei die Stadt Veynes Buch zufolge "der Stein gewordene Gegenentwurf für jede Form von Ausgrenzung". Das einstige friedliche Nebeneinander unterschiedlicher Glaubensrichtungen in Palmyra, von dem Veyne erzähle, mute nur aus heutiger Sicht erstaunlich an, in der Antike sei das Fremde ausdrücklich positiv konnotiert gewesen. Heute ist das ein geradezu "verwegener Gedanke", findet Zekri.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.04.2016

Requiem für Palmyra
Der Althistoriker Paul Veyne erzählt die Geschichte der zerstörten Stadt
Am Ende der Lektüre wirkt die Barbarei fast logisch. Welcher Ort könnte die Kulturzertrümmerer des sogenannten Islamischen Staates mehr reizen als Palmyra? Welche Stadt widerspräche mehr ihren primitiven Reinigungsfantasien? Palmyra, dieser antike Hybrid, wo sich die Würdenträger griechisch oder arabisch kleideten, Aramäisch oder Lateinisch sprachen, wo mesopotamische, syrische, phönizische, auch persische und natürlich arabische Einflüsse aufeinandertrafen, „das Ganze zusammengehalten von griechischer Kultur und römischer Politik“, wie Paul Veyne in „Palmyra – Requiem für eine Stadt“ schreibt, Palmyra ist der Stein gewordene Gegenentwurf für jede Form von Ausgrenzung, Abgrenzung einer Kultur – Religion, Volksgruppe – gegenüber einer anderen.
  Ein Jahr lang hielten die Terrorkrieger des IS Palmyra besetzt, sprengten den Baal- und den Baalschamin-Tempel, zerstörten die Löwenstatue, ermordeten vor den Kolonnaden im Theater 25 syrische Soldaten, folterten und töteten den Archäologen und einstigen Antikenchef Palmyras Chaled al-Asaad. Paul Veyne, der französische Archäologe, hat dem syrischen Wissenschaftler diesen kleinen Band gewidmet. Auf entsetzlichere Weise hat kaum je ein Archäologe einen Kollegen verloren.
  Inzwischen haben syrische und russische Truppen die Ruinenstadt zurückerobert, und das Assad-Regime lässt Journalisten das gerettete Weltkulturerbe gern filmen. Nur ist die Toleranz, für die Palmyra einst stand, dem heutigen syrischen Regime ebenso fremd wie den Islamisten.
  Nur aus heutiger Perspektive ist das antike Nebeneinander ja überhaupt ungewöhnlich. Antike Reiche waren, zumal in Glaubensfragen, meist erstaunlich duldsam gegenüber fremden Göttern und Riten. Die Übernahme fremder Gebräuche galt in der Geschichte sogar sehr häufig als Modernisierungsgewinn, schreibt Veyne, die andere Kultur wurde als „richtige Art zu leben“ betrachtet, „die man dem Fremden, der sie ja nur als Erster besessen hat, nicht als dessen Privileg überlassen mag“. Fremde Kultur als Privileg, um das man sich bemühen muss, um das es einen regelrechten Wettbewerb gab? Ein verwegener Gedanke.
  Die Geschichte Palmyras, schreibt Veyne sehr hübsch, war jene einer „kleinen Gesellschaft an den Grenzen der großen Zivilisation“, und dummerweise weist er der Stadt diese Randlage oft auch in seinem Band zu. Dann schweift er ab in die Weiten antiker Geopolitik, in Betrachtungen über persisches Expansionsstreben und römische Machtkämpfe, wie die Lektüre gelegentlich überhaupt ein wenig der mühevollen Rekonstruktionsarbeit der Archäologen ähnelt: viele spannende Fragmente, manche Spuren ins Nichts.
  Zu den wenigen Figuren, die der Leser kennenlernt, gehört vor allem Zenobia, die berühmteste Herrscherin Palmyras. Bis heute gilt sie in der Region als Inbegriff einer modernen Araberin, eine bildungshungrige Weltpolitikerin, die in ihrem Kampf gegen das römische Imperium als modellhaft gilt. Veyne schildert, wie sie sich mit Gelehrten und Philosophen wie dem Lakoniker Longinus umgab, dem neuartigen Monotheismus zuneigte, besonders dem Judentum, das Veyne als „Religion der Avantgarde“ beschreibt.
  Vor allem aber, so Veyne, hatte sie große, ja, irrwitzige Pläne. Ermutigt durch die Schwäche Roms nach 200 Jahren Staatsstreichen und Kämpfen unter Thronanwärtern wollte sie nicht nur ihren Einfluss erweitern. Sie marschierte nach Anatolien, denn „sie wollte alles, sie wollte Rom“.
  Sie scheiterte. Der römische Herrscher Aurelian zog ihr entgegen, drängte sie zurück ins heutige Syrien, nach Homs, schließlich nach Palmyra. Die Königin wurde gefangen genommen. Ob sie im Triumphzug nach Rom gebracht und enthauptet wurde oder dort in goldenen Ketten vorgeführt und begnadigt und mit einem Senator verheiratet wurde oder doch, ganz prosaisch, einer Krankheit erlag auf dem Weg nach Rom – alles ist denkbar.
  Bis heute wissen die Archäologen nicht einmal, wie sie aussah. Griechisches Profil? Hakennase? Unzweifelhaft ist nur, dass mit ihrer Niederlage im Jahr 272 die zweitausendjährige Geschichte der offenen, lebensfrohen Karawanen- und Handelsstadt endete. Und ihr Nachleben als Ruinenstadt, so weiß man heute, war alles andere als ruhig.
SONJA ZEKRI
            
Paul Veyne: Palmyra. Requiem für eine Stadt. Aus dem Französischen von Anna Leube und Wolf Heinrich Leube. Verlag C.H. Beck, München 2016. 128 Seiten, 17,95 Euro. E-Book 13,99 Euro.
In Trümmer gelegt – die Statue des Löwen von Al-Lat in Palmyra.
Foto: H. Ammar/AP
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"Kaum einer könnte berufener davon erzählen als der hochbetagte französische Althistoriker Paul Veyne."
Der Freitag, 3. März 2016