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Vom Reichsnaturschutzgesetz bis zur Landschaftsplanung in den »eroberten Ostgebieten« und dem Reichsautobahnbau, vom Antisemitismus in der Naturschutzbewegung bis zum Umgang mit der NS-Vergangenheit nach 1945 - die Beiträge dieses Bandes disktuieren erstmals umfassend, mit welchem Erbe sich der heutige Natur- und Umweltschutz auseinandersetzen muss.

Produktbeschreibung
Vom Reichsnaturschutzgesetz bis zur Landschaftsplanung in den »eroberten Ostgebieten« und dem Reichsautobahnbau, vom Antisemitismus in der Naturschutzbewegung bis zum Umgang mit der NS-Vergangenheit nach 1945 - die Beiträge dieses Bandes disktuieren erstmals umfassend, mit welchem Erbe sich der heutige Natur- und Umweltschutz auseinandersetzen muss.
Autorenporträt
Joachim Radkau ist Professor für Neuere Geschichte, Frank Uekötter wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Universität Bielefeld.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.01.2004

Die Erzeugungsschlacht
Ein Sammelband über „Naturschutz und Nationalsozialismus”
Raum, Landschaft und Umweltschutz sind politisch und kulturell keine eindeutigen Kategorien. Als sich vor fünfundzwanzig Jahren die „Grünen” zur Partei formierten, wurden darin Konservative und Linke, Bauern und Adelige, Rückwärtsgewandte und Zukunftsselige umstandslos integriert. Heute betreiben Fischer, Künast und Trittin Realpolitik, und gerade das bunte Volk, das sie in die Regierungsverantwortung trug, setzt ihnen zu. Um nicht auch noch historisch bedrängt zu werden, regte der Umweltminister vor zwei Jahren eine Klärung der Verbindung zwischen Naturschutz und Nationalsozialismus an. Die Beiträge der Tagung vom Juli 2002 sind kürzlich erschienen. Die Herausgeber verstehen den Sammelband als Zwischenbilanz der bisherigen Forschungen und verweisen darauf, wie vorläufig die Ergebnisse noch immer sind.
Können die Nationalsozialisten als Vorläufer der grünen Bewegung bezeichnet werden? Immerhin erließen sie 1935 innerhalb von zwei Wochen ein Naturschutzgesetz, das bis 1976 nahezu unverändert in Kraft blieb. War Reichsernährungsminister Richard Walther Darré ein früher Anthroposoph? Ist die landschaftliche Einbindung deutscher Autobahnen nicht bis heute vorbildlich? Oder muss der Naturschutz auf Hermann Görings Jagdleidenschaft zurückgeführt werden, der er möglichst ungestört nachgehen wollte? Ist Darré nicht vielmehr ein Rassist gewesen, der Pflanzen und Menschen gleichen Maßstäben unterwarf (Gesine Gerhard)? Und wollten die „Landschaftsanwälte” beim angepassten Bau von Straßen nur deren Tarnung verbessern (Hansjörg Küster)?
Solche Fragen werden von den 18 Beiträgen auch wegen der moralischen Problematik diskutiert, dass die falschen Leute das scheinbar Richtige tun (Joachim Radkau). Wie soll mit einem Erbe umgegangen werden, das totalitären Zwecken diente, nach 1945 aber in Ost- und Westdeutschland nahezu unverändert übernommen wurde (Andreas Dix, Jens Ivo Engels)? Schließlich sind der Autobahnbau, der Heimat- und der Tierschutz mythenträchtige Belege für die Behauptung, die Nationalsozialisten hätten - wenigstens anfangs - keine so falsche Politik betrieben.
Der Band veranschaulicht, dass die Umweltschützer nach 1933 energisch versuchten, ihre Vorstellungen von einer ganzheitlich und „organisch” gestalteten Landschaft zu verwirklichen oder Reservate einer angeblich deutschen „Urlandschaft” zu bewahren (Ludwig Fischer). Dabei dienten Naturschutz und Ressourcenschonung auch als Deckmantel für die nationalsozialistische Energiepolitik, die immer offensichtlicher auf einen neuen Krieg zusteuerte. Nach den rechtlichen Kodifikationen der ersten Jahre wurde immer weniger vom Umweltschutz, und immer mehr von einer „Erzeugungsschlacht” gesprochen (Edeltraud Klueting). Das Dritte Reich wirtschaftete ökologisch nicht bewusster als andere Industriegesellschaften, auch wenn vom „Kampf dem Verderb” vielleicht mehr Aufhebens gemacht wurde (Karl Ditt).
Der Wald vor und nach 1945
Neue Qualitäten zeichneten sich nur in den Planungen für ein „deutsches Osteuropa” ab. Dessen Raum wurde nach „Blut und Boden”-Kriterien in „Ergänzungs-, Umbau- und Neubauzonen” eingeteilt. Beim Versuch zur militärischen Umsetzung wurde der polnische und sowjetische Boden mit derart viel Blut getränkt, dass Begriffe wie „Kulturlandschaft”, „Raumordnung” und sogar „Wald” dort bis heute einen negativen Beiklang haben (Klaus Fehn). Für Naturschützer wie Walter Schoenichen und Alwin Seifert bildete das Jahr 1945 dennoch keine Zäsur (Thomas Zeller). Wie andere „Experten” gaben auch sie vor, wertfrei der Sache gedient zu haben. Diese historische Bewusstlosigkeit führt dazu, dass sich manche Heimatvereine bis heute auf höchst problematische Traditionsbestände beziehen (Rüdiger Haufe).
Der anregende Band verweist einmal mehr auf die Potentiale, aber auch auf die ungelösten Probleme der Umweltgeschichte. Zugleich gibt er aktuellen Fragen historische Tiefenschärfe: Muss das Gleichgewicht von Ökosystemen statisch oder dynamisch aufgefasst werden? Wo rechtfertigt der Umweltschutz staatliche Eingriffe in die private Eigentumsordnung? Wie verhalten sich die Rechte der Menschen und der Natur zueinander? Und kann man sich der Natur auch emotional nähern, ohne gleich wieder vom „deutschen Gemüt” zu reden? Es wäre hilfreich, wenn solche Fragen, etwa über die „Grünen”, in die heutige Realpolitik zurückwirkten.
DIRK VAN LAAK
JOACHIM RADKAU, FRANK UEKÖTTER (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus. Campus Verlag, Frankfurt am Main und New York 2003. 487 Seiten, 49,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Dirk van Laak zeigt sich recht angetan diesem von Joachim Radkau und Frank Uekötter herausgegebenen Sammelband über "Naturschutz und Nationalsozialismus", der in 18 Beiträgen der Frage nachgeht, ob und inwiefern, die Nationalsozialisten Vorläufer der grünen Bewegung waren - schließlich erließen die Nazis 1935 ein Naturschutzgesetz, das bis 1976 nahezu unverändert in Kraft blieb. Die Autoren gehen dabei recht unterschiedlichen Fragen nach: War Reichsernährungsminister Richard Walther Darre ein früher Anthroposoph? Muss der Naturschutz auf Hermann Görings Jagdleidenschaft zurückgeführt werden, der er möglichst ungestört nachgehen wollte? Ist die landschaftliche Einbindung deutscher Autobahnen nicht bis heute vorbildlich? Wie der Rezensent berichtet, diskutieren die Autoren solche Fragen auch wegen der moralischen Problematik, "dass die falschen Leute das scheinbar Richtige tun". Wenn die Umweltschützer nach 1933 energisch versuchten, ihre Vorstellungen von einer "organisch" gestalteten Landschaft zu verwirklichen oder Reservate einer angeblich deutschen "Urlandschaft" zu bewahren, so dienten Naturschutz und Ressourcenschonung auch als Deckmantel für die nationalsozialistische Energiepolitik, die immer offensichtlicher auf einen neuen Krieg zusteuerte, referiert van Laak. Insgesamt habe das Dritte Reich ökologisch nicht bewusster als andere Industriegesellschaften gewirtschaftet, auch wenn vom "Kampf dem Verderb" mehr Aufhebens gemacht worden sei.

© Perlentaucher Medien GmbH
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"Insgesamt ein spannendes und für einen wissenschaftlichen Sammelband auch sehr lesbares, unbedingt empfehlenswertes Buch." (Naturschutz heute)

"Das Buch bietet Gelegenheit, sich facettenreich und ausführlich über den Naturschutz von 1933 bis in die 1950er-Jahre zu informieren. Die Aufarbeitung der jüngeren Naturschutzvergangenheit kommt so einen großen Schritt weiter. Ein eifriges Studium des Bandes ist unbedingt zu empfehlen." (Natur und Landschaft, 01.09.2003)

Der Führer isst Bio-Gemüse
"Ein Buch, das differenzierte Antworten auf die Frage gibt: Wie grün waren die Nazis?" (Die Welt, 25.10.2003)

Naturschutz und Nationalsozialismus
"Ein sehr guter Einblick in den Stand der Forschung." (Bund Magazin, 01.11.2003)

Die Erzeugungsschlacht
"Der anregende Band verweist auf die Potentiale, aber auch auf die ungelösten Probleme der Umweltgeschichte. Zugleich gibt er aktuellen Fragen historische Tiefenschärfe." (Süddeutsche Zeitung, 20.01.2004)