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Wissen, so lautet die unausgesprochene Maxime der Humanisten und Polyhistoren der Frühen Neuzeit, kann man nie genug erwerben. Riesige Bibliotheken und Kunstkammern sowie voluminöse Abhandlungen, Geschichtswerke und Enzyklopädien geben noch heute eindrucksvoll Rechenschaft von dieser Leidenschaft. Doch wächst mit der Größe jeder Sammlung auch die Notwendigkeit ihrer Ordnung. Es ist daher kein Zufall, dass "Ordnung" zum Schlüsselbegriff des humanistischen Enzyklopädismus aufgestiegen und zum Gegenstand hartnäckiger Auseinandersetzungen unter den Gelehrten geworden ist.
In Steffen Siegels
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Produktbeschreibung
Wissen, so lautet die unausgesprochene Maxime der Humanisten und Polyhistoren der Frühen Neuzeit, kann man nie genug erwerben. Riesige Bibliotheken und Kunstkammern sowie voluminöse Abhandlungen, Geschichtswerke und Enzyklopädien geben noch heute eindrucksvoll Rechenschaft von dieser Leidenschaft. Doch wächst mit der Größe jeder Sammlung auch die Notwendigkeit ihrer Ordnung. Es ist daher kein Zufall, dass "Ordnung" zum Schlüsselbegriff des humanistischen Enzyklopädismus aufgestiegen und zum Gegenstand hartnäckiger Auseinandersetzungen unter den Gelehrten geworden ist.

In Steffen Siegels Untersuchung werden die vielfältigen philosophischen Versuche, die Fülle des Wissens systematisch zu ordnen, nicht allein anhand der Überlieferung von Texten rekonstruiert. Im Zentrum dieser reich illustrierten Studie, die bei mittelalterlichen Wissenspraktiken ihren Ausgang nimmt, sich insbesondere den vielschichtigen Bildkulturen des 16. und 17. Jahrhunderts widmet und einen Ausblick auf moderne Visualisierungstechniken bietet, steht die faszinierende Vielfalt jener Bilder, die Ordnungen des Wissens als sichtbare Figuren vor Augen rückten. Die Bedeutung von Schautafeln und Bildallegorien, von wissenschaftlichen Illustrationen und Karten wird, mit Blick auf die Frage nach möglichen Ordnungen des Wissens, in diesem Buch zum ersten Mal übergreifend analysiert.

Ein Akzent der Untersuchungen liegt auf der bislang nur wenig erforschten Geschichte des Diagramms in der Frühen Neuzeit. In der Mitte zwischen den Darstellungsmöglichkeiten von Bildern und Texten, standen insbesondere diagrammatische Schemata im Dienst der Konstruktion und der Beglaubigung von Ordnungen des Wissens. Anhand der reichen Tradition frühneuzeitlicher Diagramme lassen sich in hervorragender Weise die Potentiale, aber auch die Probleme eines Zusammenspiels von Wissens-, Ideen- und Mediengeschichte in der Zeit um 1600 ablesen und profilieren.

Mit den im Jahr 1587 in Paris publizierten Tableaux legte Montaignes Zeitgenosse Christophe de Savigny eines der erstaunlichsten und reichsten Zeugnisse frühneuzeitlicher Kunst im Dienst einer solchen Wissensgeschichte vor. Das Tafelwerk steht daher im Mittelpunkt der Untersuchungen zu den Figuren enzyklopädischer Wissensordnungen. Erstmals seit seiner Publikation vor über fünfhundert Jahren wird dieses sehr selten gewordene, für die Gelehrtenkultur des 16. Jahrhunderts äußerst repräsentative Werk hier vollständig und in einer farbigen Reproduktion wieder zum Druck gebracht.

Die komplexen Strategien, mit Hilfe von Bildern, Diagrammen und Texten für eine bestimmte Wissensordnung zu argumentieren, lassen sich auf diese Weise an einer bedeutenden Quelle der vormodernen Gelehrtengeschichte minutiös nachvollziehen. Die Fülle des Wissens und die Möglichkeiten seiner Ordnung werden dabei als Herausforderungen sichtbar, die in gleicher Weise das Interesse der Kunstgeschichte und der Kulturwissenschaft, der Wissenschafts- und Pädagogikgeschichte und der Philosophie berühren.
Autorenporträt
Juniorprofessur für Ästhetik des Wissens
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2009

Übersichtlich ist das Wissen im Oval

Diagramme und Bilder müssen in der Wissenschaft der Neuzeit für Ordnung sorgen: Steffen Siegel hat dafür faszinierende Beispiele zur Hand.

In den Kulturwissenschaften ist viel von "Wissen" die Rede. Wissen wird dabei nicht als kohärenter Korpus wahrer Meinungen verstanden, nicht als Erkenntnis, sondern als vielfältig artikulierter Bestand an Informationen und Verhaltensweisen, der einer Epoche zur Verfügung steht und von ihr hervorgebracht wird. Wissen wird, so Foucault, in diskursiven Praktiken generiert und stellt eine Vorbedingung für Erkenntnis dar. Der Kulturwissenschaftler untersucht, wie der Wissensbestand geordnet wird. Insbesondere der frühen Neuzeit stellte sich angesichts eines durch Entdeckungen und Buchdruck drohenden "informational overload" diese Frage nach der Ordnung des Wissens in verschärfter Weise. Während etwa der Cartesianer mit dem großen Wegwerfen beginnt, macht sich der Enzyklopädist daran, überkommenes und neues Wissen zu ordnen. Seine emphatische Forderung - und Überforderung - lautet: Das ganze Wissen auf einen Blick!

In der damit anvisierten synoptischen Totale spielt Sichtbarkeit eine herausragende Rolle. Steffen Siegel situiert seine kunstwissenschaftliche Studie über "Figuren der Ordnung um 1600" im Umkreis der Wissensgeschichte. Die Arbeit achtet nicht nur auf die Wissensordnung, sondern auch auf den damit erhobenen Anspruch auf Vollständigkeit und Verbindlichkeit. Siegels Augenmerk richtet sich auf Bilder, Tafeln, Rahmen und Diagramme als Visualisierungen dieses Anspruchs. Ihn interessiert das "Zusammenspiel sichtbarer und lesbarer Zeichen" um 1600. Die Zeitangabe ist großzügig gemeint, finden sich doch in diesem reich bebilderten und von der Graphik-Designerin Petra Florath attraktiv gestalteten Buch Bildund Textzeugnisse aus rund zweihundert Jahren.

Buchstäblich im Zentrum steht das aus neununddreißig Tafeln bestehende enzyklopädische Werk "Tableaux accomplis de tous les arts libéraux" (1587) des Christophe de Savigny: Auf je sechzehn Bild- und Texttafeln, allesamt hervorragend reproduziert, werden die Künste und Wissenschaften dargestellt, von der grundlegenden Grammatik bis zur krönenden Theologie. Auf einen Blick erfasst der Betrachter die Ordnung der Disziplinen. Jede Bildtafel besteht aus einem gleichbleibenden ornamentalen Außen- und einem variablen mit Schrift- oder Bildelementen ausgestatteten Innenrahmen, die zusammen ein Oval umfassen. In den Ovalen werden die Unterbereiche der Disziplinen von links nach rechts in binären Verzweigungen stichwortartig in sprechblasengleichen Zellen aufgefächert. Die Ovale der visuell attraktivsten unter den Bildtafeln enthalten piktorale Elemente, die Bild und Text vereinen.

Der Autor verortet Savignys Werk im Kontext der frühneuzeitlichen Wissensexplosion und stellt die Tafeln in die Tradition allegorischer Darstellungen des Wissensbaums. Der diagrammatischen Gestalt der Bildtafeln wird gemäß der Forderung, das Diagramm als eigenständige Form jenseits von Text und Bild zu betrachten, besonderes Gewicht gegeben. Die Kombination von Bildern und Texten wird im Anschluss an P. Wagner als "Ikonotext", die Eigenständigkeit der Rahmungen im Anschluss an Derrida als "Parerga", die Visualisierung von Wissen im Anschluss an R. Campe als "Verfahren der Evidenzherstellung" betrachtet.

Siegels Tabula ist, wie Savignys Tableaux, ein Buch aus sicht- und lesbaren Zeichen. Gut ist es um die Sichtbarkeit bestellt. Weniger gut um die Lesbarkeit. Die vielen Anschlüsse deuten es an: Anders als der visuellen fehlen der intellektuellen Gestaltung Eigenständigkeit und Trennschärfe. Theoretische Fragen - nach dem Verhältnis von Bild und Argument, Bild und Text, Bild und Diagramm - werden angeschnitten, nicht zerlegt. Das Vokabular passiert unreflektiert. Die Beschreibungen von Savignys Bildtafeln sind zwar immer wieder erhellend, doch finden sich auch Repetition und bemühte Deskription.

Nun formuliert Siegel aber doch gleich eingangs diese Thesen: "Die Ordnung des Wissens wird durch die Ordnung visueller Zeichen legitimiert", und die "Ordnung visueller Zeichen macht die Aporien der Versuche, Ordnungen des Wissens zu konstruieren, sichtbar." Ach ja, diese Doppelthesen, die etwas zugleich zur Bedingung der Möglichkeit und der Unmöglichkeit von etwas machen! Man fragt sich, was nun in diesem Zusammenhang Legitimation heißen soll, wenn visuelle Zeichen eine Wissensordnung zugleich legitimieren und in die Aporie führen.

Glücklicherweise nimmt der Autor die zweite These im Verlauf des Buchs gar nicht mehr explizit auf. Die erste These scheint sagen zu wollen: Eine Wissensordnung muss sich als "notwendig rechtfertigen", sie darf kein beliebiges Konstrukt, sondern muss der Ordnung der Schöpfung selbst abgeschaut sein. Es vermag aber kaum zu überzeugen, dass allein der Bezug auf die Tradition allegorischer Baumdarstellungen die damit insinuierte Natürlichkeit in die von baummimetischen Bezügen völlig freien Diagramme Savignys zu transportieren vermag. Beim schließlichen Comeback der These am Ende des Buchs werden visuelle Mittel denn auch gar nicht mehr zur Legitimation eingesetzt, sondern dienen "dem Aufweis und der Stabilisierung einer als gültig genommenen Ordnung des Wissens".

Doch wird diese Ordnung ganz unabhängig von genuin visuellen Mitteln als gültig genommen, kann sie zwar mit Bild und Diagramm illustriert, nicht aber legitimiert werden. Nein, damit soll nicht gesagt sein, dass Bildern kein eigener Gehalt zukomme. Doch Siegel gelingt es nicht, plausibel zu machen, dass Bildelemente epistemische Eigenständigkeit erhalten. Dass Bild und Diagramm eine autonome argumentative Funktion übernehmen, wird nicht aufgewiesen, nur mitgeführt.

Es will sich, trotz der vielfältig erhellenden Bezüge, kein rechtes Gleichgewicht zwischen dem Fokus auf Savigny und der Materialaufbereitung herstellen. Man könnte meinen, der Autor habe sich letztlich nicht recht entscheiden können, ob er eine Arbeit über Savigny schreiben oder dessen Tableaux als exemplarisches Werk für Wissensordnung um 1600 präsentieren soll. Wer sich für die historischen, pragmatischen und philosophischen Aspekte der herrlichen Tableaux interessiert, insbesondere für die von Siegel vernachlässigten Texttafeln, kann übrigens auf zwei fast gleichzeitig erschienene Bände der Philosophiehistorikerin Annarita Angelini, "Metodo ed enciclopedia nel Cinquecento francese", zurückgreifen. Der zweite Band ist den Tafeln Savignys gewidmet.

MARKUS WILD.

Steffen Siegel: "Tabula". Figuren der Ordnung um 1600. Akademie Verlag, Berlin 2009. 213 S., 62 s/w- und 39 Farb-Abb., geb., 39,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fasziniert hat Rezensent Markus Wild die Diagramme der Wissensordnung betrachtet, die Steffen Siegel in diesem Buch präsentiert und deren herrlichste für ihn mit Abstand Savignys "Tableaux accomplis de tous les arts liberaux" sind. Sechzehn Tafeln verzeichnen "visuell attraktiv" in Bild und Text, in Ovalen und binären Verzweigungen, die Disziplinen des Wissens von der Grammatik bis zur Theologie, wie der Rezensent schwärmt. Vom theoretischen Teil ist Wild allerdings nicht so begeistert wie von den Abbildungen. Hier stört er sich an Wiederholungen und manchmal "bemühten" Beschreibungen, vor allem aber an einem theoretischen Unterbau, der ihm doch recht tönern vorkommt. Hier vermisst Wild Eigenständigkeit, Trennschärfe und Analyse.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Die Reproduktion der 39 Tafeln des Wolfenbütteler Exemplars [ist] ein Hauptverdienst dieser Veröffentlichung [...]." Benjamin Steiner in: Historische Zeitschrift, Band 290 (2010) "Steffen Siegels opulent ausgestattetes Buch [...] eröffnet [...] etliche - für die Epistemologie ebenso wie für die Bildwissenschaft - aufschlussreiche Perspektiven." Burkhardt Wolf in: Zeitschrift für Germanistik, 1/2010 "In collaboration with his publisher, Siegel has created a superbly formatted monograph. Its illustrations are magnificently reproduced. Especially noteworthy is the quality of its reproduction of Savigny's Tableaux (based on the copy owned by the Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel). The layout of the text - with footnotes to the left and right sides of each page - is pleasing and facilitates its use. This monograph itself could be described as work of art." Joseph S. Freedman in: Renaissance Quarterly, 62.4, 2009 "[...] dieser Band [ist...] eine Augenweide" Daniel Jütte in: Neue Zürcher Zeitung, 3. Juni 2009 "Siegel legt selbst eine Tabula vor, ein Buch aus visuellen und lesbaren Zeichen. Es wurde schön gestaltet und es liest sich anregend." Sigrid Gaisreiter in: kunstbuchanzeiger.de, Juni 2009 "Siegel bietet nicht nur die 39 Tafeln, [...] er befasst sich auch detailliert mit den ideengeschichtlichen Voraussetzungen von Wissensordnungen, frühen Versuchen, mit der 'Fülle der Bücher' fertigzuwerden, ebenso wie mit den Lektüre-, Aufzeichnungs- und Memorierungstechniken, mit denen man der gewaltigen Expansion von Texten in der frühen Neuzeit entgegenzutreten versuchte. Ferner mit den Strategien der Visualisierung, die es ermöglichen sollten, jene schon damals als erdrückend empfundene Menge an Wissen - nicht bloßer Information - von jenen Bäumen, an deren Ästen man sie zu ordnen versuchte, auch pflücken zu können." Der Standard, 28./29. März 2009…mehr