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Was läuft schief in der Bundeswehr? Eine Soldatin mit Migrationshintergrund spricht Klartext. Neonazis und sadistische Offiziere: So sieht das Bild aus, das viele von der Bundeswehr malen. Natürlich gibt und gab es Skandale, die scharf zu verurteilen sind - aber Nariman Hammouti-Reinke weiß: Das ist nicht das ganze Bild, sondern nur ein Bruchteil dessen, was die Bundeswehr ausmacht. Wie wäre es, wenn man sich einmal ohne ideologische Scheuklappen mit dem auseinandersetzt, was die Bundeswehr tut? Woran es liegt, dass Soldaten eine solche Verachtung entgegenschlägt? Und wo liegt die…mehr

Produktbeschreibung
Was läuft schief in der Bundeswehr? Eine Soldatin mit Migrationshintergrund spricht Klartext.
Neonazis und sadistische Offiziere: So sieht das Bild aus, das viele von der Bundeswehr malen. Natürlich gibt und gab es Skandale, die scharf zu verurteilen sind - aber Nariman Hammouti-Reinke weiß: Das ist nicht das ganze Bild, sondern nur ein Bruchteil dessen, was die Bundeswehr ausmacht. Wie wäre es, wenn man sich einmal ohne ideologische Scheuklappen mit dem auseinandersetzt, was die Bundeswehr tut? Woran es liegt, dass Soldaten eine solche Verachtung entgegenschlägt? Und wo liegt die gesellschaftliche Verantwortung jedes Einzelnen? Nariman Hammouti-Reinke, Soldatin und Muslima, hat darauf Antworten - denn für sie ist es «die höchste Form der Integration, dass ich in der
Bundeswehr diene und bereit bin, für Deutschland zu sterben».
Autorenporträt
Nariman Hammouti wurde 1979 als Kind marokkanischer Eltern bei Hannover geboren. Sie ist seit 2005 bei der Bundeswehr, war zwei Mal im Afghanistan-Einsatz und ist heute Leutnant zur See. Als Vorsitzende des Vereins Deutscher.Soldat.e.V in der 'Kommission für Migration und Teilhabe des Niedersächsischen Landtags' engagiert sie sich sehr aktiv für eine moderne Integrationspolitik in Deutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2019

Eine Provokation auf zwei Beinen?
Wenn Integration funktioniert - Eine muslimische Berufssoldatin berichtet über ihren Dienst für Deutschland

Nariman Hammouti-Reinke ist weder Gotteskriegerin noch Nazi. Sie ist ein Sonderfall. Dass dem (immer noch) so ist, sagt wenig über sie aus, dafür aber viel über das gesellschaftliche Klima und den Hang zu Vorurteilen, wie sie in Deutschland im Jahr 2019 anzutreffen sind. Hammouti-Reinke ist 39 Jahre alt, eine Frau, Berufssoldatin, muslimischen Glaubens, und ihre Eltern stammen aus Marokko. Das macht sie zur Angehörigen einer ganzen Reihe von Minderheiten. Nur jeder vierte Deutsche verfügt über ausländische Wurzeln. 5,5 Prozent der Deutschen bekennen sich zum Islam. In der Bundeswehr ist gerade einmal jeder neunte Soldat weiblich. Der Anteil der Muslime in den deutschen Streitkräften schwankt Schätzungen des Verteidigungsministeriums zufolge um ein Prozent. Systematisch erfasst werden sie nicht. Und dann zählt sie noch zu jenen 0,2 Prozent der Deutschen, die Soldaten sind und in der Bundeswehr dienen.

Was das für ihr Selbstverständnis als Offizierin der Bundeswehr bedeutet, demonstriert die Autorin von "Ich diene Deutschland" eindrücklich: herzlich wenig. Auf 249 Seiten liefert sie einen Beleg dafür, wie gut der Integrationsmotor Truppe bei allen Problemen der Bundeswehr auch nach vielen Jahrzehnten noch funktioniert. Dass sie für sehr viele Menschen dabei "eine Provokation auf zwei Beinen" darstellt, schreibt Leutnant zur See Hammouti-Reinke zu Beginn, nur um den damit verbundenen Vorurteilen anschließend Stück für Stück den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei entlarvt sie plumpe Gleichsetzungen (Soldaten sind Nazis und Militaristen, Muslime sind Gotteskrieger und verachten den Westen) ebenso als Blödsinn wie latentere, weniger offen geäußerte Vorbehalte.

Zugleich zeigt sie anhand ihres persönlichen Wegs in die Streitkräfte aber auch, wie unwahrscheinlich es für eine Muslima aus einer beengten Hochhauswohnung in Hannover-Linden als eines von fünf Kindern lange Zeit noch gewesen ist, den Weg zur Bundeswehr zu finden. Die nie zu Schulexkursionen mitdurfte und als Kind zur Außenseiterin abgestempelt wurde. Am Anfang stehen für sie eine Kündigung und "Pearl Harbor". Der Hollywood-Streifen, schreibt sie, habe in ihr etwas angesprochen, was ihr gefehlt habe. "Es ging um Ehre, Kameradschaft und um hehre Ziele". Für Politik habe sie sich noch nicht interessiert. Solche Erklärungen hört man von Rechtsextremisten ebenso wie von Islamisten, von Soldaten ebenso wie von Polzisten. Hammouti aber biegt, wie die meisten Gleichaltrigen, richtig ab. Ein Bekannter, ebenfalls Soldat, hilft ihr, den Weg zur Bewerberstelle zu finden.

Es sind diese autobiographischen Schilderungen, die den besonderen Wert des Buches darstellen. An der Seite der Autorin erfährt der Leser, welch haarsträubenden Unzulänglichkeiten sich die Bundeswehr bei der Personalwerbung und -bindung lange erlaubt hat, auch noch in Zeiten, als die immer weiter reduzierte Wehrpflicht längst nicht mehr dazu ausreichte, den Bedarf an motivierten und qualifizierten Soldatinnen und Soldaten zu decken. Bevor sie nach erfolgreichem Bewerbungsgespräch ihren Dienst antreten kann, muss sie eine einjährige Warteschleife ziehen und damit einen Zeitraum überbrücken, in dem viele andere sich am Ende doch noch für einen anderen Beruf entscheiden.

Ähnliche Nachlässigkeiten leistet sich die Bundeswehr laut der Autorin auch im Umgang mit Muslimen. Immer wieder gerät Hammouti-Reinke in Situationen, in denen sie die Erfahrung machen muss, dass die Streitkräfte hinsichtlich der Bedürfnisse von Muslimen schlicht unsensibel sind. Selbst dann, wenn sie die Regeln des Islams recht locker handhaben. Das Spektrum reicht von einem äußert schweinefleischlastigen Speiseplan bis hin zum Fehlen eines Imams, den es in der Bundeswehr bis heute nicht gibt.

Den Schwierigkeiten zum Trotz - Hammouti-Reinkes Schilderungen dokumentieren, wie ähnlich die meisten Erfahrungen in der Truppe die Soldaten prägen, unabhängig von ihren Hintergründen. Das gilt für grundlegende Prinzipien wie Hierarchie und Kameradschaft. Es gilt aber auch für die zahlreichen Episoden, die von Hunderttausenden Soldaten so oder ähnlich stammen könnten, egal ob bei Fehlern in der Grundausbildung ("Was machen Sie da?") oder existentiellen Gedanken bei Feindbeschuss in Afghanistan. Dabei profitiert die Autorin auch offenkundig von Faktoren, die ihren Erfahrungshorizont im Vergleich zu anderen Soldaten noch einmal weiten. Zweimal wechselt sie die Teilstreitkraft und damit die Uniform. Vom Heer geht es zur Luftwaffe und zuletzt in die Marine. Zudem lernt sie als Feldwebel das Unteroffizierkorps kennen, bevor sie zum Offiziersanwärter wird und damit eine neue Laufbahn beginnt. Schließlich bekommt sie in den Einsätzen in Afghanistan ebenso wie bei der Flüchtlingskrise in Bremen stets deutlich stärker mit, wie das Engagement der Streitkräfte bei den Menschen auf der anderen Seite ankommt. Schließlich versteht die Autorin aufgrund ihrer Kindheit nicht nur Arabisch, sondern auch mehrere afghanische Dialekte.

Dass sie bei aller Loyalität zu ihrem Arbeitgeber die Probleme der Bundeswehr umfänglich und offen anspricht, demonstriert Hammouti-Reinke in den analytischen Passagen ihres Buches. Dabei stützt sie sich im Wesentlichen auf allgemein bekannte Probleme und öffentliche Quellen wie den Bericht des Wehrbeauftragten, die durch persönliche Erfahrungen freilich ergänzt werden. Es geht um Probleme nachlassender körperlicher und mentaler Stärke der Soldaten. Überbordende Bürokratie. Eklatante Mängel bei der Ausrüstung. Schließlich kommt es häufig genug vor, dass Soldaten ihr Gerät für den Einsatz erst im Einsatz kennenlernen, weil vergleichbare Systeme in den Einheiten aus Mangel daheim nicht vorhanden sind. Die Aussetzung der Wehrpflicht durch den Bundestag auf Initiative des damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) beschreibt Hammouti-Reinke von ihrer Wirkung her wie ein Erdbeben ("Kein Stein blieb mehr auf dem anderen"). Dass trotz der dramatischen Schilderungen hierbei wenig Neues zu erfahren ist, kann kaum überraschen und dürfte für die meisten Leser zu verschmerzen sein. Mit "Wir dienen Deutschland" liefert Nariman Hammouti-Reinke einen frischen und persönlichen Blick in das Innenleben der Bundeswehr und ihrer Soldaten - in all der Buntheit, den die Truppe noch immer viel zu wenig ausmacht. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundeswehr zügig neue Wege findet, um Sonderfälle wie Nariman Hammouti-Reinke zur Regel werden zu lassen.

LORENZ HEMICKER

Nariman Hammouti-Reinke: Ich diene Deutschland. Ein Plädoyer für die Bundeswehr - und warum sie sich ändern muss. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2019. 255 S., 14,99 [Euro].

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Sie sind anders als die anderen. Sie reden so frei heraus. Angela Merkel