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Spanienfeldzug, Winter 1812: In der andalusischen Bergstadt La Bisbal werden die Napoleon unterstützenden Regimenter "Nassau" und "Erbprinz von Hessen" durch spanische Guerillas vernichtet. Einzig der Leutnant von Jochberg überlebt das Massaker, seine Memoiren halten die geheimnisvollen Umstände bis zu ihrem tödlichen Ausgang fest. Leo Perutz erzählt in diesem unheimlichen und zugleich unnachahmlichen Roman, wie die deutschen Offiziere sehenden Auges und kraft der Phantasie des wandlungsfähigen Marques de Bolibar, Kopf des spanischen Widerstands, ihren eigenen Untergang herbeiführen.

Produktbeschreibung
Spanienfeldzug, Winter 1812: In der andalusischen Bergstadt La Bisbal werden die Napoleon unterstützenden Regimenter "Nassau" und "Erbprinz von Hessen" durch spanische Guerillas vernichtet. Einzig der Leutnant von Jochberg überlebt das Massaker, seine Memoiren halten die geheimnisvollen Umstände bis zu ihrem tödlichen Ausgang fest.
Leo Perutz erzählt in diesem unheimlichen und zugleich unnachahmlichen Roman, wie die deutschen Offiziere sehenden Auges und kraft der Phantasie des wandlungsfähigen Marques de Bolibar, Kopf des spanischen Widerstands, ihren eigenen Untergang herbeiführen.
Autorenporträt
Leo Perutz wurde 1882 in Prag geboren und übersiedelte 1899 mit seiner Familie nach Wien. 1938 emigrierte er nach Tel Aviv. Perutz starb 1957 in Bad Ischl. Sein Werk ist in viele Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen bei Zsolnay die Neuausgaben seiner Romane St. Petri-Schnee (2007), Wohin rollst du, Äpfelchen ... (2011) und Zwischen neun und neun (2017).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.2005

Das doppelte Kokottchen
"Der Marques de Bolibar" von Leo Perutz in einer Neuausgabe

Leo Perutz gehört nicht zum Kanon, man hat ihn ins zweite Glied der deutschen Literaturgeschichte verbannt. Zu seiner Zeit aber schätzten, ja bewunderten ihn Hermann Broch, Alfred Polgar, Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky oder Siegfried Kracauer, spätere Anerkennung fand er bei so unterschiedlichen Größen wie Theodor W. Adorno und Jorge Luis Borges.

Leo Perutz wurde 1882 in Prag geboren und zog 1901 nach Wien. In beiden Metropolen literarisch sozialisiert, begann er seine schriftstellerische Laufbahn im Jahre 1915 und war bald ein Erfolgsschriftsteller. 1938 rettete er sich mit seiner Familie nach Palästina. Bei einem seiner wiederholten Aufenthalte im Österreich der Nachkriegszeit starb Perutz 1957 in Bad Ischl. Die Machtergreifung der Nazis und der Zweite Weltkrieg erschienen ihm selbst als eine Zeitenschwelle, die sein Schaffen in Frage stellte. Perutz beschrieb seine im Exil entstehenden Texte einmal als "völlig nutzlos für diese Zeit und wahrscheinlich ebenso nutzlos für die Zeit nach dem Siege. Ich arbeite, gewiß, aber für wen und für wann? Ganz andre Dinge wird die Welt nach dem Kriege hören und lesen wollen als die, die ich mir hier hinter geistigem Stacheldraht abquäle und, ohne jedes Erlebnis und Ereignis, ausdenke und in schönem Deutsch, hier ein Pariadialekt, niederschreibe."

Haben die Barbarei der braunen Horden und die Schrecknisse des Weltkrieges das Werk von Leo Perutz ein für allemal erledigt, oder ist mittlerweile genügend Zeit vergangen, um sich seinen Texten erneut und mit Gewinn zuzuwenden? "Der Marques von Bolibar" wurde im Zsolnay-Verlag bereits vor fünfzehn Jahren im Rahmen der Werkausgabe wiederveröffentlicht und ist nun erneut - allerdings in einer leider recht sorglosen Textfassung - greifbar.

Einige Passagen des Romans legen es gemeinsam mit dem Ersterscheinungsdatum (1920) nahe, ihn als Antikriegsroman zu verstehen. Seine wahre Modernität liegt indes in der Problematik von Erkennen, Verkennen und Identität, die in einer komplexen, verschlungenen Handlung exponiert wird: Der Roman spielt zur Zeit der Napoleonischen Kriege, im Winter des Jahres 1812. Der Held und Erzähler Leutnant von Jochberg ist der einzige Überlebende zweier deutscher Regimenter, die auf der Seite Napoleons gegen die Spanier und ihre Verbündeten, die Engländer, kämpften. Die deutschen Truppen haben sich nach aufreibenden Gefechten mit Guerrilleros in der andalusischen Bergstadt La Bisbal einquartiert. Der Marques de Bolibar, ein alter Mann aus dem Hochadel, verbündet sich mit dem spanischen Widerstand, um jene Schande zu tilgen, die ein Verwandter über die Familie brachte, indem er sich in französischen, also feindlichen Militärdienst begab. Der Marques, selbst ein erbitterter Gegner des Krieges, will sich den Krieg zunutze machen, um eine private Schmach zu sühnen. Das Opfer sollen (und werden) die deutschen Regimenter sein.

Der Marques plant, sich verkleidet in La Bisbal einzuschleichen und den Guerrilleros drei Zeichen zu geben. Beim ersten, einem Feuersignal, sollen die Widerstandskämpfer sich um die Stadt sammeln. Beim zweiten, dem Spiel einer alten klösterlichen Orgel, sollen sie den Angriff beginnen. Das dritte Zeichen, ein Dolch, wird dem spanischen Anführer überbracht werden, sobald die Einwohner La Bisbals selbst die deutsche Garnison angreifen und so die Stadt sturmreif machen. Ein schwerverwundeter deutscher Offizier belauscht die nächtliche Vereinbarung zwischen dem Adligen und dem Anführer der Guerrilleros; als man ihn birgt, ist er unmittelbar vor seinem Tod noch in der Lage, den Plan der Spanier an seine Kameraden zu verraten. Die deutschen Soldaten brauchen also nichts anderes zu tun, als den Marques de Bolibar aufzugreifen und zu exekutieren. Und in der Tat geht ihnen der Adelige ins Netz. Mit Ausnahme des jüngsten Offiziers, eben Jochbergs, durchschauen sie seine Identität jedoch nicht, sondern glauben, einen einfachen Soldaten gefangen zu haben.

Sie lassen den Mann nicht aus militärischen Gründen hinrichten, sondern weil er ihr gemeinsames Geheimnis erfahren hat: Françoise-Marie, die verstorbene Frau des Regiments-Chefs, war ihrer aller Geliebte. Um sich davor zu bewahren, daß ihr Gefangener das Geheimnis ausplaudert, wird der Marques unter einem Vorwand standrechtlich erschossen. Wie der Marques instrumentalisieren die Offiziere den Krieg für private Zwecke. Vor seiner Exekution verlangt er von den deutschen Offizieren noch ein Gelöbnis: Sie sollen seine Mission erfüllen. Ohne zu wissen, wozu sie sich verpflichten, stimmen die Offiziere zu, geben als Christen und Ehrenmänner dem Todgeweihten ein feierliches Versprechen.

Als sei eine höhere Macht über sie gekommen, geben in der Folge die Offiziere nun selbst tatsächlich Schritt für Schritt die Zeichen des Marques. Sie tun dies durchaus in dem Wissen, daß sie ihren Untergang besiegeln. Was sie dennoch dazu treibt, ist die "Monjita", die Geliebte ihres Obersten, die dessen verstorbener Frau Françoise-Marie zum Verwechseln ähnlich sieht. Da die Offiziere alle mit Françoise-Marie geschlafen haben, wollen sie sich auch an die Geliebte heranmachen.

Als der Oberst, schon gegen Ende des Romans, schließlich doch hinter das Geheimnis seiner Offiziere kommt, wird auch er das Opfer einer verkannten Identität. Für ihn ist es unvorstellbar, daß Françoise-Marie untreu gewesen sein könnte, er glaubt, die "Monjita" habe mit seinem ganzen Stab geschlafen. Die aber war, im Gegensatz zu seiner toten Frau, völlig tugendhaft geblieben. Damit die "Monjita" den Irrtum nicht doch noch aufklären kann, bringt Jochberg sie im allerletzten Augenblick aus der Stadt und gibt dabei unwillentlich das dritte Zeichen, das die Auslöschung der deutschen Garnison nach sich zieht. Jochberg überlebt nur, weil die Aufständischen ihn - in einem erneuten Akt des Verkennens - zweimal für den Marques de Bolibar halten. Jochberg selbst wird darüber schließlich an seiner Identität irre.

Perutz' Erzählkunst ist erkennbar an der Romantik, vor allem an E. T. A. Hoffmann und dem späten Ludwig Tieck, geschult. Das ironische verdoppelte Doppelgängermotiv (Françoise-Marie und die "Monjita", Jochberg und der Marques) macht die menschliche Identität einerseits und das Er- und Verkennen des Menschen andererseits zum unlösbaren Problem, ja zum Rätsel. In dieses literarische Repertoire gehört auch eine Figur, die vielen Personen des Romans als der Ewige Jude erscheint. Eine pseudowissenschaftliche Herausgeberfiktion knüpft sich an Jochbergs vorliegenden Bericht und treibt das ironische Spiel mit der Authentizität und der Faktizität des Erzählten auf die Spitze.

Ein solches Erzählkonzept ist keineswegs im tiefen 19. Jahrhundert steckengeblieben, vielmehr bleibt Perutz ganz den wahrnehmungs- und kunsttheoretischen Fragestellungen der Moderne verpflichtet. Das Ich der Figuren ist in der Tat unrettbar, es zerfällt in unterschiedlichen Wahrnehmungsperspektiven. Ohne die Formauflösung, die den Roman des frühen zwanzigsten Jahrhunderts sonst häufig kennzeichnet, reflektiert der "Marques de Bolibar" sich selbst: Letztes Refugium menschlichen Gestaltungswillens ist die bearbeitende Herausgabe eines alten Manuskripts. Der Roman dementiert allerdings ironisch die Existenz dieser Handschrift, so daß der Akt des Fingierens schließlich als der letzte Ort menschlicher Freiheit bestehenbleibt.

WOLFGANG NEUBER

Leo Perutz: "Der Marques de Bolibar". Roman. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Hans-Harald Müller. Zsolnay Verlag, Wien 2004. 270 S., geb., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.09.2004

Dein Feuer, Bürschchen, brennt an einer kurzen Lunte
Kürassierdegen-Rodomontage: Leo Perutz’ historischer Kriegsroman „Der Marques de Bolibar”
Um die Soldatenromantik sollte es eigentlich geschehen sein. Im 20. Jahrhundert kam der Krieg zu sich selbst; die Vervollkommnung der Technik der Waffen erlaubt, nun auch die verklärten Heldentaten der Vergangenheit als unvollkommene Annäherungen an die modernere Perfektion des Abschlachtens zu erkennen. Von Infanteriegamaschen, Kürassierdegen und ähnlichem Tschingderassa möchte man in der Literatur nicht mehr lesen müssen; wer bunte Uniformen schildert, breitet Vergessenheit darüber, welch uniformes Ziel die Produktion von Leichen ist.
Das Jahr 1914 bezeichnet in diesen Dingen wohl eine Scheidelinie keineswegs nur des Geschmacks, sondern des intellektuellen und moralischen Niveaus (welche an dieser Stelle zusammengehören). Zwei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, 1920, legte Leo Perutz einen Roman der Infanteriegamaschen und Kürassierdegen vor: Der Marques de Bolibar. In dieser Episode aus dem Spanienfeldzug des Winters 1812 wird die militärisch überlegene napoleonische Truppe durch die List des Helden des Romans, eines spanischen Aristokraten, geschlagen. Perutz psychologisiert den Krieg einerseits und hebt ihn andererseits ins Allgemein-Menschliche. Kriege werden, just so wie die Stimmung am Biertisch, entschieden durch die Eifersüchteleien von Offizieren und Unteroffizieren um ein fesches rothaariges Mädel.
Was sich ein Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts so unter derb-jovialer Landsknechts-Rodomontade vorstellte, bestimmt die Tonlage: „Dein Feuer, Bürschlein, brennt an einer kurzen Lunte”. Macht, verstanden nicht als subjektiver Ehrgeiz, sondern als Prinzip, das gesellschaftliche Ordnung auch über persönliche Absichten hinweg organisiert, fehlt in diesem Kriegsbuch. Der Herausgeber, um ja nichts politisch Inkorrektes ediert zu haben, will Kritik am Kriege in Perutz‘ Roman gelesen haben; aber dass Krieg öfter einmal blutig ist, wie man dem Buch allenfalls entnehmen kann, haben auch Fans militärischer Gewalt nie in Abrede gestellt.
„Mit seiner Poetik der Verstrickung des Lesers in die Lektüren des Romans hat Leo Perutz dazu beigetragen, die Physiognomie des Romans im 20. Jahrhundert zu verwandeln”, behauptet der Herausgeber. Es stünde schlimm um den Roman des 20. Jahrhunderts, wäre diese Bemerkung wahr. Denn das Vorwort eines fiktiven Herausgebers, auf das sich Hans-Harald Müllers Lob bezieht, ist nichts weiter als bemühtes Klappern mit einer literarischen Technik, deren virtuoses Urbild Choderlos de Laclos 1782 in den „Liaisons dangereuses” gezeichnet hatte - Heinrich Mann brachte es 1905 mit seiner Übersetzung den Deutschen in Erinnerung.
Ein Roman, der Krieg zu eine Art Pfadfinderabenteuer für Erwachsene stilisierte, mag 1920 ein Trost gewesen sein für die Generation von Männern, welche die Materialschlachten und Gasangriffe des Ersten Weltkriegs überlebt hatte. Doch sein Trost war ein fauler. Die Zeitgenossen der militärischen Auseinandersetzungen darum, wer die Ölvorräte der Erde ausbeuten darf, sollten solche aus dem Nähkästchen geplauderten Kriegsgeschichten nicht mehr nötig haben.
ANDREAS DORSCHEL
LEO PERUTZ: Der Marques de Bolibar. Roman. Herausgegeben von Hans-Harald Müller. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2004. 270 Seiten, 21,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit derartigen "Landsknecht-Rodomontaden", wie sie der vorliegende Roman über eine Episode des napoleonischen Spanienfeldzugs entfaltet, kann Andreas Dorschel rein gar nichts anfangen. Ihn erfüllt es mit Unverständnis, wie der Autor Leo Perutz zwei Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, der mit jeglicher Kriegsromantik aufgeräumt haben dürfte, derart "derb-jovial" aus dem "Nähkästchen plaudern" kann, und die einerseits psychologisierenden andererseits ins "Allgemein-Menschliche" gehobenen Betrachtungen rufen seinen Widerspruch heraus. Auch der Versuch des Herausgebers Hans-Harald Müller, Perutz' Roman als Kriegskritik zu lesen, überzeugt den Rezensenten keineswegs und wird von ihm als Versuch, sich vor dem Vorwurf, "politisch Inkorrektes ediert zu haben", gegeißelt.

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"Eine mit mathematischer Präzision makellos gebaute Geschichte." Ulrich Weinzierl, Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Ein Meister des Unterhaltungsromans auf hohem literarischem Niveau. ... Nur wenige Autoren beherrschen das Genre des historischen Romans so perfekt wie Perutz." Bernhard Fetz, Neue Zürcher Zeitung, 26.04.2005