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Wie hängt die Arbeit des Historikers mit seiner eigenen Biographie und seiner eigenen Lebenszeit zusammen? Was kann Geschichtsschreibung für die Gegenwart leisten? Über diese Fragen hat Christian Meier, der renommierteste Althistoriker Deutschlands, immer wieder nachgedacht. Anlässlich seines 85. Geburtstags zieht er nun Bilanz und reflektiert über die Probleme, die aus dem Verhältnis zwischen der Welt der Geschichte und der Provinz des Historikers erwachsen.
Die Fragen, die Historiker an die Geschichte stellen, werden immer auch durch ihre Zeitgenossenschaft beeinflusst. Sie bestimmt ihre
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Produktbeschreibung
Wie hängt die Arbeit des Historikers mit seiner eigenen Biographie und seiner eigenen Lebenszeit zusammen? Was kann Geschichtsschreibung für die Gegenwart leisten? Über diese Fragen hat Christian Meier, der renommierteste Althistoriker Deutschlands, immer wieder nachgedacht. Anlässlich seines 85. Geburtstags zieht er nun Bilanz und reflektiert über die Probleme, die aus dem Verhältnis zwischen der Welt der Geschichte und der Provinz des Historikers erwachsen.

Die Fragen, die Historiker an die Geschichte stellen, werden immer auch durch ihre Zeitgenossenschaft beeinflusst. Sie bestimmt ihre Vorstellungen ebenso wie ihre Sorgen und Ängste. Diese Erkenntnis bildet den Bogen von Meiers Antrittsvorlesung, die er 1968 unter dem Titel »Die Wissenschaft des Historikers und die Verantwortung des Zeitgenossen« gehalten hat, zu seiner vielbeachteten Abschiedsvorlesung vom Juli 2012. Der vorliegende Band versammelt diese beiden wichtigen Texte sowie ein Gespräch mit Georg Frühschütz, einem seiner letzten Studenten, in dem Christian Meier über Schwierigkeiten und Freuden des Historikerberufs nachdenkt. Er formuliert seine Sicht auf die Geschichtsschreibung und bewertet die Rolle des Historikers in unserer sich rasant wandelnden Gegenwart - einer Zeit, die es scheinbar längst aufgegeben hat, diesen Wandel geschichtsphilosophisch zu verstehen.

Autorenporträt
Christian Meier, geboren 1929 in Stolp/Pommern, ist emeritierter Professor für Alte Geschichte und einer der herausragenden Historiker und Intellektuellen Deutschlands. Von 1980 bis 1988 war er Vorsitzender des Verbands der Historiker Deutschlands, von 1996 bis 2002 Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Für seine wissenschaftliche Arbeit wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Er hat bedeutende Werke zur Antike veröffentlicht, darunter die Bestseller "Caesar" (1982), und "Athen" (1993). Mit Büchern wie "Das Verschwinden der Gegenwart" (2001), "Von Athen bis Auschwitz" (2002) und "Das Gebot zu vergessen" (2010) hat er immer wieder auch aktuelle politische Debatten angestoßen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Den bekanntesten Althistoriker Deutschlands lernt Simon Strauss anhand dieses Geburtstagbuches für und von Christian Meier eingehend kennen. Außer der 68er-Antritts- und der 2012er-Abschiedsvorlesung enthält das Buch laut Rezensent vor allem ein Interview Meiers mit einem seiner letzten Studenten. Aus diesem Gespräch erfährt Strauss, wie Meier den SED-Totalitarismus flieht, die Adenauerzeit erlebt und schließlich zum gefragten Buchautor und Forscher aufsteigt, dem es gelingt, Antike und Gegenwart miteinander in fruchtbare Beziehung zu setzen, wie Strauss anerkennend erklärt. Die Neugier am Funktionieren des Staates und das Erkenntnisinteresse Meiers an grundsätzlichen Fragen lassen dem Rezensenten diese Lektüre und das Interesse an Meiers Wirken allemal lohnend erscheinen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.03.2014

Die Kunst, Untergänge zu verstehen
Der Althistoriker Christian Meier gibt Auskunft über sein Leben als Gelehrter und Zeitgenosse
„Kein Historiker kann auf geradem Wege und ohne zu versagen, seiner Zeitgenossenschaft entkommen.“ Ein Satz, der klingt wie ein Atridenfluch: Kein Entrinnen vor dem Heute gibt es für den, der über das Gestern nachdenkt. Einen unverfälschten Blick auf das wirklich Gewesene gibt es nicht (und dieses selbst auch nicht): keine Erkenntnis ohne Wertung. Es ist der Satz, den Christian Meier als antretender Ordinarius für Alte Geschichte 1968 seinem Basler Vorlesungspublikum voller Emphase zurief, in ihm ist eingeschlossen, wofür Meier seither immer wieder gestritten und geschrieben hat: Dass die Geschichtswissenschaft – insbesondere die althistorische – sich ihrer Vorannahmen bewusst wird, ein Sensorium dafür entwickelt, wie, nicht nur wonach sie fragt, mit welchen Begriffen sie arbeitet und welche Kategorien ihr den Weg zur „Quelle“ ebnen. Dass der Historiker die kritische Selbstreflexion endlich als eine seiner Hauptaufgaben, nicht nur als lästige Zusatzbeschäftigung nach Feierabend ansieht.
  „Der Historiker und der Zeitgenosse“ heißt ein kürzlich zum 85. Geburtstag des bedeutenden Althistorikers erschienenes Buch, in dem es ganz handfest um den „Zeitgenossen“ Christian Meier geht. Im Gespräch mit Georg Frühschütz, einem seiner letzten Münchner Studenten, erzählt er von seiner Jugend unter Hitler, seinem Erwachsenwerden in der Nachkriegszeit, seinem akademischen Werdegang und gibt Einblick in sein Leben als Intellektueller. Eingerahmt wird das lange Interview von seiner 1968er Antritts- und der 2012er Abschiedsvorlesung – „Zwischenbilanz“ war ihr lakonischer Untertitel.
  1929 in Pommern geboren, gehört Meier zur sogenannten „Flakhelfergeneration“, die „Gnade der späten Geburt“ und ein kritisches Elternhaus bewahrten ihn davor, jenseits von Hitlerjugend und Volksliedträllern tiefer in die Nazimachenschaften verstrickt zu werden. Das Kriegsende erlebt er dennoch nicht als strahlenden Tag der Befreiung, sondern als „totalen Zusammenbruch“.
  Als junger Geschichtsstudent an der Rostocker Universität ist er angesichts der deutschen Katastrophe verunsichert, sucht nach einem historischen „Sinn“. Er flieht den SED-Totalitarismus, wechselt nach Heidelberg. Die oft als spießig verpönte Adenauerära erlebt Meier als überaus spannende Zeit politischer Grundsatzdebatten. Er schickt Protestbriefe nach Indonesien, debattiert über die Wiederaufrüstung und beginnt eine Promotion über den „Untergang der römischen Republik“ - nicht ohne dabei an Weimar zu denken. Sein Doktorvater rät ihm nach einiger Zeit, die Wissenschaft an den Nagel zu hängen, zu groß, zu schwierig sei das Thema. Aber Meier lässt sich nicht entmutigen – und bewirbt sich doch vorsorglich um eine Stelle als Hilfsschaffner bei der Straßenbahn.
  Aber die muss er nicht antreten, denn sein später zur Habilitation ausgearbeitetes Buch „Res Publica Amissa“ öffnet ihm alle Türen. Heute ein Klassiker der althistorischen Forschung, war die zentrale These des Buches bei Erscheinen 1966 revolutionär: Die Frage sei nicht, warum die Republik untergegangen sei, sondern warum sie überhaupt so lange existiert habe. Erklären lasse sich das strukturgeschichtlich nur mit der allgegenwärtigen Alternativlosigkeit zum Bestehenden: Es habe in Rom keine soziale Schicht gegeben, die auf einen Umsturz der Verhältnisse abzielte, selbst die Unzufriedenen hätten sich anderes als das Überkommene nicht vorstellen können. Das habe zu einer – so Meiers suggestive Formel – „Krise ohne Alternative“ geführt, in der einzelne Politiker „zwar alle Macht in den Verhältnissen, aber keine über sie“ erringen konnten.
  Meier muss nicht lange auf Angebote warten, übernimmt Professuren in Basel, Köln, Bochum und schließlich München. Seine große Caesar-Biographie macht ihn bald einem größeren Publikum bekannt. Aufsehen erregen zumal seine Bücher zur Bedeutung der Griechen, deren Besonderheit er darin ausmacht, dass ihre Kultur nicht von Herrschaft und „Staat“ geprägt ist, sondern sich aus der Mitte der Bürgerschaft „um der Freiheit willen“ entwickelt.
  „Die Entstehung des Politischen bei den Griechen“ heißt eines seiner anregendsten Werke über das demokratische „Wunderkind“ Athen, das – so erzählt er nicht ohne Stolz – kistenweise an die Berliner Schaubühne geschickt wurde, wo Peter Stein gerade die „Orestie“ inszenierte. Überhaupt interessiert sich bald eine breitere Öffentlichkeit für den weltoffenen Althistoriker, auf dem Höhepunkt des „Historikerstreits“ 1987 ist Meier Vorsitzender des Historikerverbandes, später wird er Präsident der Akademie für Sprache und Dichtung. Sein Interesse für eine „Theorie der Geschichte“ führt ihn schon früh mit Reinhart Koselleck zusammen, er wird Mitarbeiter an dessen Begriffslexikon, nimmt als einziger Althistoriker an Treffen der Blumenbergschen Forschergruppe „Poetik und Hermeneutik” teil, bleibt über Jahre mit Carl Schmitt im Gespräch. Die Zunft hält eher Distanz zu ihm, ein „Intellektueller“, der Zeitungsartikel schreibt und auf Podien sitzt, ist ihr suspekt. Heute ist Christian Meier der bekannteste Althistoriker Deutschlands. Er hat die Abenteuerlust, die es braucht, um große Bögen zu spannen, um Antike und Gegenwart in Beziehung zu setzen, ohne dabei in marktschreierische Analogien zu verfallen.
  Das kleine Geburtstagsbuch lädt nun dazu ein, diesen historian engagé persönlicher kennenzulernen. Von allen Antrieben, so erklärt er seinem fünfzig Jahre jüngeren Gesprächspartner, sei der Wunsch nach „Orientierung“ für ihn als Historiker immer der stärkste gewesen. Was ist ein Staat, wie funktioniert politische Herrschaft, wodurch verändert sich eine Gesellschaft? Es gehöre zur besonderen Verantwortung des Historikers, sich stets auch grundsätzlichen Fragen zu stellen und theoretisch Gedachtes praktisch auszuprobieren – „die Faust zu ballen, nicht immer nur die Achsel zu zucken“.
  Was es heißt, „Bürger“ eines Gemeinwesens zu sein, weiß der Althistoriker in besonderem Maße. Das macht ihn wichtig und auch heute unersetzlich. Nicht nur diese Auffassung vom Historiker als Bürger, der als ein Wissenschaftler der Antike „gegen die Zeit und dadurch auf die Zeit und hoffentlich zugunsten einer kommenden Zeit“ zu wirken sucht, rückt Meier in die Nähe jenes anderen großen Althistorikers, Theodor Mommsen, der am Ende des 19. Jahrhunderts schrieb, es sei das schlimmste Versagen eines Wissenschaftlers, wenn er „den Rock des Bürgers auszieht, um den gelehrten Schlafrock nicht zu kompromittieren“.
SIMON STRAUSS
Während er seine Dissertation
schrieb, bewarb sich Meier
sicherheitshalber als Schaffner
    
    
    
    
  
Christian Meier: Der Historiker und der Zeitgenosse. Siedler Verlag, München 2014. 224 Seiten, 16,99 Euro. E-Book 13,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Auch Fachfremde [können] mit diesem Band mühelos in geschichtsphilosophische Tiefen vordringen. Der Ton ist nie belehrend oder naseweis, sondern in schönster Weise erkenntnisorientiert.« Die Zeit