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Emilio ist ein moderner Mann - nüchtern, lebensklug, souverän. Mit seinen fünfunddreißig Jahren macht ihm niemand mehr etwas vor. So glaubt er wenigstens. Da begegnet er der verruchten Schönheit Angiolina. Überzeugt, längst auch in Liebesdingen vor Illusionen gefeit zu sein, beginnt er ein Verhältnis mit ihr. Das freilich ändert alles.
In "Senilita" wendet sich der begnadete Ironiker Svevo der Liebesleidenschaft zu. Mit psychologischem Geschick und analytischer Brillanz schildert er den Lebenszyklus eines vergeblichen Begehrens. Inmitten seines eintönigen Kleinbürgerdaseins, betört von den
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Produktbeschreibung
Emilio ist ein moderner Mann - nüchtern, lebensklug, souverän. Mit seinen fünfunddreißig Jahren macht ihm niemand mehr etwas vor. So glaubt er wenigstens. Da begegnet er der verruchten Schönheit Angiolina. Überzeugt, längst auch in Liebesdingen vor Illusionen gefeit zu sein, beginnt er ein Verhältnis mit ihr. Das freilich ändert alles.
In "Senilita" wendet sich der begnadete Ironiker Svevo der Liebesleidenschaft zu. Mit psychologischem Geschick und analytischer Brillanz schildert er den Lebenszyklus eines vergeblichen Begehrens.
Inmitten seines eintönigen Kleinbürgerdaseins, betört von den Verheißungen der Lust und der Exzentrik des Künstlertums, schwingt Emilio sich auf zu einer vermeintlichen Großartigkeit. Er sucht das Abenteuer, übt sich in Verwegenheit und läßt sich von dem eitlen Glauben verführen, bereits alles vom Leben zu wissen, alles vorherzusehen, alles unter Kontrolle zu haben. Um so schmerzlicher wird für ihn die Erfahrung, daß seine Weltweisheit offenkundig nur Altklugheit war und daß das Leben doch noch ein paar gehörige Lektionen für ihn parat hält. Aus der Tändelei mit Angiolina wird im Handumdrehen bitterer Ernst, die heitere Liaison mündet in Eifersüchteleien, und hinter den Aufschwüngen der Euphorie droht der Absturz in Banalität und Lächerlichkeit. Erst als sich Emilio dem Leben stellt und sich aus seiner Erstarrung löst, gelangt er zu wahrer innerer Reife.
Autorenporträt
Svevo, Italo§Italo Svevo, eigentlich Ettore Schmitz, 1861 als Kaufmannssohn in Triest geboren, blieb zeit seines Lebens Geschäftsmann. Jahrelang war er bei einer Bank angestellt, später Geschäftsführer der Firma seines Schwiegervaters. James Joyce, der in Triest Svevos Englischlehrer gewesen war, ermutigte ihn nach der Lektüre seiner Werke weiterzuschreiben, und auch Valery Larbaud förderte sein literarisches Schaffen. 1928 starb Svevo an den Folgen eines Autounfalls.

Stempel, Ute§Ute Stempel (1942-2016) war promovierte Romanistin und Literaturkritikerin für verschiedene Tageszeitungen und Rundfunkanstalten.

Kleiner, Barbara§Barbara Kleiner, promovierte Germanistin und Romanistin aus München, Jahrgang 1952. 2007 erhielt sie den Übersetzerpreis der Kulturstiftung NRW, der zu den höchstdotierten Auszeichnungen für literarische Übersetzer im deutschsprachigen Raum gehört, für ihre Übertragung von Ippolito Nievos Werk "Bekenntnisse eines Italieners" (Manesse Verlag, 2005) aus dem Italienischen. Gleichzeitig wurde das Gesamtwerk der Übersetzerin ausgezeichnet. 2011 erhielt sie den deutsch-italienischen Übersetzerpreis des Auswärtigen Amtes für ihre Übertragung von Ippolitos Nievos "Ein Engel an Güte" (Manesse Verlag, 2010).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2002

Diese lächerliche Sache Literatur
Am Ende lebte er als Industrieller: Italo Svevo und sein Meisterstück "Senilità", jetzt neu übersetzt

Es war ein großes Glück, daß die Geschäftsführung der Triester Schiffslack-Firma Moravia-Veneziani im Jahre 1903 beschloß, eine Zweigstelle in England zu errichten. Denn sonst hätte sich ihr leitender Mitarbeiter Ettore Schmitz, der sich Italo Svevo nannte, nicht gedrängt gefühlt, Englischstunden zu nehmen. Doch da er regelmäßig das Werk in Charlton bei London besuchen und beaufsichtigen sollte, wandte er sich an die Berlitz School seiner Heimatstadt Triest und bat um einen Privatlehrer, der ihn in seiner prachtvollen Villa gleich neben dem Firmensitz regelmäßig aufsuchen sollte.

Ein Ire kam, mit dicker Brille, literarischen Ambitionen und turbulenter Vergangenheit. Es kam James Joyce, der, als Schriftsteller erfolglos, sein Geld als Englischlehrer verdiente. Da sein Schüler sich literarisch interessiert zeigte, begann er schon bald, einige Manuskripte in die Villa des Industriellen mitzubringen und daraus vorzulesen. Als er "The Dead" vorgelesen hatte, die letzte Erzählung der "Dubliners", pflückte Frau Svevo, die an der Englischstunde teilgenommen hatte, begeistert und gerührt einen Blumenstrauß für den verkannten Dichter. Ihr Mann, gleichfalls begeistert, errötete und kam nach kurzer Zeit mit zwei blau eingebundenen, schon leicht vergilbten Bändchen wieder. Es stellte sich heraus: Auch er war Schriftsteller. Auch er verkannt. Zwei Romane hatte er auf eigene Kosten publiziert. Von der Kritik ignoriert, von Lesern unbemerkt.

Es muß eine peinliche Situation gewesen sein, wie der stattliche Industrielle da vor dem verarmten Englischlehrer stand und ihm zaghaft seine ungelesenen Romane präsentierte. Und gleichzeitig ein großer Moment der Literaturgeschichte, als sich zwei Meister und Wegbereiter der modernen Weltliteratur einander als Englischlehrer und Englischschüler, als Geschäftsmann und Flüchtlingsexistenz, als erfolgloser Schriftsteller und erfolgloser Schriftsteller gegenüberstanden und bekannten: Auch ich schreibe. Auch mich liest kein Mensch.

Joyce nahm die beiden Bücher an sich, las und war begeistert. Vor allem von dem Roman "Senilità", der 1898 erschienen war. Schon bald konnte er viele Seiten auswendig. Doch noch konnte er nichts für seinen Schüler tun. Zwanzig Jahre sollte es noch dauern, bis, einige Zeit nach dem Erscheinen von Svevos Meisterwerk "Zeno Cosini", der Ruhm, von Joyce immer wieder vorangetrieben, über Frankreich nach Italien kommen sollte und der Kritiker Benjamin Crémieux aus Paris schrieb: "Ich werde Italien einen neuen Schriftsteller schenken. Er ist Triester und selbst in Triest noch unbekannt."

Doch so weit war es noch lange nicht. Und die Begegnung mit Joyce schien nur eine schöne, aber unbedeutende Anekdote im Leben des Industriellen Svevo zu bleiben. Es war noch gar nicht lange her, daß er aus Anlaß seines vierzigsten Geburtstages in sein Tagebuch geschrieben hatte: "Zu dieser Stunde und unwiderruflich habe ich diese lächerliche und schädliche Sache, die man Literatur nennt, aus meinem Leben entfernt." Zu diesem Entschluß stand er. Und es ärgerte ihn zutiefst, wenn er wieder einmal in ernsthaften Verhandlungen von einem Geschäftsmann gefragt wurde, ob es stimme, daß er der Autor zweier Romane sei.

Svevo erinnert sich in einem späteren Text: "Ich errötete so, wie nur ein Autor bei solchen Anlässen zu erröten weiß, und da mir an diesem Geschäft viel gelegen war, sagte ich: Nein, nein! Es ist ein Bruder von mir." Der Bruder jedoch, an den sich jener Geschäftsmann daraufhin wandte, wies diese Unterstellung ebenso empört von sich, da er seine berufliche Respektabilität in Gefahr sah. Die Literatur - eine lächerliche und peinliche Selbstentblößung, die die unzweideutige Fassade des lebens- und selbstgewissen Geschäftsmannes ins Wanken bringt.

"Senilità", dessen deutsche Übersetzung bislang unter dem Titel "Ein Mann wird älter" bekannt war und der jetzt in komplett neuer Übersetzung von Barbara Kleiner unter dem Originaltitel bei Manesse neu herausgegeben wird, ist der Roman an der Schnittstelle zwischen Industriellen- und Schriftstellerexistenz, zwischen Ettore Schmitz und Italo Svevo. Als er begann, den Roman zu schreiben, lebte er noch als kleiner Bankangestellter auf der untersten Stufe der bürgerlichen Berufsleiter. Er hatte den Niedergang der Firma seines Vaters, der diesen auch körperlich zugrunde richtete, aus der Ferne eines deutschen Internats miterlebt, er war Teil einer Unglücksfamilie, die nicht nur ihren gesellschaftlichen Niedergang, sondern auch private Unglücks- und Todesfälle in kaum glaublicher zeitlicher Dichte und Drastik zu erleiden hatte. Erst durch die Heirat in die aufsteigende Glücksfamilie der Venezianis, die die weltweit einmalige Geheimformel für muschel- und algenabweisende Schiffsrumpfanstriche besaß, wechselte Italo Svevo die Seiten des Schicksals.

"Senilità" ist in diesem Sinne ein Abschiedsroman. Sein kläglicher Held, der Versicherungsangestellte Emilio Brentani, lebt ein Schattenleben am Ende des 19. Jahrhunderts in Triest. Fünfunddreißigjährig hält er sich für einen jungen Mann, der sein ganzes Leben noch vor sich hat. Seinen eingebildeten Ruhm glaubt er durch die Veröffentlichung eines in Wahrheit unbeachteten Romans erworben zu haben, er lebt dahin, beobachtet sich und das Leben um ihn her und ist selbst daran nicht beteiligt. Um das Bild des eigenen Lebens etwas zu verschönern, beschließt er, sich auf eine Liebesaffäre mit Angiolina einzulassen, einer sogenannten "Frau aus dem Volk" mit höchst zweifelhaftem Ruf. Nein, nicht wirklich einzulassen. Er beschließt, eine Art Liebesaffäre zu spielen. Der Roman beginnt: "Gleich mit den ersten Worten, die er an sie richtete, wollte er ihr klarmachen, daß er nicht vorhatte, sich auf eine allzu ernsthafte Beziehung einzulassen." Doch es wird anders kommen. Der selbstzufriedene Lebensschauspieler Emilio Brentani wird aus seinem Selbstbetrachtungsstuhl gerissen und ins Leben geworfen. Er verliert den Halt, den er in einer erstarrenden Mischung aus Gleichgültigkeit und Selbstironie gefunden hatte. In einem Leben ohne Erlebnis. Denn in einem solchen Leben "ohne jeden tieferen Gehalt, konnte selbst eine Angiolina tiefere Bedeutung gewinnen". Und sie gewinnt Bedeutung, beherrscht schließlich sein ganzes Leben. Es geht abwärts mit Emilio Brentani.

In einer ebenso einfachen wie kunstvollen Konstruktion läßt Italo Svevo in diesem meisterlichen Niedergangsroman vier Personen ihre Gegensatzrollen spielen. Amalia, die graue und lebensschwache Schwester Emilios, wird durch die Liebe zu Stefano Balli, durch Drogen und durch den für die Seele schädlichen Besuch einer Wagner-Oper den Tod finden. Der Künstler Balli, Freund Emilios, und Angiolina sind Lebens-Lebende, die sich nicht durch krankmachende Selbstbetrachtung am Leben hindern. Die vier spielen ein manisches Untergangsspiel am Ende des Jahrhunderts, aus dem sich Emilio schließlich in höchster Not zurück in die alte, gleichgültige Selbstbetrachtungsnische flüchten kann. "Und er zehrte davon, wie ein alter Mann von der Erinnerung an seine Jugend."

Svevo seziert die Angestelltenpsyche des müden Mittdreißigers erbarmungslos bis ins kleinste Lebensdetail. Er kennt sie. Es war seine eigene.

Thomas Mann, dessen frühe Niedergangsbücher eine tiefe innere Verwandtschaft mit den Romanen Italo Svevos haben, schrieb im Jahr 1911 in einem Text über den Dichter Adelbert von Chamisso: "Chamisso, nachdem er aus seinem Leiden ein Buch gemacht, beeilt sich, dem problematischen Puppenstande zu entwachsen, wird seßhaft, Familienvater, Akademiker, wird als Meister verehrt. Nur ewige Bohemiens finden das langweilig. Man kann nicht immer interessant bleiben. Man geht an seiner Interessantheit zugrunde oder man wird ein Meister."

Italo Svevo ist nicht zugrundegegangen. Ihm gelang während der Niederschrift seines zweiten Romans die Flucht, die Rettung in die fassadenhafte Industriellenexistenz. Svevo ist ein Meister geworden. Und mit "Senilità" hat er sein Meisterstück geschrieben.

VOLKER WEIDERMANN

Italo Svevo: Senilità. Neu übersetzt von Barbara Kleiner. Manesse 2002. 443 Seiten. 19,90 [Euro]

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Dublin, Combray, Kaisersaschern - Triest. Für den bewundernden Rezensenten Martin Mosebach hat Italo Svevo seine Heimatstadt "zu einer jener magischen Hauptstädte der Literatur gemacht". Doch sei es nicht das wache, kosmopolitische Triest seiner Zeit, das er in seinem Roman um das Geschick zweier Geschwister - des Schriftstellers Brentani und seiner Schwester - beschreibe. Vielmehr habe er das müde, "zwischen Nihilismus und Bequemlichkeit" vezauberte Triest beschrieben - oder geschaffen? - das es einmal werden würde, nach der Eingliederung nach Italien. Und dies nicht in epischer Breite, sondern mit einem geradezu verblüffenden "epischen Minimalismus", wie Mosebach findet: "Er kommt immer mit den dürrsten Worten aus, wenn er die einzelnen Phasen seiner quälend frustrierenden Liebesgeschichte durchschreitet." Svevos Figuren verfingen sich in verhängnisvollen Leidenschaften, seien aber mit Ausnahme der Schwester "auch in großem Unglück der Tragödie nicht fähig". Und nach der Katastrophe, schreibt Mosebach, hat nach einer Weile "die Seele wieder den Zustand glatter Selbstgefälligkeit erreicht". Da bleibt für Mosebach, der in der Figur Brentanis ein zu exorzisierendes alter ego des Autors vermutet, nur noch die Frage, "wie das Werk Brentanis wohl aussehen mag".

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