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"Quo vadis, Italia?" oder: Radikale Rechtswende in Italien. Nach 15 Monaten ist das einmalige Experiment einer extrem nationalpopulistischen Regierung im Herzen des traditionellen Europa zerbrochen. Die Konflikte zwischen der rechtsradikalen, nationalistischen "Lega" Matteo Salvinis und der Antisystem-Bewegung Beppe Grillos "Movimento 5 Stelle" hatten sich zugespitzt. Nach spektakulärem Erfolg bei den EU-Wahlen und einem Höhenflug in den Umfragen griff Salvini nach der ganzen Macht, wollte Neuwahlen. Eine Fehlkalkulation durch Selbstüberschätzung. Die 5-Sterne-Bewegung entschied sich durch…mehr

Produktbeschreibung
"Quo vadis, Italia?" oder: Radikale Rechtswende in Italien. Nach 15 Monaten ist das einmalige Experiment einer extrem nationalpopulistischen Regierung im Herzen des traditionellen Europa zerbrochen. Die Konflikte zwischen der rechtsradikalen, nationalistischen "Lega" Matteo Salvinis und der Antisystem-Bewegung Beppe Grillos "Movimento 5 Stelle" hatten sich zugespitzt. Nach spektakulärem Erfolg bei den EU-Wahlen und einem Höhenflug in den Umfragen griff Salvini nach der ganzen Macht, wollte Neuwahlen. Eine Fehlkalkulation durch Selbstüberschätzung. Die 5-Sterne-Bewegung entschied sich durch fliegenden Wechsel zu einer Koalition mit der Linken. Salvini beschuldigt Macron, Merkel, Brüssel mit van der Leyen und die internationale Finanz als Drahtzieher eines "Coups", um Italien zu schwächen. Und er ruft das "Volk auf die Straße" zu einer Art Marsch auf Rom, um gegen die "gestohlenen demokratischen Wahlen" anzukämpfen. Das verschärft die seit Monaten andauernde Debatte über die politische Natur der populistischen Kräfte in Italien und ganz Europa. Wie sind sie einzuordnen, zu benennen: totalitär, präfaschistisch, autokratisch, illiberal, souveränistisch oder einfach nur populistisch? Fakt ist: Italien als kränkelnden Sonderfall oder "das schwächste Glied in der Kette" der EU zu belächeln, wäre fatal - denn ein Reißen dieser Kette hätte schwere Folgen für ganz Europa.Lorenz Gallmetzer zeigt auf, welche historischen Faktoren die derzeitige Entwicklung möglich machten und welche zweifelhafte "Vorreiterrolle" Italien stets einnahm. Benito Mussolinis politische Massenbewegung und Diktatur diente als Vorbild für den Faschismus von Portugal bis Jugoslawien und inspirierte Hitler, während der Medienzar und dezidierte Nicht-Politiker Silvio Berlusconi Donald Trumps Politstil vorweggenommen hat. Auch den aktuellen Zuständen in Wirtschaft, Verwaltung, Justiz und Infrastruktur mit besonderem Fokus auf Korruption und der aggressiv-restriktiven Migrationspolitik wird Rechnung getragen. Eine messerscharfe Analyse, die deutlich macht, dass der Aufstieg der radikalen Rechten zur stärksten Kraft in einem der bedeutendsten Staaten der Eurozone mehr ist als eine der gewohnten "Krisen all'italiana".
Autorenporträt
geboren in Südtirol, studierte Romanistik, Geschichte und Literatur in Wien und Mailand. Ab 1981 in der Auslandsredaktion des ORF, zunächst Korrespondent in Washington, dann viele Jahre Korrespondent in Paris. Nach seiner Rückkehr nach Wien ab 2001 Reporter für das ORF-Weltjournal und 2008/2009 Sendungschef des Club 2. Heute lebt er als Publizist und Autor in Wien. 2016 erschien von ihm bei K&S ¿Süchtig¿.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2019

Römische Verhältnisse
Zwei Journalisten spüren den jüngsten Krisen in Italien nach
Man kann Italien aus verschiedenen Perspektiven beobachten – vom großen Römischen Reich über den Faschismus des Benito Mussolini bis hin zu einem Alcide de Gasperi und den vom ihm betriebenen Römischen Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften. Italien ist der Ort der Christianisierung Europas und der Platz zahlreicher Elemente des Weltkulturerbes. Aber dann ist Italien auch das Land der Krisen, der populistischen Wirrnisse, der scharfen innenpolitischen Konflikte.
Italien ist einer der großen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Darum kommt immer wieder die Frage nach seiner Führungsleistung in Europa auf. So war es in den 50er-Jahren, als der große Gründungsaufbruch stattfand – dann wieder in den 60er-Jahren. Frankreich hatte die Initiative zu den Fouchetplänen ergriffen – der Entwurf einer Politischen Union als Krönung der Wirtschaftsgemeinschaft. Deutschland machte mit – und sofort kam die Überlegung auf, dass man eine dritte Führungsmacht benötige: Italien. Und Rom wollte diese Verantwortung und diese Rolle auch übernehmen, aber solche Führungsperspektiven scheiterten hier und später immer wieder an der krisengebundenen Schwäche Italiens. Italien war immer viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. So verstellte es sich selbst den Weg in die europäische Führung.
Was begründet diese spezifische Krisenfixierung Italiens über die vielen Jahrzehnte? Warum muss Europa auf einen Führungsbeitrag verzichten, den Italien mit Deutschland und Frankreich leisten sollten? Zwei aktuelle Bücher versuchen, bei der Antwort zu helfen, beide geschrieben von Autoren, die historische Kenntnisse mit journalistischer Erfahrung verbinden.
Lorenz Gallmetzer, in Südtirol geboren, langjähriger Mitarbeiter des ORF, weist zunächst zutreffend darauf hin, dass die gegenwärtigen Umwälzungen und Brüche in Italien nicht identisch sind mit den vielen Krisen in den vergangenen 70 Jahren. Und dann erwähnt er auch gewisse internationale Parallelen: „Der Siegeszug des nationalistischen, fremdenfeindlichen und gegen alle bisher Regierenden gerichteten Populismus in Italien steht im Einklang mit den Entwicklungen weltweit, von Trump in Amerika über Le Pen und die Gelbwesten in Frankreich bis hin zu Orbàn in Ungarn und Kaczynski in Polen.“ Hier hätte er auch die AfD in Deutschland aufführen müssen. Gallmetzer warnt jedoch nachdrücklich davor, den Fall Italien lächelnd als „kranken Sonderfall“ abzutun. Und dann fallen Namen von Mussolini bis Berlusconi und Salvini.
Doch wie ist dieses Phänomen zu benennen? Der Autor fragt: „Ist es Faschismus? Präfaschistisch, totalitär, autokratisch, illiberal, souveränistisch oder einfach nur populistisch?“ Wirklich präzise beantwortet wird diese elementare Grundsatzfrage leider nicht. Viele Beispiele aus dem politischen Alltag werden berichtet, die jeden einzelnen Begriff dieser Fragen mit Farbe versehen. Tabubrüche und Korruption gehören zum Alltag ebenso wie die grenzenlose Fantasie zu diversen kreativen Begünstigungen. Das Geld der Mafia kommt mit aller Selbstverständlichkeit zum Einsatz. Für die Beobachter ist Misstrauen angezeigt. Der Autor kommt zu dem Ergebnis: „In kaum einem anderen Land ist das Verhältnis der Bürger zu dem von ihnen gewählten Volksvertretern so zerrüttet und ambivalent zugleich.“ Und dies unterfüttert dramatische anthropologische Mutationen: die Auflösung sämtlicher traditioneller Gesellschaftsstrukturen. Dem Leser bleibt nach der Lektüre kein Hauch von Zuversicht, denn aus der Sicht Gallmetzers sind Reformen zur Modernisierung des Landes nicht in Sicht. Man könnte einwenden: Manches geht vielleicht doch schneller. Das Schlusskapitel ist dem Innenminister Matteo Salvini gewidmet – und der ist bereits jetzt schon nicht mehr im Amt …
Die zweite Neuerscheinung stammt von Ulrich Ladurner, ebenfalls in Südtirol geboren, als Journalist in Wien, Zürich und Rom tätig, bevor er zur Zeit nach Hamburg wechselte, deren Korrespondent in Brüssel er seit einigen Jahren ist. Europäische Beobachtersensibilität zum Thema Italien ist also gegeben. Und so liest man eine Fülle von Beispielen jener spezifischen Stimmungslage in einem doch historisch im Kern europäischen Land. Man liest von wachsendem Misstrauen gegenüber der EU, Vorgängen der Entfremdung: Gefühle beherrschen die Szene. Die Frage nach einer neuen Form von Faschismus kommt immer wieder auf – und die Zusatzüberlegung auch, ob es nicht doch nur eine spezifische Form von Populismus ist. Der Leser bleibt – weiter von den Beispielen und Sachverhalten beunruhigt – auf der Suche nach strategischen Antworten auf diese Problemfülle.
Immerhin in diesem Buch findet man dazu einige Antworten – wenn auch erst auf den letzten Seiten: Die europäische Politik muss Italien größeren Respekt zollen. Europa muss großzügiger sein. Die politische Partizipation ist in der EU deutlich zu verbessern, und so ist die Legitimation Europas zu steigern. Man muss Ladurner zustimmen: Der höchst schwierige Fall Italien ist eben in seiner Substanz ein europäischer Fall.
WERNER WEIDENFELD
Lorenz Gallmetzer: Von Mussolini zu Salvini. Italien als Vorreiter des modernen Nationalpopulismus. Verlag Kremayr u. Scheriau, Wien 2019. 192 Seiten, 22 Euro.
Ulrich Ladurner: Der Fall Italien. Wenn Gefühle die Politik beherrschen. Edition Körber, Hamburg 2019. 232 Seiten, 18 Euro.
Lorenz Gallmetzer und
Ulrich Ladurner fragen
nach dem Faschismus-Problem
Das war die Welt des Matteo Salvini: Der Innenminister im Mai in einer Jubelmenge. Seit September ist er sein Ministeramt los.
Foto: MIGUEL MEDINA/AFP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Werner Weidenfeld weiß, dass Italiens "spezifische Krisenfixierung" das Land stets daran gehindert hat, in Europa eine wichtigere Rolle zu spielen. Mit Interesse liest er daher zwei Neuerscheinungen, die den Zusammenbruch der derzeitigen Politik nicht als bloße Fortschreibung bisheriger Krisen verstehen, sondern als eine neue Qualität: Der aus Südtirol stammende ORF-Journalist Lorenz Gallmetzer nimmt mit seiner Bestandsaufnahme dem Rezensenten leider jeden Hauch von Zuversicht. Zwar ordne Gallmetzer die Erfolge der Populisten auch in den internationalen Kontext, mache jedoch klar, dass in keinem anderen europäischen Land das Verhältnis der Bürger zu ihren Politikern so zerrüttet sei wie in Italien. Und nirgendwo hätten sich die traditionellen Gesellschaftsstrukturen  so unwiderruflich aufgelöst, erfährt Weidenfeld.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2020

Von Berlusconi gelernt
Lorenz Gallmetzer über Italien als Vorreiter populistischer Politik

Ein Buch über aktuelle politische Entwicklungen zu schreiben, womöglich über eine amtierende Regierung, ist immer mit einem Risiko verbunden: Die Dinge können sich so schnell ändern, dass die Analyse im Augenblick der Drucklegung schon überholt ist. Einen zusätzlichen Risikozuschlag müssen Autoren entrichten, die über die zeitgenössische Politik Italiens schreiben. In Rom ist derzeit Regierung Nummer 66 seit Ende des Zweiten Weltkrieges an der Macht. Das Kabinett Conte II, geführt vom parteilosen Juraprofessor Giuseppe Conte, ist im September 2019 angetreten. Es hat aktuell recht gute Überlebenschancen. Allein schon deshalb, weil wegen der Coronavirus-Pandemie derzeit kein Mensch an Neuwahlen auch nur denken mag.

Conte führt eine Linkskoalition der Fünf-Sterne-Protestbewegung und der Sozialdemokraten mit zwei weiteren kleinen Linksparteien. Die Regierung ist proeuropäisch. Man könnte sie sogar als Geschöpf von Brüssel und Berlin bezeichnen. Jedenfalls waren die EU und Deutschland die maßgeblichen Taufpaten für Conte II, nachdem der damalige Innenminister und Vize-Regierungschef Matteo Salvini von der rechtsnationalistischen Lega im August 2019 das seit Juni 2018 amtierende Kabinett Conte I in der verblendeten Hoffnung auf Neuwahlen hatte platzen lassen.

Die Regierung Conte I, eine panpopulistische Koalition aus linken Fünf Sternen und rechter Lega, stand der EU skeptisch bis feindlich gegenüber. Um einen Aufstieg Salvinis und seiner Partei Lega - bis heute nach allen Umfragen die mit Abstand stärkste politische Kraft des Landes - an die Spitze der Macht zu verhindern, setzten Brüssel, Berlin und der EU-freundliche italienische Staatspräsident Sergio Mattarella alles daran, vorgezogene Wahlen mit dem absehbaren Sieg der Rechten unter Führung der Lega zu verhindern. Giuseppe Conte durfte ein zweites Kabinett bilden. Und wurde praktisch über Nacht zum eisernen Freund der EU und von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese ewige Liebe ist aber schon wieder verrostet, weil Mutter Merkel ihrem Ziehsohn Conte die sogenannten Corona-Anleihen der EU zur Überwindung der italienischen Rezession nach der Pandemie verweigert. So schnell geht das in der italienischen Politik.

Eben zu schnell für gute Teile des Buches "Von Mussolini zu Salvini - Italien als Vorreiter des modernen Nationalpopulismus" von Lorenz Gallmetzer. Die vielen Seiten, auf welchen der aus Bozen in Südtirol stammende Journalist und langjährige ORF-Auslandskorrespondent über Matteo Salvini als den eigentlich starken Mann der Regierung Conte I handelt, waren zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches Ende September 2019 schon überholt. Überdies erfährt man über Salvini und dessen Werdegang (vom Kommunisten zum Nationalisten, vom Radiomoderator zum Volkstribun) bei Gallmetzer nur wenig mehr, als man zuvor schon aus einschlägigen Presseberichten hatte lernen können. Hinzu kommen Flüchtigkeitsfehler, die einem Italien-Kenner wie Gallmetzer gewiss nur wegen des Zeitdrucks unterlaufen sind (der Amtssitz des Innenministers in Rom ist der Palazzo del Viminale, nicht der Palazzo Chigi, in welchem sich das Amt des Ministerpräsidenten befindet).

Als Brevier zu den Besonderheiten und Absonderlichkeiten der italienischen Politik unserer Tage sowie der vergangenen Jahrzehnte taugt das Buch dennoch. Man erfährt manches über die "drei Grundübel Italiens - Bürokratie, Korruption, Justiz" - sowie über Silvio Berlusconi als Vorbildgestalt für populistische "Anti-Politiker" von Donald Trump bis Jair Bolsonaro. Am stärksten sind die Abschnitte über den Umgang der jungen italienischen Demokratie mit dem "Erbe" Benito Mussolinis und des Faschismus. Gallmetzer spricht von der "unterlassenen Vergangenheitsbewältigung" und zeigt, wie sich die Republik Italien nach Abschaffung der Monarchie von 1946 umstandslos die Tradition des Partisanenkampfes gegen Mussolinis Schwarzhemden und die deutschen Nazi-Besatzer als Ursprungsmythos der Demokratie zurechtlegte.

Dabei rekrutierten die italienischen Euro-Kommunisten, die in keiner europäischen Nachkriegsdemokratie so stark wurden wie eben in Italien, einen Gutteil ihrer Anhänger und Wähler aus faschistischen "Überläufern". So wurden die einstigen regionalen "Festungen" der Faschisten, etwa die Toskana oder Mussolinis Heimatregion der Emilia-Romagna, sozusagen über Nacht zu roten Hochburgen - und blieben es über Jahrzehnte, eigentlich bis heute.

Der eigenen politischen Vorliebe folgend, zieht Gallmetzer vor allem linksliberale Gesprächspartner und Gewährsleute heran. Damit bleiben zwei Hauptursachen für den Aufstieg von Rechtspopulisten in ganz Europa und vor allem in Italien etwas unterbelichtet: die (illegale) Immigration und der Umgang mit ihr durch die Präzeptoren des gesellschaftlichen Mainstreams - von den etablierten Parteien über die Medien und die Intellektuellen bis zu den Kirchen. Salvinis Ruf "Prima gli italiani" (Italiener zuerst) konnte nur deshalb ein so breites Echo finden, weil eine wachsende Zahl seiner Landsleute sich mit ihren echten Sorgen und vermeintlichen Nöten vom nationalen Establishment und schon gar von Europa nicht mehr ernst- oder wenigstens wahrgenommen fühlte. Salvini mag sich mit seinem missglückten Manöver vom August 2019 vorerst selbst in die Opposition katapultiert haben. Aus dem Rennen um die Macht ist er damit noch lange nicht. Als Salvini-Propädeutik bleibt Gallmetzers Buch deshalb aktuell.

MATTHIAS RÜB.

Lorenz Gallmetzer: "Von Mussolini zu Salvini". Italien als Vorreiter des modernen Nationalpopulismus.

Kremayr und Scheriau Verlag, Wien 2019. 192 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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