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1840 reisten die Engländerinnen Anne Lister und Ann Walker im Pferdeschlitten auf der zugefrorenen Wolga bis zum Kaspischen Meer und weiter über den Großen Kaukasus nach Tbilissi und Baku. Anne Lister starb völlig unerwartet auf einer Bergtour in Georgien. Ihre Gefährtin Ann Walker benötigte sieben Monate, um den Sarg mit der Leiche der Geliebten zurück nach Halifax zu bringen. Nach dem Entschluss, eine Biografie über die freizügige Tagebuchautorin und verwegene Reisende Anne Lister zu schreiben, begibt sich Angela Steidele auf die Spuren des außergewöhnlichen Paars, begleitet von ihrer…mehr

Produktbeschreibung
1840 reisten die Engländerinnen Anne Lister und Ann Walker im Pferdeschlitten auf der zugefrorenen Wolga bis zum Kaspischen Meer und weiter über den Großen Kaukasus nach Tbilissi und Baku. Anne Lister starb völlig unerwartet auf einer Bergtour in Georgien. Ihre Gefährtin Ann Walker benötigte sieben Monate, um den Sarg mit der Leiche der Geliebten zurück nach Halifax zu bringen. Nach dem Entschluss, eine Biografie über die freizügige Tagebuchautorin und verwegene Reisende Anne Lister zu schreiben, begibt sich Angela Steidele auf die Spuren des außergewöhnlichen Paars, begleitet von ihrer Russisch radebrechenden Frau. Hilft ihre Reise, die Abenteuer von Anne und Ann zu würdigen? Was erzählen die Orte, Landschaften und Menschen heute von fernen Zeiten? Kann man überhaupt in die Vergangenheit reisen? Welche Vergangenheit? Zeitreisen erlaubt einen so anschaulichen wie vergnüglichen Blick in die Werkstatt einer Biografin und bildet den zweiten Teil einer Trilogie von Angela Steidele zubiografischem Schreiben, die mit Anne Lister. Eine erotische Biographie (2017) begonnen hat und mit einer Poetik der Biographie 2019 schließen wird.
Autorenporträt
Angela Steidele, 1968 geboren in Bruchsal, erforscht und erzählt historische Liebesgeschichten. Sie veröffentlichte u. a. In Männerkleidern. Das verwegene Leben der Catharina Linck alias Anastasius Rosenstengel, 2004, sowie Geschichte einer Liebe: Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens , 2010. Für ihr literarisches Debüt Rosenstengel erhielt sie 2015 den Bayerischen Buchpreis. Ihre Trilogie zu biographischem Schreiben schließt Angela Steidele nach Anne Lister. Eine erotische Biografie, 2017, und Zeitreisen. Vier Frauen. Zwei Jahrhunderte. Ein Weg mit der Poetik der Biographie ab. Angela Steidele lebt in Köln.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2018

Land ohne Örtchen
Angela Steidele reist auf den Spuren einer exzentrischen Britin durch Russland und den Kaukasus
Wer heutzutage Zwanzig ist und etwas auf sich hält, weiß, welcher Technoclub in Tbilissi gerade angesagt ist. Wer vierzig Jahre zählt, der schwärmt von den Weinen Georgiens, und wer die Sechzig erreicht hat, der wandert auf den Spuren der Antike über den Kaukasus, liest Puschkin und Mandelstam und fotografiert die malerische Landschaft kurz und klein.
Vor zweihundert Jahren dagegen war Georgien sowenig wie die übrigen Länder des Kaukasus eine erschwingliche, wenige Flugstunden entfernte All-Age-Reisedestination. Wer sich im Jahr 1840 hierhin auf den Weg machte, der setzte vorher besser sein Testament auf. Die Anreise war lang und beschwerlich, und die Qualität der Wege mindestens so lebensgefährlich wie die Entschlossenheit der Wegelagerer. In der Regel hieß es zudem, aber das war das kleinste Problem: Kein Örtchen, nirgends.
War man dann auch noch weiblichen Geschlechts, ließe sich vermuten, verdoppelten sich die Schwierigkeiten. Allerdings, so schreibt Angela Steidele in „Zeitreisen. Vier Frauen, zwei Jahrhunderte, ein Weg“ erscheine das Reisen von Frauen im 19. Jahrhundert nur vor dem Zerrbild der sittsamen, aufs Haus beschränkten Frau, so spektakulär. Tatsächlich hatten es Frauen in der Fremde mitunter auch leichter als Männer, waren sie doch etwa nicht dem Verdacht ausgesetzt, zu spionieren oder ähnliche Untaten im Schilde zu führen.
Angela Steideles historische Heldinnen Anne Lister und Ann Walker verfügten zudem über den Vorteil einer gut gefüllten Reisekasse. Als sie 1840 durch Russland reisten, waren sie nicht auf Postkutschen angewiesen, die es im Kaukasus ohnehin nicht gab, sondern nutzten das eigene Gefährt. Außerdem konnten sie sich sprachkundige Begleiter leisten, die sie umsorgten und im Zweifelsfall auch beschützen sollten. Als Frauen von Stand, standen ihnen die Türen der bessern Gesellschaft von Moskau, Nischni Nowgorod, Baku oder Tbilissi ohnehin weit offen.
Dennoch erforderte ihre Unternehmung eine gewissen Tollkühnheit. Wenige Westeuropäer hatten zu dieser Zeit den Kaukasus bereist. Gleichwohl gab es eine Art Reiseführer, dem das Paar folgte, die „Voyage autour du Caucase“ von Frédéric Dubois, in drei Bänden zwischen 1839 und 1843 erschienen. Auch ein Deutscher trieb sich zu dieser Zeit in der Gegend herum, der Botaniker Karl Koch. Er veröffentlichte seinen Bericht 1842. Angela Steidele nun schneidet Kochs und Dubois Reise mit den Tagebuchnotizen Anne Listers und ihren eigenen Beobachtungen, die sie auf Listers Spuren in Russland und dem Kaukasus gemacht hat, kurz.
Wie Lister mit ihrer Partnerin Ann, war auch Steidele mit ihrer Frau unterwegs. Korrekt müsste der Untertitel ihres Buches gleichwohl „Vier Frauen, zwei Männer, zwei Jahrhunderte und ein Weg“ lauten, denn die Rolle Dubois’ und Kochs in dieser Zeitreise ist ebenso groß wie die Anne Listers und Ann Walkers.
„Zeitreise“ dagegen ist ein sehr treffender Titel, denn nicht nur verbindet Steideles Bericht das 19. und das 21. Jahrhundert miteinander, häufig dient ihr Listers Reise auch als eine Art Sprungbrett in weiter entfernte Zeiten, in die Peters des Großen etwa und sogar in die des mittelalterlichen Andrej Rubljow. Durch den erzählerischen Zwischenstopp im Jahr 1840 erscheint einem das 13. Jahrhundert plötzlich gar nicht mehr so weit entfernt.
Überhaupt ist Steideles Buch sehr kurzweilig, was einerseits an ihrer exzentrischen Heldin liegt (über die Steidele im vergangenen Jahr eine Biografie veröffentlich hat), wie auch an dem Witz ihrer Begleiterin Susette, die angesichts eines Waldes in der Nähe des georgischen Gori ausruft: „Das ist hier ja wie im Rhododendron-Park in Bremen. Nur in echt!“
Die weniger pittoresken Orte des Kaukasus, jene Regionen, die für westliche Reisende unzugänglich oder zumindest nicht ganz ungefährlich sind – Dagestan, Tschetschenien – lässt Steidele aus. Es geht ihr nicht um Abenteuer, sondern um eine beschauliche, literarische Spurensuche.
Am Ende waren es auch weder die Wege oder die Wegelagerer, die dazu führten, dass Ann Walker ihre Geliebte Anne Lister, die sie nur widerwillig auf ihrer Reise begleitet hatte, sieben Monate lang im Sarg nach Hause führen musste. Es war das „heiße Fieber“, an dem Lister überraschend verstarb. Vor diesem immerhin ist der heutige Reisende, ist die heutige Reisende gefeit.
TOBIAS LEHMKUHL
Angela Steidele: Zeitreisen. Vier Frauen, zwei Jahrhunderte, ein Weg. Matthes und Seitz, Berlin 2018. 272 Seiten, 24 Euro.
Durch den Zwischenstopp im
Jahr 1840 erscheint das
13. Jahrhundert nicht weit weg
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