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Das Zeugnis einer Freundschaft zweier Künstlerpersönlichkeiten und -schicksale, die unterschiedlicher kaum sein können.Die Freundschaft zwischen Hermann Borchardt und George Grosz begann Mitte der 1920er Jahre in Berlin. Grosz gehörte zu den bekanntesten Satirikern der Weimarer Republik, während Borchardt sich eher am Rande der literarischen Avantgarde bewegte. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 entschlossen sich beide, das Land zu verlassen. Im Exil intensivierte sich ihr Briefwechsel. Grosz lebte und arbeitete in New York, während Borchardt als Deutschlehrer erst…mehr

Produktbeschreibung
Das Zeugnis einer Freundschaft zweier Künstlerpersönlichkeiten und -schicksale, die unterschiedlicher kaum sein können.Die Freundschaft zwischen Hermann Borchardt und George Grosz begann Mitte der 1920er Jahre in Berlin. Grosz gehörte zu den bekanntesten Satirikern der Weimarer Republik, während Borchardt sich eher am Rande der literarischen Avantgarde bewegte. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 entschlossen sich beide, das Land zu verlassen. Im Exil intensivierte sich ihr Briefwechsel. Grosz lebte und arbeitete in New York, während Borchardt als Deutschlehrer erst nach Frankreich und kurze Zeit später nach Minsk, emigrierte. So unterschiedlich die Zufluchtsorte, so unterschiedlich waren ihre Leben.1936 wurde Borchardt aus der Sowjetunion ausgewiesen und kehrte nach Berlin zurück. Er wurde verhaftet und in die Konzentrationslager Esterwegen, Sachsenhausen und Dachau gebracht, kam aber unter der Bedingung frei, Deutschland umgehend zu verlassen. Auf Einladung und mit finanzieller Unterstützung von Grosz emigrierte er schließlich in die USA.In ihrer regen Korrespondenz werden Fragen nach der weltpolitischen Entwicklung, Auseinandersetzungen mit anderen deutschen Exilanten und der Alltag in Amerika mal hitzig, mal spöttisch diskutiert. Ihre Briefe zeugen von hoher historischer, politischer und persönlicher Brisanz.Die insgesamt 220 Briefe werden von den Herausgebern umfangreich erläutert.
Autorenporträt
Hermann Borchardt (1888 -1951), Schriftsteller, Essayist, Theoretiker und Intellektueller, der nahezu unbekannt im amerikanischen Exil starb.

George Grosz (1893-1959), Maler und Zeichner, der mit seinen expressionistischen, dadaistischen und futuristischen Gemälden weltberühmt wurde.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.02.2020

Eine bittere Freundschaft im Zeitalter der Extreme
George Grosz und der Schriftsteller Hermann Borchardt attackieren in ihren Briefen Terror und ideologische Verblendung
Mehr als 200 Briefe haben sich George Grosz und Hermann Borchardt zwischen 1927 und 1991 geschrieben. Der Maler, Satiriker, Zeichner des „Ecce homo“ ist weltbekannt. Der andere war ein glückloser jüdischer Schriftsteller, dessen Versuche, sich zu etablieren, immer wieder scheiterten. Ihre Briefe sind bislang unbekannte Zeugnisse einer lebenslangen Freundschaft.
Wer in Grosz allein den unversöhnlichen Kritiker der Bourgeoisie sieht, den Dada-Clown und Ketzer gegen den „schauderhaften ,politischen’ Mief“ deutschen Spießertums, der wird enttäuscht sein. Grosz ist froh, solcher Inanspruchnahme entkommen zu sein. „Der Schock über die Niederlage der linken Intelligenz von Weimar sitzt tief und führt zu einer Krise, die die Kunstproduktion als letztlich verfehlt und damit unwirksam, weil nur vordergründig einflußreich erscheinen läßt“, schreibt Hermann Haarmann in einem der beigegebenen Essays. Am liebsten würde Grosz seine politisch-satirischen Karikaturen ungeschehen machen.
Am 30. Januar 1933, als Hitler Reichskanzler wird, weilt Grosz in den USA. Schon am 31. Januar verwüsten SA-Männer sein Atelier in Berlin. Grosz war von der Art Students’ League als Gastdozent eingeladen worden, und damit ging für ihn ein Jugendtraum in Erfüllung. New York, die „schönste“, die „einzigste wirkliche Grossstadt der Welt“, schwärmt er gegenüber Borchardt. Insofern fühlt er sich nur halbwegs als Emigrant. „No Hans, nach Amerika … möchte man nur noch in Amerika leben.“ Nicht zuletzt wegen des für die krisengeschüttelten Europäer unglaublich reichhaltigen Konsumangebots. Grosz übersieht nicht die sozialen Brüche: „... ganze Farmergruppen am sterben, Arbeiter ohne Arbeit … aber parfümiertes Toiletpaper … Hans, das ist der Capitalismus wie er im Buche steht.“ Jedoch meidet er jede öffentliche Parteinahme.
„Bin bewusst ein Kleinbürger“, gesteht Grosz, „ganz recht in ,bürgjaliche Unjeistichkeit’ gefallen“. Solche Eingeständnisse finden sich durchgängig in den Briefen. „Hab mein kleines bischen Leben zu machen … that’s all“. Das ist das Fundament, auf dem sich die beiden Protagonisten verstehen und von dem aus sie ihre vertraulichen Angriffe gegen alles außerhalb ihres Selbstverständnisses, gegen Rechts wie Links, starten. Obwohl Hermann Borchardt einmal meint, dass „der zynisch gewordene Kleinbürger kurz und klein geschlagen“ werden sollte, wünscht auch er sich ein ausbalanciertes, mittelständisches Leben.
Die Bekenntnisse sind mitunter widersprüchlich. Als Grosz gegen einen Wendehals wettert, der angeblich den Zaren und die Oberlehrer verehrt, schreibt er: „Was wollt ihr Schweine eigentlich … So eine richtig dunne kleinburgerliche Wiederherstellung … nee nich bei mia … Und wie diese Scheisser Communismus hassen … Aber Communismus ist bei euch wie bei die kleinen Kinder der schwarze Mann … ihr konnt mir alle am Aasch.“
Die Briefe von George Grosz sind oft deftig, spöttisch, hintersinnig und manches hat er offenbar im betrunkenen Zustand geschrieben. Er war ein großer Zweifler, auch an sich selbst, vor allem und gleichermaßen an den Versprechungen der Nationalsozialisten wie der Kommunisten. „Ich gestatte mir, nicht zu glauben … Es gibt keinen Fortschritt für mich … und gäbe es einen würde er mich nicht interessieren.“
Hermann Borchardt, Lehrer an einem Berliner Gymnasium, wird im April 1933 denunziert und flieht nach Paris. Er lebt in großer Armut und kann nicht Fuß fassen. Da ihm wiederholt eine Anstellung als Dozent für Deutschlehrer an der Universität Minsk in Aussicht gestellt worden war, zieht er in die Sowjetunion um. Zunächst noch optimistisch, weiß er doch, was ihm blüht: „Kälte, Verstellung und Maulhalten: alles Sachen, die ich so gut leiden kann.“ Als ausländischer Spezialist wird er gut versorgt. 1936 schlägt der Geheimdienst zu: Ihm wird „eindeutig konterrevolutionäre Agitation“ unterstellt; Ausweisung, weil er die sowjetische Staatsbürgerschaft nicht annehmen will.
Ratlos, verzweifelt, wohin? Er kehrt nach Deutschland zurück, unterrichtet jüdische Kinder. Im Sommer desselben Jahres verhaftet ihn die Gestapo. Er verbringt zehn Monate in Konzentrationslagern, wird gefoltert. Unter der Bedingung, das Land sofort zu verlassen, kommt er frei. Bertolt Brecht setzt sich für seinen früheren Mitarbeiter ein. Eva und George Grosz besorgen die zur Einreise in die USA erforderlichen Papiere und das Geld für die Überfahrt.
In all diesen Jahren schreibt Borchardt an seinem großen Roman „Die Verschwörung der Zimmerleute“; er bleibt Fragment. Auch drei Theaterstücke entstehen; keines wird aufgeführt. Politischem Engagement entsagend, halten Grosz und Borchardt Abstand zu den Emigrantenkreisen. In ihrem Zorn gegen „die roten Drahtzieher“ und „KPD-Schwätzer“ (Grosz) sind sich die Briefpartner einig. Aber der Fluch trifft alle und jeden. Barbusse und Roland donnern „ihre pazifistischen Bockmistgesänge in die Welt“. Feuchtwanger: „Fruchteis aus Gänseschmalz“. Die „Piskatorclique“: „Sklaven einer kleinen Sache, niedrige Neidhälse“ usw. (alles Grosz). Selbst die „Herren Mann“ werden nicht verschont. Allein Bertolt Brecht erfreut sich beider Wertschätzung. Folge dieses Furors und des allgemeinen Verdammen ist eine zunehmende Isolation, die Grosz später im Gin zu ertränken versucht.
Die Verhältnisse in Sowjetrussland erschüttern Grosz zutiefst. Bereits 1922 nimmt er die Diskrepanz zwischen Ideologie und Realität sowie die krasse Unterversorgung wahr. Er setzt die Stalin-Diktatur mit Kommunismus gleich und wettert gegen den „idiotischen Marxismus“, von dem er eigentlich keine Ahnung hat. Borchardt erlebt „dieses System aus Schmutz, Unordnung und Lüge“ mit den willkürlichen Verhaftungen hautnah. Von da an ist für ihn auch Kommunismus und Faschismus dasselbe, wie in seiner Schrift „Communism and Fascism: Two of a Kind“ ausgeführt.
Schon 1935 hatte Grosz vermerkt: „Ich habe keinerlei Hoffnung.“ In den späten Jahren ist er nur noch depressiv. Er malt Landschaftsbilder und apokalyptische Szenen. Borchardt konvertiert zum Katholizismus und „vertrottelt“ als „ein ganz wütender Kommunistenfeind“, wie sein alter Freund an eine Bekannte schreibt, „immer dieselben Phrasen“.
JENS GRANDT
Hermann Borchardt / George Grosz: „Lass uns das Kriegsbeil begraben!“ Der Briefwechsel. Hrsg. von Hermann Haarmann und Christoph Hesse. Wallstein Verlag, Göttingen 2019. 560 S., 34,90 Euro
„Hab mein kleines
bischen Leben
zu machen … that’s all“
Ihre Freundschaft begann Mitte der Zwanzigerjahre: George Grosz (links) und Hermann Borchardt1 (1888 - 1951).
Foto: Privatbesitz, Borchardt-Erben/ Wallstein Verlag
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»Die Lektüre des Briefwechsels, dessen Unterhaltungswert ganz offensichtlich mit dem Alkoholpegel des Briefeschreibers steigt, macht neugierig« (Florenz Gilly, Deutschlandfunk Kultur Lesart, 07.01.2020) »(Die Briefe) liefern nicht nur einen intimen Einblick in eine kontinuierliche, von Hilfsbereitschaft wie intellektuellem Austausch geprägte Männerfreundschaft. Sie gewähren zugleich einen Einblick in die Drangsale des Exils.« (Wilfried Weinke, taz am wochenende, 28./29.12.2019) »Die Lektüre der Briefe lohnt. Beide waren Sprachvirtuosen, die nicht müde wurden, das Erlebte mit sarkastischem Humor zu würzen... Die Exilforschung ist um ein sehr wichtiges Werk bereichert worden.« (Helmut Koopmann, Germanistik, 61/2020)