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Ein überwältigender Roman über Verlust und Menschlichkeit, berührend und fesselnd. Träume sind Bruchstücke einer Wirklichkeit. Das weiß der Lehrer Nani Sapienza, als er von einem Mädchen träumt, das seiner verstorbenen Tochter ähnlich sieht. Nachdem er am Morgen danach von der vermissten Lucia im Radio hört, ist er überzeugt, dass sie ihm im Traum erschienen ist. Lucia ist spurlos verschwunden, und nach Wochen der vergeblichen Suche geben Polizei und Eltern auf. Nur Nani hört nicht mit seinen Schlussfolgerungen und besessenen Nachforschungen auf und zieht den Argwohn der Kleinstadt auf sich -…mehr

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Produktbeschreibung
Ein überwältigender Roman über Verlust und Menschlichkeit, berührend und fesselnd. Träume sind Bruchstücke einer Wirklichkeit. Das weiß der Lehrer Nani Sapienza, als er von einem Mädchen träumt, das seiner verstorbenen Tochter ähnlich sieht. Nachdem er am Morgen danach von der vermissten Lucia im Radio hört, ist er überzeugt, dass sie ihm im Traum erschienen ist. Lucia ist spurlos verschwunden, und nach Wochen der vergeblichen Suche geben Polizei und Eltern auf. Nur Nani hört nicht mit seinen Schlussfolgerungen und besessenen Nachforschungen auf und zieht den Argwohn der Kleinstadt auf sich - aber seine Schüler der vierten Grundschulklasse, die nie genug von den wundersamen Erzählungen ihres Lehrers bekommen, bringt er zum Nachdenken. Die Suche nach Lucia wird bald zu einer Suche nach sich selbst.
Autorenporträt
Dacia Maraini, geboren 1936 in Fiesole. Aufgewachsen in Japan und Sizilien. Grande Dame der italienischen Literatur. Enge Freundschaften zu Alberto Moravia und Pier Paolo Pasolini. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen. Ihre Bücher sind in zwanzig Sprachen übersetzt. Zuletzt auf Deutsch erschienen: Die stumme Herzogin (2002), Bagheria. Eine Kindheit auf Sizilien (2002), Gefrorene Träume (2006).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.07.2017

Lichter in
einer Schattenwelt
Dacia Maraini erzählt von einer hartnäckigen Suche
Träume spielen für Dacia Maraini eine wichtige Rolle. Besonders die, in denen sich die Lebenden mit Verstorbenen treffen. Ihr vielleicht persönlichstes Buch „La grande festa“ (2011), das bislang nicht ins Deutsche übersetzt wurde, erzählt von solchen Traumbegegnungen mit Toten, etwa mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Alberto Moravia, mit der jüngeren Schwester, der Musikerin Yuki Maraini oder ihrem letzten Lebensgefährten, dem Schauspieler Giuseppe Moretti. Die Toten, sagt die 80-jährige Autorin beim Gespräch in ihrer römischen Wohnung unweit der Porta Flaminia, haben den Lebenden immer etwas mitzuteilen. Aber ihre Botschaft sei selten klar. Träume stammten aus einer Welt der Schatten, die mysteriös bleibe.
An einen Traum kann sie sich ganz genau erinnern. Eine Begegnung mit Pier Paolo Pasolini, mit dem sie bis zu seinem gewaltsamen Tod 1975 eng befreundet war. Moravia, Pasolini und sie hatten zusammen viele Reisen, darunter auch nach Afrika unternommen, manchmal war auch die Callas dabei. Pasolini stand nun im Traum in Rom auf ihrer Dachterrasse und rief nach seinen Technikern, weil er einen neuen Film drehen wollte. Dacia Maraini erzählt: „Dacia, sagten die Techniker, du musst Pier Paolo klarmachen, dass er nicht mehr lebt. Aber ich hatte nicht den Mut dazu. Ich spürte diese ungeheure Vitalität auch des toten Pasolini.“
So ist es vielleicht kein Wunder, dass die Welt der Schatten in Dacia Marainis jüngstem Roman „Das Mädchen und der Träumer“ eine wichtige Rolle spielt. Nani Speranza, Grundschullehrer in einer norditalienischen Kleinstadtsiedlung, träumt von einem Mädchen im roten Mantel, dem er auf dem Weg zur Schule hinterhergeht. Er hält das Kind zunächst für seine kurz zuvor an Leukämie verstorbene Tochter. Doch enttäuscht bemerkt er, dass er sich geirrt hat – und wacht auf. Als er am Morgen im Radio von der Schülerin Lucia aus seiner Nachbarschaft hört, die vermisst wird, fragt er sich, ob nicht vielleicht sie es war, die er im Traum gesehen hat. Er will mehr wissen.
Lucia bleibt spurlos verschwunden. Wochen später schreibt die Polizei den Fall ab, es bestehe keine Hoffnung mehr, das Mädchen noch lebend zu finden. Der Lehrer jedoch gibt nicht auf, obgleich er sich mit seiner hartnäckigen Suche nach dem Mädchen, von der er immer wieder träumt, bei den Behörden, den Bewohnern der Siedlung wie bei seinen Vorgesetzten unbeliebt, gar verdächtig macht.
Dacia Maraini nutzt oft die Form des Kriminalromans. In „Das Mädchen und der Träumer“ verschränken sich der Wunsch nach Vaterschaft, der Umgang mit dem Tod und die Welt der Träume mit aktuellen Problemen wie der Kinderprostitution oder der Beziehung von Erziehern und Schülern. Dem Ich-Erzähler des Romans, dem Lehrer und passionierten Leser Nani Speranza, gelingt es, die Schüler seiner Grundschulklasse durch Erzählungen und Mythen zu faszinieren. Und er macht sie so zugleich zu Mitwissern seiner Suche.
Dacia Maraini wird immer wieder in Schulen eingeladen, um über ihre Bücher zu sprechen. Die Schule, sagt sie, werde heute als Institution alleingelassen. Eine falsche Reformpolitik habe sie ihrer zentralen gesellschaftlichen Rolle beraubt. Wenn sie trotzdem hier und da noch funktioniere, sei das dem individuellen Einsatz von Lehrkräften zu danken. In Grundschulen, wo in der Mehrheit Frauen unterrichten, habe sie auch junge männliche Lehrer kennengelernt, die mit Enthusiasmus daran gehen, zusammen mit der Vermittlung von Wissen in Kindern auch staatsbürgerliches Bewusstsein zu wecken – was, so Dacia Maraini, „für mich die wichtigste Aufgabe der Schule ist.“ Gleichsam um diesen Lehrern ein Denkmal zu setzen, hat die Autorin zum ersten Mal einen Mann zum Protagonisten einer literarischen Arbeit gewählt. Wenn sich die Schriftstellerin in „Das Mädchen und der Träumer“ zu weit von der Person des Icherzählers entfernt, liest sich der Roman absatzweise wie ein Artikel, aber er findet zum Glück immer wieder in die Spur einer zugleich spannenden wie bewegenden Geschichte zurück.
Dacia Maraini, die im November 1936 in Fiesole als Tochter des Ethnologen Fosco Maraini und der sizilianischen Malerin Topazia Alliata geboren wurde, wird gern als die große alte Dame der italienischen Literatur bezeichnet. Ihre größten Erfolge sind bislang der historische Roman „Die stumme Herzogin“ (1991) oder „Bagheria“ (1994), ein Erinnerungsbuch über ihre Jugendzeit auf Sizilien. Sich dem Alltag und der Aktualität zu stellen, gehöre, so Dacia Maraini, zu den „absoluten Pflichten“ eines Autors. Er könne nicht nur zusehen oder sich hinter literarischen Formen verstecken, „sondern muss sich in aller Öffentlichkeit die Hände schmutzig machen.“
So kommentiert die Schriftstellerin in einer Kolumne, die alle zwei Wochen im Mailänder Corriere della Sera erscheint, Alltagsereignisse: von der Tierquälerei an Bären zur Gewinnung potenzsteigender Mittel bis zur Zunahme von Frauenmorden in Italien. Sie diskutiert politische Fragen wie die Spaltung der linksliberalen Regierungspartei Partito Democratico oder untersucht Phänomene der Sprachverrohung bei sozialen Konflikten.
Jüngst konnte man ihre Klage lesen, wie eine „wütende und kriegerische Sprache“ in den Medien das soziale Klima vergifte. Widerstand tue Not: etwa durch Wiederentdeckung von Begriffen wie „Anstand, Feinheit des Wesens, Vertrauenswürdigkeit, Verständnis und Toleranz“. Das seien nicht Worte der Schwäche, „sondern Ausdruck der realen Stärke eines differenzierenden Denkens und von sozialer Intelligenz.“
Einer sozialen Intelligenz, mit der auch der Lehrer Nani Sapienza im Roman schließlich Licht in seine Schattenwelt bringt.
HENNING KLÜVER
Immer wieder träumt der
Lehrer von der verschwundenen
Schülerin Lucia
Dacia Maraini: Das Mädchen und der Träumer. Aus dem Italienischen von Ingrid Ickler. Folio Verlag, Wien und Bozen 2017. 319 Seiten, 22 Euro.
E-Book 16,99 Euro.
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