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Fünf Jahre ist es her, dass Jakob Walter den Ausbruch aus seinem Leben wagen wollte. Zwei Tage später war er wieder zurück, und auch wenn er noch immer nicht wusste, was er eigentlich in Bern verloren hatte, er hatte immerhin eine sichere Anstellung: in der Steuerverwaltung. Und da war ja auch noch Edith, seine Frau. Die ihn nun nach zehn Jahren verlassen hat. Damit er nicht alleine zurückbleibt, geht er selbst auch, packt seinen Rucksack, wirft die Schlüssel in den Postkasten und und weiter? Er macht sich auf den Weg, aber was sucht er? Haben es die anderen denn gefunden: Jonas zum Beispiel,…mehr

Produktbeschreibung
Fünf Jahre ist es her, dass Jakob Walter den Ausbruch aus seinem Leben wagen wollte. Zwei Tage später war er wieder zurück, und auch wenn er noch immer nicht wusste, was er eigentlich in Bern verloren hatte, er hatte immerhin eine sichere Anstellung: in der Steuerverwaltung. Und da war ja auch noch Edith, seine Frau. Die ihn nun nach zehn Jahren verlassen hat. Damit er nicht alleine zurückbleibt, geht er selbst auch, packt seinen Rucksack, wirft die Schlüssel in den Postkasten und und weiter? Er macht sich auf den Weg, aber was sucht er? Haben es die anderen denn gefunden: Jonas zum Beispiel, der seine Arbeitslosigkeit zum Beruf macht, oder Natalia, die ein Hotel erbt, in dem es nur eine Toilette gibt? Aber hey, er hat immerhin einen Weggefährten und er hat den mitfühlendsten, verständigsten und aufmerksamsten Begleiter wohl in Lorenz Langenegger selbst, der seinen Helden am Ende in Griechenland stranden lässt. Dort weiß man freilich erst recht nicht, ob man jetzt am Ende angekommen ist oder wieder am Anfang steht, wo noch einmal alles möglich ist.
Autorenporträt
Lorenz Langenegger, 1980 in der Schweiz geboren, lebt heute in Wien und Zürich.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.07.2014

Die Sonne schien, da sie keine andere Wahl hatte, auf nichts Neues
Lorenz Langeneggers Roman „Bei 30 Grad im Schatten“ schildert den Fluchtversuch eines mittelmäßigen Helden aus seinem Leben
Das Krisenland Griechenland scheint gebeutelte Männer in mittleren Jahren und Gefühlslagen magisch anzuziehen. Schon Terézia Moras Held Darius Kopp in ihrem preisgekrönten Roman „Das Ungeheuer“ strandete in Athen und brach nach diversen Schicksalsschlägen im Schatten der Akropolis zusammen – umringt von wütend demonstrierenden Griechen. Und nun ist da Jakob Walter, auch so ein Angestellter bescheidenen Zuschnitts.
  Nach geruhsamen Ehejahren im beschaulichen Bern plagen Walter innere Unruhe und Sehnsucht, aber zum Handelnden wird er erst, als seine Frau ihn vor vollendete Tatsachen stellt: Irritiert muss er eines Abends feststellen, dass sie ihn in seiner wohlbehüteten Gemütlichkeit sitzen lässt. „Edith kommt nicht nach Hause.“ Der Schock verwandelt sich in eine Chance. Er zieht die Tür hinter sich zu, meldet sich nicht einmal in seinem Büro ab, sondern bricht Hals über Kopf auf. Plötzlich befindet er sich, vielleicht zum ersten Mal wirklich, „außerhalb der gewöhnlichen Ordnung“.
  Vor fünf Jahren hat der Schweizer Autor Lorenz Langenegger seinen wohlwollend aufgenommenen Debütroman „Hier im Regen“ veröffentlicht. Darin brach der kleine Verwaltungsbeamte Jakob Walter schon einmal aus seiner gewohnten Ordnung aus, allerdings nur für ein Wochenende ins Tessin: Seine Frau Edith ist verreist, und plötzlich tun sich ungeahnte Möglichkeiten für einen Ausflug auf. Er macht sich auf die Suche nach einem verlorenen Freund, wird von allerlei existenziellen Fragen aus der Seelenruhe gebracht und kehrt am Ende in seine vier Wände zurück, die Spuren seiner kleinen Flucht sorgsam vor seiner Frau verbergend.
  Nun schreibt Langenegger diese Versuchsanordnung fort, weit über die Grenzen der klaustrophobisch engen Schweiz hinaus. Der zunächst noch von enthusiastischen Gefühlen begleitete Aufbruch nach Zürich, fast schon eine Weltreise, und dann immer weiter bis nach Griechenland scheint dem schwerfälligen Jakob zu gelingen. Neue Energien regen sich da bei „30 Grad im Schatten“, so der Titel. Die Abenteuerlust steigert sich, je kräftiger die Sonne dem blassen Helden auf den Kopf knallt. Er knüpft sogar zarte Bande mit einer jungen Hotelbesitzerin. Bald aber rühren sich die ersten Zweifel. „Die wenigsten Menschen langweilen sich, wenn alles ist wie immer, denkt Walter. Warum soll ein fremder Ort grundsätzlich besser sein als ein bekannter?“
  Unweigerlich verschlingt den Aussteiger die große Leere, und die verheißungsvoll glitzernden Sterne überm Meer verschluckt das helle Tageslicht. Die romantische Selbstfindungslust verwandelt sich in eine gleißende Bedrohung. Walter gefällt gar nicht mehr, was sich in der Fremde entdecken ließe, und zurück bleibt ein haltloser, ängstlicher Zeitgenosse, der sich in ein unbekanntes Schicksal fügen muss.
  Lorenz Langenegger hat einen passgenauen Ton für diesen traurigen Taugenichts gefunden, nüchtern und ohne Sentiment, fast schon so unscheinbar wie der Protagonist selbst. Dieser Ton trägt über die erste Hälfte des Buches, dann aber verliert er an Charme. Es ist, als würde sich die brave Sprache an der Behäbigkeit und Larmoyanz des Helden infizieren und immer behäbiger und larmoyanter werden. Immer expliziter muss auch das Verlorensein formuliert werden, dabei zeigt es sich deutlich genug an Kulisse und dem stetig missmutiger dahinstolpernden Mann, der bald nur noch ein Schatten seines eben noch frohgemuten Selbst ist. Man weiß dann leider schon am Rhythmus der Sätze, dass sich hier nicht mehr viel bewegen wird, schon gar nicht der Held. An der Südspitze des Peloponnes ist Walter „die Orientierung abhandengekommen“. Der Blick aufs Meer bietet keinen Halt mehr, und eigentlich möchte er so schnell wie möglich wieder nach Hause. Nach Bern.
  Jeder Ausbruch, auch der Walter’sche, ist der Versuch, zu sich selbst zu kommen. Leider besteht dabei zugleich die Gefahr, in sich nichts Bemerkenswertes vorzufinden. Unter einem freundlicheren Sonnenlicht, so glaubt man leichtfertig, könnte auch das eigene Ich endlich in vollem Glanze erstrahlen. Das von zu Hause mitgeschleppte alte Ego triumphiert aber zuweilen rachsüchtig über dieses ambitionierte Vorhaben. Und nicht jeder Weg führt an das Ziel, das der Ausbrechende sich ausgemalt hat – das gilt auch nicht nur für Reisen, sondern auch für Romane. Am Ende muss sich Jakob Walter sein Scheitern eingestehen. Erneut stößt sich dieser durch und durch mittelmäßige Schweizer Eid- und Zeitgenosse an den Grenzen seiner allzu kleinen Welt.
ULRICH RÜDENAUER
  
  
  
  
Lorenz Langenegger:
Bei 30 Grad im Schatten. Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien 2014. 144 Seiten, 17,90 Euro, E-Book 12,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In seinem vorigen Roman hatte Lorenz Langenegger die Ehefrau eines Angestellten "bescheidenen Zuschnitts" für ein Wochenende in den Urlaub geschickt, was dem Protagonisten eine unverhoffte Reise ins Tessin ermöglichte, einen Ausbruch aus seiner gewohnten Berner Umgebung, erinnert sich Ulrich Rüdenauer. In seinem neuen Roman "Bei 30 Grad im Schatten" treibt Langenegger das gleiche Spiel ein wenig weiter, verrät der Rezensent: Trennung statt Urlaub, Griechenland statt Tessin, nachhaltige Existenzkrise statt einfachen Unbehagens am Alltag. Nur ist die Reise in die Fremde meist eine Suche nach sich selbst, erklärt Rüdenauer, und wenn einem nicht gefällt, was man findet, hilft auch keine Mittelmeersonne mehr. Und so wird aus dem biederen Jedermann ein "haltloser, ängstlicher Zeitgenosse", der sich nach der beruhigten Beschaulichkeit zurücksehnt, fasst der Rezensent zusammen. Leider macht sich das Abklingen der Abenteuerlust beim Protagonisten allzu schnell bemerkbar, bedauert Rüdenauer, so dass er beim Lesen von einer gleichartigen Lethargie erfasst wurde.

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