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Ein trügerisch sanfter, inspirierender Roman über eine Ehe und ihre existenziellen Konsequenzen.
Ein Mann kauft seiner Frau ein großzügiges Apartment über der Stadt. Dort soll sie sich Zeit für sich nehmen und ihren Neigungen nachgehen. Aber die Sache hat einen Haken: Die Frau kann die Wohnung nicht mehr verlassen. »Hier oben brauche ich niemanden, keinen Liebhaber, keinen Ausblick und Meinenmann schon gar nicht«, sagt sie trotzig. Nun ist sie hoch über der Stadt sich selbst, ihren Wünschen und Fantasien ausgeliefert, während ihr Mann seine ganz eigenen Interessen verfolgt.
»Eine
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Produktbeschreibung
Ein trügerisch sanfter, inspirierender Roman über eine Ehe und ihre existenziellen Konsequenzen.

Ein Mann kauft seiner Frau ein großzügiges Apartment über der Stadt. Dort soll sie sich Zeit für sich nehmen und ihren Neigungen nachgehen. Aber die Sache hat einen Haken: Die Frau kann die Wohnung nicht mehr verlassen. »Hier oben brauche ich niemanden, keinen Liebhaber, keinen Ausblick und Meinenmann schon gar nicht«, sagt sie trotzig. Nun ist sie hoch über der Stadt sich selbst, ihren Wünschen und Fantasien ausgeliefert, während ihr Mann seine ganz eigenen Interessen verfolgt.

»Eine sprachgewandte, reflektierte Autorin, die sich auf Zwischentöne versteht.« DLF
Autorenporträt
Annette Pehnt, Jahrgang 1967, lehrt Literarisches Schreiben in Hildesheim und gehört zu den wichtigsten Stimmen ihrer Generation. Sie veröffentlichte zahlreiche Romane und Erzählungen und ist vielfach preisgekrönt. Zuletzt erschien von ihr »Alles was Sie sehen ist neu«, der mit dem Rheingau-Literaturpreis ausgezeichnet wurde.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensentin Nina Apin findet toll, wie ambivalent Annette Pehnt in ihrem Roman von weiblicher "Selbstverzwergung" erzählt. Es geht um eine Frau und Schriftstellerin, die durch eine als "Meinmann" bezeichnete Figur in einer für sie eingerichteten Schreibwohnung scheinbar festgehalten wird und das auch zulässt - so scheint es zumindest anfangs. Wie Pehnt dann aber Stück für Stück erkennen lässt, dass hier eine toxische Beziehung zwischen einem zwar dominanten Mann, aber einer sich auch durch erfahrene "weibliche Zurichtungen" selbst entwertenden Frau am Werk ist, und wie dabei langsam Gründe erahnbar werden, warum sie sich weder drinnen noch nach draußen wohlfühlt, erzähle Pehnt wunderbar subtil und "geschickt", lobt Apin: Pehnt lässt beispielsweise Satzzeichen weg, um die Haltlosigkeit der Protagonistin zu verdeutlichen, lobt Apin. Letztlich werde über die Binnengeschichten, die die Protagonisten verfasst, auch eindrucksvoll die Geschichte einer langsamen, mühevoll sich im Schreibprozess durchdrückenden Emanzipation erzählt, wie die begeisterte Kritikerin festhält.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.01.2023

Hinter Glas
Annette Pehnts Roman
über die Isolation einer Frau, die ihr
Familienleben hinter sich lässt,
ist ein literarischer Triumph
VON HILMAR KLUTE
Eine Frau hat sich von ihrem Mann ein Appartement einrichten lassen, damit sie dort in Ruhe schreiben kann. So ließe sich die Ausgangslage von Annette Pehnts neuem Roman „Die schmutzige Frau“ bündig fassen. Aber es ist eben, wie gesagt, ein Roman von Annette Pehnt, deren in nun einem guten Dutzend Erzähltexten erprobte Poetologie auch darin besteht, sogenannten Gewissheiten das Fundament zu entziehen, besser: ihnen dieses Fundament gar nicht erst zu gießen.
Die Frau ist die Erzählerin, aber ihre Erzählung ist nicht verlässlich. Der Mann? Sie nennt ihn „Meinenmann“ und dekliniert ihn lieber auf diese Weise durch, als ihm auch nur das Initial eines Vornamens zu gönnen wie einigen anderen Figuren ihres Lebens: der exaltierten Freundin D und dem introvertierten Philologen H, als Liebhaber (vor allem ihres Kopfes, den er beständig streichelte) ein Vorgänger ihres „Meinmanns“. Das Appartement ist wie ein Raum außerhalb jeder Räumlichkeit, und die Ruhe ist in Wahrheit die Mimikry jener Unruhe, mit denen die Figuren in Annette Pehnts Romanen fast immer ausgestattet sind.
Die Frau ist mit „Meinemmann“ darin übereingekommen, das gemeinsame Haus zu verlassen („es war die falsche Umgebung, wir gingen aneinander vorbei wie unzufriedene Makler“) und jenes in einem höheren Stockwerk gelegene Appartement zu beziehen. Die Wohnung ist ausgestattet mit einem Schreibtisch aus Kirschholz, darauf Papier und gebundenes Schreibheft, um „ihre künstlerische Neigung“ auszuleben. Der ursprüngliche Plan der Frau lautet, Gedichte zu schreiben, und ehe sie sich den übermütigen Gedanken austreibt, hat sie einen Kompromiss zur Hand: „das sind ja auch nur Geschichten in Zeilen“. So hat sich Annette Pehnt von der Frau das literarische Format einrichten lassen, einen „Versroman“: Der Zeilenbruch ersetzt die Satzpunkte, er erlaubt der Frau, immer wieder „frisch anzusetzen“. Und diese frischen Neuansätze verwandeln sich in diesem auf eine subversive Weise spannenden Roman in Vexierspiele mit den im Text angebotenen Wahrheiten.
Die Frau hat eine Biografie, deren Verlässlichkeit nicht überprüft werden kann, aber man möchte ihr, der demütig Sanften, gerne abnehmen, dass sie die zwei Kinder, von denen sie spricht, großgezogen hat. Gemeinsam mit Ihremmann? Oder doch eher gegen ihn, dessen paternalistische Kälte die Frau, ängstlich und im Wahrheitenverdrehen geübt, ihren eigenen Kindern als Vaterliebe verkauft hat? Oder muss die Wahrheit dem Schutz der Kinder geopfert werden? „Ich konnte ihnen ja kaum sagen, dass ich mich vor seinem kühlen Blick fürchtete, mit dem er mich musterte, wenn ich einen Fehler begangen hatte (den auch sie kennenlernten, als sie größer wurden und patzige Antworten gaben oder ihn unterbrachen)“. Es gibt schmerzhaft schöne Beschreibungen von der Fremdheit zwischen Eltern und Kind in diesem Buch, wie sich Mädchen an ihre Körper gewöhnen, wie sie „alles daransetzen, lang und dünn zu werden“, wohingegen sie Jungen (sie hat einen Sohn) nicht gewollt habe „mit ihren kurzen Haaren, ihrer riesigen Schuhgröße, mit diesen Stimmen, die sich beim Lachen überschlagen und so laut dröhnen können, dass sie alles übertönen“.
Schreibt die Frau in ihrem Appartement, wo sie am Fenster steht und davon träumt, „das Glas zu durchstoßen?“ Gelingt ihr eine literarische Verkehrung der Wirklichkeit, die Rettung in die Poesie? Wie es aussieht, schreibt sie tatsächlich, aber sie schreibt keine Verse. Ihre im Buch kursiv gesetzten Texte sind Prosa-Geschichten, die von einer kleinen Frau handeln, die ständig schmutzig ist und selbst durch intensive Waschungen nicht sauber wird. Fettige Haare hat sie, vermutlich noch aus der Kindheit, als ihr die Schulkameraden das Haar mit Margarine eingerieben haben.
Sie nistet sich ein, bei dem Handschriftenforscher Georg, dessen Züge man bei G, einem früheren Geliebten der Frau wiederzuerkennen glaubt. Georg hat eine Freundin, er würde sie eher fortjagen als die schmutzige Frau, die er im Gästezimmer wohnen lässt. Manchmal muss sie die Wohnung putzen, dann wäscht er sie, „und dann gleich ins Bett“. In einer anderen Geschichte trifft die schmutzige Frau auf ein kleines Mädchen, das nicht nach Hause möchte und dessen Leben mit seiner Mutter in kurzen, traurigen Sequenzen aufscheint. Schläge und kalte Gleichgültigkeit sind an der Tagesordnung, im Drogeriemarkt klaut das Kind eine Flasche Shampoo Limette und steckt es der Frau mit den fettigen Haaren zu.
In den Geschichten der Frau verkehrt sich die frisch geputzte und sterile Atmosphäre des Appartements und der Quarantäne in eine Art unhygienische Gegenwelt. Der Schmutz ist das individuelle Kennzeichen der Frau, sein Wert wird mal als Makel gering, dann wieder als Alleinstellungsmerkmal höher geschätzt. Gleichwohl darf die Frau sich nicht ins Verhältnis zu anderen setzen, das dürfen nur die Männer. Ihnen kommt in dieser Erzählung eine unbestimmte, in der Tendenz unheilvolle Rolle zu. Sie sind Eigenschaftsträger, mal behutsam, dann wieder kalt und autoritär, schon grundsätzlich befremdlich, selbst den Sohn hätte sie sich lieber erspart: „Eigentlich hatte ich keinen Jungen gewollt, weil ich nie gelernt habe, mit ihnen umzugehen“.
Was sie ihrem „Meinenmann“ entgegensetzt, ist eine eigenartige Form der Demut, die wiederum eine Mischung aus Willfährigkeit und Verweigerung zu sein scheint. Sie solle „die Glasscheibe hochmachen“, diese ungewöhnliche Forderung stellt „Meinmann“ an seine Frau, bevor er mit ihr schläft. Glas – im Fenster, geschliffen und geputzt neben dem Herd, in Scherben auf dem Boden oder als Spiegelungsmedium eines Lebens außerhalb des Appartements – ihr wichtigstes Motiv bewirtschaftet Annette Pehnt gekonnt und gewinnbringend für die Konturierung ihrer kühlen Erzählwelt.
Annette Pehnts Roman, wie hinter Glas geschrieben, ist ein allegorisches Meisterstück, in dem beinahe jeder Satz das Zeug dazu hat, sich selbst zu widerlegen: „Ich weiß nicht, ob ich ein Buch schreibe, sage ich, und vielleicht ist das der Fehler.“ „Die Schmutzige Frau“ ist auch ein Buch über Vereinzelung und Entfremdung, und vielleicht ist diese Erzählung ohne die Erfahrungen der Pandemie, ohne die Leiden in den goldenen Käfigen der privilegierten oberen Mittelschicht nicht denkbar. Alle Figuren dieses albtraumhaften Kammerspiels sind ihrer individuellen Zuschreibungen beraubt, Namen werden ausprobiert und verworfen („Sie passen alle nicht, lachte sie, ich weiß es“), Wirklichkeiten ineinander verschränkt oder so heillos variiert, dass am Ende nichts mehr verlässlich erscheint. Annette Pehnt hat dieses Verfahren auch in anderen Romanen ausprobiert, zuletzt in „Alles was Sie sehen ist neu“, wo sich aus einem Verschiebebahnhof der Perspektiven immer neue Variationen des Erzählens ergeben.
Nichts ist das, was es zu sein vorgibt. Das gilt auch für das Schreiben selbst, von dem dieses Buch auf – auch formal – sehr raffinierte Art handelt. Aus den unruhig-trotzigen Geschichten der Frau, der ihr abverlangten Tagesration an Ergebnissen ihrer „künstlerischen Neigung“, kehrt der Leser keineswegs in eine vertrauenswürdige Rahmenhandlung zurück. Er ist dort vielmehr der Willkür der Erzählerin ausgesetzt, die eigentlich die meiste Zeit aus dem Fenster schaut oder auf dem Sofa liegt. Hat sie also wirklich etwas geschrieben und ist das nun überhaupt ihr Mann, der mit einer jungen Frau das Appartement betritt und erst einmal in die Küche geht, drei Gläser Sekt einschenkt und dann ohne große Irritation vor die beiden Frauen tritt und mit ihnen trinkt?
Am Schluss gehen die Geschichten aus der behaupteten Wirklichkeit und der angeblichen Fiktion eine Art Bündnis ein. In der letzten, der siebten Geschichte spaziert die schmutzige Frau durch eine saubere Stadt, vergewissert sich ohne große Irritation, dass sie sich ihre Figuren einfach erfunden hat, wenn sie diese benötigte. Und einen literarischen Triumph hat sie sich zudem gegönnt: Die siebte Geschichte ist ein luftiges Gebilde aus freien Versen und ohne Satzpunkt. Kurzum, die schmutzige Frau hat also doch ein Gedicht geschrieben, mit anderen Worten: reine Poesie.
Nichts ist das, was es
zu sein vorgibt. Das gilt auch
für das Schreiben selbst
Annette Pehnt:
Die schmutzige Frau.
Roman. Piper, München 2023. 165 Seiten, 22 Euro.
Die Schriftstellerin Annette Pehnt ist 1967 geboren und lehrt am Literaturinstitut in Hildesheim.
Foto: Peter von Felbert
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2023

Kein Unterdrücker, ein Ermöglicher
Wie ging noch mal der Kopfstand? In Annette Pehnts Roman "Die schmutzige Frau" verschwimmt eine Schriftstellerin mit ihrer Erfindung

Den letzten Anstoß gibt das Wasser, das eines Morgens von der Decke tropft. Die Erzählerin von Annette Pehnts Roman "Die schmutzige Frau" registriert die Nässe auf den Möbeln und auf dem Teppich, legt ein paar Handtücher über die feuchten Stellen und wartet auf ihren Mann, damit der die Handwerker ruft. Nur lässt sich der Mann nicht blicken, an diesem Tag nicht und auch nicht am nächsten. Die Erzählerin bleibt in der Wohnung. Schließlich kommt ihr Mann doch noch vorbei, er erklärt, sich um alles kümmern zu wollen, und sie sagt, dass sie in dieser Wohnung nicht bleiben könne. Nachdem er wieder gegangen ist, packt auch sie ein, was sie braucht, eine warme Jacke, eine Klarsichthülle mit Manuskripten und einen Kugelschreiber, und geht endlich hinaus aus einer Wohnung, die Refugium sein sollte und Gefängnis war, womöglich auch etwas Drittes, das zwischen den beiden angesiedelt ist, je nach Perspektive.

Was das angeht, sind wir zunächst ganz auf die Erzählerin angewiesen, die zugleich eine Geschichte auftischt, die man kaum zum Nennwert nehmen kann: Ein Ehepaar hat zwei Kinder großgezogen und beschließt, sich bei aller Verbundenheit räumlich zu trennen: Die Frau, eben die Erzählerin, bezieht eine schicke Wohnung im oberen Stockwerk eines Neubaus im Stadtzentrum, die der Mann, der hier nur "Meinmann" heißt, für sie eingerichtet hat, damit sie dort in Ruhe schreiben kann. Sie soll, so beschließt der Mann, und sie stimmt zu, dort durch nichts abgelenkt werden und verzichtet daher auf Laptop, Internetzugang und Telefon. Es ist seine Sache, wann er sie dort besucht, er kündigt sich nicht an, was er mit den fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten begründet. Was sie braucht, bestellt sie bei ihm, und er kauft es ein, da sie die Wohnung nicht verlässt.

So wirkt dieses Konstrukt, das zunächst wie eine spielerische Antwort auf Virginia Woolfs Essay "Ein Zimmer für sich allein" erscheint, ein Jahrhundert später wie eine bittere Farce: Aus dem Zimmer ist eine Wohnung geworden, das Ehepaar verfügt gemeinsam offenbar über weit mehr als fünfhundert Pfund im Jahr, aber gerade in der vermeintlichen Freiheit zum Schreiben, wie sie hier erreicht werden soll, ist die Frau abhängiger vom Ehemann als je zuvor. Ihr Argwohn geht dahin, dass er sich mit einer Künstlerin an seiner Seite schmückt, deren Talent man bewundern und die man sonst nicht groß ernst nehmen muss. Tatsächlich bringt er bei seinen unangekündigten Besuchen bald Fremde und frühere Freunde mit, Menschen, denen er seine Frau und deren rätselhaftes Tun geradezu vorführt, sodass die Wohnung in diesen Passagen ihren dritten Charakter zwischen Refugium und Gefängnis gewinnt: Sie wird zum Zoogehege und die Erzählerin zum exzentrischen Schaustück.

Warum, die Frage drängt sich nach wenigen Seiten auf, macht sie das mit? Warum spielt sie immer wieder mit dem Gedanken, die Wohnung einfach zu verlassen, und hält darin aus, Woche für Woche? Warum akzeptiert sie die verordnete Einsamkeit, verzichtet auf das gewünschte Haustier ebenso wie auf den Liebhaber, über den sie manchmal nachdenkt?

Die Antwort liefert sie zum Teil selbst, teils kann man sie erschließen. Zunächst ist da "Meinmann", dessen Funktion offenbar wichtiger ist als sein Name, um ihn zu bezeichnen. Er erscheint in ihren Erzählungen von seiner Gegenwart wie von der gemeinsamen Vergangenheit als äußerst selbstbewusst, redelustig und beruflich erfolgreich, zugleich empfindlich, wenn man sein Dozieren unterbricht, und in seiner Rolle als Vater eher unsicher, was sich in plötzlichem Dominanzgehabe gegenüber den heranwachsenden Kindern zeigt, die die Erzählerin dann mit schlechtem Gewissen unterstützt.

Je weiter der Roman vorankommt, desto mehr erfahren wir über einen Patriarchen, der sich fortschrittlich gibt, seine Entscheidungen allein fällt und als Konsens ausgibt, der in allem Regie führen muss und auf Störungen dabei höchst unwillig reagiert, der unter dem Zuspruch der Freundinnen der Erzählerin in eng umgrenztem Umfang Hausarbeiten verrichtet und zugleich jeden Widerspruch mit einem seiner gefürchteten kühlen Blicke quittiert - er sei "mit der Zeit gegangen", loben ihn Bekannte, und zugleich wirkt er in seinen Ansprüchen niederschmetternd gestrig.

So also beschreibt ihn die Erzählerin in den Teilen des Romans, in denen sie über ihre Situation spricht. Diese Passagen sind in freien Versen verfasst, was die Gattungsbezeichnung "Versroman" begründet, und dass die kurzen Abschnitte oder Zeilen, die hier je einen Vers bilden, ohne abschließendes Satzzeichen auskommen, unterstreicht noch einmal das Tastende dieser Notizen, besonders, wenn man sie laut liest. Außer "Meinmann" erscheinen die Personen hier (fast ausnahmslos) mit abgekürzten Vornamen, sie heißen G. oder V., während in den Geschichten, die von der Erzählerin in der Wohnung geschrieben und in ihre Notate montiert werden, die Figuren ausgeschriebene Namen tragen, die Schrift kursiv und die Erzählweise bis zur letzten Geschichte konventionell ist.

Die Übergänge zwischen diesen beiden Ebenen sind reizvoll; wir sehen, so scheint es zunächst, einer Schriftstellerin dabei zu, wie sie das, was ihr in der Arbeitswohnung widerfährt, in ihrem Schreiben aufscheinen lässt, mit welchem Grad an Absichtlichkeit auch immer. Eine wiederkehrende Protagonistin ist die titelgebende "Schmutzige Frau", die sich unangepasst und irrlichternd in einer Welt bewegt, die der ihrer Erfinderin eng verwandt ist und von Menschen bewohnt ist, denen sie für kurze Zeit zum Ersatz für die Geliebte, die Mutter oder die Tochter wird. Es ist eine Welt, in der sich der Unterdrücker als "Ermöglicher" sieht und sich wundert, dass die Frauen, die er damit beglücken will, dass er ihnen den Weg aufzeigt, das nicht verstehen und vor ihm Reißaus nehmen.

In den letzten Passagen schließlich kommen sich die Ebenen auch formal näher, die kursive Geschichte ist in Versen gehalten, und einer ihrer Protagonisten trifft nun mit der entflohenen Erzählerin zusammen, die in seinem Gästebett übernachtet wie zuvor ihre Protagonistin, die schmutzige Frau.

"Manchmal übe ich den Kopfstand, den ich früher so gut beherrscht habe", notiert die Erzählerin kurz nach dem Einzug in die Schreibwohnung, "aber ich kann den Punkt nicht mehr finden." Es ist eine von vielen beiläufig eingestreuten Bemerkungen, die auf Elementares zielen und so den Roman durchaus kalkuliert erscheinen lassen. Die Erzählerin, die früher offenbar einiges publiziert hatte, vermisst nun die radikal andere Perspektive auf eine Welt, die auf dem Kopf steht.

Die Erfindung der schmutzigen Frau durch die Erzählerin, in vielem ihr Gegensatz, ermöglicht diese Perspektive, so wie das allmähliche und diskret vorbereitete Zusammenfallen der Ebenen am Ende eine Erlösung suggeriert. Dass sich etwas bewegt in der Trennung, deutete sich an, als zwei Gäste in der Wohnung statt mit den üblichen Initialen kurz mit vollen Namen angeredet wurden, was wie ein Wetterleuchten wirkte. Die Erzählerin jedenfalls überlegt am Ende, auf dem Weg zu "G.": "Ich habe eine Geschichte über ihn geschrieben, vielleicht könnte ich sie ihm zeigen." Darauf wird "Meinmann" wohl länger warten. TILMAN SPRECKELSEN

Annette Pehnt: "Die schmutzige Frau". Versroman.

Piper Verlag, München 2023. 176 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein starkes Stück Gegenwartsliteratur.« SWR "lesenswert" mit Denis Scheck 20230330
Kein Unterdrücker, ein Ermöglicher
Wie ging noch mal der Kopfstand? In Annette Pehnts Roman "Die schmutzige Frau" verschwimmt eine Schriftstellerin mit ihrer Erfindung

Den letzten Anstoß gibt das Wasser, das eines Morgens von der Decke tropft. Die Erzählerin von Annette Pehnts Roman "Die schmutzige Frau" registriert die Nässe auf den Möbeln und auf dem Teppich, legt ein paar Handtücher über die feuchten Stellen und wartet auf ihren Mann, damit der die Handwerker ruft. Nur lässt sich der Mann nicht blicken, an diesem Tag nicht und auch nicht am nächsten. Die Erzählerin bleibt in der Wohnung. Schließlich kommt ihr Mann doch noch vorbei, er erklärt, sich um alles kümmern zu wollen, und sie sagt, dass sie in dieser Wohnung nicht bleiben könne. Nachdem er wieder gegangen ist, packt auch sie ein, was sie braucht, eine warme Jacke, eine Klarsichthülle mit Manuskripten und einen Kugelschreiber, und geht endlich hinaus aus einer Wohnung, die Refugium sein sollte und Gefängnis war, womöglich auch etwas Drittes, das zwischen den beiden angesiedelt ist, je nach Perspektive.

Was das angeht, sind wir zunächst ganz auf die Erzählerin angewiesen, die zugleich eine Geschichte auftischt, die man kaum zum Nennwert nehmen kann: Ein Ehepaar hat zwei Kinder großgezogen und beschließt, sich bei aller Verbundenheit räumlich zu trennen: Die Frau, eben die Erzählerin, bezieht eine schicke Wohnung im oberen Stockwerk eines Neubaus im Stadtzentrum, die der Mann, der hier nur "Meinmann" heißt, für sie eingerichtet hat, damit sie dort in Ruhe schreiben kann. Sie soll, so beschließt der Mann, und sie stimmt zu, dort durch nichts abgelenkt werden und verzichtet daher auf Laptop, Internetzugang und Telefon. Es ist seine Sache, wann er sie dort besucht, er kündigt sich nicht an, was er mit den fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten begründet. Was sie braucht, bestellt sie bei ihm, und er kauft es ein, da sie die Wohnung nicht verlässt.

So wirkt dieses Konstrukt, das zunächst wie eine spielerische Antwort auf Virginia Woolfs Essay "Ein Zimmer für sich allein" erscheint, ein Jahrhundert später wie eine bittere Farce: Aus dem Zimmer ist eine Wohnung geworden, das Ehepaar verfügt gemeinsam offenbar über weit mehr als fünfhundert Pfund im Jahr, aber gerade in der vermeintlichen Freiheit zum Schreiben, wie sie hier erreicht werden soll, ist die Frau abhängiger vom Ehemann als je zuvor. Ihr Argwohn geht dahin, dass er sich mit einer Künstlerin an seiner Seite schmückt, deren Talent man bewundern und die man sonst nicht groß ernst nehmen muss. Tatsächlich bringt er bei seinen unangekündigten Besuchen bald Fremde und frühere Freunde mit, Menschen, denen er seine Frau und deren rätselhaftes Tun geradezu vorführt, sodass die Wohnung in diesen Passagen ihren dritten Charakter zwischen Refugium und Gefängnis gewinnt: Sie wird zum Zoogehege und die Erzählerin zum exzentrischen Schaustück.

Warum, die Frage drängt sich nach wenigen Seiten auf, macht sie das mit? Warum spielt sie immer wieder mit dem Gedanken, die Wohnung einfach zu verlassen, und hält darin aus, Woche für Woche? Warum akzeptiert sie die verordnete Einsamkeit, verzichtet auf das gewünschte Haustier ebenso wie auf den Liebhaber, über den sie manchmal nachdenkt?

Die Antwort liefert sie zum Teil selbst, teils kann man sie erschließen. Zunächst ist da "Meinmann", dessen Funktion offenbar wichtiger ist als sein Name, um ihn zu bezeichnen. Er erscheint in ihren Erzählungen von seiner Gegenwart wie von der gemeinsamen Vergangenheit als äußerst selbstbewusst, redelustig und beruflich erfolgreich, zugleich empfindlich, wenn man sein Dozieren unterbricht, und in seiner Rolle als Vater eher unsicher, was sich in plötzlichem Dominanzgehabe gegenüber den heranwachsenden Kindern zeigt, die die Erzählerin dann mit schlechtem Gewissen unterstützt.

Je weiter der Roman vorankommt, desto mehr erfahren wir über einen Patriarchen, der sich fortschrittlich gibt, seine Entscheidungen allein fällt und als Konsens ausgibt, der in allem Regie führen muss und auf Störungen dabei höchst unwillig reagiert, der unter dem Zuspruch der Freundinnen der Erzählerin in eng umgrenztem Umfang Hausarbeiten verrichtet und zugleich jeden Widerspruch mit einem seiner gefürchteten kühlen Blicke quittiert - er sei "mit der Zeit gegangen", loben ihn Bekannte, und zugleich wirkt er in seinen Ansprüchen niederschmetternd gestrig.

So also beschreibt ihn die Erzählerin in den Teilen des Romans, in denen sie über ihre Situation spricht. Diese Passagen sind in freien Versen verfasst, was die Gattungsbezeichnung "Versroman" begründet, und dass die kurzen Abschnitte oder Zeilen, die hier je einen Vers bilden, ohne abschließendes Satzzeichen auskommen, unterstreicht noch einmal das Tastende dieser Notizen, besonders, wenn man sie laut liest. Außer "Meinmann" erscheinen die Personen hier (fast ausnahmslos) mit abgekürzten Vornamen, sie heißen G. oder V., während in den Geschichten, die von der Erzählerin in der Wohnung geschrieben und in ihre Notate montiert werden, die Figuren ausgeschriebene Namen tragen, die Schrift kursiv und die Erzählweise bis zur letzten Geschichte konventionell ist.

Die Übergänge zwischen diesen beiden Ebenen sind reizvoll; wir sehen, so scheint es zunächst, einer Schriftstellerin dabei zu, wie sie das, was ihr in der Arbeitswohnung widerfährt, in ihrem Schreiben aufscheinen lässt, mit welchem Grad an Absichtlichkeit auch immer. Eine wiederkehrende Protagonistin ist die titelgebende "Schmutzige Frau", die sich unangepasst und irrlichternd in einer Welt bewegt, die der ihrer Erfinderin eng verwandt ist und von Menschen bewohnt ist, denen sie für kurze Zeit zum Ersatz für die Geliebte, die Mutter oder die Tochter wird. Es ist eine Welt, in der sich der Unterdrücker als "Ermöglicher" sieht und sich wundert, dass die Frauen, die er damit beglücken will, dass er ihnen den Weg aufzeigt, das nicht verstehen und vor ihm Reißaus nehmen.

In den letzten Passagen schließlich kommen sich die Ebenen auch formal näher, die kursive Geschichte ist in Versen gehalten, und einer ihrer Protagonisten trifft nun mit der entflohenen Erzählerin zusammen, die in seinem Gästebett übernachtet wie zuvor ihre Protagonistin, die schmutzige Frau.

"Manchmal übe ich den Kopfstand, den ich früher so gut beherrscht habe", notiert die Erzählerin kurz nach dem Einzug in die Schreibwohnung, "aber ich kann den Punkt nicht mehr finden." Es ist eine von vielen beiläufig eingestreuten Bemerkungen, die auf Elementares zielen und so den Roman durchaus kalkuliert erscheinen lassen. Die Erzählerin, die früher offenbar einiges publiziert hatte, vermisst nun die radikal andere Perspektive auf eine Welt, die auf dem Kopf steht.

Die Erfindung der schmutzigen Frau durch die Erzählerin, in vielem ihr Gegensatz, ermöglicht diese Perspektive, so wie das allmähliche und diskret vorbereitete Zusammenfallen der Ebenen am Ende eine Erlösung suggeriert. Dass sich etwas bewegt in der Trennung, deutete sich an, als zwei Gäste in der Wohnung statt mit den üblichen Initialen kurz mit vollen Namen angeredet wurden, was wie ein Wetterleuchten wirkte. Die Erzählerin jedenfalls überlegt am Ende, auf dem Weg zu "G.": "Ich habe eine Geschichte über ihn geschrieben, vielleicht könnte ich sie ihm zeigen." Darauf wird "Meinmann" wohl länger warten. TILMAN SPRECKELSEN

Annette Pehnt: "Die schmutzige Frau". Versroman.

Piper Verlag, München 2023. 176 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Rezensent Hilmar Klute ist begeistert davon, wie Annette Pehnt ihrer Leserschaft wieder einmal gekonnt den Boden der Realität unter den Füßen wegzieht. "Nichts ist das, was es zu sein vorgibt" in dieser Geschichte um eine Frau, die von ihrem strengen, namenlosen "Meinmann" eine Penthousewohnung bekommt, um sich auf ihr Schreiben konzentrieren zu können: kleine Geschichten von einer schmutzigen Frau mit fettigen Haaren, die selbst wiederum auch schreibt. Rahmen- und Binnenhandlung schaffen dabei alles andere als klare Verhältnisse, so Klute - wer hier wirklich was schreibe oder ob es sich beim Mann der Protagonistin wirklich um ihren Ehemann handelt (einmal tauche er kommentarlos mit einer anderen Frau auf), werde zunehmend schleierhaft; das findet der Kritiker genial umgesetzt. Bemerkenswert ist für ihn außerdem die latent bedrohliche Aura, die von allen Männern im Roman ausgehe - selbst ihrem Sohn begegne die unzuverlässige Erzählerin misstrauisch - sowie die "schmerzhaft schönen" Beschreibungen eines Fremdheitsgefühls zwischen Eltern und Kind. Für den Kritiker ein "allegorisches Meisterstück".

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