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Eine berühmte polnische Schauspielerin wird zur amerikanischen Diva: Maryna Zalezowska emigriert im Jahr 1876 mit einer Gruppe europamüder Polen ins Gelobte Land Amerika, um ein neues Leben zu finden. Die Begegnung zwischen der Alten und der Neuen Welt erweist sich jedoch nicht als einfach ...

Produktbeschreibung
Eine berühmte polnische Schauspielerin wird zur amerikanischen Diva: Maryna Zalezowska emigriert im Jahr 1876 mit einer Gruppe europamüder Polen ins Gelobte Land Amerika, um ein neues Leben zu finden. Die Begegnung zwischen der Alten und der Neuen Welt erweist sich jedoch nicht als einfach ...
Autorenporträt
Susan Sontag, 1933 in New York geboren und 2004 dort gestorben, war Schriftstellerin, Kritikerin und Regisseurin und eine der wichtigsten Denkerinnen des letzten Jahrhunderts. Sie erhielt u.a. den National Book Award und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Bei Hanser erschienen u. a. Krankheit als Metapher (1978), Über Photographie (1978), Kunst und Antikunst (1980) sowie zuletzt Wiedergeboren. Tagebücher 1947-1963 (2010), Ich schreibe, um herauszufinden, was ich denke. Tagebücher 1964-1980 (2013) und die Erzählungen Wie wir jetzt leben (2020).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

So richtig kann sich Burkhard Spinnen nicht für diesen Roman erwärmen, in dem eine erfolgreiche polnische Schauspielerin mit einigen Landsleuten nach Amerika emigriert, als Farmerin scheitert dann aber als Schauspielerin wieder große Erfolge feiert. Er sieht sein "Unbehagen" darin begründet, dass die amerikanische Autorin vor allem von der Begeisterung für ihre Protagonistin getrieben scheint, was für einen Roman nicht genug hergebe. Denn, so der Rezensent, ein Roman könne nie allein durch die Figuren, sondern er müsse auch von der "Ungelöstheit seiner Geschichte" getragen werden, und die fehlt ihm hier. Zudem merkt er an, dass der polnische Hintergrund allzu "vage" bleibt und die Schauspielkunst der Hauptfigur, die eine wichtige Rolle spielt, im Text sowieso nicht wirklich dargestellt werden könne. Was bleibt, sei eine "Liebeserklärung" der Autorin an ihre Heldin. Das ist Spinnen nicht genug.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2002

Die Bretter, die das Land bedeuten
Hier zählt nur der große Stil: Susan Sontag schickt eine polnische Schauspielerin nach Amerika
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. So heißt es doch, oder? Warum habe ich dann gewisse Schwierigkeiten mit Susan Sontags Roman „In Amerika”? Der „bringt” doch wirklich viel! Zunächst die Anverwandlung von Geschichte. Denn es handelt sich hier nicht um einen historischen Roman, der naiv mit seinem Material verführe. „In Amerika” lehnt sich zwar an die Geschichte der polnischen Schauspielerin Helena Modjeska an, doch schon in dem langen Einleitungskapitel führt Susan Sontag ihre hoch reflektierte Poetik vor: Sie selbst (oder ein alter ego) schleicht sich in die Vergangenheit ein, als unsichtbarer Zeitreisender, als faszinierter Betrachter des Gewesenen, als einer, der die Figuren nur halb versteht und vielleicht gerade daraus die Lizenz zieht, sie allesamt neu zu erfinden.
Helena Modjeska heißt bei Susan Sontag Marina Zalenska. Im Jahr 1876 veranlasst sie ihren Mann, einen Grafen, ihren Verehrer, einen jungen Autor (für den der Nobelpreisträger Henryk Sienkiewicz Pate stand) sowie einige Paare aus ihrer Warschauer Bekanntschaft, mit ihr nach Amerika auszuwandern und dort ein neues Leben als Farmer zu beginnen. Marina ist eine gefeierte Schauspielerin im geteilten und okkupierten Polen, wo man das Polnische ungestraft eigentlich nur noch auf der Bühne sprechen kann. Sie und ihr Kreis werden bespitzelt; und selbst Reichtum und Anerkennung vermögen das Gedrückte und Unfreie ihrer Existenz nicht wettzumachen.
Also: nach Amerika! Es ist eine Erste-Klasse-Auswanderung per Luxusliner und Eisenbahn, und in Kalifornien wird kein claim abgesteckt, sondern eine teuer erkaufte Farm bezogen. Doch wie eigentlich zu erwarten, scheitert das Experiment der Landkommune: Die polnischen Intellektuellen sind untauglich für das Pioniersleben.Woraufhin Marina englischen Sprachunterricht nimmt, am Theater in San Francisco vorspricht und umgehend die meistgefeierte Schauspielerin Amerikas wird. Am Schluss des Buches reist sie mit eigener Theatertruppe in zwei eigenen Eisenbahnwaggons durch die USA. Sie spielt an der Seite des legendären Shakespeare-Darstellers Edwin Booth, und über sich duldet sie allenfalls noch Sarah Bernhardt.
Frühgeschichte der Medien
In dem Moment nun, da Marina von der Farmerin wieder zum Bühnenstar wird, wechselt der Text beinahe die Gattung. Denn die vielen, vom Faden einer Geschichte nur noch locker verknüpften Tourneeanekdoten, aus denen „In Amerika” von nun an besteht, liefern eine Art Archäologie der populären Kultur in den Vereinigten Staaten. Aus der Geschichte einer Emigration wird die Geschichte einer Metamorphose. Obwohl Marina zu ihrer früheren Existenz als Schauspielerin zurückkehrt, wird sie doch etwas ganz anderes, etwas eminent modernes und amerikanisches: Sie wird ein Popstar, ein Massen- und Medienereignis.So kann man Marinas amerikanischen Triumph als Frühgeschichte dessen lesen, was heute in den Medien und im Showgeschäft der Normalfall geworden ist: die Gratwanderung zwischen echter Schauspielkunst in bedeutenden Dramen und publikumswirksamen Auftritten in Rührstücken, die öffentliche und veröffentlichte Erscheinung als kapriziöser Star, die Manipulation der Biographie. Und an einer Vorstufe unseres selbstverständlichen Alltags entdeckt sich dessen im Grunde unglaubliche Bizarrerie.
Mindestens zwei Geschichten also in einem Roman. Doch er fällt deswegen nicht auseinander. Ein Drittes hält die beiden zusammen: die Aufmerksamkeit, die Susan Sontag ihrer Marina permanent zollt. Wohlgemerkt: „ihrer” Marina. Denn es scheint mir weniger das Interesse an einer historischen Begebenheit und ihrer Funktion als kulturgeschichtlicher Paradefall, das diesen Roman vorantreibt, als vielmehr die Faszination, die die Autorin angesichts der eigenen Konstruktion empfindet. Eine Art Pygmalion- Begeisterung regiert und dirigiert diesen Text – was die Frage aufwirft, wodurch die Figur Marina zu begeistern vermag.
Durch ihren Widerstand, durch ihre Entsagung? Dadurch, dass sie einem unfreien Land seine unfreie, folglich bloß missbrauchte und instrumentalisierte Heldin nimmt? Ja, natürlich – wenngleich alles historisch Polnische im Roman eher vage bleibt.Durch ihr Spiel, durch ihre Rollen? Ja, sicher – wenngleich die Schauspielkunst der Zalenska im Roman nie etwas anderes sein kann als eine Behauptung der Autorin. Wenn Marina auftritt, stehen im Text die Worte Shakespeares, gefolgt von begeisterten Kommentaren. Und wenn Marina selbst über die Rezepte ihres Erfolges spricht, dann sind das Bretterweisheiten, die man schon öfter gehört hat.
Die Attraktion der Zalenska geht von ihrer Fähigkeit aus, in den verschiedensten Lebenssituationen eine Diva zu sein. Sie ist es als polnische Schauspielerin unter Kuratel, sie ist es als Farmersfrau und Kopf einer Landkommune, sie ist es in Hoch- oder Reinkultur als amerikanischer Bühnenstar. Und sie ist es tief im Innern: als Frau – in ihrem teils emotionalen, dabei sehr reflektierten und dann wieder distanzierten, instrumentellen Umgang mit Männern. Sie ist es in ihrem Vermögen, Attraktion und Distanzierung fein zu dosieren: gegenüber ihrem Ehemann (einem latent Homosexuellen), ihrem Liebhaber (der als Künstler das große Gefühl sucht) und gegenüber all den Männern, die ihre Karriere fördern und begleiten. Marina ist eine Meisterin in der Inszenierung ihrer Person. „Wir spielen immer”, sagt eine Schnitzlersche Figur, „wer es weiß, ist klug.”
Drei Bücher also in einem. Und wahrscheinlich rührt mein leichtes Unbehagen an diesem Buch gerade von dem her, was man ihm auch als intellektuellen Reichtum oder literarische Bandbreite gutschreiben könnte. Ich glaube nun einmal, dass die Leidenschaft eines guten Romans nicht einer seiner Figuren, sondern dem Ungelösten seiner Geschichte gelten sollte. Susan Sontags „In Amerika” aber lese ich als eine offene Liebeserklärung an die Heldin, verbunden mit dem Versprechen, der Diva alles zu verzeihen und stets die Bewunderung über das Befremden zu stellen.Einmal zeigt sich das ganz deutlich, an der Stelle, wo die Geschichte der zu sich selbst emigrierten Schauspielerin eigentlich kippen müsste: als die Landkommune in der neuen Welt ihr Scheitern heraufziehen sieht. Ausgerechnet hier blendet Susan Sontag die fast dauernd auf höchste Lautstärke gedrehte Übertragung aus dem Innenleben ihrer Heldin aus. Ein Tagebuch ihres Mannes muss den langweiligen und kleinmütigen Rapport des ökonomischen Verfalls leisten. Erst als das baldige Ende des Experiments Amerika verkündet wird, meldet sich Marina wieder, doch nicht als gescheiterte Anführerin der enttäuschten Emigranten, sondern – als Diva, die sich wie unberührt zum Sturm auf die amerikanische Bühne rüstet.
In der Psycho-Logik von Susan Sontags Roman ist das zwingend: Diven triumphieren oder scheitern, doch immer im großen Stil. Für das Mittelmaß des Alltagslebens fehlt ihnen der Text ebenso wie die Empfindung. Ihre Selbstreflexionen sind Bühnenmonologe, ihr Leben ist eine Oberfläche, die Tiefe nur verheißt. Marina Zalenska überspielt erfolgreich jeden Abgrund, vor den sie das Schicksal stellt. Ob sie so die Heldin eines Romans sein kann, daran bleiben mir, der ich mehr als nur bewundern möchte, gewisse Zweifel. BURKHARD SPINNEN
SUSAN SONTAG: In Amerika. Roman. Aus dem Amerikanischen von Eike Schönfeld. Carl Hanser Verlag, München 2002. 464 Seiten, 24,90 Euro.
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"Der Roman gibt sich als historische Fiktion, und stellt den Stoff zur Schau, aus dem romantische Dramen gemacht sind. Er hat etwas Hybrides, Beunruhigendes und Originelles." (Michael Silverblatt, Los Angeles Book Review)