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#1-Bestseller der New York Times
Den betörend geheimnisvollen Namen Calypso teilen sich unter anderem eine griechische Meeresnymphe, ein afrikanisch-karibischer Tanzrhythmus und ein Saturnmond. Fragt man David Sedaris, ist Calypso ein besonders bescheuerter Name für eine Katze. Aber auch ein betörend geheimnisvoller Titel für die lang erwartete neue Geschichtensammlung eines der erfolgreichsten Humoristen unserer Zeit, der es wie kein anderer versteht, zarte Schönheit im Hässlichen zu entdecken und die banale Komik des schönen Scheins zu entlarven.
Die autobiografischen Geschichten in
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Produktbeschreibung
#1-Bestseller der New York Times

Den betörend geheimnisvollen Namen Calypso teilen sich unter anderem eine griechische Meeresnymphe, ein afrikanisch-karibischer Tanzrhythmus und ein Saturnmond. Fragt man David Sedaris, ist Calypso ein besonders bescheuerter Name für eine Katze. Aber auch ein betörend geheimnisvoller Titel für die lang erwartete neue Geschichtensammlung eines der erfolgreichsten Humoristen unserer Zeit, der es wie kein anderer versteht, zarte Schönheit im Hässlichen zu entdecken und die banale Komik des schönen Scheins zu entlarven.

Die autobiografischen Geschichten in Calypso kreisen um das solare Zentrum der Familie. In den Ferien und an Feiertagen kommt der Sedaris-Clan zusammen, im elterlichen Strandhaus, später in David Sedaris' eigener Zuflucht mit Meerblick, und flickt am generationsübergreifenden Quilt aus gescheiterten Beziehungen, tragischen Toden, späten Einsichten - und hartnäckiger Liebe zu den Freunden, die man sich nicht aussuchen kann.
Autorenporträt
David Sedaris, geboren 1956 in Johnson City, New York, aufgewachsen in Raleigh, North Carolina, lebt in England. Er schreibt u. a. für den New Yorker und BBC Radio 4. Mit seinen Büchern Naked, Fuselfieber, Ich ein Tag sprechen hübsch und Schöner wird's nicht wurde er zum Bestsellerautor. Zuletzt erschienen im Blessing Verlag Das Leben ist kein Streichelzoo. Fiese Fabeln (2011), Sprechen wir über Eulen - und Diabetes (2013), Calypso (2018) und Bitte lächeln! (2023) sowie seine vielbeachteten Tagebücher Wer's findet, dem gehört's (2017) und Kleine Happen (2023).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2018

Schnappschildkröte und Narzissmus
Der Erzählband "Calypso" von David Sedaris ist ein geschmeidiger Abgesang auf die spätkapitalistische Gesellschaft

Im Mittelpunkt dieses Buches steht eine Ekelhaftigkeit, die einem nach der Lektüre so schnell nicht aus dem Kopf gehen will: die Verfütterung eines Tumors an eine amerikanische Schnappschildkröte. Es handelt sich um ein äußerst aggressives, gefräßiges Tier, das mit sonstigen Schildkrötenarten kaum vergleichbar ist.

Was den Erzähler zu dieser Aktion antreibt, ist die eigenartige Vorstellung, ihm dabei zuzusehen, wie es sich "ein Stück von mir oder zumindest etwas, das einmal zu mir gehört hatte", einverleibt, und zwar "mit Genuss". Um eigenen Lustgewinn scheint es ihm dabei aber weniger zu gehen als um eine alltägliche Dosis Narzissmusbefriedigung: Nach der Fütterung besorgt sich der Erzähler zur Händereinigung erst einmal eine Packung Feuchttücher im Supermarkt. Klar, diese Passage ist grell überzeichnet und darin ziemlich komisch. Dies vermag ihre Abgründigkeit jedoch nur oberflächlich zu verdecken.

Der zwiespältige Eindruck wird dadurch unterstützt, dass die Verbindung von Schildkröte und Narzissmus in der Literaturgeschichte nicht unbekannt ist, im Gegenteil, auf ihr beruht eine Schlüsselszene in Joris-Karl Huysmans' "À rebours" (1884), einem Grundbuch der europäischen Dekadenzliteratur. Erzählt wird in ihm, wie die durchästhetisierte Existenz des Protagonisten mehr und mehr exzentrische Züge annimmt, bis hin zur Vergoldung des Panzers einer lebendigen Schildkröte und dessen Verzierung mit exquisiten Edelsteinen. Erfreuen kann sich Herzog Jean, so der Name des Protagonisten, an dem "goldglänzenden Schmuckstück" allerdings nur kurz. Die Schildkröte, so endet das entscheidende Kapitel, "hatte den glänzenden Luxus, den man ihr aufdrang . . . nicht vertragen können". "À rebours" ist das Porträt eines modernen Menschen, der zerrissen ist zwischen zivilisatorischer Sattheit und existentialer Sehnsucht, der Unendlichkeit seiner äußerlichen Bedürfnisse und der verstörenden Endlichkeit des Seins.

Auch wenn der als Humorist bekannte David Sedaris mit seinen neuen autobiographischen Erzählungen die Erwartungen seiner weltweiten Fangemeinschaft zweifellos erfüllen wird - die Zerrissenheit, die Huysmans so unvergesslich ins Bild gesetzt hat, ist auch in "Calypso" spürbar. Die episodisch-locker miteinander verbundenen Geschichten, die sich, wie häufig bei David Sedaris, um den Autor und Ich-Erzähler, seinen Partner Hugh und die Mitglieder seiner großen Familie drehen, sind durchzogen von Motiven der Dekadenz.

Dies sind, um nur ein paar Beispiele zu nennen: ein völlig aus dem Ruder gelaufenes Konsumverhalten (zum Shoppen fliegt der Erzähler eigens nach Japan, weil er nur dort seine kunstvoll zerschossenen Lieblingshemden erwerben kann), die Fetischisierung der neuesten Gadgets (bestimmend für seine körperliche Bewegung sind nicht die Anforderungen des alltäglichen Lebens, sondern das Vibrieren des "Fitibits" am Handgelenk), eine masochistische Lust am Fernsehtrash (von den "Leuten aus der Messie-Sendung" fühlt sich der Erzähler "auf unterhaltsame Weise abgestoßen") oder die Betrachtung des Gekreuzigten unter dem Gesichtspunkt der CampKultur (das Kreuz sei "praktisch dazu erfunden worden, Bauch und Schulter eines Mannes vorteilhaft in Szene zu setzen"). Was Huysmans Ende des neunzehnten Jahrhunderts anhand einer künstlich verfeinerten, im Verfall begriffenen Adelskultur der alten Welt schildert, versetzt David Sedaris in die Welt des westlichen Spätkapitalismus des frühen 21. Jahrhunderts.

Dass dieses Leben im Zustand einer verabsolutierten Gegenwart auf einem Phantasma beruht, darauf wird allerdings schon mit dem Titel hingedeutet. Bei Homer wird berichtet, dass die "hehre Göttin" Kalypso dem schiffbrüchigen Odysseus eine "nimmerverblühende Jugend" verspricht, sollte er sich dazu entschließen, für immer bei ihr zu bleiben. Entsprechend stellen für Sedaris' Erzähler das nahende Alter und der Tod denn auch die größten Provokationen dar. Dies zeigt sich an dem völligen Unverständnis, mit dem dieser seinem greisen Vater begegnet: So erscheint ihm etwa dessen sparsames Bemühen, möglichst viel Geld an die nachfolgende Generation zu vererben, damit es ihn selbst überlebe, schlichtweg absurd, zumal ihm völlig klar ist, dass die künftigen Erben das Vermächtnis in kürzester Zeit verprassen werden.

Hinzukommt die Irritation des Erzählers durch eine zunehmende Politisierung seines Lebens, das bislang stets komfortabel dahinperlte - zwischen East Sussex, seinem Wohnort, der Küste von North Carolina, wo sich das Ferienhaus der Familie befindet, und den Metropolen der Welt, in denen der Starautor seine Lesungen abhält. Diese neue, beunruhigende Entwicklung verbindet sich mit dem Namen Donald Trump.

Eine hochnervös durchwachte Wahlnacht, die sorgfältige Meidung des Politischen gegenüber Verwandten, die Aufkündigung jahrzehntealter Freundschaften per Facebook-Kurznachricht: Ohne dies im Einzelnen begründen zu können, legt David Sedaris nahe, dass mit den gegenwärtigen Tendenzen eine Epoche der politischen Selbstverständlichkeit an ihr Ende gekommen ist.

Bezeichnend ist bei all dem die Form der Texte. Die Erzählungen in "Calypso" sind so geschmeidig, so ohne jeden ästhetischen Widerstand, dass sie sich problemlos wegkonsumieren lassen. "Es waren alles bloß Geschichten", so kommentiert der Erzähler das nicht enden wollende, unverbindliche Gerede um ihn herum, auf dem seine eigenen Geschichten allerdings vielfach beruhen. David Sedaris' leichtes und doch tiefes, doppelbödiges Buch erweist sich damit als ein Produkt eben jener Kultur, deren Zuendegehen es selbst konstatiert. Es ist Analyse und Symptom zugleich.

KAI SINA

David Sedaris: "Calypso". Roman.

Aus dem Englischen von Georg Deggerich. Karl Blessing Verlag, München 2018. 272 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.10.2018

Buchhalter des Absurden
„Calypso“ heißt die neue Geschichtensammlung des Bestsellerautors David Sedaris,
der gern einen deutschen Pass für sich und seinen Freund hätte. Ein Treffen in Heidelberg
VON NORA REINHARDT
Shakespeare schrieb „To be or not to be“. Und David Sedaris schrieb, wie er als Junge den Tick hatte, überall die Lichtschalter abzulecken. Beides führte zu literarischem Weltruhm. Wenngleich in unterschiedlichen Kategorien. An die Sache mit den Lichtschaltern muss man automatisch denken, wenn man ihn in Heidelberg trifft, auf Station 31 von insgesamt sechzig seiner Welttournee. Aber nichts deutet mehr auf den Tick hin, Sedaris sieht heute aus wie der gepflegte, freundliche, wohlhabende Bestsellerautor und New Yorker-Kolumnist, der er ist: mit Hemd, Fitnessarmband, Brille und Lachfalten.
Seine Karriere als Humorist begann 1992 mit der autobiografischen Geschichte „Santaland Diaries“, in der er als Weihnachtself im Kaufhaus Macy’s arbeitet. Daraufhin schrieb er das wirklich komische „Naked“, in dem die Lichtschalter vorkommen. Seither hat er 15 Millionen Bücher verkauft und ist einer jener Autoren, die auf der Straße erkannt werden und mit ihren Lesungen die Carnegie Hall füllen können. Erst kürzlich hat das Archiv der Yale University seine Tagebücher, die Grundlage seines Buches „Wer’s findet, dem gehört’s“ waren, für eine halbe Million Dollar erworben.
Gerade ist Sedaris’ zehntes Buch „Calypso“ auf Deutsch erschienen. Es vereint autobiografische, skurrile Alltagsgeschichten, im Plauderton erzählt, es gibt ein Kapitel der besten Beschimpfungen weltweit, und erstmals sind auch deutlich tragischere Geschichten dabei. Hätte ein anderer die 21 Kurzgeschichten geschrieben, dann wäre es mit ziemlicher Sicherheit ein trübes Buch geworden. Es geht darin um den Freitod der eigenen Schwester, die Sprachlosigkeit gegenüber dem Vater, die alkoholkranke Mutter, einen Tumor.
Gleich zwei Personen machen sich im Flugzeug in die Hose, eine Katze wird erschossen, und Trump ist an der Macht. Jeder kann daraus ein deprimierendes Buch machen. Daraus ein gutes, deprimierendes Buch zu machen, ist schon schwieriger. Aber daraus Literatur zu machen, die man lachend liest und die weltweit ein Erfolg wird – das kann nur David Sedaris. Wie macht er das?
Das Herzstück des Buches sind zwei Kurzgeschichten über seine Schwester Tiffany. Sie hat er zuletzt vor 13 Jahren gesprochen. Er beschreibt Tiffany, so verwirrt sie wohl war, liebevoll. Er gleitet nie ins Melodramatische, Kitschige, Gefühlige ab, sein Ton bleibt sachlich. Aber das Kapitel hat zwei wohlgesetzte Pointen: Einmal lacht man über einen Streich seines Bruders, einmal über die zu enge Hose der Schwester. Es ist der comic relief, den der Leser so dringend braucht. Sedaris hat nach fast drei Jahrzehnten als Schriftsteller ein feines Gespür dafür, was man auf jeden Fall zu verschweigen hat. „Manche Geschichten über Tiffany kann man nicht schreiben, was schade ist, weil es einige gute Geschichten gewesen wären“ heißt es an einer Stelle.
Was denn zum Beispiel? David Sedaris zögert etwas, dann erzählt er von Tiffany. Wie sie sich einmal für 30 Dollar auf Ebay angeboten hat, mit dem Angebot, dem Bieter „alles zu erzählen, was David Sedaris nicht möchte, dass Sie es erfahren“. Dass sie ihn einmal anrief, um sich nach Sexualpraktiken zu erkundigen. Dass sie als bipolar diagnostiziert wurde, aber ihre Medikamente verkaufte und sich dafür lieber Straßendrogen kaufte. Dass sie als Prostituierte arbeitete. Nun wird klar, dass er im Buch die Light-Version von Tiffanys Leben aufgeschrieben hat.
Im Kapitel „Die Geisterwelt“ beschreibt Sedaris die letzte Begegnung mit Tiffany – und die wirft kein gutes Licht auf ihn. Er ließ ihr die Tür vor der Nase zuschlagen. „Das sollte“, sagt Sedaris, „eigentlich nicht ins Buch. Ich dachte: Das kannst du nicht schreiben. Das kann nicht in ein Buch.“ Aber er ließ es drin. Es ist die stärkste Passage geworden.
Die Schwester Tiffany ist tot, ja, das schon, aber immerhin hat man noch Schwester Amy, die mit der Verstorbenen für viel Geld über ein Medium Kontakt aufnehmen und – wo sie schon dabei ist – auch mal wieder mit ihrem Ex-Freund plaudern kann. Der Tumor ist, wie sich herausstellt, gutartig, und kann von einer Zufallsbekanntschaft herausoperiert, der Schwester tiefgekühlt geschickt und an eine Schildkröte verfüttert werden. Sedaris nimmt die tragischen Geschichten und lenkt sie ins Skurrile. Er setzt sich damit der großen Gefahr aus, herzlos zu erscheinen oder die Leser zu verlieren. Doch das geschieht nicht. Auch, weil er die Woody-Allen-Regel beachtet: Komödie ist Tragödie plus Zeit.
Sedaris schreibt und arbeitet beinahe wie ein Journalist. Interessantes notiert er in sein Notizbuch, aus dem er am Tag darauf die besten Geschichten überträgt. Auch im Gespräch, in Heidelberg auf der Hotelterrasse, notiert er immer wieder Wörter („Dudelsack“), Satzfetzen, Gedanken, Geschichten. Etwas über den Jungen, der gestern im ICE seine Currywurst im Bordrestaurant ausgespuckt hat, steht auch schon drin. Er ist ein Buchhalter des Absurden. Natürlich, gibt er zu, übertreibe er hie und da, lasse Details weg. Aber im Grunde schreibe er immer wahre Geschichten; geschult auch durch den New Yorker und die knallharte Fact-Checking-Abteilung. „Einmal schrieb ich über eine BBC-Dokumentation, ich hätte darin ‚ein Kamel und seine Freundin gesehen‘, daraufhin rief mich ein Fact Checker an und sagte: Kamele haben keine Freundinnen.“ Schwere Zeiten für Humoristen.
Kann Sedaris sich erinnern, wie er zum ersten Mal Nummer eins der New York Times-Bestsellerliste wurde? Nein, das nicht. Aber als er das erste Mal in der Top Ten war. Er rief seinen Vater an. Der legte auf. „Etwas, das ich über Großmutter geschrieben habe, hat ihm nicht gefallen“, sagt Sedaris. Er wirkt nun kurz getroffen, als habe sich das eben erst ereignet. Dann fängt er sich und sagt: „Sieht so aus, als rufe ich immer die Falschen zuerst an.“
Um ganz oben auf der Bestsellerliste zu stehen, müsse man im Schnitt 24 000 Bücher pro Woche verkaufen. Wie wichtig ist ihm dieser Erfolg? „Meine Agentin rief mich neulich an und sagte: Gute Neuigkeiten: Das Buch ist auf Platz drei. Ich sagte: Das wären gute Neuigkeiten, wenn ich auf Platz drei sein wollte.“ Er lacht, so wichtig ist es ihm dann auch wieder nicht. Alles für eine gute Pointe.
Weitere Lebensziele? Deutscher werden! „Ich möchte nur zwei Dinge: Einen deutschen Pass für mich und Hugh“, sagt der US-Amerikaner Sedaris, der in England lebt und eine Wohnung in Paris hat. Eine unvollständige Liste an Gründen, die er anführt: Der Brexit kommt. Er mag deutschen Kuchen. Er würde gern in Bremen oder Heidelberg wohnen. Die Deutschen werfen ihren Müll nicht in die Gegend! Eine Sache, die Sedaris in England wahnsinnig macht und weswegen er an einem normalen Arbeitstag nach dem Schreiben am Vormittag loszieht und auf seinen Spaziergängen Müll einsammelt. Er schafft bis zu 17 Müllsäcke, bis zu 70 Kilometer pro Tag.
Momentan ist er gewissermaßen halb Schriftsteller, halb Müllmann. Ein seltenes Teilzeitmodell. Deutsch lernt er auch schon seit Jahrzehnten. Eins seiner ersten Worte war „Eisschrank“, auf der Lesereise lernte er nun: „Du alte Nacktschnecke“ und den Unterschied zwischen Spuken und Spucken. Kaffee und Kuchen kann er schon in geschliffenem Deutsch bestellen.
Sedaris übt mit der Sprachlern-App Pimsleur: „Es gibt eine Lektion, in der ein Gast mit einem Kellner aneinandergerät. Am Ende streiten die beiden, und der Kellner wirft dem anderen an den Kopf: Sie verstehen gar nicht richtig Deutsch!“ Sedaris sagt den Satz laut und spricht ihn perfekt aus. Seines Wissens – und er hat die App für acht Sprachen verwendet, von Japanisch bis Schwedisch – ist Deutsch die einzige Sprache, in der es ein Streitgespräch in einer Lektion gibt.
Überhaupt, Streit. Ein Freund, erzählt Sedaris, rügt seine Ehefrau immer dafür, dass sie Toasts in klitzekleine Dreiecke schneidet, ganz so wie in vornehmen Hotels. „Das ist typisch, immer über deine Verhältnisse“, frotzelt der Freund dann.
Und worüber streiten er und sein Mann Hugh sich? Er und der Maler sind seit 25 Jahren ein Paar. „Ach, wenn man so lang zusammen ist, streitet man sich immer über die gleichen Dinge“. Man erwartet nun Banalitäten ähnlichen Kalibers, aber dann sagt Sedaris: Hugh habe krankhafte Stimmungsschwankungen und gehe partout nicht zum Arzt, er sage dann auf einmal: „Ich denke schon die ganze Woche darüber nach, mich umzubringen.“ Einmal hatte Hugh schon den Strick in seinem Atelier aufgehängt, als Sedaris von einem seiner Spaziergänge zurückkam. Es ist das erste Mal, dass er darüber spricht.
Die kleinen Toasts erscheinen nun sehr klein. David Sedaris bekommt feuchte Augen, setzt schließlich die Brille ab und reibt sich das Gesicht. Dazu fällt ihm keine Pointe ein.
Immer wieder notiert er Wörter
wie „Dudelsack“, Geschichten,
Satzfetzen, Gedanken
Er mag deutschen Kuchen,
er würde gern in Bremen
oder Heidelberg wohnen
Ein großer Humorist unserer Zeit und auch ein fleißiger Müllsammler: David Sedaris auf der Frankfurter Buchmesse, Oktober 2018.
Foto: oh
David Sedaris: Calypso. Aus dem Amerikanischen von Georg Deggerich. Karl Blessing Verlag, München 2018.
272 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Nora Reinhardt findet es bewundernswert, wir der New Yorker Autor David Sedaris mit Geschichten, die eigentlich tragisch sind, seine Leser zum Lachen bringt. Ein solches sei auch seine neue Geschichtensammlung "Calypso": Mit untrüglichem Gespür für den "comic relief" erzähle Sedaris hier autobiografisch geprägte Alltagsgeschichten, die zwar vom Selbstmord seiner Schwester, von der alkoholkranken Mutter oder von einem Tumor handeln, aber dank Sedaris' Feingespür für die Komik kleiner alttäglicher Skurrilitäten dennoch das Zeug zum Kassenschlager haben, lobt die beeindruckte Rezensentin, die Sedaris mittlerweile als einen "Buchhalter des Absurden" betrachtet.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Wer David Sedaris nocht nicht für sich entdeckt hat, sollte es schleunigst nachholen.« ZDF, Morgenmagazin
»Die Geschichten in ‚Calypso‘, die David Striesow mit feiner Lakonie und leiser Komik liest, drehen sich vor allem um Familie, um Geschwistertreffen und tiefe Freundschaften.«